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Online seit 3. Januar

IBRRS 2025, 0015
Beitrag in Kürze
Architekten und IngenieureArchitekten und Ingenieure
Verzögerte Baufertigstellung = Mangel des Architektenwerks?

OLG Stuttgart, Urteil vom 23.07.2024 - 12 U 158/23

1. Von einem Garantievertrag mit einem Architekten über einen auf die Fertigstellung bezogenen Termin ist nur im Ausnahmefall auszugehen. Dafür muss im Wege der Vertragsauslegung erkennbar sein, dass sich der Architekt zum Ersatz der infolge der Terminüberschreitung entstandenen Schäden verpflichten möchte, ohne dabei einwenden zu können, die Nichteinhaltung des Termins sei nicht von ihm zu vertreten (hier verneint).

2. Voraussetzung für eine bauwerksbezogene zeitliche Beschaffenheitsvereinbarung ist der erkennbare Wille des Architekten, im Rahmen der geschuldeten Planungs- und Überwachungsziele schadensersatzbewehrt ohne die Möglichkeit einer Nacherfüllung und auch ohne die zusätzlichen Voraussetzungen des Verzuges dafür einzustehen, dass das Bauwerk zu einem bestimmten Termin fertiggestellt wird (hier verneint).

3. Der Architektenvertrag zeichnet sich dadurch aus, dass der Architekt eine Planungs- oder Überwachungsleistung verspricht, die nur als Grundlage für die Errichtung eines mangelfreien Bauwerks geeignet ist. Er verspricht dagegen nicht, dass das Bauwerk tatsächlich mangelfrei - in diesem Sinne also bis zu einem bestimmten Termin - errichtet wird.

4. Eine Terminangabe kann als tatsachenbasierte Prognosen über eine bloße Wissensmitteilung hinaus auch als Willensmitteilung eine rechtliche Bedeutung haben, die darauf gerichtet ist, den Zeitpunkt ordnungsgemäßer Leistungserbringung nach § 271 Abs. 1 BGB verbindlich zu konkretisieren und insoweit Bedeutung für eine Verzugshaftung erlangen.

5. Für einen Schadensersatzanspruch wegen Verzugs mit einer geschuldeten Leistung (hier: Deckenspiegelplanung) muss der Auftraggeber darlegen und beweisen, dass überhaupt bestimmte Handlungen des Architekten zu einem bestimmten Zeitpunkt erforderlich gewesen wären, um eine termingerechte Errichtung des Bauwerks zu erreichen. Erforderlich ist eine konkrete bauablaufbezogene Darstellung der jeweiligen Verzögerungen unter Gegenüberstellung der Ist- und Soll-Abläufe.

6. Zur Mangelfreiheit des Architektenwerks gehört es auch, dass der Architekt ein zügiges Tätigwerden der Unternehmer veranlasst. Zu diesem Zweck hat er einen Bauzeitenplan aufzustellen und seine Einhaltung durch die Bauunternehmer zu überwachen. Da Bauzeitenpläne gegenüber den bauausführenden Unternehmen nur dann verbindlich sind, wenn eine entsprechende Vereinbarung ausdrücklich im Bauvertrag getroffen ist, hat der Architekt auch dies zu veranlassen. Wo Mahnungen der Unternehmer erforderlich werden, hat der Architekt sie auszusprechen bzw. zu veranlassen.

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IBRRS 2025, 0018
VergabeVergabe
Eignungskriterien sind eindeutig bekannt zu machen!

VK Bund, Beschluss vom 25.10.2024 - VK 1-88/24

1. Auch im Anwendungsbereich der Sektorenverordnung (SektVO) sind Angebote, die nicht den Vorgaben der Vergabeunterlagen entsprechen, im Rahmen der Wertung auszuschließen.

2. Die Vorschrift des § 15 Abs. 5 VgV, wonach der öffentliche Auftraggeber von den Bietern Aufklärung über das Angebot oder deren Eignung verlangen kann, findet im Anwendungsbereich der SektVO entsprechend Anwendung.

3. Der Ausschluss eines Angebots wegen der Nichterfüllung von Anforderungen an die Eignung setzt voraus, dass diese Anforderungen im Vergabeverfahren wirksam aufgestellt wurden. Eignungskriterien sind, in der Auftragsbekanntmachung, der Vorinformation oder der Aufforderung zur Interessenbestätigung aufzuführen.

4. Die wirksame Aufstellung von Eignungskriterien erfordert ihre eindeutige Bekanntmachung. Wird in der Bekanntmachung explizit nur auf die Anforderungen im Musterteilnahmeantrag verwiesen, sind die im Text der ebenfalls - allerdings nur in einem größeren Konvolut - beigefügten Angebotserklärung genannten zusätzlichen Präqualifikationsbereiche hiervon nicht in der notwendigen Bestimmtheit erfasst.

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IBRRS 2025, 0004
Öffentliches BaurechtÖffentliches Baurecht
"Nachtaktiver" Imbiss ist rücksichtslos!

OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 24.09.2024 - 7 A 359/22

1. Von einem Imbissbetrieb, der im Rahmen der erstrebten Öffnungszeiten ersichtlich der Versorgung von "Nachtschwärmern" aus den in der Nähe befindlichen zahlreichen Gaststätten und Vergnügungsstätten dient, gehen jedenfalls an den Wochenenden Lärmbeeinträchtigungen ausgehen, die mit dem gebotenen Schutz der Nachtruhe für die Wohnbevölkerung nicht vereinbar sind.

2. Die Annahme eines Verstoßes gegen das Rücksichtnahmegebot hängt nicht davon ab, ob und inwieweit eine Erweiterung der Betriebszeiten Vorbildwirkung für andere Betriebe haben könnte bzw. ob vergleichbare gastronomische Betriebe in der Umgebung längere Öffnungszeiten haben.

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IBRRS 2024, 3668
WohnungseigentumWohnungseigentum
Versagung einer Einsicht in die Verwaltungsunterlagen ist nur formeller Fehler

AG Hamburg-St. Georg, Urteil vom 20.12.2024 - 980a C 38/23 WEG

1. Wird einem Eigentümer die Einsicht in die Verwalterunterlagen vor der Beschlussfassung über die Genehmigung der Jahresrechnung verweigert, wird hierdurch lediglich ein formeller Beschlussfehler begründet.

2. Formelle Beschlussfehler müssen sich auf das Beschlussergebnis ausgewirkt haben, damit ein Verstoß gegen die Grundsätze ordnungsmäßiger Verwaltung anzunehmen ist. Eine Ungültigerklärung scheidet daher aus, wenn feststeht, dass der angefochtene Beschluss auch ohne den Mangel ebenso gefasst worden wäre, wobei die Kausalität des Mangels zu Gunsten des Anfechtungsklägers - widerleglich - vermutet wird.

3. Dies ist bei einer verweigerten Einsichtnahme in die Verwalterunterlagen zu verneinen, da sie nachgeholt werden kann.

4. Die Versagung einer begehrten Einsicht in die Verwaltungsunterlagen im Vorfeld einer Eigentümerversammlung begründet auch dann lediglich einen formellen Beschlussfehler, wenn es sich um solche Beschlüsse handelt, mit denen die Vornahme baulicher Veränderung ohne vorherigen Beschluss der Eigentümerversammlung durch den antragenden Eigentümer, dessen Anspruch auf Einsichtnahme nicht erfüllt worden ist, nachträglich legalisiert werden soll.

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IBRRS 2025, 0012
RechtsanwälteRechtsanwälte
beA-Versand einfach signierter Dokumente kann nicht delegiert werden!

BFH, Beschluss vom 05.11.2024 - XI R 10/22

1. Ein elektronisches Dokument, das aus einem besonderen elektronischen Anwaltspostfach (beA) versandt wird und nicht mit einer qualifizierten elektronischen Signatur versehen ist, ist nur dann wirksam auf einem sicheren Übermittlungsweg bei Gericht eingereicht, wenn die das Dokument signierende (und damit verantwortende) Person mit dem tatsächlichen Versender übereinstimmt.*)

2. Der Inhaber eines beA darf sein Recht, nicht qualifiziert elektronisch signierte Dokumente auf einem sicheren Übermittlungsweg zu versenden, nicht auf andere Personen (zum Beispiel Angestellte der Kanzlei) übertragen (Anschluss an die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, des Bundesgerichtshofs, des Bundessozialgerichts und des Bundesverwaltungsgerichts).*)

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IBRRS 2025, 0016
ProzessualesProzessuales
Zuständigkeitsbestimmung auch im selbständigen Beweisverfahren!

OLG Düsseldorf, Beschluss vom 08.11.2024 - 3 SA 1/24

1. § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO findet auf das selbständige Beweisverfahren nach §§ 485 ff. ZPO Anwendung.*)

2. Erfüllungsort für Wartungsdienstleistungen aus einem Werkvertrag ist beim Fehlen einer entgegenstehender Vereinbarung aufgrund der Umstände gem. § 269 Abs. 2 BGB der Ort der Niederlassung des Werkunternehmers.*)

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Online seit 2. Januar

IBRRS 2025, 0014
Beitrag in Kürze
Architekten und IngenieureArchitekten und Ingenieure
Ingenieur schuldet nur die beschriebenen Leistungen!

OLG Rostock, Urteil vom 07.09.2021 - 4 U 44/17

1. Der Umfang und Inhalt der geschuldeten Leistung des Ingenieurs ist durch Auslegung des individuellen Vertrags nach den allgemeinen Grundsätzen des bürgerlichen Vertragsrechts zu ermitteln, nicht nach der HOAI.

2. Sieht der Vertrag das "Überwachen der Beseitigung von Mängeln innerhalb der Gewährleistungsfristen und Dokumentation des Gesamtergebnisses" vor, wird davon eine Objektbegehung im Sinne der Grundleistung der HOAI-Leistungsphase 9 nicht umfasst. Das gilt auch dann, wenn die vertraglich vorgesehene Vergütung dem Prozentsatz entspricht, der nach der HOAI auf die Leistungsphase 9 mit den dort geregelten umfassenderen Leistungspflichten entfällt.

3. Die Sachwalterstellung des Ingenieurs und eine daraus etwaig resultierende sekundäre Sachwalterhaftung kann nicht dazu herangezogen werden, die nicht umfassend erfolgte Beauftragung zu kompensieren.

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IBRRS 2025, 0001
VergabeVergabe
Auftraggeber muss keine Bauverträge herausgeben!

EuGH, Urteil vom 21.11.2024 - Rs. C-336/23

Die Richtlinie (EU) 2019/1024 (...) über offene Daten und die Weiterverwendung von Informationen des öffentlichen Sektors ist dahin auszulegen, dass ein Antrag auf Zugang zu Dokumenten, die im Besitz einer öffentlichen Stelle sind, nicht in ihren Anwendungsbereich fällt.*)

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IBRRS 2025, 0010
Öffentliches BaurechtÖffentliches Baurecht
Ungesicherte Rettungswege sind erhebliche Brandschutzmängel!

VGH Bayern, Beschluss vom 03.12.2024 - 15 CS 24.1568

Wesentliche Brandschutzmängel durch nicht ausreichend gesicherte erste und zweite Rettungswege stellen eine erhebliche Gefahr für Leben und Gesundheit dar und rechtfertigen eine sofortige Nutzungsuntersagung.

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IBRRS 2025, 0019
Öffentliches BaurechtÖffentliches Baurecht
Zubau von Windenergieanlagen kann Raumplanung beeinträchtigen!

OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 20.12.2024 - 8 B 906/24

1. Nach § 36 Abs. 3 Satz 1 LPlG NRW können die Bezirksregierungen die Genehmigungsbehörde im Einzelfall anweisen, die Entscheidung über die Zulässigkeit von Vorhaben der Windenergie im Sinne des § 35 Abs. 1 Nr. 5 BauGB auszusetzen, wenn sich ein Raumordnungsplan in Aufstellung befindet oder geändert wird, um den Flächenbeitragswert im Sinne des § 3 Abs. 1 WindBG oder eines daraus abgeleiteten Teilflächenziels zu erreichen, und zu befürchten ist, dass die Durchführung der Planung durch das Vorhaben unmöglich gemacht oder wesentlich erschwert werden würde.*)

2. Eine Beeinträchtigung der Raumplanung und der mit ihr verfolgten Ziele durch einen ungesteuerten Zubau von Windenergieanlagen außerhalb der im Regionalplan für das Erreichen der Flächenziele vorgesehenen Windenergieflächen kann darin liegen, dass sich durch den Zubau die Beurteilungsgrundlagen für die Identifikation und Abwägung der Windenergiegebiete während des Planungsverfahrens ändern und eine den weiteren Planungsprozess verzögernde Umplanung erforderlich machen.*)

3. Dass der Planungsprozess von Windenergiegebieten gemäß § 2 Nr. 1 WindBG als eine reine Positivplanung angelegt und von der Rechtfertigung einer Ausschlusswirkung im Sinne von § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB entlastet ist, macht eine gesamträumliche Betrachtungsweise nicht vollständig entbehrlich. Vielmehr bleiben Fallkonstellationen denkbar, in denen ein nach dem Planungskonzept in Aussicht genommener Vorrangbereich im Sinne von § 7 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 ROG bei Verwirklichung eines Vorhabens außerhalb des Vorrangbereichs nicht mehr im Einklang mit den Planungsleitlinien stünde und deshalb beispielsweise verkleinert oder verschoben werden müsste.*)

4. Über diese Fälle hinaus schließt der Senat derzeit auch nicht aus, dass von einer Beeinträchtigung der mit der Raumplanung verfolgten Ziele im Sinne des § 36 Abs. 3 LPlG NRW durch einen Zubau von Windenergieanlagen außerhalb der für das Erreichen der Flächenziele vorgesehenen Windenergieflächen im Ausgangspunkt auch dann noch ausgegangen werden kann, wenn ein Vorhaben dort nach Feststellung des Erreichens der Flächenziele und des hieran anknüpfenden Wegfalls der Privilegierung nach § 35 Abs. 1 Nr. 5 BauGB im planungsrechtlichen Außenbereich nach § 35 Abs. 2 BauGB nicht mehr in zulässiger Weise errichtet werden könnte.*)

5. Nicht jedes Vorhaben im Sinne von § 35 Abs. 1 Nr. 5 BauGB, das außerhalb der sich aus den Entwürfen der Regionalplanung ergebenden Windenergieflächen realisiert werden soll, kann per se die Befürchtung begründen, die Durchführung der Planung unmöglich zu machen oder wesentlich zu erschweren. Denn das Recht der Bezirksregierungen, die Genehmigungsbehörde zur Aussetzung der Entscheidung über die Zulässigkeit von Vorhaben der Windenergie anzuweisen, ist auf den "Einzelfall" begrenzt und setzt überdies eine "wesentliche" Erschwerung der Durchführung der Planung voraus.*)

6. Ob die in der Rechtsprechung des beschließenden Gerichts geäußerten gesetzgebungskompetenzrechtlichen Bedenken gegen § 36 Abs. 3 LPlG NRW (vgl. OVG NRW, Beschluss vom 26.9.2024 - 22 B 727/24.AK -) begründet sind, bedarf keiner Entscheidung. Die in diesem Zusammenhang aufgeworfenen Fragen sind in einem Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes auch im Hinblick auf die gegen diese Bedenken anführbaren Argumente nicht in einem Maße klärungsfähig, das es dem Senat unter Beachtung der hierfür geltenden verfassungsrechtlichen Maßstäbe erlauben würde, unter diesem Gesichtspunkt vorläufigen Rechtsschutz zu gewähren.*)

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IBRRS 2024, 3692
WohnraummieteWohnraummiete
Fristlose Kündigung wegen Verzugs mit Nachzahlungen aus Nebenkostenabrechnung?

AG Brandenburg, Urteil vom 20.12.2024 - 33 C 33/24

Nachzahlungsforderungen aus Betriebskostenabrechnungen gehören zwar nicht ohne weiteres zur (laufend zu zahlenden) Miete, so dass ein Verzug aus einer Nebenkostenabrechnung eine außerordentliche fristlose Kündigung aus wichtigem Grund gemäß § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 BGB wohl grundsätzlich noch nicht rechtfertigen kann, jedoch kann eine Rückstands-Höhe von mindestens zwei Monatsmieten eine fristlose Kündigung nach § 543 Abs. 1 BGB rechtfertigen.*)

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IBRRS 2024, 3677
GewerberaummieteGewerberaummiete
Mietsicherheit dient nicht der Finanzierung der Immobilie

OLG Schleswig, Urteil vom 27.11.2024 - 12 U 34/23

1. Ohne ausdrückliche vertragliche Vereinbarung dient eine Mietsicherheit nicht zur Absicherung der Finanzierung zur Errichtung der Immobilie durch den Vermieter.*)

2. Bei Verzug mit der Leistung einer Bürgschaft als Mietsicherheit sind nur solche Schäden als Verzugsschaden ersatzfähig, welche in den Bereich des vertraglich übernommenen Risikos fallen oder vom gesetzlichen Schutzzweck der Norm erfasst werden.*)

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IBRRS 2025, 0013
Mit Beitrag
Allgemeines ZivilrechtAllgemeines Zivilrecht
Kündigungsgründe können "nachgeschoben" werden!

OLG Düsseldorf, Beschluss vom 19.09.2024 - 5 W 3/24

1. Der Messstellenbetreiberrahmenvertrag (MSB-RV) kann nach § 14 Abs. 2 MSB-RV nur dann fristlos aus wichtigem Grund gekündigt werden, wenn gegen wesentliche Bestimmungen des Vertrags wiederholt trotz Abmahnung schwer wiegend verstoßen wird. An einen solchen Verstoß sind keine zu geringen Anforderungen zu stellen, da die grundzuständigen Messstellenbetreiber ansonsten den vom Gesetzgeber gewünschten Wettbewerb unterlaufen könnten.*)

2. Nach allgemeinen Regeln trägt der Kündigende auch im Rahmen des MSB-RV die Darlegungs- und Beweislast für die Tatsachen, aus denen sich der wichtige Grund ergibt, auf den er sein Kündigungsrecht stützt.*)

3. Maßgeblicher Zeitpunkt für das Vorliegen eines wichtigen Grunds i.S.v. § 14 Abs. 2 MSB-RV, § 314 Abs. 2 BGB, ist derjenige der Kündigung.*)

4. Leidet die auf Grundlage der Abmahnung bewirkte Leistung an einem anderen Defizit als demjenigen, für das der Gläubiger die Abmahnung ausgesprochen hatte und das daraufhin beseitigt wurde, ist eine neue Abmahnung auszusprechen.*)

5. Die Kündigung bedarf keiner Begründung, so dass ein Nachschieben von Umständen, die im Zeitpunkt der Ausübung des Kündigungsrechts aus wichtigem Grund bereits bestanden, auch im Rechtsstreit noch möglich ist.*)

6. Voraussetzung dafür, dass der Kündigende sich auf solche nachgeschobenen Gründe berufen kann, ist, dass die Kündigungsgründe nicht ausgeschlossen sind und objektiv zur Zeit der Kündigung diese rechtfertigen. Durch das Nachschieben der Gründe werden nicht die weiteren Voraussetzungen von § 14 Abs. 2 MSB-RV, § 314 Abs. 2 BGB entbehrlich, so dass der nachgeschobene Grund die Kündigung nur dann rechtfertigen kann, wenn dieser entweder bereits Gegenstand einer Abmahnung war oder aber eine solche ausnahmsweise entbehrlich war.*)

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IBRRS 2024, 1039
Mit Beitrag
ZwangsvollstreckungZwangsvollstreckung
Dokumentenpauschale bei Pfändungs- und Überweisungsbeschluss

OLG Düsseldorf, Beschluss vom 06.02.2024 - 10 W 100/23

Die Dokumentenpauschale des Gerichtsvollziehers für die Fertigung von Abschriften eines zuzustellenden Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses fällt auch dann an, wenn der Antrag auf Erlass des Beschlusses an das Vollstreckungsgericht auf elektronischem Übermittlungswege gestellt wurde und die Vermittlung der Zustellung an Drittschuldner und Schuldner beantragt wurde.

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IBRRS 2025, 0017
ProzessualesProzessuales
Fehlerhafte Anwendung einer Präklusionsvorschrift ist Gehörsverstoß!

BGH, Beschluss vom 12.11.2024 - VI ZR 361/23

1. Das Gebot rechtlichen Gehörs verpflichtet das Gericht unter anderem dazu, den wesentlichen Kern des Vorbringens der Partei zu erfassen und - soweit er eine zentrale Frage des jeweiligen Verfahrens betrifft - in den Gründen zu bescheiden. Von einer Verletzung dieser Pflicht ist auszugehen, wenn die Begründung der Entscheidung des Gerichts nur den Schluss zulässt, dass sie auf einer allenfalls den äußeren Wortlaut, aber nicht den Sinn des Vortrags der Partei erfassenden Wahrnehmung beruht.*)

2. Art. 103 Abs. 1 GG ist verletzt, wenn der Tatrichter Angriffs- oder Verteidigungsmittel einer Partei in offenkundig fehlerhafter Anwendung einer Präklusionsvorschrift zu Unrecht für ausgeschlossen erachtet.*)

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IBRRS 2025, 0003
ProzessualesProzessuales
Anerkenntnisurteil auch nach anerkanntem Rechtsmittelantrags zulässig!

KG, Urteil vom 20.11.2024 - 7 U 53/24

1. Ein Anerkenntnisurteil ist auch nach Anerkenntnis eines Rechtsmittelantrags zulässig.*)

2. Auch die in der Berufungsinstanz erstmals von der Beklagten erklärten Hilfsaufrechnungen sind im Vorbehalt zu berücksichtigen. Denn die entsprechenden Gegenforderungen sind nicht erst im Nachverfahren zur Aufrechnung gestellt worden, sondern noch im Laufe des Vorbehaltsverfahrens und zwar dort in der Berufungsinstanz.*)

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Online seit 30. Dezember 2024

IBRRS 2024, 3702
RechtsanwälteRechtsanwälte
Ausgangsgericht hat eEB an das Rechtsmittelgericht weiterzuleiten!

BGH, Beschluss vom 23.10.2024 - XII ZB 255/24

1. Den Nachweis über den Zeitpunkt der Zustellung der angefochtenen Entscheidung erbringt der Rechtsmittelführer durch die Übermittlung des vom Ausgangsgericht mit der Zustellung als strukturierter Datensatz zur Verfügung gestellten bzw. angeforderten elektronischen Empfangsbekenntnisses.*)

2. Ist die Gerichtsakte bei Eingang des Empfangsbekenntnisses bereits für die Durchführung eines Rechtsmittelverfahrens an das Gericht des höheren Rechtszuges abgegeben, liegt es in der Organisationsverantwortung der Gerichte, für eine Zuordnung des elektronischen Empfangsbekenntnisses zu dem zugestellten Dokument zu sorgen.*)

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IBRRS 2024, 3638
ImmobilienmaklerImmobilienmakler
Nicht jeder Auftrag an den Makler ist auch ein Vertrag!

LG Lübeck, Urteil vom 05.08.2024 - 10 O 36/24

1. Tritt der erkennbar bereits von einer Seite eingeschaltete Makler mit einem Interessenten in Kontakt, so setzt der Abschluss eines zusätzlichen Maklervertrags mit der Interessentenseite voraus, dass die Parteien eindeutig zum Ausdruck bringen, dass der Makler auch für die Interessentenseite tätig werden will. Das geeignete Mittel hierzu ist regelmäßig ein ausdrückliches Provisionsverlangen.

2. Auch der Umstand, dass der Kaufinteressent gegenüber dem Makler durch Ausfüllen eines entsprechenden Formulars erklärt hat, der Makler möge den Notar um Erstellung eines Kaufvertragsentwurfs bitten und einen Beurkundungstermin vereinbaren, begründet zwischen dem Kaufinteressenten und dem Makler kein Maklerverhältnis. Bei derartigen Erklärungen handelt es sich vielmehr regelmäßig um eine Zusage des Kaufinteressenten gegenüber dem Verkäufer, das Tätigwerden des Notars beauftragt zu haben.

3. Die Inanspruchnahme von Maklerdiensten wie die Übermittlung von Informationen an den Kaufinteressenten und die Durchführung von Besichtigungsterminen, die allein dem Verkäufer geschuldet sind, genügt für das Zustandekommen eines Maklervertrags mit dem Interessenten nicht.

....

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IBRRS 2024, 3233
Mit Beitrag
ZwangsvollstreckungZwangsvollstreckung
Kein Anspruch des Insolvenzverwalters auf Nutzungsentschädigung

OLG Brandenburg, Urteil vom 25.07.2024 - 5 U 230/22

1. Gegen den ehelichen Mitbesitzer, der nicht Schuldner i.S.d. § 148 Abs. 2 Satz 1 InsO ist, bedarf es eines eigenen Räumungstitels.

2. Der eheliche Mitbesitzer, der nicht Schuldner ist, ist wegen § 1353 BGB nur dann zur Herausgabe verpflichtet, wenn auch der Schuldner herausgabeverpflichtet ist.

3. Eine Nutzungsentschädigung kann der Verwalter vom ehelichen Mitbesitzer nur verlangen, wenn eine besondere dahingehende Verpflichtung besteht.

4. Der Nichtleistungskondiktion des Verwalters steht insofern der bereicherungsrechtliche Subsidiaritätsgrundsatz entgegen.

5. Eine zur Unzulässigkeit eines Teilurteils führende Gefahr sich widersprechender Entscheidungen ist auch dann gegeben, wenn bei einer Mehrheit selbstständiger prozessualer Ansprüche zwischen diesen eine materiell-rechtliche Verzahnung besteht, so etwa wenn in einem Teilurteil eine Frage entschieden wird, die sich dem Gericht im weiteren Verfahren über andere Ansprüche oder Anspruchsteile noch einmal stellt oder stellen kann.

6. Ein Insolvenzverwalter kann vom Ehegatten des Insolvenzschuldners eine Entschädigung für die Nutzung eines dem Insolvenzschuldner gehörenden Grundstücks nur verlangen wenn dies besonders vereinbart ist oder der Ehegatte gegenüber dem Insolvenzschuldner zur Zahlung von Unterhalt verpflichtet ist.




Online seit 27. Dezember 2024

IBRRS 2024, 2413
Mit Beitrag
ZwangsvollstreckungZwangsvollstreckung
Pflicht zur Einzelausbietung bei Bruchteilseigentum!

BGH, Beschluss vom 06.06.2024 - V ZB 31/23

1. Die Rechtsbeeinträchtigung des anwesenden Schuldners durch den Zuschlag eines im Bruchteilseigentum stehenden Grundstücks in der Zwangsversteigerung ohne die erforderliche Einzelausbietung sämtlicher Miteigentumsanteile entfällt gemäß § 84 Abs. 1 Alt. 1 ZVG nur dann, wenn im Einzelfall aufgrund konkreter Umstände sicher feststeht, dass bei Einzelausgeboten kein höherer Versteigerungserlös erzielt worden wäre als bei der durchgeführten Gesamtausbietung; allein der Umstand, dass einzelne Miteigentumsanteile in der Regel schwerer veräußerlich sind als das Gesamtgrundstück, entbindet nicht von dem gesetzlich vorgesehenen Erfordernis einer Einzelausbietung. (Rn. 8)*)

2. Nach dem Schluss der Versteigerung (§ 73 Abs. 2 ZVG) kann ein die Einstellung oder Aufhebung des Zwangsversteigerungsverfahrens ablehnender Beschluss nicht mehr selbstständig, sondern nur noch mit der sofortigen Beschwerde gegen den Zuschlagsbeschluss angefochten werden. Ein bereits anhängiges Rechtsmittel gegen den ablehnenden Beschluss wird mit der Zuschlagserteilung gegenstandslos. (Rn. 15)*)

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Online seit 23. Dezember 2024

IBRRS 2024, 0903
WohnungseigentumWohnungseigentum
Umlaufbeschluss mit Mehrheitsentscheidung nur eingeschränkt möglich

LG München I, Urteil vom 08.11.2023 - 1 S 11052/22 WEG

1. Als Ausnahmevorschrift ist § 23 Abs. 3 Satz 2 WEG restriktiv zu handhaben.

2. Die Einflussnahme auf mehrheitliche Entscheidungsfindungen in der Eigentümerversammlung ist elementarer Bestandteil der mitgliedschaftlichen Rechte, weshalb für Beschlussfassungen in Textform außerhalb der Eigentümerversammlung der Grundsatz des Allstimmigkeitserfordernisses besteht. Die Zulassung einer Mehrheitsentscheidung in Textform ist den Wohnungseigentümern deshalb nur punktuell möglich.

3. Einzelner Gegenstand ist der im Absenkungsbeschluss konkret vorzugebene Beschlussgegenstand.

4. Geht der gefasste Umlaufbeschluss inhaltlich über das hinaus, was der Absenkungsbeschluss zur Beschlussfassung mit Stimmenmehrheit zulässt, ist in analoger Anwendung des § 139 BGB der gefasste Umlaufbeschluss insgesamt für ungültig zu erklären.

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IBRRS 2024, 3251
Mit Beitrag
ZwangsvollstreckungZwangsvollstreckung
Räumungsschutzantrag als Verzögerungstaktik?

LG Ravensburg, Beschluss vom 16.05.2024 - 1 T 17/24

1. Nur die Ergreifung jeglicher zulässigen Rechtsbehelfe stellt alleine noch keine rechtsmissbräuchliche Verzögerung der Vollstreckung dar.

2. Auch sich wiederholender Vortrag ist dann nicht als eine rechtsmissbräuchliche Verzögerung zu werten, wenn jedenfalls neue Beweisangebote enthalten sind.

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IBRRS 2024, 3666
Mit Beitrag
ProzessualesProzessuales
Mitgehörtes Telefonat ist unverwertbar

LG Konstanz, Urteil vom 11.12.2023 - A 61 S 10/23

Ein Zeugenbeweis ist unzulässig, wenn der benannte Zeuge die beweiserhebliche Tatsache über ein laut gestelltes Telefonat ohne Zustimmung der betreffenden Person mitgehört hat. Derartige Angaben unterliegen einem Beweisverwertungsverbot.

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Online seit 20. Dezember 2024

IBRRS 2024, 3462
Beitrag in Kürze
BauvertragBauvertrag
Auf falschem Höhenniveau errichtete Straße ist funktionstauglich!

OLG Düsseldorf, Beschluss vom 05.09.2022 - 23 U 230/21

1. Haben die Parteien eines Bauvertrags keine bestimmte Höhenlage für die Errichtung einer Straße vereinbart, scheidet ein Mangel (hier: Errichtung auf falschem Höhenniveau) wegen Fehlens einer vereinbarten Beschaffenheit ebenso aus wie wegen Fehlens einer nach dem Vertrag vorausgesetzten Eignung.

2. Ein Werk ist auch dann mangelhaft, wenn es die vereinbarte Funktion nur deshalb nicht erfüllt, weil die vom Besteller zur Verfügung gestellten Leistungen anderer Unternehmer, von denen die Funktionsfähigkeit des Werks abhängt, unzureichend sind. Der Unternehmer kann in diesen Fällen allerdings der Verantwortlichkeit für den Mangel seines Werks durch Erfüllung seiner Prüfungs- und Hinweispflicht entgehen (hier: Funktionsfähigkeit bejaht).

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IBRRS 2024, 3582
Beitrag in Kürze
VergabeVergabe
Der "Vorsänger" muss auch mitplanen!

VK Südbayern, Beschluss vom 22.10.2024 - 3194.Z3-3_01-24-38

1. Wird der Entwurf eines Nachprüfungsantrags kurz vor Einreichung des Nachprüfungsantrags an den öffentlichen Auftraggeber als Rüge übermittelt, so genügt dies der Rügeobliegenheit des § 160 Abs. 3 Nr. 1 GWB. Wird sofort nach der Rüge ein Nachprüfungsantrag gestellt, ohne dem Auftraggeber irgendeine Reaktionszeit einzuräumen, so ist dies über eine Kostentragungspflicht des Antragstellers zu lösen, wenn der Auftraggeber sofort einlenkt.*)

2. Bei Objektplanungsleistungen kann die Bewertung eines mündlichen Vortrags hinsichtlich der Vortragsfähigkeiten des Referenten den gem. § 127 Abs. 3 GWB geforderten Auftragsbezug eines Zuschlagskriteriums haben, wenn die Tätigkeit der referierenden Personen im zu vergebenden Auftrag gerade auch das Präsentieren bzw. Vortragen beinhaltet.*)

3. Werden die Vortrags- bzw. Präsentationsfähigkeiten von künftigen Auftragnehmern im Rahmen der Zuschlagskriterien bewertet, so muss der öffentliche Auftraggeber sicherstellen, dass die bewerteten Personen dann bei der Leistungserbringung auch die entsprechenden Vortrags- bzw. Präsentationstätigkeiten übernehmen.*)

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IBRRS 2024, 3654
Öffentliches BaurechtÖffentliches Baurecht
Haben Straßen und Wege verbindende oder trennende Wirkung?

OVG Schleswig-Holstein, Beschluss vom 19.11.2024 - 1 LA 50/24

Straßen oder Wege können zwar auch für die Frage von Bedeutung sein, ob ein Bebauungszusammenhang am letzten Baukörper endet oder ob noch ein oder mehrere unbebaute Grundstücke bis zu einer sich aus der örtlichen Situation ergebenden natürlichen Grenze mit eingeschlossen werden. Ob sie geeignet sind, einen Bebauungszusammenhang herzustellen, eine trennende Funktion erfüllen oder für die Abgrenzung von Innen- und Außenbereich ohne jegliche Aussagekraft sind, kann aber stets nur das Ergebnis einer Wertung und Bewertung des konkreten Sachverhalts sein.*)

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IBRRS 2024, 3418
WohnraummieteWohnraummiete
Mietpreisbremse: Inhaltliche Anforderungen an die Rüge des Mieters

AG Berlin-Mitte, Urteil vom 19.12.2023 - 8 C 138/23

Ein standardisiertes Rügeschreiben eines Inkassodienstleisters, das sich entgegen § 556g Abs. 2 Satz 2 BGB a.F. weder abstrakt noch konkret mit einer vom Vermieter im Mietvertrag erteilten Auskunft nach § 556g Abs. 1a Satz 1 BGB auseinander setzt, ist unzulänglich.

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IBRRS 2024, 3640
WohnungseigentumWohnungseigentum
Vor Schadensbeseitigung sind drei Vergleichsangebote einzuholen

AG Friedberg, Urteil vom 28.06.2024 - 2 C 536/23

Eine dem Maßstab des § 18 Abs. 2 Nr. 1 WEG entsprechende Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums erfordert Maßnahmen der GdWE zur Beseitigung offenbarer Schäden. Hierzu gehört es u.U., dass durch die Verwaltung der Wohnungseigentümergemeinschaft drei Angebote von Fachfirmen eingeholt werden, durch die die vorzunehmenden Werkleistungen zur Beseitigung des Schadens näher spezifiziert und der dadurch bedingte Kostenaufwand ermittelt wird.

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IBRRS 2024, 3651
Mit Beitrag
AGBAGB
Anwaltlich vorformulierte Unterlassungserklärung ist AGB!

OLG Düsseldorf, Urteil vom 23.11.2023 - 2 U 99/22

1. Bei einer durch eine Rechtsanwaltskanzlei verfassten vertragsstrafebewehrten Unterlassungserklärung können bereits die äußeren Umstände dafürsprechen, dass die Vertragsbedingungen für eine Vielzahl von Fällen i.S.v. § 305 Abs. 1 Satz 1 BGB vorformuliert sind.*)

2. Akzeptiert der Gläubiger einer vertragsstrafebewehrten Unterlassungserklärung zahlreiche Streichungen des Schuldners von außerhalb der vertragsstrafebewehrten Unterlassungsverpflichtung liegender Klauseln, so kann nicht ohne weiteres davon ausgegangen werden, dass er auch die Vertragsstrafeklausel ernsthaft zur Disposition gestellt hat und diese damit als ausgehandelt i.S.v. § 305 Abs. 1 Satz 3 BGB anzusehen ist.*)

3. Eine als Allgemeine Geschäftsbedingung einzustufende Vertragsstrafeklausel, die einen uneingeschränkten Ausschluss des Fortsetzungszusammenhangs vorsieht, benachteiligt den Schuldner in der Regel unangemessen i.S.v. § 307 Abs. 1 BGB.*)

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IBRRS 2024, 3572
ProzessualesProzessuales
Anfechtung eines Prozessvergleichs binnen sechs Tagen ist rechtzeitig!

OLG Frankfurt, Urteil vom 30.11.2023 - 1 U 389/21

1. Ein Prozessvergleich, der zugleich materiell-rechtlicher Vertrag ist, kann angefochten werden.

2. Für die Versäumung der Anfechtungsfrist ist der Anfechtungsgegner darlegungs- und beweispflichtig. Dabei kommt es auf die rechtzeitige Absendung an und nicht auf den Zugang. Dem Anfechtungsberechtigten steht eine Überlegungsfrist in Höhe von höchstens 14 Tagen zu.

3. Enthält ein Vergleich über klagegegenständliche Gewährleistungsansprüche nur eine Abgeltungsklausel, nach der die Zahlung zur Abgeltung sämtlicher Klageforderungen erfolgt, und verhält sich der Text nicht über - nicht klagegegenständliche - Ansprüche aus einem Rückgewährschuldverhältnis, liegt darin kein stillschweigender Verzicht auf Rückübertragungsansprüche.

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IBRRS 2024, 3630
ProzessualesProzessuales
Mitverglichene Hilfsaufrechnung erhöht den Streitwert!

KG, Beschluss vom 22.11.2024 - 7 W 100/24

Nach § 45 Abs. 3, 4, GKG erhöht bei einem Vergleichsschluss eine mitverglichene, zuvor im Wege der Hilfsaufrechnung geltend gemachte Gegenforderung den Streitwert. Die Berücksichtigung der hilfsweise aufgerechneten Gegenforderung führt allerdings nicht dazu, dass der Wert der Gegenforderung vollumfänglich auf den Wert der Klageforderung zu addieren wäre. Wenn die hilfsweise aufgerechnete Gegenforderung - wie teilweise hier - die Klageforderung übersteigt und keine Widerklage geführt wird, erfolgt die Hinzurechnung der Gegenforderung nur bis zur Höhe der Klageforderung.*)

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Online seit 19. Dezember 2024

IBRRS 2024, 3650
Mit Beitrag
Architekten und IngenieureArchitekten und Ingenieure
Bezeichnung "Institut für Innenarchitektur" ist irreführend!

OLG Dresden, Beschluss vom 07.05.2024 - 14 U 64/24

1. Angesichts der heute verbreiteten Verwendung der Bezeichnung "Institut" auch im privatwirtschaftlichen Bereich führt diese bei dem angesprochenen Verkehr für sich betrachtet nicht zu der Vorstellung, es handle sich um eine unter öffentlicher Aufsicht oder Förderung stehenden Einrichtung mit wissenschaftlichem Personal.

2. Die Verbindung des Begriffs "Institut" mit der Tätigkeitsangabe "... für Innenarchitektur" weckt allerdings den Eindruck wissenschaftlicher Betätigung, weil es sich bei dieser Fachrichtung um einen wissenschaftlichen Bildungszweig handelt, der regelmäßig von Hochschulen angeboten wird.

3. Dass das Unternehmen seinen Sitz in einer Universitätsstadt mit einer Fakultät für Architektur aufweist, verstärkt den gedanklichen Bezug zu einer Hochschule.

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IBRRS 2024, 3643
VergabeVergabe
Korrektur von Unrichtigkeiten auch im vergaberechtlichen Beschwerdeverfahren!

OLG Jena, Beschluss vom 03.12.2024 - Verg 5/24

1. Die Korrektur offenbarer Unrichtigkeiten oder eine Beschlussergänzung erfolgt im vergaberechtlichen Beschwerdeverfahren entsprechend den Vorschriften der ZPO.

2. Ein Kostenpunkt ist bei der Entscheidung ganz oder teilweise übergangen, wenn die Entscheidung versehentlich lückenhaft ist, etwa, weil die Entscheidung über ein erstes Rechtsmittelverfahren versehentlich unterlassen wurde.

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IBRRS 2024, 3631
Öffentliches BaurechtÖffentliches Baurecht
Wann ist der Abbruch eines denkmalgeschützten Gebäudes zulässig?

OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 19.09.2024 - 10 A 1397/22

1. Ist ein Baudenkmal bestandskräftig in die Denkmalliste eingetragen, ist das Vorliegen der Eintragungsvoraussetzungen des § 2 Abs. 1 und 2 DSchG-NW im Verfahren auf Erteilung einer Beseitigungserlaubnis nicht erneut zu prüfen.*)

2. Der Beseitigung einer in die Denkmalliste eingetragenen baulichen Anlage stehen i.S.v. § 9 Abs. 3 Satz 1 DSchG-NW Belange des Denkmalschutzes entgegen, wenn die Erhaltung des Denkmals möglich und dem Eigentümer nicht aus wirtschaftlichen oder anderen Gründen unzumutbar ist oder die Unzumutbarkeit auf andere Weise ausgeglichen wird.*)

3. Die vollständige Beseitigung eines eingetragenen Baudenkmals ist nur dann gerechtfertigt, wenn die Verweigerung der Erlaubnis sich als unverhältnismäßige Eigentumsbeschränkung darstellt.*)

4. Ob bei der im Rahmen des § 9 Abs. 3 Satz 1 DSchG-NW regelmäßig erforderlichen - und gerichtlich voll überprüfbaren - Abwägung die Belange des Denkmalschutzes die gegenläufigen privaten Interessen überwiegen, ist eine Frage des Einzelfalls.*)

5. Fehlende Verkaufsbemühungen stehen grundsätzlich, nicht nur bei Investitionsobjekten, der Berufung auf die wirtschaftliche Unzumutbarkeit der Denkmalerhaltung entgegen, wenn der Eigentümer das Denkmal aus wirtschaftlichen Gründen beseitigen will.*)

6. Der Denkmaleigentümer hat keinen Anspruch auf Erteilung einer Beseitigungserlaubnis, wenn die wirtschaftliche Unzumutbarkeit der Erhaltung dadurch ausgeglichen wird, dass die Gemeinde ihm im Ablehnungsbescheid einen Anspruch auf Übernahme nach § 32 DSchG-NW einräumt.*)

7. Die Erhaltung eines Baudenkmals kann im Einzelfall aus anderen Gründen unzumutbar sein, wenn der Eigentümer ein über wirtschaftliche Belange hinausgehendes schützenswertes Interesse an einer durch Anforderungen des Denkmalschutzes unbelasteten Nutzung des Grundstücks hat.*)

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IBRRS 2024, 3644
Beitrag in Kürze
WohnraummieteWohnraummiete
Kündigung eines DDR-Mietvertrags wegen Eigenbedarfs: Es gilt das BGB

BGH, Urteil vom 13.11.2024 - VIII ZR 15/23

Ein auf unbestimmte Zeit geschlossener DDR-Altmietvertrag über Wohnraum, der hinsichtlich einer Beendigung des Mietverhältnisses auf die Vorschriften des Zivilgesetzbuchs der Deutschen Demokratischen Republik (§§ 120 ff. ZGB) Bezug nimmt, kann seitens des Vermieters gegen den Willen des Mieters wegen Eigenbedarfs seit dem Wirksamwerden des Beitritts der Deutschen Demokratischen Republik zur Bundesrepublik Deutschland nach Maßgabe des Art. 232 § 2 EGBGB nach den Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs (§ 564b Abs. 2 Nr. 2 BGB a.F.; § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB) gekündigt werden.*)

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IBRRS 2024, 3561
Beitrag in Kürze
WohnungseigentumWohnungseigentum
Mehrheitseigentümer will nicht zahlen: Beschlussanfechtung rechtsmissbräuchlich!

AG Hamburg-St. Georg, Urteil vom 06.12.2024 - 980a C 13/24 WEG

1. Die Geltendmachung an sich gegebener Antrags-, Beschlussanfechtungs- oder anderer Rechte eines Wohnungseigentümers kann wegen der angestrebten Ziele rechtsmissbräuchlich bzw. schikanös (§ 226 BGB) sein; an das Vorliegen eines Rechtsmissbrauchs sind aber strenge Anforderungen zu stellen, weil es um einen Eingriff in den Kernbereich elementarer Mitgliedschaftsrechte des betroffenen Wohnungseigentümers geht.

2. Die Erhebung einer Beschlussklage kann (rechts-)missbräuchlich sein, wenn der Beschlusskläger mit seinem Rechtsbehelf seine eigene Leistungspflicht in grob eigennütziger Weise unbillig unterlaufen und seine Stellung als Mehrheitseigentümer majorisierend ordnungswidrig ausnutzen will.

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IBRRS 2024, 3641
ProzessualesProzessuales
Abtretung ändert nichts an Rechtswegzuständigkeit!

BGH, Beschluss vom 12.11.2024 - VIII ZB 36/23

1. In Fällen, in denen die Klagepartei Ansprüche aus abgetretenem Recht verfolgt, richtet sich die Rechtswegzuordnung maßgeblich nach dem Gepräge des Rechtsverhältnisses zwischen dem Zedenten und dem Schuldner (vgl. BGH, IBR 2013, 1270 - nur online; BSG, Beschluss vom 30. September 2014 - B 8 SF 1/14 R, BeckRS 2014, 73028).*)

2. Es handelt sich daher um eine dem Zivilrechtsweg zugewiesene bürgerliche Rechtsstreitigkeit (§ 13 GVG), wenn eine Gemeinde klageweise Zahlungsansprüche geltend macht, die ihrem Vorbringen nach durch den Abschluss eines Beherbergungsvertrags zwischen einem privaten Unterkunftsbetrieb und dem Beklagten entstanden und ihr seitens des Unterkunftsbetriebs abgetreten worden sind. Dabei ist weder von Bedeutung, dass der (behauptete) Beherbergungsvertrag auf Vermittlung der - insoweit in Wahrnehmung öffentlicher Aufgaben handelnden - Gemeinde zur Abwendung einer dem Beklagten drohenden Obdachlosigkeit zustande gekommen ist, noch kommt es darauf an, ob die (behaupteten) Abreden zwischen der klagenden Gemeinde und dem Unterkunftsbetrieb über die Abtretung der aus dem Beherbergungsvertrag hervorgehenden Zahlungsansprüche auf einem als öffentlich-rechtlich oder als privatrechtlich einzuordnenden Vertrag beruhen.*)

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IBRRS 2024, 3597
Mit Beitrag
ProzessualesProzessuales
Rückwirkung der Zustellung: Vorschuss ist binnen zwei Wochen einzuzahlen!

OLG Hamm, Beschluss vom 05.12.2024 - 22 W 12/23

1. Eine Entscheidung über die Kosten des selbständigen Beweisverfahrens gem. § 494a Abs. 2 Satz 1 ZPO ist nicht statthaft, wenn die Hauptsacheklage zwar nicht innerhalb der gem. § 494a Abs. 1 ZPO gesetzten Frist, aber noch vor Erlass der Kostenentscheidung rechtshängig geworden ist.*)

2. Die Rechtshängigkeit der Hauptsacheklage während des Beschwerdeverfahrens über die Kostenentscheidung gem. § 494a Abs. 2 ZPO ist zu berücksichtigen. Die Kostenentscheidung ist dann auf die Beschwerde hin aufzuheben und der Kostenantrag zurückzuweisen (Anschluss an OLG Hamm, Beschluss vom 18.04.2024 - 24 W 5/24, IBRRS 2024, 1588, und OLG Köln, Beschluss vom 04.01.2022 - 11 W 50/21, IBRRS 2022, 0178 = IMRRS 2022, 0094). Es kommt in dieser Konstellation in Betracht, dass der Beschwerdeführer gem. § 97 Abs. 2 ZPO die Kosten des Verfahrens zu tragen hat.*)

3. Für die Rückwirkung einer Zustellung gem. § 167 ZPO muss der Kläger innerhalb einer Frist von jedenfalls nicht deutlich mehr als zwei Wochen den angeforderten Vorschuss zahlen. Diese Frist wird nicht dadurch verlängert, dass der Kläger auf eine Zahlung seiner Rechtsschutzversicherung wartet.*)




Online seit 18. Dezember 2024

IBRRS 2024, 3642
Mit Beitrag
BauvertragBauvertrag
Auch eine unrichtige Schussrechnung ist prüfbar!

BGH, Beschluss vom 20.11.2024 - VII ZR 191/23

1. Für die Prüfbarkeit einer Schlussrechnung sind ihre Richtigkeit und Abweichungen von vorherigen Schlussrechnungen unerheblich.

2. Eine Partei ist grundsätzlich nicht gehindert, ihr Vorbringen im Laufe des Rechtsstreits zu ändern und insbesondere zu präzisieren, zu ergänzen oder zu berichtigen. Dabei entstehende Widersprüchlichkeiten im Parteivortrag können allenfalls im Rahmen der Beweiswürdigung gem. § 286 ZPO Beachtung finden. Die Nichtberücksichtigung eines erheblichen Beweisangebots wegen vermeintlicher Widersprüche im Vortrag der beweisbelasteten Partei läuft auf eine prozessual unzulässige vorweggenommene tatrichterliche Beweiswürdigung hinaus und verstößt damit zugleich gegen Art. 103 Abs. 1 GG.*)

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IBRRS 2024, 3627
Beitrag in Kürze
VergabeVergabe
Wissensvorsprung ist auszugleichen!

OLG Düsseldorf, Beschluss vom 11.12.2024 - Verg 24/24

1. Die Teilnahme eines Unternehmens am Vergabeverfahren, das den Auftraggeber bereits in dessen Vorfeld beraten oder unterstützt hat, kann grundsätzlich als Gefährdung eines ordnungsgemäßen Wettbewerbs angesehen werden. Trotz dieser Gefahren ist die Teilnahme vorbefasster Unternehmen an dem Vergabeverfahren grundsätzlich zulässig. Dem Auftraggeber obliegt dabei die Verpflichtung, den Wissensvorsprung des einen Bieters durch Information aller anderen Bieter auszugleichen.

2. Es liegt grundsätzlich im pflichtgemäßen Ermessen des öffentlichen Auftraggebers, welche Maßnahmen er zur Herstellung eines fairen Wettbewerbs ergreift und unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Einzelfalls zu bewerten, ob bei einer Beteiligung des Projektanten der Grundsatz des fairen Wettbewerbs gewahrt wird. Da der öffentliche Auftraggeber dafür Sorge zu tragen hat, dass dem Projektanten im Vergleich zu seinen Wettbewerbern kein überlegenes Angebot ermöglicht wird, dürfen dem Projektanten aufgrund seines Wissensvorsprungs auch durch die festgelegten Eignungs- und Zuschlagskriterien keine Wertungsvorteile entstehen.

3. Der rügende Bieter als derjenige, die eine unzureichende Mitteilung gesammelter Informationen durch vorbefasste Personen geltend macht, hat darzulegen, welche Informationen dies sein sollen und jedenfalls im Ansatz darzutun, dass diese Informationen wettbewerbsrelevant sind.

4. Bei der Bewertung kommt dem öffentlichen Auftraggeber systemimmanent ein Beurteilungsspielraum zu. Sie muss allerdings in sich und in Relation zu den übrigen Angeboten nachvollziehbar sein. Es muss klar sein, welche konkreten qualitativen Eigenschaften der Angebote mit welchem Gewicht in die Bewertung eingegangen sind. Der Auftraggeber ist daher verpflichtet, die Gründe für seine Auswahlentscheidung eingehend zu dokumentieren.

5. Die Bewertungsentscheidungen ist daraufhin überprüfbar, ob die jeweilige Bewertung im Vergleich ohne Benachteiligung des einen oder anderen Bieters plausibel vergeben wurde. Es muss nachvollziehbar sein, weshalb ein Mitbewerber besser bewertet wurde; die Wertungen müssen im Quervergleich mit den besser bewerteten Angeboten stimmig sein, insbesondere demjenigen des Zuschlagsprätendenten. Dabei dürfen aber im Interesse der Handhabbarkeit keine allzu hohen Anforderungen an die Bewertungsbegründung gestellt werden, eine Nachvollziehbarkeit genügt.

6. Präkludierte Verstöße dürfen nicht von Amts wegen aufgegriffen werden. Während das Aufgreifen eines zwar nicht präkludierten, aber sich auch nicht aufdrängenden Vergabeverstoßes dadurch geheilt werden kann, dass sich der Antragsteller die amtswegigen Überlegungen der Vergabekammer im Beschwerdeverfahren zu eigen macht, steht § 160 Abs. 3 Satz 1 GWB als Präklusionsvorschrift gerade nicht zur Disposition der Verfahrensbeteiligten.

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IBRRS 2024, 3636
Mit Beitrag
Öffentliches BaurechtÖffentliches Baurecht
Abrissverfügung bei fehlendem Standsicherheitsnachweis?

OVG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 19.11.2024 - 2 M 106/24

Fehlt es an einem Nachweis der dauerhaften Standsicherheit eines Gebäudes i.S.v. § 12 Abs. 1 Satz 1 BauO-SA, folgt daraus noch nicht, dass von dem Gebäude eine konkrete Gefahr ausgeht, der nur durch einen sofortigen vollständigen Rückbau begegnet werden kann.*)

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IBRRS 2024, 3455
ZwangsvollstreckungZwangsvollstreckung
Räumung trotz Suizidgefahr?

LG Leipzig, Beschluss vom 10.09.2024 - 2 T 446/24

1. Anzuwenden ist § 765a ZPO nur in besonders gelagerten Ausnahmefällen, nämlich nur dann, wenn im Einzelfall die drohende Vollstreckungsmaßnahme und das Vorgehen des Gläubigers zu einem schlechthin untragbaren Ergebnis führen würde.

2. In Zweifelsfällen gebührt den Interessen des Gläubigers stets der Vorrang.

3. Eine sittenwidrige Härte ist anzunehmen, wenn die Zwangsvollstreckung Leben oder Gesundheit eines Schuldners ernstlich gefährdet, wie z.B. eine schwere Erkrankung, auch psychischer Art oder ein hohes Alter verbunden mit erheblichen Gesundheitsschäden und eingeschränkter Aktionsmöglichkeit.

4. Zur Wahrung der ebenfalls grundrechtlich geschützten Interessen des Vollstreckungsgläubigers ist aber zu prüfen, ob der Lebens- oder Gesundheitsgefährdung auch anders als durch eine Einstellung oder Aufhebung der Zwangsvollstreckung wirksam begegnet werden kann.

5. Dies ist zu bejahen, wenn der Suizidgefahr des Schuldners auf andere Weise, nämlich durch stationäre psychiatrische Behandlung wirksam begegnet werden kann.

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IBRRS 2024, 3637
Mit Beitrag
WohnungseigentumWohnungseigentum
Teilungserklärung regelt Instandsetzung und deren Kosten: Keine Kompetenz der Eigentümer

LG Hamburg, Urteil vom 12.06.2024 - 318 S 42/23

Wenn nach der Teilungserklärung/Gemeinschaftsordnung der Wohnungseigentümer "Gebäudeteile, Anlagen und Teile von diesen, die entweder in seinem Sondereigentum stehen oder sich als Gemeinschaftseigentum im Bereich seines Sondereigentums befinden, ordnungsgemäß in Stand zu halten und in Stand zu setzen hat, und zwar auf eigene Kosten", so fehlt der Wohnungseigentümergemeinschaft insoweit die Beschlusskompetenz.

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IBRRS 2024, 3473
Beitrag in Kürze
WohnungseigentumWohnungseigentum
Ausbau des Dachgeschosses: Eigentümer haftet der Gemeinschaft für Baumängel

LG München I, Urteil vom 10.07.2024 - 1 S 10018/22

1. Bei der Verpflichtung aus der Vereinbarung in Gestalt der Teilungserklärung/Gemeinschaftsordnung handelt es sich um eine eigenständige Anspruchsgrundlage.

2. Eine Vereinbarung, wonach durch den einem Eigentümer erlaubten Ausbau des Dachgeschosses entstehende Schäden der Gemeinschaft zu ersetzen sind (Ausbaurecht mit Wiederherstellungspflicht des Gemeinschaftseigentums), ist dahin auszulegen, dass jeglicher Schaden, der durch den Ausbau entsteht, zu ersetzen ist.

3. Maßstab für die Schadensersatzpflicht ist die ordnungsgemäße (Wieder)Herstellung des Gemeinschaftseigentums, in das eingegriffen wurde.

4. Das Wirtschaftlichkeitsgebot greift dann ein, wenn dem Geschädigten mit unterschiedlichen Kosten verbundene Reparaturmöglichkeiten aufgezeigt werden, mit der Folge, dass er bei seiner Auswahl die berechtigten Interessen des Schädigers berücksichtigen muss. Zwischen Alternativen der Instandsetzung muss er nach wirtschaftlicher Vernunft wählen und im Rahmen des ihm Möglichen und Zumutbaren zu der preiswertesten greifen.

5. Für die Verletzung der Schadensminderungspflicht ist der Schädiger darlegungs- und beweisbelastet. Hierzu muss er darlegen, dass der Geschädigte Maßnahmen unterlässt, die ein ordentlicher und verständiger Mensch zur Schadensminderung ergreifen würde.

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IBRRS 2024, 3616
RechtsanwälteRechtsanwälte
Anwaltliche Fristenkontrolle: Was für das Telefax galt, gilt auch für beA!

BGH, Beschluss vom 21.11.2024 - I ZB 34/24

1. Die anwaltlichen Sorgfaltspflichten im Zusammenhang mit der Übermittlung von fristgebundenen Schriftsätzen mittels beA entsprechen dabei denjenigen bei der Übersendung von Schriftsätzen per Telefax.

2. Auch bei Übermittlung per beA ist es unerlässlich, den Versandvorgang zu überprüfen. Das zuständige Kanzleipersonal ist daher dahingehend anzuweisen, dass stets der Erhalt der automatisierten Eingangsbestätigung zu kontrollieren ist. Die Kontrollpflichten erstrecken sich zudem unter anderem darauf, ob die Übermittlung vollständig und an das richtige Gericht erfolgte sowie ob die richtige Datei übermittelt wurde.

3. Zum anderen hat der Rechtsanwalt anzuordnen, dass die Erledigung von Sachen, bei denen eine Frist zu wahren ist, am Abend eines jeden Arbeitstags anhand des Fristenkalenders durch eine dazu beauftragte Bürokraft überprüft wird. Es ist konkret vorzutragen und glaubhaft zu machen, in welcher Weise diese abendliche Fristenkontrolle durchzuführen ist, insbesondere, ob und wie die automatisierte Eingangsbestätigung (nochmals) zu kontrollieren ist.

4. Allerdings muss das Übersendungsprotokoll bei der abendlichen Ausgangskontrolle gerade nicht erneut inhaltlich geprüft werden, wenn die allgemeine Anweisung besteht, bereits nach der Übermittlung des Schriftsatzes anhand des Sendeprotokolls zu prüfen, ob die Übermittlung vollständig sowie an den richtigen Empfänger erfolgt ist.

5. Tragen die zur Begründung des Wiedereinsetzungsantrags gemachten Angaben den Anforderungen an eine wirksame Organisation des Fristenwesens nicht Rechnung, deutet das nicht auf Unklarheiten oder Lücken des Vortrags hin, die aufzuklären oder zu füllen wären, sondern erlaubt den Schluss darauf, dass entsprechende organisatorische Maßnahmen gefehlt haben.

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IBRRS 2024, 3576
ProzessualesProzessuales
Aufrechnung mit rechtswegfremden Forderungen: Wer setzt Kosten aus Vorbehaltsurteil fest?

OLG Köln, Beschluss vom 27.08.2024 - 17 W 138/24

1. Erfolgt eine Aufrechnung mit einer rechtswegfremden Forderung, kann der Rechtsstreit nach Erlass eines Vorbehaltsurteils an das Gericht des anderen Rechtswegs zur Durchführung des Nachverfahrens verwiesen werden.

2. Das Gericht, an welches der Rechtsstreit verwiesen wird, muss das Nachverfahren durchführen und dann über die Aufrechterhaltung oder Aufhebung des im anderen Rechtsweg ergangenen Vorbehaltsurteils, an dessen Feststellungen es mit Ausnahme der Aufrechnungsforderung gebunden ist, entscheiden. Es wird auch für die Festsetzung der vor dem Ausgangsgericht entstandenen Kosten zuständig.

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Online seit 17. Dezember 2024

IBRRS 2024, 3618
Mit Beitrag
BauvertragBauvertrag
Kündigungsvergütung ist umsatzsteuerpflichtig!

EuGH, Urteil vom 28.11.2024 - Rs. C-622/23

Art. 2 Abs. 1 c Richtlinie 2006/112/EG über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem ist dahin auszulegen, dass der Betrag, der vertraglich geschuldet wird, weil der Besteller einen wirksam geschlossenen Bauvertrag über die Erbringung dieser mehrwertsteuerpflichtigen Leistung - deren Ausführung der Unternehmer begonnen hatte und zu deren Fertigstellung er bereit war -, beendigt hat, als Entgelt für eine Dienstleistung anzusehen ist.

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IBRRS 2024, 3624
VergabeVergabe
Darum prüfe, wer sich selbst bindet ...

OLG Köln, Beschluss vom 22.11.2024 - 18 U 97/23

1. Verpflichtet sich ein öffentlicher Auftraggeber ausweislich der Teilnahmebedingungen dazu, einen Vertrag mit jedem Lieferanten zu schließen, der ein den vorgegebenen Bedingungen entsprechendes Angebot abgibt, kommt durch die Übersendung eines entsprechenden Angebots ein vorvertragliches Schuldverhältnis zwischen dem öffentlichen Auftraggeber und dem Lieferanten zustande.

2. Entspricht das Angebot des Lieferanten den Ausschreibungsbedingungen, muss es der öffentliche Auftraggeber – entsprechend seiner Selbstverpflichtung – annehmen. Anderenfalls hat der Lieferant einen auf Naturalrestitution gerichteten Schadensersatzanspruch. Er ist so zu stellen, wie er stünde, wenn der öffentliche Auftraggeber den Zuschlag pflichtgemäß erteilt hätte.

3. Ein Fixgeschäft kann nicht wirksam per vorformulierter Vertragsbedingungen vereinbart werden (Anschluss an OLG Köln, IBR 2024, 427, und OLG Köln, Urteil vom 19.07.2024 - 6 U 101/23, IBRRS 2024, 3038).

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IBRRS 2024, 3626
Öffentliches BaurechtÖffentliches Baurecht
Befreiuung von B-Plan-Festsetzungen: Umfang des Nachbarrechtschutzes?

VGH Bayern, Beschluss vom 09.12.2024 - 2 CS 24.1834

1. Eine Baugenehmigung muss inhaltlich hinreichend bestimmt sein, das heißt die im Bescheid getroffene Regelung muss – gegebenenfalls nach Auslegung – eindeutig zu erkennen und einer unterschiedlichen subjektiven Bewertung nicht zugänglich sein.

2. Ein Nachbar hat keinen materiellen Anspruch darauf, dass dem Bauherrn nur inhaltlich hinreichend bestimmte Bescheide erteilt werden. Eine Verletzung von Nachbarrechten liegt nur vor, wenn sich die Unbestimmtheit gerade auf solche Merkmale des Vorhabens bezieht, deren genaue Festlegung erforderlich ist, um eine Verletzung der dem Schutz des Nachbarn dienenden Rechtsvorschriften auszuschließen.

3. Im Fall einer Befreiung von den Festsetzungen eines Bebauungsplans hängt der Umfang des Nachbarrechtschutzes davon ab, ob die Festsetzungen, von deren Einhaltung dispensiert wird, Drittschutz vermitteln oder nicht. Bei einer Befreiung von einer nachbarschützenden Festsetzung ist der Nachbar schon dann in seinen Rechten verletzt, wenn die Befreiung rechtswidrig ist, weil eine der Voraussetzungen des § 31 Abs. 2 BauGB nicht erfüllt ist.

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IBRRS 2024, 3453
WohnraummieteWohnraummiete
Gesellschafterabsprachen unterfallen nicht dem Wohnraummietrecht

OLG Köln, Urteil vom 29.10.2024 - 4 U 133/23

Erfolgt die Nutzung einer Wohnung aufgrund von Absprachen, die die Parteien als Gesellschafter der zwischen ihnen bestehenden Gesellschaft bürgerlichen Rechts getroffen haben, ist hierauf das Wohnraummietrecht nicht anwendbar.

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