Bau-, Architekten- und Immobilienrecht.
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Aktuelle Urteile zum Recht am Bau
Online seit heute
IBRRS 2025, 0541
KG, Urteil vom 11.02.2025 - 21 U 89/23
1. Die vom Besteller eines Bauvertrags vorformulierte und dem Unternehmer gestellte Klausel, wonach dieser auf Vergütungsnachträge einen Preisnachlass in Höhe eines bestimmten Prozentsatzes zu gewähren hat, unterliegt als Preisvereinbarung nicht der Inhaltskontrolle nach § 307 BGB.*)
2. Die vom Besteller vorformulierte und dem Unternehmer gestellte Klausel, wonach der Besteller wegen der Kosten, die ihm für eine Bauwesenversicherung oder den Verbrauch von Strom und Wasser entstehen, zu einem pauschalen Abzug vom Vergütungsanspruch des Unternehmers berechtigt ist (hier in Höhe von 1,8 %), ist gem. § 307 BGB unwirksam, da der Abzug keinen Bezug zu den tatsächlichen Kosten des Bestellers und zum tatsächlichen Verbrauch des Unternehmers hat.*)
3. Die vom Besteller vorformulierte und dem Unternehmer gestellte Klausel, wonach dem Besteller eine vereinbarte Mängelsicherheit bis zum Ablauf der Verjährung seiner Mängelansprüche zusteht, stellt keine unangemessene Benachteiligung gem. § 307 BGB dar.*)
4. Die so definierte Sicherungsdauer ist abgelaufen, wenn eventuelle Mängelansprüche wegen noch unbekannter Mängel verjährt sind.*)
5. Der Besteller hat grundsätzlich dann Anspruch auf eine vereinbarte Mängelsicherheit, wenn einerseits der Vergütungsanspruch des Unternehmers für seine erbrachten Leistungen abschließend fällig geworden ist und andererseits dem Besteller wegen eines noch unentdeckten Mangels Rechte gegen den Unternehmer zustehen können. Es ist nicht erforderlich, dass der Unternehmer sämtliche ursprünglich in Auftrag gegebenen Leistungen erbracht oder der Besteller sie abgenommen hätte.*)
6. Macht der Besteller wegen eines Mangels an einem Werk, das er nicht abgenommen hat, einen Anspruch aus § 634 Nr. 2 oder Nr. 4 BGB geltend, so entsteht dieser Anspruch mit der ausdrücklichen oder konkludenten Erklärung des Bestellers, dass er die Erfüllung der Mangelbeseitigung durch den Unternehmer endgültig verweigere (vgl. BGH, IBR 2017, 186, IBR 2017, 187, und IBR 2017, 1014 - nur online).*)
7. Die Verjährung eines solchen Anspruchs richtet sich auch im Fall einer nicht abgenommenen Werkleistung nach § 634a BGB, wobei der Lauf der Verjährungsfrist mit der endgültigen Erfüllungsverweigerung durch den Besteller in Gang gesetzt wird.*)
8. Erklärt der Besteller, der die Werkleistung nicht abgenommen hat, wegen eines Mangels den Rücktritt oder die Minderung (§ 634 Nr. 3 BGB, vgl. BGH, IBR 2017, 187, 188) zu einem Zeitpunkt, in dem sein Primäranspruch auf Werkherstellung bereits verjährt ist, ist seine Erklärung gem. § 218 BGB unwirksam, wenn sich der Unternehmer auf die Verjährung beruft. Dem Besteller stehen wegen des Mangels dann keine an Rücktritt oder Minderung geknüpften Ansprüche gegen den Unternehmer zu.*)
9. Erklärt der Besteller, der die Werkleistung nicht abgenommen hat, wegen eines Mangels die endgültige Erfüllungsverweigerung zu einem Zeitpunkt, in dem sein Primäranspruch auf Werkherstellung bereits verjährt ist, ist diese Erklärung analog § 218 BGB unwirksam, wenn sich der Unternehmer hierauf beruft. Dem Besteller stehen wegen des Mangels dann keine an die Erfüllungsverweigerung geknüpften Ansprüche gemäß § 634 Nr. 2 oder Nr. 4 BGB gegen den Unternehmer zu.*)
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Online seit gestern
IBRRS 2025, 0497
OLG München, Urteil vom 21.01.2025 - 9 U 1310/24 Bau
1. Die Inanspruchnahme eines Bürgen aus einer zeitlich begrenzten Gewährleistungsbürgschaft auf erstes Anfordern setzt nicht voraus, dass in der Zahlungsaufforderung die geltend gemachten Mängel bezeichnet werden, sofern Abweichendes nicht vereinbart ist.*)
2. Eine Gewährleistungsbürgschaft umfasst grundsätzlich auch Ansprüche des Bestellers wegen Mängeln, die bei Abnahme bekannt waren und für die ein Vorbehalt bei Abnahme erklärt wurde.*)
3. Dies gilt auch dann, wenn der Umfang der Gewährleistungsbürgschaft auf "fertige und abgenommene Lieferungen/Arbeiten" beschränkt ist.*)
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IBRRS 2025, 0523
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LAG Baden-Württemberg, Urteil vom 20.11.2024 - 10 Sa 13/24
1. Will eine potentielle Kundin nicht von einer weiblichen Person (Arbeitnehmerin), sondern von einem männlichen Berater betreut werden, hat die Arbeitgeberin im Rahmen ihrer Reaktionsmöglichkeiten grundsätzlich den Schutzpflichten nach § 12 Abs. 4 AGG nachzukommen.*)
2. Tut sie dies nicht, kann der Entzug der potentiellen Kundin aus der Betreuungszuständigkeit der Arbeitnehmerin eine unmittelbare Benachteiligung i. S. des § 3 Abs. 1 AGG durch die Arbeitgeberin darstellen, die einen Entschädigungsanspruch auslöst.*)
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Online seit 21. Februar
IBRRS 2025, 0488
OLG Celle, Urteil vom 03.07.2023 - 6 U 69/22
1. Ein Brunnen ist mangelhaft, wenn an der Baustelle artesisches Grundwasser ansteht und der vom Auftragnehmer angebotene und errichtete Brunnen bei artesischen Grundwasserverhältnissen nicht ausreichend ist.
2. Ein Ausschluss der Mängelhaftung kommt nur dann in Betracht, wenn der Auftragnehmer den Auftraggeber ausreichend über die Risiken aufgeklärt hat (hier: Unbrauchbarkeit des Brunnens bei artesischen Grundwasserverhältnissen).
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IBRRS 2025, 0472
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LG Rostock, Urteil vom 20.11.2024 - 2 O 450/24
1. Wer trotz deutlicher Hinweise auf die Manipulation einer E-Mail mit angehängter Rechnung (hier u.a. eine ausländische Bankverbindung) eine Überweisung tätigt, muss sich ein Mitverschulden entgegenhalten lassen.
2. Insbesondere eine geänderte Bankverbindung ist ein so ungewöhnlicher Umstand, dass der die Zahlung leistende Auftraggeber sich beim empfangenden Auftragnehmer hätte vergewissern müssen, dass die Bankverbindung korrekt ist.
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Online seit 20. Februar
IBRRS 2025, 0311
OLG Schleswig, Urteil vom 18.12.2024 - 12 U 9/24
1. Die Zahlung eines Schlussrechnungsbetrags aus einer Werklohnrechnung durch einen privaten Kunden nicht auf das Konto des Werkunternehmers, sondern auf das Konto eines unbekannten Dritten, nachdem die vom Werkunternehmer per E-Mail versandte Rechnung unbefugt verändert worden ist, führt nicht zur Erfüllung der Zahlungsverpflichtung i.S.v. § 362 Abs. 2 BGB.*)
2. Dem Kunden kann allerdings ein Schadensersatzanspruch in Höhe der auf das Drittkonto getätigten Überweisung zustehen, den er der Klageforderung des Werkunternehmers unter dem Gesichtspunkt der dolo-agit-Einwendung gem. § 242 BGB entgegenhalten kann.*)
3. Ein solcher Schadensersatzanspruch kann aus Art. 82 DSGVO resultieren.*)
4. ...
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Online seit 17. Februar
IBRRS 2025, 0412
OLG Naumburg, Urteil vom 10.10.2024 - 2 U 69/23
1. Die Anforderungen aus öffentlich-rechtlichen Vorschriften gehören auch ohne ausdrückliche vertragliche Erwähnung zu der Sollbeschaffenheit einer Werk- oder Bauleistung.
2. Die Vorschrift des § 48 GEG in der Fassung vom 08.08.2020 über Anforderungen bei baulichen Änderungen an einem Bestandsgebäude ist auf Arbeiten der Fassadensanierung nur eingeschränkt anwendbar.*)
3. Die in Anlage 7 zu § 48 GEG unter Nr. 1 b, 2. Anstrich, aufgeführte "Erneuerung des Außenputzes einer bestehenden Wand" setzt voraus, dass der gesamte vorhandene Putz entfernt bzw. abgeschlagen wird. Nicht einschlägig ist die Vorschrift hingegen, soweit lediglich eine Reparatur von Fehlstellen stattfindet, die jedoch nicht die gesamte Außenwand betrifft.*)
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Online seit 13. Februar
IBRRS 2025, 0411
OLG Naumburg, Urteil vom 25.05.2023 - 2 U 126/20
1. Ergibt sich aus einer Kündigungserklärung des (Nach-)Auftraggebers gegenüber dem (Nach-)Unternehmer der Wille des Erklärenden, eine Kündigung aus wichtigem Grunde auszusprechen, nicht eindeutig, so gehen diese Unklarheiten zu Lasten des Auftraggebers mit der Folge, dass die Kündigung die Rechtswirkungen einer sog. "freien" Kündigung auslöst.*)
2. Die Verletzung der vertraglichen Nebenpflicht in einem VOB-Bauvertrag über Stundenlohnarbeiten, auf eine wirtschaftliche Betriebsführung zu achten, führt nicht unmittelbar zu einer Verminderung der Vergütung, sondern zu einem Anspruch des Auftraggebers auf Schadensersatz nach § 280 Abs. 1 BGB, welcher auf die Freistellung von der Vergütungspflicht bezüglich des zur Herbeiführung des Werkerfolgs nicht erforderlichen Zeitaufwands und damit wirtschaftlich auf eine Herabsetzung der Vergütung gerichtet ist.*)
3. Verfügt der (Nach-)Auftraggeber über eine detaillierte und fachkundige Kenntnis über das Leistungssoll, so hat er auch eine ausreichende eigene Kenntnis für den Vortrag konkreter Anhaltspunkte für eine angeblich unwirtschaftliche Leistungsausführung durch den (Nach-)Unternehmer. In diesem Falle ist eine sekundäre Darlegungslast des (Nach-)Unternehmers nicht begründet.*)
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Online seit 12. Februar
IBRRS 2025, 0387
OLG Brandenburg, Urteil vom 18.12.2024 - 4 U 218/21
1. Die Parteien eines Werkvertrags vereinbaren im Zweifel (konkludent) auch die Funktionstauglichkeit des Werks als Beschaffenheit, wozu insbesondere die Einhaltung der allgemein anerkannten Regeln der Technik gehört.
2. Allgemein anerkannte Regeln der Technik sind solche technischen Regeln, die sich unter einer hinreichenden Zahl kompetenter Fachleute als theoretisch richtig durchgesetzt und die sich in der Baupraxis als richtig bewährt haben (hier bejaht für das Merkblatt "DWE M 377 (Biogas-Speichersysteme, Sicherstellung der Gebrauchstauglichkeit und Tragfähigkeit von Membranabdeckungen)").
3. Grundsätzlich ist der Lieferant von (Bau-)Stoffen oder Materialien, die der Unternehmer bei der Herstellung seines Werks verwendet, nicht Erfüllungsgehilfe des Unternehmers, sodass dieser nicht für ein Verschulden des Lieferanten haftet. Ein Verschulden des Unternehmers kann jedoch anzunehmen sein, wenn besondere Umstände vorliegen, die ihn zur Untersuchung der vom Lieferanten gelieferten Sache auf Fehlerfreiheit und einwandfreies Funktionieren hätten veranlassen müssen.
4. Der Abschluss eines (zweiten) Werkvertrags mit dem alten Unternehmer über die Beseitigung von (potentiellen) Mängeln aus einem früheren Werkvertrag kann im Einzelfall gleichzeitig als (konkludenter) Vertrag auf Erlass etwaiger Gewährleistungsansprüche ausgelegt werden. Dies ist jedoch wegen der weitreichenden Wirkung eines Erlasses nur in eindeutigen Fällen anzunehmen.
5. Eine sittenwidrige Kollusion kommt bei einem Vertragsschluss in Betracht, wenn die eine Seite mit einem (gesetzlichen oder rechtsgeschäftlichen) Vertreter der anderen Seite zu deren Nachteil in anstößiger Weise zusammenwirkt.
6. Beseitigt der Unternehmer die Mängel und haben die Vertragsparteien die Klärung der Mängelhaftung hintenan gestellt, kann sich der Unternehmer nicht auf eine fehlende Fristsetzung zur Nacherfüllung berufen, wenn sich später seine Pflicht zur Haftung für die Mängel herausstellt.
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IBRRS 2025, 0400
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OLG München, Urteil vom 08.01.2025 - 7 U 1776/23
1. Voraussetzung für einen Vertragsschluss nach den Grundsätzen über das kaufmännische Bestätigungsschreiben sind u.a. Verhandlungen, die auch per WhatsApp geführt werden können.
2. Eine Rechnung, in der vorangegangene Verhandlungen und Abreden per WhatsApp zusammengefasst werden, kann ein kaufmännisches Bestätigungsschreiben darstellen.
3. Allgemeine Geschäftsbedingungen des Verkäufers werden durch die Inbezugnahme in einem kaufmännischen Bestätigungsschreiben Vertragsbestandteil.
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Online seit 11. Februar
IBRRS 2025, 0375
OLG Schleswig, Urteil vom 17.01.2025 - 1 U 37/24
1. Die Vorleistungspflicht des Werkunternehmers, die die Zahlung des Werklohns von der Abnahme abhängig macht, ist ein gesetzliches Leitbild.
2. Ein Abweichen von diesem Leitbild führt nur dann nicht zu einer Unwirksamkeit der Klausel, wenn die Leitbildabweichung sachlich gerechtfertigt ist und der gesetzliche Schutzzweck auf andere Weise sichergestellt wird.
3. Ein Werkvertrag mit Dauerschuldcharakter (hier: Radiowerbevertrag) mit einer formularmäßig vereinbarten Vorleistungspflicht benachteiligt den Besteller unangemessen i.S.d. § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB.*)
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Online seit 10. Februar
IBRRS 2025, 0313
OLG Frankfurt, Urteil vom 17.01.2022 - 29 U 30/21
1. Das Verhalten des Auftraggebers ist unter Berücksichtigung des Kooperationsgebots, wonach sich der Auftraggeber nicht hinter einem Schweigen verschanzen darf, sondern nach Treu und Glauben gehalten ist, sich zu erklären, auszulegen (hier: Freigabe der Ausführungspläne).
2. Einem rein passiven Verhalten ist grundsätzlich kein rechtsgeschäftlicher Erklärungswert beizumessen. Schweigen im Rechtsverkehr bedeutet grundsätzlich Ablehnung.
3. Vom Schweigen abzugrenzen ist eine stillschweigende Erklärung, die vorliegen kann, wenn sich die Vertragspartner stillschweigend auf eine tatsächlich veränderte Situation einstellen, etwa durch das Ergebnis einer Abstimmung der Vertragsparteien oder deren Vertreter bei einem Baustellengespräch oder im Rahmen eines Schriftwechsels.
4. Die Auslegung des Verhaltens einer Partei hat sich am objektiven Empfängerhorizont zu orientieren, weshalb eine konkludente Anordnung oder sonstige rechtsgeschäftliche Erklärung auch dann in Betracht kommt, wenn dem Auftraggeber nicht bewusst ist, dass die vom Auftragnehmer vorgelegten Ausführungspläne von den ursprünglichen Plänen abweichen.
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IBRRS 2025, 0351
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BGH, Beschluss vom 14.01.2025 - VIII ZR 100/24
1. Der Beginn der Rügefrist kann vertraglich über den handelsrechtlich vorgesehenen Zeitpunkt der "Ablieferung" hinaus auf denjenigen der "Inbetriebnahme" verschoben werden.
2. Übergibt der Verkäufer dem Käufer nicht die vertraglich geschuldete Betriebsanleitung, beginnt die zwischen den Parteien vereinbarte Rügefrist nicht zu laufen. Eine vollständige Lieferung wird nicht dadurch entbehrlich, dass die Parteien eine Inbetriebnahme der gelieferten Kaufsache für den Beginn der Rügefrist als erforderlich erachtet haben.
3. In den Entscheidungsgründen müssen die wesentlichen Tatsachen- und Rechtsausführungen verarbeitet werden. Wenn ein bestimmter Vortrag einer Partei den Kern ihres Vorbringens darstellt und für den Prozessausgang von entscheidender Bedeutung ist, besteht für das Gericht eine Pflicht, die vorgebrachten Argumente zu würdigen und in den Entscheidungsgründen hierzu Stellung zu nehmen. Ein Schweigen lässt hier den Schluss zu, dass der Vortrag der Prozesspartei nicht oder zumindest nicht hinreichend beachtet wurde.
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Online seit 7. Februar
IBRRS 2025, 0350
BGH, Urteil vom 06.12.2024 - V ZR 229/23
1. Der allgemeine Sprachgebrauch ist als allgemeiner Erfahrungssatz revisibel.*)
2. Es gibt keinen allgemeinen Sprachgebrauch des Inhalts, dass unter einem in einem bestimmten Jahr komplett erneuerten Dach stets nur die Erneuerung der obersten Dachschicht (hier: Bitumenbahnen) zu verstehen ist.*)
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Online seit 6. Februar
IBRRS 2025, 0312
OLG Frankfurt, Urteil vom 06.03.2023 - 21 U 15/22
1. Eine Duldungsvollmacht kann auch dann anzunehmen sein, wenn der Auftragnehmer Kenntnis davon hat und es duldet, dass Beschaffenheitsmerkmale der von ihm an den Auftraggeber zu erbringenden Leistungen unmittelbar zwischen dem von ihm herangezogenen Hersteller und dem Hauptauftraggeber vereinbart werden.
2. Auch nach Abnahme ist es Sache des Auftragnehmers, darzulegen und zu beweisen, dass einem auf die Mängeleinrede gestützten Zurückbehaltungsrecht des Auftraggebers der Einwand entgegensteht, die Mängelbeseitigung sei unverhältnismäßig.
3. Für die Berechtigung des Mängeleinbehalts kommt es nicht darauf an, ob eine angemessene Nacherfüllungsfrist gesetzt wurde. Das bloße Bestehen eines Mangels genügt, um den Auftraggeber zur Zurückbehaltung zu berechtigen.
4. Der Auftraggeber kann sich auch dann auf das ihm zustehende Zurückbehaltungsrecht berufen, wenn vom Hauptauftraggeber des Auftraggebers eine Nacherfüllung nicht mehr verlangt wird und trotz des Mangels gezahlt wurde. Erst bei Geltendmachung sekundärer Ansprüche kann es nach den Grundsätzen einer schadensersatzrechtlichen Vorteilsausgleichung darauf ankommen, dass dem Auftraggeber aus der mangelhaften Werkleistung deshalb ein Schaden nicht entstanden war, da er von seinem Hauptauftraggeber vollständig bezahlt worden war.
5. Eine Gewährleistungs- oder Vertragserfüllungsbürgschaft ist nicht schon deshalb wegen Wegfalls des Sicherungszwecks herauszugeben, weil die in § 17 Abs. 8 Nr. 2 VOB/B bestimmte Frist von zwei Jahren ab Abnahme verstrichen ist. Auch in einem solchen Fall steht dem Auftraggeber das Recht zur Zurückbehaltung einer von ihm erlangten Gewährleistungssicherheit jedenfalls dann zu, wenn er die Mängel in unverjährter Zeit gerügt hatte.
6. Eine Gewährleistungsbürgschaft ist grundsätzlich zumindest teilweise freizugeben, wenn der voraussichtliche Mängelbeseitigungsaufwand unterhalb der Bürgschaftssumme bleibt.
Online seit 5. Februar
IBRRS 2025, 0288
OLG Köln, Beschluss vom 02.05.2022 - 19 U 98/21
1. Wenn der Auftragnehmer während einer laufenden Nacherfüllungsfrist die Mängelbeseitigung ernsthaft und endgültig verweigert, muss der Auftraggeber den Fristablauf nicht mehr abwarten, um weitergehende Rechte auszuüben.
2. Der Auftraggeber kann dem Werklohnanspruch des Auftragnehmers einen Vorschussanspruch im Wege der Aufrechnung entgegenhalten. Der Vorschussanspruch wäre nur dann ausgeschlossen, wenn der Auftraggeber auf eine ausreichend geleistete oder einbehaltene Sicherheit zurückgreifen kann oder Werklohn einbehalten hat und ihm dadurch die erforderlichen Mittel zur Mängelbeseitigung zur Verfügung stehen.
3. Für die Bemessung des Vorschusses ist der Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung maßgeblich, so dass Preisveränderungen in jede Richtung erfasst werden.
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Online seit 3. Februar
IBRRS 2025, 0287
OLG Köln, Beschluss vom 27.11.2023 - 16 U 13/23
1. Eine während der noch laufenden Mängelbeseitigungsfrist erklärte Kündigung des Auftraggebers kann eine treuwidrige Vereitelung der dem Auftragnehmer eingeräumten Mängelbeseitigungsmöglichkeit darstellen.
2. Der Auftraggeber kann ein die erfolglose Fristsetzung zur Mängelbeseitigung voraussetzendes Mängelbeseitigungsrecht auch schon vor Fristablauf geltend machen, wenn feststeht, dass der Auftragnehmer die Frist zur Mängelbeseitigung nicht einhalten wird und es dem Auftraggeber nicht zumutbar ist, den Ablauf der Frist noch abzuwarten.
3. Gibt der Auftraggeber dem Auftragnehmer eine erneute Gelegenheit zur Mängelbeseitigung, lebt zwar hierdurch das Mängelbeseitigungsrecht des Auftragnehmers nicht wieder auf, doch muss der Auftraggeber die von ihm gesetzte Frist selbst beachten.
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Online seit 31. Januar
IBRRS 2025, 0251
OLG München, Urteil vom 20.01.2025 - 17 U 8292/21
1. Ein Tiefbauunternehmer ist grundsätzlich dazu verpflichtet, sich vor der Ausführung seiner Leistung über die Existenz und den Verlauf von Rohrleitungen zu erkundigen.
2. Ein Tiefbauunternehmer kann sich nicht auf Unkenntnis der Lage einer Rohrleitung berufen, wenn er sich nicht vergewissert hat, dass der Baugrund, auf dem er baggern will, frei ist.
3. Beschädigt der Tiefbauunternehmer bei der Ausführung seiner Arbeiten eine Rohrleitung, ist eine Abrechnung des fiktiven Schadens möglich. Dies gilt auch dann, wenn der geschädigte Auftraggeber den Schaden durch Verlegung eines neuen Rohrs selbst beseitigt hat.
4. Dem geschädigten Auftraggeber steht kein Wahlrecht zwischen "Nachbesserung" oder "Ersatzlieferung" zu.
5. Vorbereitungskosten sind als Kosten des Rechtsstreits zu erstatten, wenn die entsprechende Aufwendung mit einem konkreten bevorstehenden Rechtsstreit in unmittelbarer Beziehung steht und seiner Vorbereitung dienen soll. Dazu gehören solche Aufwendungen nicht, die die Partei macht, um sich erst die Grundlage für ihre Entscheidung zu verschaffen, ob prozessiert werden soll oder nicht.
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Online seit 29. Januar
IBRRS 2025, 0176
OLG München, Urteil vom 24.05.2022 - 9 U 1201/20 Bau
1. Dem Auftragnehmer steht für die Erbringung ohne Auftrag erbrachter Leistungen ein Anspruch auf Aufwendungsersatz in Höhe der üblichen Vergütung zu, wenn die Leistungen für die Erreichung des werkvertraglichen Erfolgs notwendig waren (hier bejaht für einen Brandschutznachweis).
2. Erbringt der Auftragnehmer für zwei unterschiedliche Auftraggeber auf zwei nebeneinanderliegenden Grundstücken gleichzeitig Bauleistungen, ist für Leistungen, die beiden Grundstücken dienen, eine Kostenteilung zu erwarten und angemessen. Ein Auftraggeber kann sich in einer solchen Konstellation nicht darauf berufen, dass er nur solche Leistungen vergüten muss, die ausschließlich seinem Grundstück zugute gekommen sind.
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Online seit 28. Januar
IBRRS 2025, 0236
OLG Oldenburg, Urteil vom 24.01.2025 - 14 U 59/24
1. Vorformulierte Sicherungsabreden benachteiligen den Auftragnehmer unangemessen und sind unwirksam, wenn der Auftraggeber missbräuchlich eigene Interessen durchzusetzen versucht, ohne die Interessen des Auftragnehmers hinreichend zu berücksichtigen und ihm einen angemessenen Ausgleich zuzugestehen. Die unangemessene Benachteiligung kann sich auch aus einer Gesamtwirkung mehrerer, jeweils für sich genommen nicht zu beanstandender Vertragsbestimmungen ergeben.
2. Regelmäßig ist eine unangemessene Benachteiligung des Auftragnehmers anzunehmen, wenn die Vertragserfüllungssicherheit 10% und die Gewährleistungssicherheit 5% der Bruttoauftragssumme übersteigen. Eine solche Überschreitung kann sich auch aus dem Zusammenwirken von Vertragserfüllungssicherheit und einer Regelung zur Bezahlung von Abschlagsrechnungen ergeben.
3. Eine unangemessene Benachteiligung des Auftragnehmers liegt auch dann vor, wenn sich der Auftraggeber über das "Höchstmaß" der zu stellenden Sicherheiten hinaus die Erfüllungs- und Gewährleistungsansprüche des Auftragnehmers gegen seine Nachunternehmer zur Sicherheit abtreten lässt (entgegen OLG Frankfurt, IBR 2024, 14).
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Online seit 27. Januar
IBRRS 2025, 0181
OLG Dresden, Urteil vom 09.05.2023 - 14 U 1343/22
1. Bei Umlagen für die Bauwesenversicherung einerseits und Baustrom sowie Bauwasser andererseits handelt es sich um Preishauptabreden, die der AGB-Inhaltskontrolle entzogen sind.
2. Der Auftraggeber ist nicht berechtigt, einen (vereinbarten) Abzug für die Bauwesenversicherung vorzunehmen, wenn er auf Verlangen des Auftragnehmers nicht nachweisen kann, dass er eine Bauwesenversicherung abgeschlossen hat.
3. Optische Fehler (hier: Unebenheiten einer Tiefgaragenbeschichtung) sind nur dann als Mängel zu qualifizieren, wenn bestimmte qualitative oder gestalterische Anforderungen an Oberflächen als Beschaffenheit vereinbart sind (Abgrenzung zu OLG Hamburg, IBR 2019, 14).