Bau-, Architekten- und Immobilienrecht.
Aktuelle Urteile zum Zivilprozess & Schiedswesen
Online seit 22. November
IBRRS 2024, 3410OLG Schleswig, Beschluss vom 10.10.2024 - 7 U 64/24
1. Ein Rechtsanwalt darf die Berechnung und Notierung von Fristen einer gut ausgebildeten, als zuverlässig erprobten und sorgfältig überwachten Bürokraft übertragen. Macht er von dieser Möglichkeit Gebrauch, hat er durch geeignete organisatorische Vorkehrungen dafür Sorge zu tragen, dass Fristversäumnisse möglichst vermieden werden.
2. Hierzu gehört die allgemeine Anordnung, bei Prozesshandlungen, deren Vornahme ihrer Art nach mehr als nur einen geringen Aufwand an Zeit und Mühe erfordert, wie dies regelmäßig bei Rechtsmittelbegründungen der Fall ist, außer dem Datum des Fristablaufs noch eine grundsätzlich etwa einwöchige Vorfrist zu notieren.
VolltextIBRRS 2024, 3416
BGH, Beschluss vom 23.10.2024 - XII ZB 411/23
1. Ein von einem Rechtsanwalt mit einfacher Signatur versehener und über das besondere elektronische Anwaltspostfach (beA) eingereichter Antrag auf Verlängerung der Beschwerdebegründungsfrist erfüllt auch dann die nach § 130d Satz 1 ZPO erforderliche elektronische Form, wenn er beim unzuständigen Ausgangsgericht eingegangen ist. Für die fristwahrende Wirkung kommt es hingegen darauf an, wann das Dokument beim zuständigen Gericht eingegangen ist.*)
2. Die postalische Weiterleitung eines beim unzuständigen Gericht ordnungsgemäß in elektronischer Form eingereichten Fristverlängerungsantrags führt nicht zur Formunwirksamkeit des Antrags.*)
VolltextOnline seit 21. November
IBRRS 2024, 2969BGH, Beschluss vom 04.09.2024 - IV ZB 31/23
1. Bei Einreichung einer Berufung in Schriftform hat der Rechtsanwalt zur vorübergehenden Unmöglichkeit der Einreichung mittels beA vorzutragen und diese glaubhaft zu machen.
2. Die Übersendung einer Berufungsschrift mit lediglich einer einfachen Signatur des Prozessbevollmächtigen über das beA eines anderen Rechtsanwalts stellt keine wirksame Einlegung des Rechtsmittels dar.
3. Der Rechtsirrtum eines Rechtsanwalts über gesetzliche Erfordernisse ist regelmäßig nicht unverschuldet. Ein Rechtsanwalt muss die Gesetze kennen, die in einer Anwaltspraxis gewöhnlich zur Anwendung kommen. Eine irrige Auslegung des Verfahrensrechts kann als Entschuldigungsgrund nur dann in Betracht kommen, wenn der Verfahrensbevollmächtigte die volle von einem Rechtsanwalt zu fordernde Sorgfalt aufgewendet hat, um zu einer richtigen Rechtsauffassung zu gelangen.
4. Selbst wenn die Rechtslage zweifelhaft ist, muss der bevollmächtigte Anwalt den sicheren Weg wählen. Von einem Rechtsanwalt ist zu verlangen, dass er sich anhand einschlägiger Fachliteratur über den aktuellen Stand der Rechtsprechung informiert. Dazu besteht umso mehr Veranlassung, wenn es sich um eine vor kurzem geänderte Gesetzeslage handelt, die ein erhöhtes Maß an Aufmerksamkeit verlangt. Ein Rechtsirrtum ist nur ausnahmsweise als entschuldigt anzusehen, wenn er auch unter Anwendung der erforderlichen Sorgfaltsanforderungen nicht vermeidbar war.
VolltextIBRRS 2024, 3396
OLG Brandenburg, Beschluss vom 26.09.2024 - 1 W 49/24
1. Wie für jedes Rechtsmittel bedarf es auch für die Beschwerde gegen eine zu niedrige Streitwertfestsetzung des Vorliegens einer Beschwer.
2. Eine zu geringe Streitwertfestsetzung führt lediglich dazu, dass der Kläger einen geringeren Gerichtskostenvorschuss zu entrichten hat. Darin liegt keine Beschwer.
VolltextOnline seit 20. November
IBRRS 2024, 3281OLG München, Beschluss vom 02.02.2024 - 27 U 3563/23 Bau
1. "Freistellung" bedeutet eine Handlung, durch die der Anspruchsgegner eine Schuld des Anspruchstellers zum Erlöschen bringt.
2. Die Feststellung der Verpflichtung zur Freistellung kann auch bei noch offenen Schäden und erst drohender Inanspruchnahme begehrt werden.
3. Eine Partei genügt bei einem von ihr zur Rechtsverteidigung gehaltenen Sachvortrag ihren Substantiierungspflichten, wenn sie Tatsachen vorträgt, die in Verbindung mit einem Rechtssatz geeignet sind, das von der anderen Seite geltend gemachte Recht als nicht bestehend erscheinen zu lassen. Dabei ist unerheblich, wie wahrscheinlich die Darstellung ist und ob sie auf eigenem Wissen oder auf einer Schlussfolgerung aus Indizien beruht. Die Angabe näherer Einzelheiten ist nicht erforderlich, soweit diese für die Rechtsfolgen nicht von Bedeutung sind. Das Gericht muss nur in die Lage versetzt werden, aufgrund des tatsächlichen Vorbringens der Partei zu entscheiden, ob die gesetzlichen Voraussetzungen für das Bestehen des geltend gemachten Rechts vorliegen.
4. In der Berufungsinstanz neu sind alle Verteidigungsmittel, die bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung in der ersten Instanz nicht vorgebracht worden sind. Neues Vorbringen liegt auch vor, wenn es im ersten Rechtszug nur angedeutet worden war und erst im Berufungsrechtszug substantiiert wurde.
5. Ein in zweiter Instanz konkretisiertes Vorbringen ist dann nicht neu, wenn ein bereits schlüssiges Vorbringen aus erster Instanz durch weitere Tatsachenbehauptungen konkretisiert, verdeutlicht oder erläutert wird, was nicht nur für schlüssiges Vorbringen der darlegungs- und beweisbelasteten Partei, sondern ebenso für erhebliches Vorbringen des Gegners gilt.
VolltextOnline seit 19. November
IBRRS 2024, 3372OLG Frankfurt, Urteil vom 15.05.2024 - 5 U 133/22
1. Werden Urkunden entgegen § 593 Abs. 2 Satz 2 ZPO nicht rechtzeitig mitgeteilt, ist auf Rüge des Prozessgegners zu vertagen und nicht die Klage als in der gewählten Prozessart unstatthaft abzuweisen.*)
2. Ein Vertrag zur Implementierung eines auf Standardsoftware basierenden Enterprise-Resource-Planning-Systems ist regelmäßig ein gemischter Vertrag, der werk- und dienstvertragliche Elemente aufweist.*)
VolltextIBRRS 2024, 3340
OLG Schleswig, Beschluss vom 04.10.2024 - 7 W 15/24
1. Beschlüsse des erstinstanzlichen Gerichts während des laufenden Verfahrens über eine Rubrumsberichtigung sind mit der sofortigen Beschwerde nicht anfechtbar.*)
2. Eine Rubrumsberichtigung vor Urteilserlass in Beschlussform ist im Gesetz nicht vorgesehenen. Insoweit handelt es sich nur um eine prozessleitende Verfügung, die jederzeit abgeändert werden kann.*)
3. Wer Partei eines Zivilrechtsstreits ist, ergibt sich aus der in der Klageschrift gewählten Parteibezeichnung, die grundsätzlich auslegungsfähig ist.*)
4. Die Zuordnung zur richtigen Prozesspartei (hier der gegnerischen Haftpflichtversicherung) kann schon aufgrund einer Schadennummer zweifelsfrei gegeben sein. Bei einer Schadenaußenstelle handelt es sich nicht um eine eigenständige juristische Person.*)
5. Die Rüge der fehlenden Passivlegitimation durch einen Versicherungskonzern kann treuwidrig sein. Eine Versicherung, die ihre einzelnen Sparten als selbständige juristische Personen organisiert, nach außen hin aber einheitlich auftritt, ruft entsprechende Verwechslungsgefahren hervor, die sich hier verwirklicht hat. Die jedes Versicherungsrechtsverhältnis beherrschenden Grundsätze von Treu und Glauben gebieten es, die bei dem Kunden eintretenden Nachteile möglichst gering zu halten.*)
VolltextOnline seit 18. November
IBRRS 2024, 3309VG Karlsruhe, Urteil vom 11.09.2024 - A 3 K 4398/23
1. Ist bei fristgebundenen Schriftsätzen die nach § 55d Satz 1 VwGO vorgeschriebene Übermittlung als elektronisches Dokument aus technischen Gründen vorübergehend nicht möglich, gebietet es die anwaltliche Sorgfalt, rechtzeitig von der durch § 55d Satz 3 VwGO eröffneten Möglichkeit Gebrauch zu machen.*)
2. Von einem Rechtsanwalt ist zu erwarten, dass er bzw. sie die Möglichkeit des § 55d Satz 3 VwGO kennt und zur Fristwahrung nutzt.*)
VolltextIBRRS 2024, 3283
BayObLG, Beschluss vom 07.11.2024 - 102 SchH 135/24
1. Für die Beurteilung der Ablehnung eines Schiedsrichters gelten trotz unterschiedlicher gesetzlicher Fassungen im Schiedsverfahren im Wesentlichen die gleichen Maßstäbe wie für die Befangenheit eines staatlichen Richters.
2. Besorgnis der Befangenheit liegt vor, wenn vom Standpunkt einer Partei aus genügend objektive Gründe vorliegen, die in den Augen eines vernünftigen Menschen geeignet sind, Misstrauen gegen die Unparteilichkeit des (Schieds-)Richters zu erregen. Rein subjektive Vorstellungen sind dabei nicht maßgeblich. Nicht erforderlich ist, dass der (Schieds-)Richter tatsächlich befangen ist; bereits der böse Schein einer möglicherweise fehlenden Unvoreingenommenheit und Objektivität soll vermieden werden.
3. Die Partei, die einen Schiedsrichter ablehnen will, hat innerhalb von zwei Wochen, nachdem ihr ein berechtigte Zweifel an der Unparteilichkeit oder Unabhängigkeit aufkommen lassender Umstand bekannt geworden ist, dem Schiedsgericht schriftlich die Ablehnungsgründe darzulegen. Ein Ablehnungsgesuch kann aber auch auf früher bekannte und noch nicht geltend gemachte Umstände gestützt werden, wenn die Partei aus der Gesamtbetrachtung mehrerer Umstände in der Summe die Besorgnis herleiten möchte oder wenn die Umstände einen engen Zusammenhang zu den weiteren, nicht verwirkten Ablehnungsgründen dergestalt aufweisen, dass sie als Teilakte eines Gesamttatbestandes aufgefasst werden können.
4. Gibt es keine Regelung in der Schiedsordnung (hier: SOBau 2009) oder Parteivereinbarung, ist ein Schiedsgericht ohne Weiteres nicht zur Protokollierung verpflichtet.
5. Weder aus dem Umstand, dass das Schiedsgericht zu bestimmten Punkten (vorläufig) die Einschätzungen zur Sach- und Rechtslage nicht teilt, noch aus dem Umstand, dass das (Schieds-)Gericht solche Einschätzungen geäußert hat, noch aus dem Umstand, dass diese (vorläufigen) Einschätzungen nicht in einer Weise begründet wurden, die alle vom Antragsteller vorgetragenen Umstände ausdrücklich erwähnt und widerlegt, lässt sich grundsätzlich eine Voreingenommenheit des Schiedsrichters ableiten.
6. Verfahrensverstöße (hier: unterschiedlicher Umgang mit Fristverlängerungsanträgen), die auf einem Irrtum oder auf einer unrichtigen Rechtsansicht beruhen, stellen grundsätzlich keinen Ablehnungsgrund dar. Lediglich qualifizierte Verfahrensfehler können die Besorgnis der Befangenheit begründen, wenn sie sich unmittelbar zum Nachteil eines Beteiligten auswirken und deswegen den Schluss zulassen, der (Schieds-)Richter sei nicht unparteiisch, sondern gegen den betroffenen Beteiligten eingestellt.
VolltextIBRRS 2024, 3325
OLG Jena, Beschluss vom 26.07.2024 - 4 W 296/23
Gegen Entscheidungen, durch die die Aussetzung des Verfahrens angeordnet oder abgelehnt wird, findet die sofortige Beschwerde statt. Dies gilt indes nicht, soweit das Gericht das Verfahren in Verbindung mit einer - jedenfalls eigenen - Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Union zur Vorabentscheidung ausgesetzt hat. Nichts anderes kann für den Fall gelten, dass eine bereits erfolgte Aussetzung zwecks Vorlageersuchen aufgehoben oder der Antrag auf eine solche Aussetzung abgelehnt wird.
VolltextOnline seit 15. November
IBRRS 2024, 3326OLG Frankfurt, Beschluss vom 23.10.2024 - 3 W 28/24
Eine im Rahmen des § 769 ZPO getroffene Entscheidung, die Zwangsvollstreckung nicht vorläufig einzustellen, ist nicht mit der sofortigen Beschwerde angreifbar.*)
VolltextIBRRS 2024, 3308
OLG Karlsruhe, Urteil vom 05.10.2023 - 12 U 47/23
Einem Rechtsanwalt, der sich darauf eingerichtet hat, einen Schriftsatz per beA zu übermitteln, kann im Rahmen der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht vorgehalten werden, er hätte sicherstellen müssen, im Störungsfall einen zweiten Versandweg zur Verfügung zu haben (Fax) oder auf einen neuen Versandweg ausweichen müssen, den er vorher noch nicht genutzt hatte (Computerfax).*)
VolltextIBRRS 2024, 3350
EuGH, Urteil vom 17.10.2024 - Rs. C-408/23
Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 2000/78/EG (...) ist (...) dahin auszulegen, dass er einer nationalen Regelung, die für die erstmalige Bestellung zum Anwaltsnotar eine Höchstaltersgrenze von 60 Jahren vorsieht, nicht entgegensteht, sofern mit dieser Regelung ein legitimes Ziel der Beschäftigungs- und Arbeitsmarktpolitik verfolgt wird und die Regelung in dem legislativen Kontext, in den sie sich einfügt, und in Anbetracht aller Sachverhalte, auf die sie anwendbar ist, zur Erreichung dieses Ziels angemessen und erforderlich ist.*)
VolltextIBRRS 2024, 3346
BGH, Urteil vom 11.10.2024 - V ZR 261/23
1. Das Fehlen der nach § 130a Abs. 3 ZPO erforderlichen einfachen Signatur einer auf einem sicheren Übermittlungsweg als elektronisches Dokument eingereichten Klageschrift kann nur dann ausnahmsweise unschädlich sein, wenn sich aus anderen, eine Beweisaufnahme nicht erfordernden Umständen eine der einfachen Signatur vergleichbare zweifelsfreie Gewähr dafür ergibt, dass der Rechtsanwalt die Verantwortung für den Inhalt der Klageschrift übernommen und diese willentlich in den Rechtsverkehr gebracht hat. *)
2. Eine unwirksame Prozesshandlung wird erst von ihrer Heilung an wirksam; eine nach Fristablauf erfolgte Behebung des Mangels ist nicht mehr fristwahrend. Das gilt auch für die materiell-rechtliche Ausschlussfrist des § 45 Satz 1 WEG.*)
VolltextIBRRS 2024, 3324
LAG Hamm, Beschluss vom 28.10.2024 - 9 Ta 319/24
1. Gemäß §§ 133, 157 BGB ist zwar bei der Auslegung einer individualvertraglichen Willenserklärung der wirkliche Wille der Parteien zu erforschen, wobei es aber gerade nicht lediglich auf den inneren Willen eines der beiden Erklärenden ankommt, sondern auf den durch normative Auslegung zu ermittelnden objektiven Erklärungswert.*)
2. Auch im selbständigen Beweisverfahren muss das Beweisthema jedenfalls soweit substantiiert sein, dass der Verfahrensgegenstand zweifelsfrei abgrenzbar ist. Ist dies nicht der Fall, würde im Rahmen der Zeugenvernehmung eine typische Ausforschung betrieben, anhand derer die anspruchsbegründenden Tatsachen erst in Erfahrung gebracht würden.*)
VolltextOnline seit 14. November
IBRRS 2024, 3305LG Verden, Beschluss vom 19.04.2022 - 6 T 31/22
1. Wurde gem. § 75 ZVG eine Zahlung mit Ermächtigung des Schuldners durch einen Dritten vorgenommen, ist sie wie eine Leistung des Schuldners selbst zu werten; auf die Frage, ob dieser "berechtigter Dritter" i.S.d. § 75 ZVG ist, kommt es dann nicht an.
2. Anknüpfungspunkt des § 75 ZVG ist der jeweils aktuell betroffene Versteigerungstermin und damit die in diesem Termin gegenständliche Grundschuld, aus der die Zwangsvollstreckung betrieben wird. Zur Einstellung des Verfahrens ist nur der zur Ablösung der konkret betroffenen Grundschuld "erforderliche" Betrag zu zahlen, auf nachfolgende oder zukünftige Zwangsvollstreckungen hinsichtlich weiterer Grundschulden kommt es nicht an.
VolltextIBRRS 2024, 3331
BGH, Beschluss vom 23.10.2024 - IV ZB 20/24
An die Darlegung eines erheblichen Grunds für die Notwendigkeit der Fristverlängerung dürfen bei einem ersten Antrag auf Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist keine hohen Anforderungen gestellt werden. Daher reicht der bloße Hinweis auf eine Arbeitsüberlastung zur Feststellung eines erheblichen Grunds aus, ohne dass es einer weiteren Substantiierung oder Glaubhaftmachung bedarf.
VolltextIBRRS 2024, 3302
OLG Hamm, Urteil vom 21.08.2024 - 12 U 13/23
Der Besteller genügt im Werkvertragsrecht den Anforderungen an die schlüssige Darlegung eines Mangels im Prozess bereits dann, wenn er die Erscheinungen, die er auf vertragswidrige Abweichungen zurückführt, hinlänglich deutlich beschreibt. Er ist nicht gehalten, die Mangelursachen im Einzelnen zu bezeichnen (sog. Symptomtheorie, st. Rspr., vgl. nur BGH, IBR 2021, 52).
VolltextIBRRS 2024, 3304
AG Witten, Urteil vom 13.03.2024 - 25 C 11/23
Eine Wohnungseigentümergemeinschaft wird mangels Verwalter gem. § 9b Abs. 1 Satz 2 WEG durch sämtliche Wohnungseigentümer vertreten, mit Ausnahme des Klägers, der für den Rechtsstreit von der Vertretung der Beklagten ausgeschlossen ist.
VolltextOnline seit 13. November
IBRRS 2024, 3249LG Freiburg, Beschluss vom 20.09.2024 - 4 T 105/24
1. Im Verfahren nach § 74a Abs 5 ZVG ist - ebenso wie im Verfahren der Neufestsetzung des Verkehrswertes auf Grund geänderter Umstände - regelmäßig die Einholung eines Sachverständigengutachtens geboten.*)
2. Sieht das Vollstreckungsgericht von der Einholung eines Sachverständigengutachtens ab, hat es in der Entscheidung über die Wertfestsetzung - den Grundsätzen der freien richterlichen Beweiswürdigung nach § 286 Abs. 1 ZPO folgend - seine eigene Sachkunde darzulegen und zu begründen und dies vorab den Parteien mitzuteilen.*)
3. Die Sachkunde ist noch nicht allein mit der Tätigkeit als Vollstreckungsrechtspfleger belegt, gleich, wie lange diese bereits andauern mag.*)
4. Wird diesen Grundsätzen nicht genügt, liegen im Falle einer sofortigen Beschwerde eines Beteiligten regelmäßig die Voraussetzungen für die Aufhebung des Wertfestsetzungsbeschlusses und die Zurückverweisung des Verfahrens an das Vollstreckungsgericht vor, um die Einholung des Sachverständigengutachtens nachzuholen.*)
VolltextIBRRS 2024, 3316
BGH, Beschluss vom 17.10.2024 - IX ZB 10/23
Ein Rechtsanwalt, der für mehrere Schuldverschreibungsgläubiger, die nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Anleiheschuldners einen gemeinsamen Vertreter bestellt haben, in derselben Angelegenheit tätig wird, erhält in der Regel keine erhöhte Verfahrensgebühr.*)
VolltextIBRRS 2024, 3253
OLG Braunschweig, Beschluss vom 21.10.2024 - 9 U 75/23
1. Ein verfahrensbeendender Prozessvergleich kann nicht durch gerichtliche Entscheidung ergänzt werden.*)
2. Ist der Vergleich nach § 278 Abs. 6 ZPO zutreffend festgestellt, ist eine Ergänzung auch nicht im Wege der Berichtigung möglich.*)
3. Sind durch einen Prozessvergleich nach dessen Regelung "alle gegenseitigen Ansprüche aus dem zugrundeliegenden Rechtsstreit abgegolten" und hat der Kläger mit der Klage nur eigene Leistungsansprüche sowie einen Feststellunganspruch für zukünftige Ansprüche mit der üblichen Einschränkung "soweit nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergegangen sind oder übergehen werden" geltend gemacht, so bedarf es in dem Vergleich ohnehin nicht noch zusätzlich einer ausdrücklichen Regelung, wonach auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte (z. B. eine private Krankenversicherung) von Gesetzes wegen übergegangene oder zukünftig übergehende Ansprüchen nicht Gegenstand des Vergleichs sind.*)
VolltextIBRRS 2024, 3278
OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 21.10.2024 - 8 E 10492/24
1. Der Streitwert i. S. des § 52 Abs. 1 GKG ist darauf bezogen, welchen wirtschaftlichen Wert der Streitgegenstand für den Kläger hat; daher kommt es für den Streitwert einer auf die Zurückweisung des Nachbarwiderspruchs gegen eine Baugenehmigung und damit auf deren Bestandskraft abzielenden Klage nicht darauf an, dass der Prüfungsumfang auf die engere Frage beschränkt ist, ob die erteilte Baugenehmigung subjektive Rechte der Nachbarn verletzt.*)
2. Für die Bemessung der Höhe des Streitwerts einer Bauherrenklage mit dem Ziel der Zurückweisung eines Nachbarwiderspruchs gegen eine Baugenehmigung für eine sonstige Anlage ist in der Regel auf einen Bruchteil von ¼ des in Ziffer 9.1.2.6 des Streitwertkatalogs 2013 empfohlenen Wertes für die Verpflichtungsklage auf (grundlegende) Erteilung einer solchen Baugenehmigung abzustellen (hier: ¼ von 10% der geschätzten Rohbaukosten).*)
VolltextOnline seit 12. November
IBRRS 2024, 3250LG Lübeck, Beschluss vom 07.10.2024 - 7 T 481/24
Die Streitwertfestsetzung nach § 54 Abs. 1 S. 2, 3 GKG orientiert sich am noch bis zum 31.12.2024 anwendbaren Einheitswert und (noch) nicht am Grundsteuerwert.*)
VolltextIBRRS 2024, 3263
OLG Stuttgart, Beschluss vom 17.04.2024 - 3 W 18/24
Die sofortige Beschwerde gegen die Zurückweisung eines Antrags auf Erlass einer einstweiligen Verfügung unterliegt gem. § 78 Abs. 1 Satz 1 ZPO dem Anwaltszwang.*)
VolltextIBRRS 2024, 3270
OVG Schleswig-Holstein, Beschluss vom 25.10.2024 - 6 LB 15/24
1. Ein Richter ist kraft Gesetzes von der Ausübung des Richteramts ausgeschlossen in Sachen, in denen er u. a. als Prozessbevollmächtigter einer Partei bestellt ist oder gewesen ist.
2. Die einer aus Rechtsanwälten bestehenden Partnerschaft uneingeschränkt erteilten Prozessvollmacht führt dazu, dass sämtliche in der Kanzlei der Partnerschaft tätigen Rechtsanwälte und Rechtsanwältinnen als Prozessbevollmächtigte der Kläger bestellt werden.
3. Bereits der Tatbestand der Bestellung und die damit einhergehende Befugnis, für den Vollmachtgeber aufzutreten, genügt, um einen gesetzlichen Ausschluss eines Richters anzunehmen, ohne dass es noch darauf ankommt, ob dieser in der Vertretereigenschaft tatsächlich tätig geworden ist.
VolltextOnline seit 11. November
IBRRS 2024, 3271BGH, Urteil vom 10.10.2024 - VII ZR 240/23
Verzögerungen im Zustellungsverfahren, die durch eine fehlerhafte Sachbehandlung des Gerichts verursacht sind, sind dem Zustellungsbetreiber nicht zuzurechnen (Anschluss an BGH, IMR 2023, 426 = NJW 2023, 2945). Zu solchen Verzögerungen gehören auch Versäumnisse, die bei der Ausführung der Zustellung von dem Zustellorgan verursacht worden sind.*)
VolltextIBRRS 2024, 3269
VG Göttingen, Beschluss vom 24.10.2024 - 8 C 34/24
Einer ausschließlich elektronisch ohne qualifizierte Signatur unterzeichneten eidesstattlichen Versicherung kommt nur eine geringe Beweiskraft zu.*)
VolltextOnline seit 8. November
IBRRS 2024, 3247OLG Nürnberg, Urteil vom 12.03.2024 - 3 U 1856/23
1. Ansprüche aus einer schuldrechtlichen Abrede in einem Erbbaurechtsbestellungsvertrag gegen den ersten Erbbaurechtsinhaber, die über den dinglichen Erbbauzins hinausgehen, bestehen gegen diesen fort, auch wenn das Erbbaurecht einem Dritten zugeschlagen wurde.*)
2. Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, nach der mit einem Zustimmungsvorbehalt nach § 5 ErbbauRG der Eintritt des Erwerbers in die schuldrechtliche Verpflichtung zur Zahlung und Anpassung des Erbbauzinses erzwungen werden kann, begründet keine Verpflichtung, den Erwerber als Vertragspartner des Bestellungsvertrags bzw. der Erbbauzinsabrede zu akzeptieren. Dementsprechend besteht erst recht keinerlei Obliegenheit, bereits bei der Bestellung des Erbbaurechts durch Vereinbarung eines Zustimmungsvorbehalts sicherzustellen, dass ein Eintritt eines späteren Erwerbers oder Erstehers in den Bestellungsvertrag erzwungen werden könnte.*)
VolltextIBRRS 2024, 3243
OLG Brandenburg, Beschluss vom 07.10.2024 - 1 W 45/24
1. Die Ablehnung eines Richters wegen der Besorgnis der Befangenheit findet statt, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen seine Unparteilichkeit zu rechtfertigen. Dabei kommen nur objektive Gründe in Frage. Rein subjektive, unvernünftige Vorstellungen des Ablehnenden scheiden als Gründe aus. Entscheidend ist, ob ein am Verfahren Beteiligter bei vernünftiger Würdigung aller Umstände Anlass hat, an der Unvoreingenommenheit des Richters zu zweifeln.
2. Die Ablehnung kann grundsätzlich nicht erfolgreich auf die Verfahrensweise oder die Rechtsauffassung eines Richters gestützt werden. Eine Ausnahme von diesem Grundsatz ist nur dann geboten, wenn die Gestaltung des Verfahrens oder die Entscheidungen des Richters sich so weit von den anerkannten rechtlichen - insbesondere verfassungsrechtlichen - Grundsätzen entfernen, dass sie aus der Sicht der Partei nicht mehr verständlich und offensichtlich unhaltbar erscheinen und dadurch den Eindruck einer willkürlichen oder doch jedenfalls sachfremden Einstellung des Richters erwecken.
3. Der Umstand, dass ein Richter auf einen nachgelassenen Schriftsatz keine Hinweise erteilt hat, ist nicht geeignet, eine unsachgemäße Einstellung oder Vorgehensweise zu belegen.
4. Die richterliche Pflicht zum Erteilen von Hinweisen ist auf die Zeit der Vorbereitung wie auch der Durchführung der mündlichen Verhandlung begrenzt.
5. Nach dem Schluss der mündlichen Verhandlung ist die Erteilung von Hinweisen erst wieder im Verkündungstermin möglich. In dessen Vorbereitung obliegt es dem Richter zu prüfen, ob das Vorbringen im nachgelassenen Schriftsatz eine Wiedereröffnung der mündlichen Verfahren und gegebenenfalls die Erteilung weiterer Hinweise zur Vorbereitung des Fortsetzungstermins erfordert oder aber die Verkündung eines Urteils angezeigt ist.
VolltextIBRRS 2024, 3265
OVG Saarland, Beschluss vom 18.06.2024 - 2 F 188/23
1. Kosten, die Verfahrensbeteiligte für private Sachverständigengutachter im Rahmen des Verwaltungsprozesses aufwenden, sind mit Rücksicht darauf, dass hier der Untersuchungsgrundsatz herrscht nur in Ausnahmefällen erstattungsfähig.*)
2. Hier: Einzelfall, in dem der Beklagte aufgrund der durch die Klägerseite im Rahmen des Klageverfahrens erhobenen spezifischen Einwände gegen die fachlichen Bewertungen im Zuge des Planungsfeststellungsverfahrens Anlass hatte, Privatgutachter als Beistand im Rahmen der mündlichen Verhandlung hinzuzuziehen, um sachgerecht auf den klägerischen Vortrag beziehungsweise Nachfragen des Gerichts reagieren zu können.*)
3. Der prozessuale Schutz der Gegenpartei erfordert eine Begrenzung des Kostenerstattungsanspruchs im Fall der Hinzuziehung privater Gutachter zu einem Planfeststellungsverfahren, sodass die Angemessenheit der geltend gemachten Vergütung anhand der für gerichtlich bestellte Sachverständige geltenden Entschädigungen beziehungsweise Stundensätze gemäß § 8 Abs. 1 und 2, § 9 i.V.m. Anlage 1 zum JVEG zu beurteilen ist und diese Stundensätze im Sinne einer Obergrenze zur Anwendung zu bringen sind.*)
4. Davon ausgehend, dass eine Erstattung von Kosten für Privatgutachter voraussetzt, dass die prozessuale Lage die Hinzuziehung gebietet, ein nachvollziehbarer Bezug zum Vorbringen eines Prozessbeteiligten besteht und der Beitrag des Privatgutachters dazu bestimmt ist, vorgetragene Tatsachen zu widerlegen oder zu erschüttern, ist es grundsätzlich Sache des Verfahrensbeteiligten, der die Kosten geltend macht, den spezifischen Vortrag im Vorfeld für den Privatgutachter derart aufzubereiten, dass dem Gutachter eine gezielte Vorbereitung auf die mündliche Verhandlung möglich ist; überlässt ein Verfahrensbeteiligter hingegen wie vorliegend geschehen dem Privatgutachter die Suche nach fachspezifischen Einwendungen und erzeugt so einen erhöhten Zeitaufwand, kann dies keinen Erstattungsanspruch begründen.*)
VolltextOnline seit 7. November
IBRRS 2024, 0582OLG München, Urteil vom 31.01.2024 - 7 U 7576/21
1. Für Ansprüche aus § 1004 BGB wegen Beeinträchtigung seines Sondereigentums ist der Sondereigentümer auch nach der WEG-Reform unter Geltung des § 9a Abs. 2 WEG prozessführungsbefugt.
2. Der Sondereigentümer einer Einheit im Rahmen einer Wohnungseigentümergemeinschaft hat gegen die Mieter einer anderen Einheit einen Anspruch aus § 1004 BGB auf Unterlassung einer Nutzung, die gegen die wohnungseigentumsrechtliche Zweckbestimmung der gemieteten Einheit aus Teilungserklärung oder wirksamer Vereinbarung der Eigentümer verstößt.
3. Übernimmt der alte Mieter einer Teileigentumseinheit die gesamtschuldnerische Haftung für alle vergangenen, gegenwärtigen und zukünftigen Ansprüche aus dem Mietverhältnis, verliert er seine Störereigenschaft nicht, weil er nicht vollumfänglich aus dem Mietvertrag entlassen ist.
4. In der Änderung der Zweckbestimmung einer Gewerbeeinheit von "Laden" zu "Eisverkaufsstelle" liegt keine Veränderung des Zwecks des Anwesens als "Wohnhaus", wenn seit der Begründung der Gemeinschaft in dem Anwesen eine gewerbliche Nutzung im Erdgeschoss und eine Wohnnutzung in den Obergeschossen vorgesehen war.
VolltextIBRRS 2024, 3226
OLG Brandenburg, Beschluss vom 22.10.2024 - 7 U 67/24
Ein Befreiungsanspruch ist auch dann vollstreckbar, wenn die Höhe der Zahlungsschuld, von der zu befreien ist, im Urteil nicht beziffert, aber auf andere Weise für das Vollstreckungsverfahren ausreichend deutlich beschrieben ist.*)
VolltextIBRRS 2024, 3227
OLG Frankfurt, Beschluss vom 27.09.2024 - 3 W 25/24
Ergeht unter Mitwirkung der abgelehnten Richterin eine vollständig instanzbeendigende Entscheidung, entfällt das Rechtsschutzbedürfnis für die sofortige Beschwerde gegen die Zurückweisung des Ablehnungsgesuchs durch die abgelehnte Richterin.*)
VolltextOnline seit 6. November
IBRRS 2024, 3208OLG Köln, Urteil vom 27.08.2024 - 4 U 54/23
1. Verpflichtet sich eine Partei wirksam zur Klagerücknahme, kommt sie aber der Verpflichtung nicht nach, kann ihr dies vom Prozessgegner mit der Folge entgegengehalten werden, dass die Fortsetzung des Prozesses unzulässig wird.
2. Ein Dritter (hier: Vertragsgegner) kann sich auf die Unbeschränkbarkeit der Vertretungsmacht dann nicht berufen, wenn der Vertreter bewusst zum Nachteil des Vertretenen gehandelt hat und dies dem Dritten schuldhafterweise nicht bekannt geworden ist.
3. Eine Quittung erbringt einen vollen Beweis dafür, dass die in ihr enthaltene Erklärung von dem Unterzeichner abgegeben worden ist, nicht aber für den Inhalt der Erklärung, also die Erfüllung der Verbindlichkeit; insoweit unterliegt sie der freien richterlichen Beweiswürdigung. Sie enthält ein außergerichtliches Geständnis hinsichtlich des Leistungsempfangs, ein Zeugnis des Gläubigers "gegen sich selbst", und dementsprechend in der Regel auch ein Indiz für die Leistung (Erfüllung) des Schuldners.
4. Dieser eingeschränkte "Beweiswert" einer Quittung kann jedoch dadurch entkräftet werden, dass die Überzeugung des Gerichts vom Empfang der Leistung erschüttert wird; ein voller "Gegenbeweis" im Sinne des Nachweises der inhaltlichen Unwahrheit der Quittung ist nicht nötig, wobei es tragfähiger Anhaltspunkte bedarf, die den Verdacht der inhaltlichen Unrichtigkeit der Quittung ernstlich nahelegen.
5. Die Nichterteilung einer den Anforderungen des § 14 Abs. 1 UStG entsprechenden Rechnung begründet ein Zurückbehaltungsrecht nach § 273 BGB, das lediglich ex nunc wirkt und die Verzugswirkungen nicht rückwirkend entfallen lässt. Vielmehr kann dieses einen Verzugseintritt nur verhindern, wenn es vor oder bei Fälligkeit der Forderung ausgeübt wird.
VolltextIBRRS 2024, 3220
VG Schwerin, Beschluss vom 23.08.2024 - 2 B 1262/24
1. Die Beschäftigung der Lebensgefährtin eines Richters bei der beklagten Behörde führt für sich genommen nicht zur Begründetheit eines Befangenheitsgesuchs.*)
2. Bei Vorliegen besonderer Umstände kann ausnahmsweise die Besorgnis der Befangenheit anzunehmen sein.*)
VolltextOnline seit 5. November
IBRRS 2024, 3173LG Nürnberg-Fürth, Beschluss vom 26.08.2024 - 14 T 6153/23 WEG
1. Nur wenn die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer keinen Verwalter hat, sind die Wohnungseigentümer gemeinschaftlich zu deren Vertretung berechtigt.
2. Die Gemeinschaft ist "verwalterlos", wenn kein Verwalter bestellt wurde, seine Amtszeit abgelaufen ist, der Verwalter das Amt niedergelegt hat, er abberufen wurde oder seine Bestellung für unwirksam oder für nichtig erklärt wurde.
3. Die Bestellung mehrerer natürlicher Personen als Verwalter, die gleichzeitig tätig sein sollen, ist nichtig.
4. Die Zustellung an einen benannten, aber nur "vermeintlichen" Vertreter führt mangels ordnungsgemäßer Klageerhebung zur Unzulässigkeit der Klage.
5. Es ist nicht angezeigt, einen Vertreter und damit auch keinen "Scheinvertreter" bzw. eine vom Kläger als Vertreterin bezeichnete Person, die tatsächlich nicht Vertreterin ist ("falsche" bzw. "vermeintliche" Vertreterin), aus dem Rechtsstreit zu entlassen.
6. Auch ein Dritter hat unter bestimmten Voraussetzungen einen Anspruch auf eine Kostenentscheidung, wenn er irrtümlich in den Prozess hineingezogen worden ist. Dann ist es geboten, die Kostenvorschriften der ZPO auf das Verhältnis zwischen der klagenden Partei und dem Dritten entsprechend anzuwenden.
VolltextIBRRS 2024, 3201
OLG Brandenburg, Beschluss vom 02.10.2024 - 1 AR 24/24
Nimmt der Auftraggeber eines Bauvertrags den Bauunternehmer und dessen Bürgen in einem gemeinsamen Prozess wegen Erstattung eines Verzugsschadens in Anspruch, sind Bauunternehmer und Bürge einfache Streitgenossen i. S. des § 60 ZPO, so dass die Voraussetzungen für eine Gerichtsstandsbestimmung vorliegen.
VolltextIBRRS 2024, 3202
OLG Frankfurt, Beschluss vom 30.09.2024 - 3 W 8/24
Den erforderlichen Kostenantrag nach § 269 Abs. 4 Satz 1 ZPO kann auch eine Scheinbeklagte stellen.*)
VolltextOnline seit 4. November
IBRRS 2024, 3197OLG Brandenburg, Beschluss vom 11.10.2024 - 9 WF 208/24
1. Die Ablehnung eines Richters wegen der Besorgnis der Befangenheit findet statt, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen seine Unparteilichkeit zu rechtfertigen.
2. Tatsächliche Befangenheit oder Voreingenommenheit ist nicht erforderlich. Es genügt bereits der böse Schein, d. h. der Eindruck mangelnder Objektivität.
3. Keine tauglichen Ablehnungsgründe sind in aller Regel die Art und Weise der materiellen Verfahrensleitung, bloße Verfahrensverstöße oder fehlerhafte Entscheidungen, soweit die Grenze zur Willkür nicht überschritten ist. Eine Ausnahme von diesem Grundsatz ist geboten, wenn die Gestaltung des Verfahrens oder die Entscheidungen des Richters sich so weit von den anerkannten rechtlichen - insbesondere verfassungsrechtlichen - Grundsätzen entfernen, dass sie nicht mehr verständlich und offensichtlich unhaltbar erscheinen und dadurch den Eindruck einer willkürlichen oder doch jedenfalls sachfremden Einstellung des Richters erwecken.
4. Die Führung der Akten kann schon für sich betrachtet nicht den Anschein einer Befangenheit rechtfertigen, ebenso wenig wie die sonstige Verfahrensführung, selbst wenn darin im Einzelfall Verstöße gegen die Art und Weise der Durchführung des Verfahrens resultieren würden.
5. Ein Ablehnungsgesuch ist unverzüglich anzubringen. Es ist nicht mehr unverzüglich, nämlich nicht mehr "ohne schuldhafte Verzögerung", wenn der Beteiligte nach Ablauf einer ihm zuzubilligenden Überlegungsfrist mit dem Gesuch zuwartet, obwohl bei verspäteter Antragstellung eine unnötige Verfahrensverzögerung für ihn erkennbar und vermeidbar war.
6. Die Dauer der zuzubilligenden Überlegungsfrist hängt von den Umständen des Einzelfalls ab. Sie kann sich bei komplexeren Sachlagen durchaus auf mehrere Tage erstrecken, wobei üblicherweise ein Zeitraum von ein bis zwei Tagen zuzubilligen ist.
VolltextOnline seit 31. Oktober
IBRRS 2024, 3185OLG Brandenburg, Beschluss vom 15.10.2024 - 6 U 149/19
Die gem. § 411a ZPO grundsätzlich zulässige Verwertung eines Sachverständigengutachtens, das bereits von einem anderen Gericht eingeholt worden sind, setzt neben der Gewährung rechtlichen Gehörs für die Parteien einen Beweisbeschluss voraus.
VolltextIBRRS 2024, 3176
OLG Schleswig, Beschluss vom 10.10.2024 - 1 U 57/21
Der Antrag, nach § 239 Abs. 2 ZPO den Rechtsnachfolger zur Aufnahme des Verfahrens und zur Verhandlung in der Hauptsache zu laden, muss den Namen und die ladungsfähige Anschrift des Rechtsnachfolgers sowie die Tatsachen enthalten, auf die die Rechtsnachfolge gestützt wird.*)
VolltextOnline seit 30. Oktober
IBRRS 2024, 3163OLG Stuttgart, Beschluss vom 02.05.2024 - 6 U 93/23
1. Ein zweites Versäumnisurteil unterliegt der Berufung nur insoweit, als sie darauf gestützt wird, dass ein Fall der schuldhaften Versäumung nicht vorgelegen hat. Die Gründe hierfür sind in der Berufungsbegründung vollständig und schlüssig vorzutragen. Die Schlüssigkeit des Sachvortrags ist Voraussetzung der Zulässigkeit des Rechtsmittels (Anschluss an BGH, Beschluss vom 30.01.2024 - VIII ZB 47/23, IBRRS 2024, 0868 = IMRRS 2024, 0397).
2. Mit der Berufung gegen ein zweites Versäumnisurteil, mit dem der Einspruch gegen einen Vollstreckungsbescheid verworfen worden ist, kann auch geltend gemacht werden, ein Fall der schuldhaften Säumnis habe nicht vorgelegen, weil das Klagebegehren im Zeitpunkt der Entscheidung über den Einspruch nicht schlüssig gewesen sei (Anschluss an BGH, Urteil vom 25.10.1990 - IX ZR 62/90, IBRRS 1990, 0524 = IMRRS 1990, 0006).
3. Ein Sachvortrag ist schlüssig, wenn die vorgetragenen Tatsachen in Verbindung mit einem Rechtssatz geeignet sind, das geltend gemachte Recht zu begründen. Sind diese Anforderungen erfüllt, ist weder eine weitere Substantiierung der Angaben durch Vortrag von Einzeltatsachen noch die Vorlage von Urkunden als Beleg für die Angaben erforderlich (BGH, Beschluss vom 23.11.2023 - V ZR 170/22 -, Rz. 9 m.w.N., IBRRS 2024, 0356 = IMRRS 2024, 1330).
VolltextOnline seit 29. Oktober
IBRRS 2024, 3131BGH, Beschluss vom 26.09.2024 - I ZR 161/23
Kann der Auftragnehmer die von ihm erbrachten Leistung nicht durch ein Aufmaß ermitteln, genügt er seiner Verpflichtung zur prüfbaren Abrechnung, wenn er alle ihm zur Verfügung stehenden Umstände mitteilt, die Rückschlüsse auf den Stand der erbrachten Leistung ermöglichen (vgl. BGH, IBR 2004, 488).
VolltextIBRRS 2024, 3146
BayObLG, Beschluss vom 25.10.2024 - 102 AR 120/24 e
1. Einem Verweisungsbeschluss kommt ausnahmsweise dann keine Bindungswirkung zu, wenn dieser schlechterdings nicht als im Rahmen des § 281 ZPO ergangen angesehen werden kann, etwa weil er auf der Verletzung rechtlichen Gehörs beruht, nicht durch den gesetzlichen Richter erlassen wurde oder jeder gesetzlichen Grundlage entbehrt und deshalb als willkürlich betrachtet werden muss (hier bejaht).
2. Eine ausdrückliche Einbeziehung kann im unternehmerischen Verkehr auch dann wirksam sein, wenn die Allgemeinen Geschäftsbedingungen dem für den Vertragsschluss maßgeblichen Schreiben nicht beigefügt waren und der Kunde ihren Inhalt nicht kennt. Der Verwender muss dem Unternehmen lediglich ermöglichen, von dem Inhalt der Allgemeinen Geschäftsbedingungen in zumutbarer Weise Kenntnis zu nehmen. Hierzu genügt etwa ein deutlich sichtbarer Hinweis im Angebotsschreiben auf die Adresse, unter der die Allgemeinen Geschäftsbedingungen im Internet einsehbar sind, selbst wenn der Vertragsschluss als solcher nicht im Internet stattgefunden haben sollte.
3. Im kaufmännischen Geschäftsverkehr sind Gerichtsstandsklauseln in Allgemeinen Geschäftsbedingungen üblich und somit grundsätzlich nicht überraschend.
VolltextIBRRS 2024, 3151
OLG Brandenburg, Beschluss vom 14.10.2024 - 10 W 26/24
1. Eine Änderung des festgesetzten Streitwerts ist nur innerhalb von sechs Monaten zulässig, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat.
2. Ein selbständiges Beweisverfahren ist ungeachtet des Inhalts und der Qualität des Gutachtens jedenfalls dann beendet, wenn der Gutachter sich zu den gestellten Beweisfragen geäußert hat und innerhalb eines angemessenen Zeitraums nach der mündlichen Anhörung keine Anträge einer Partei zur Ergänzung des Gutachtens gestellt werden (BGH, IBR 2009, 363).
3. Bei der Beweiserhebung im Rahmen des selbständigen Beweisverfahrens handelt es sich um einen vorgezogenen Hauptsachebeweis, so dass grundsätzlich der (beabsichtigte) Hauptsachewert maßgebend ist.
VolltextOnline seit 28. Oktober
IBRRS 2024, 3140BGH, Beschluss vom 14.08.2024 - XII ZB 386/23
Beschwerdeanträge genügen den gesetzlichen Anforderungen, wenn die innerhalb der Begründungsfrist eingereichten Schriftsätze des Beschwerdeführers ihrem gesamten Inhalt nach eindeutig erhellen, in welchem Umfang und mit welchem Ziel die erstinstanzliche Entscheidung angefochten werden soll (im Anschluss an Senatsbeschluss vom 08.02.2023 - XII ZB 351/21, IBRRS 2023, 0981).*)
VolltextIBRRS 2024, 3114
OLG Karlsruhe, Beschluss vom 26.08.2024 - 14 U 66/23
Der Umstand, dass ein Prozessbevollmächtigter in einem privat geführten Prozess des Richters auf der Gegenseite auftritt, ist für sich genommen nicht geeignet, eine Besorgnis der Befangenheit des Richters zu begründen.*)
Volltext