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1 Volltexturteil gefunden
IBRRS 2016, 2455; IMRRS 2016, 1464; IVRRS 2016, 0031
Mit Beitrag
ProzessualesProzessuales
Wann müssen Zeugen in der Berufungsinstanz erneut vernommen werden?

BGH, Urteil vom 16.03.2016 - VIII ZR 326/14

1. Das Berufungsgericht muss einen bereits in erster Instanz vernommenen Zeugen erneut vernehmen, wenn es dessen protokollierte Aussage anders verstehen oder ihr ein anderes Gewicht beimessen will als die Vorinstanz.

2. Die nochmalige Vernehmung eines Zeugen kann allenfalls dann unterbleiben, wenn sich das Rechtsmittelgericht auf solche Umstände stützt, die weder die Urteilsfähigkeit, das Erinnerungsvermögen oder die Wahrheitsliebe des Zeugen noch die Vollständigkeit oder Widerspruchsfreiheit seiner Aussage betreffen.

3. Stützt das erstinstanzliche Gericht seine Würdigung auf die Vernehmung mehrerer Zeugen, bedarf es der erneuten Vernehmung sämtlicher Zeugen.

4. Nimmt eine Partei in der Berufungsbegründung ausdrücklich auf ihr erstinstanzliches Vorbringen einschließlich der dortigen Beweisantritte ergänzend Bezug, stellt sie damit unmissverständlich klar, dass sie die erstinstanzlichen Beweisantritte auch zum Gegenstand der Berufungsinstanz macht.

5. Eine Ergänzung oder Präzisierung des bereits erstinstanzlich gehaltenen schlüssigen Vortrags darf das Berufungsgericht nicht nach § 531 Abs. 2 ZPO zurückweisen.

6. Die Aufrechnung kann - wie jede Willenserklärung - auch stillschweigend erklärt werden. Deshalb darf das Berufungsgericht sich nicht auf die Feststellung beschränken, dass eine Partei keine ausdrückliche Aufrechnungserklärung abgegeben bzw. nicht den Ausdruck "Aufrechnung" benutzt hat. Vielmehr muss das Berufungsgericht im Wege der Auslegung prüfen, ob dem Verteidigungsvorbringen der Partei der Wille, eine Aufrechnung zu erklären, zu entnehmen ist.

7. Bezieht sich eine Partei zur Verteidigung gegen die Klageforderung auf die von ihr geltend gemachten und im einzelnen dargelegten Gegenforderungen und zieht diese sogar explizit von der Klageforderung ab, liegt - offensichtlich - eine konkludente Aufrechnungserklärung vor.

8. Vorauszahlungen stehen dem Vermieter als solche nicht mehr zu, wenn bereits Abrechnungsreife eingetreten ist.

9. Eine Änderung des Mietvertrags kann nur unter Beteiligung sämtlicher Vertragspartner wirksam vereinbart werden.

10. Bei der Änderung einer vertraglichen Vereinbarung über die Abrechnung von Nebenkosten in einem bestehenden Mietverhältnis handelt es sich nicht um ein Geschäft zur Deckung des angemessenen Lebensbedarfs.

11. Die bloße Nichtabrechnung von Nebenkostenvorauszahlungen durch den Vermieter kann aus der maßgeblichen Empfängersicht des Mieters regelmäßig schon nicht als Angebot einer Änderung der mietvertraglichen Umlagevereinbarung oder des Verzichts auf eine Abrechnung angesehen werden.