Bau-, Architekten- und Immobilienrecht.
Aktuelle Urteile in allen Sachgebieten
Online seit 7. August
IBRRS 2024, 2424VGH Bayern, Urteil vom 21.06.2024 - 5 BV 22.1295
Der Schutz der Vertraulichkeit der Dokumentation über die Wertung von Teilnahmeanträgen und Angeboten gem. § 5 Abs. 2 Satz 2 VgV besteht nicht gegenüber dem Unternehmen, das das betreffende Angebot abgegeben hat, soweit die Dokumentation keine Rückschlüsse auf die Inhalte der Angebote Dritter zulässt.*)
VolltextIBRRS 2024, 2421
BVerwG, Urteil vom 24.04.2024 - 4 CN 2.23
1. Die Vorschrift des § 44 Abs. 1 VwVfG-NW ist trotz der geringfügigen Abweichung gegenüber dem Wortlaut des § 44 Abs. 1 VwVfG ("offenkundig" statt "offensichtlich") revisibel.*)
2. Ein "bestimmtes Vorhaben" i.S.d. § 2 Abs. 6 Nr. 3 UVPG ist bei einem Bauvorhaben nach Nr. 18.7 der Anlage 1 zum UVPG schon dann gegeben, wenn dessen tatbestandliche Voraussetzungen vorliegen. In einem solchen Fall wird ein Angebotsbebauungsplan UVP-pflichtig, ohne dass es auf den Grad der Konkretisierung des Vorhabens ankommt.
3. Vorprüfungspflichtige Bebauungspläne gelten wegen § 50 Abs. 1 UVPG stets auch als UVP-pflichtig (vgl. BVerwG, Beschluss vom 14.03.2017 - 4 CN 3.16 -, IBRRS 2017, 1467).*)
VolltextIBRRS 2024, 2373
AG Hamburg, Urteil vom 11.07.2024 - 49 C 410/23
1. Ein Mieter ist zur Leistung von Betriebskostennachzahlungen nicht verpflichtet, solange und soweit der Vermieter einem berechtigten Verlangen nach Belegvorlage nicht nachgekommen ist.
2. Der Vermieter hat die Belegeinsicht zu ermöglichen und damit an einer Terminfindung mitzuwirken.
3. Der Mieter einer Wohnung in Hamburg ist nicht gehalten, die Belege am Hauptsitz der Verwaltung in Dresden einzusehen. Die Verwaltung muss vielmehr die Unterlagen in ihr Hamburger Büro verbringen.
4. Wird eine Aufrechnung erst im Prozess erklärt, obwohl sie bereits vorgerichtlich möglich gewesen wäre, können dem Aufrechnenden bei übereinstimmender Erledigungserkärung der Parteien die Prozesskosten auferlegt werden.
VolltextIBRRS 2024, 2340
LG Karlsruhe, Urteil vom 16.05.2024 - 11 S 122/23
1. Der Einbau einer Split-Klimaanlage stellt eine benachteiligende bauliche Veränderung dar.
2. Die Installation eines Klima-Splitgeräts geht über den jedem Wohnungseigentümer zustehenden Mitgebrauch des gemeinschaftlichen Eigentums hinaus.
3. Nur weil die Gemeinschaft Monoblock-Geräte inklusive Kernbohrungen durch die Außenfassade genehmigt hat, muss sie nicht auch Splitt-Geräte genehmigen.
VolltextIBRRS 2024, 2425
BAG, Urteil vom 20.06.2024 - 2 AZR 213/23
Es besteht ein Beweis des ersten Anscheins, dass Bedienstete der Deutschen Post AG Briefe zu den postüblichen Zeiten zustellen.*)
VolltextIBRRS 2024, 2423
BGH, Beschluss vom 11.07.2024 - IX ZB 31/23
Ist ein Rechtsanwalt nicht in der Lage, die Büroräume seiner Kanzlei zu betreten, weil er den Büroschlüssel im Büro vergessen hat, bedarf eine ein Verschulden des Rechtsanwalts an einer Fristversäumnis ausschließende Darlegung Ausführungen dazu, dass und aus welchen Gründen keine der naheliegenden Möglichkeiten, innerhalb der noch zur Verfügung stehenden Frist einen Zugang zu den Büroräumen zu ermöglichen oder einen anderen Rechtsanwalt mit der Vornahme der fristwahrenden Handlung zu beauftragen, einen Erfolg gehabt hätte.*)
VolltextIBRRS 2024, 2418
BGH, Beschluss vom 25.06.2024 - VIII ZB 13/24
Den Parteien wird nicht das von den erkennenden Richtern unterzeichnete Original der Entscheidung, sondern lediglich eine von der Geschäftsstelle beglaubigte Abschrift oder - auf Antrag - eine Ausfertigung der erlassenen und unterschriebenen Entscheidung zugestellt. Die von den Richtern unterzeichnete Originalentscheidung verbleibt beim Gericht.
VolltextIBRRS 2024, 2420
BFH, Beschluss vom 09.07.2024 - X B 81/23
1. Der Verstoß gegen den Anspruch auf den gesetzlichen Richter, der in einer Selbstentscheidung des abgelehnten Richters über einen zulässigen Ablehnungsantrag entgegen § 45 Abs. 1 ZPO liegt, schlägt auf die Endentscheidung durch, ohne dass es hierfür darauf ankommt, ob das Ablehnungsgesuch in der Sache begründet ist oder nicht (Anschluss an Beschlüsse des BVerfG vom 20.07.2007 - 1 BvR 2228/06, NJW 2007, 3771, unter II.2.a, und vom 11.03.2013 - 1 BvR 2853/11, NJW 2013, 1665, Rz 38 ff.; Beschluss des BFH vom 16.10.2019 - X B 99/19, BFHE 266, 494, BStBl II 2020, 375).*)
2. Für die Darlegung einer entsprechenden Verfahrensrüge genügt nicht allein die schlichte Äußerung der eigenen rechtlichen Einschätzung des Beteiligten, wonach die abgelehnten Richter nicht selbst über den Ablehnungsantrag hätten entscheiden dürfen. Vielmehr ist auch vorzutragen, in welcher Weise das Finanzgericht in seiner Selbstentscheidung über den Ablehnungsantrag - wenn auch nur geringfügig - auf den Verfahrensgegenstand eingegangen ist oder weshalb dies zwar nicht geschehen ist, aber objektiv erforderlich gewesen wäre.*)
VolltextOnline seit 6. August
IBRRS 2024, 2378KG, Urteil vom 30.06.2023 - 7 U 94/21
1. Die Versicherung kann beim versicherten Auftragnehmer Regress nehmen, wenn der Versicherungsvertrag Ausnahmen von einem vereinbarten Regressverzicht vorsieht und ein solcher Ausnahmetatbestand erfüllt ist (hier bejaht für grobe Fahrlässigkeit).
2. Für das Eingreifen eines Ausnahmetatbestandes zum Regressverzicht trägt der regressierende Versicherer nach allgemeinen Grundsätzen die Darlegungs- und Beweislast. Allerdings trifft den versicherten Auftragnehmer eine sekundäre Darlegungslast, detailliert und bauablaufgetreu zu der als grob fahrlässig in Streit stehenden Art der Ausführung vorzutragen.
3. Treten Rissbildungen in einem engen zeitlichen Zusammenhang mit Bauarbeiten auf, die generell geeignet sind, Bodenerschütterungen auszulösen, streitet der Beweis des ersten Anscheins für die Ursächlichkeit.
4. Eine zufällige Schadensverlagerung als Voraussetzung für eine Drittschadensliquidation liegt vor, wenn die vertragswidrige Bauausführung des Auftragnehmers zu einem Vermögensschaden in Form von nachbarrechtlichen Ersatzansprüchen nicht beim Auftraggeber, sondern beim (personenverschiedenen) Bauherrn führt.
5. Enthält eine Klausel neben der unwirksamen auch unbedenkliche, sprachlich und inhaltlich abtrennbare Bestimmungen, bleiben diese wirksam, auch wenn sie den gleichen Sachkomplex betreffen, wenn nach Wegstreichen der unwirksamen Teilregelung ein aus sich heraus verständlicher Klauselrest verbleibt (blue-pencil-Test).
VolltextIBRRS 2024, 2407
LG Lübeck, Urteil vom 23.07.2024 - 2 O 13/24
1. Ein Sachmangel liegt vor, wenn die Ist-Beschaffenheit von der Soll-Beschaffenheit abweicht. Zur Annahme eines Mangels genügt die objektiv abweichende Beschaffenheit.
2. Eine sog. Bagatellklausel in einem Bauträgervertrag, wonach „Abweichungen von der Baubeschreibung (…) keinen Mangel darstellen, soweit sie (…) geringfügig und für die Vertragsparteien zweckmäßig sind“, benachteiligt den Erwerber unangemessen und ist unwirksam.
3. Die Verwendung eines abweichenden Materials, das in seinen Verwendungseigenschaften gleich- oder sogar höherwertig als das versprochene Material sein mag, stellt einen wesentlichen Mangel dar, wenn die Nutzung eines bestimmten Materials vertraglich ausdrücklich zusagt wurde und es an einer wirksamen Abweichungsklausel fehlt.
4. Der Erwerber ist nur und erst dann zur Abnahme verpflichtet, wenn das Werk abnahmereif, mithin im Wesentlichen fertiggestellt und im Wesentlichen mangelfrei ist. Die Darlegungs- und Beweislast hinsichtlich der Abnahmereife trägt der Bauträger.
VolltextIBRRS 2024, 2360
OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 13.01.2024 - 8 C 10495/22
1. Zur Antragsbefugnis des Eigentümers eines an das Plangebiet des Bebauungsplans angrenzenden Gewerbegrundstücks für einen Normenkontrollantrag.*)
2. Zur Fehlerhaftigkeit der Bekanntmachung eines Bebauungsplans, dessen Festsetzungen ergänzend auf eine VDI-Richtlinie Bezug nehmen (hier: bejaht).*)
3. Wird ein Industriegebiet durch Festsetzung von Emissionskontingenten gegliedert, so ist die Zwecksetzung des Gebiets nicht gewahrt, wenn im gesamten Gebiet die Absenkung eines Nachtwerts erfolgt.*)
4. Zu den Anforderungen an die Abwägung eines Bebauungsplans zur Festsetzung der Gebäudehöhe im Hinblick auf die Beeinträchtigung der Photovoltaikanlage eines benachbarten, ebenfalls in einem Industriegebiet gelegenen Gewerbebetriebs.*)
VolltextIBRRS 2024, 2346
AG Elmshorn, Urteil vom 25.01.2024 - 58 C 111/22
Für den Einwand, die Treppenhausreinigung sei nicht sachgerecht erfolgt, weil das Treppenhaus nur oberflächlich durch Fegen und Wischen ohne Aufnahme der Fußmatten erfolgt sei, darüber hinaus die Reinigung auch deshalb unzureichend gewesen sei, weil Fensterbänke und Fenster sowie der Handlauf der Treppe nicht gereinigt worden seien, ist der Mieter darlegungs- und beweisbelastet.
VolltextIBRRS 2024, 2409
BGH, Urteil vom 21.06.2024 - V ZR 79/23
Als Wohnung verkaufte Räume im Souterrain eines Altbaus, die bei Gefahrübergang erhebliche Wandfeuchtigkeit aufweisen, sind regelmäßig weder für die nach dem Vertrag vorausgesetzte Verwendung noch für die gewöhnliche Verwendung zum Wohnen geeignet und infolgedessen mangelhaft.*)
VolltextIBRRS 2024, 2047
LG Bonn, Beschluss vom 13.05.2024 - 6 T 56/24
1. Zwar ist bei der Vollstreckung aus einer Sicherungsgrundschuld zur Fälligkeit der Grundschuld die Vorschrift des § 1193 BGB zu beachten. Danach muss eine Kündigungsfrist von sechs Monaten eingehalten werden. 2. Der Grundstückseigentümer darf bei der Grundschuldbestellung mit Unterwerfungserklärung aber einen Nachweisverzicht hierzu erklären, so dass die vollstreckbare Ausfertigung ohne Kündigungsnachweis erteilt werden kann.
3. Die materielle Rechtmäßigkeit einer von einem Notar erteilten einfachen Vollstreckungsklausel nach § 724 ZPO ist vom Vollstreckungsgericht nicht zu überprüfen.
VolltextIBRRS 2024, 2405
BFH, Beschluss vom 22.07.2024 - V B 38/23
Das Gericht verstößt gegen den Grundsatz der Unmittelbarkeit der Beweisaufnahme, wenn im Urteil nicht zum Ausdruck kommt, dass der unterschiedliche Beweiswert von Urkunden- und Zeugenbeweis gesehen und bei der Urteilsfindung berücksichtigt wurde (Anschluss an BGH, Beschluss vom 27.11.2018 - V B 72/18, BeckRS 2018, 34928).*)
VolltextIBRRS 2024, 2404
BFH, Beschluss vom 17.07.2024 - VIII B 16/23
1. Die Gerichte sind grundsätzlich mit hauptamtlich und planmäßig endgültig angestellten Richtern zu besetzen. Haben bei einer Entscheidung ohne zwingende Gründe Richter mitgewirkt, die nicht hauptamtlich und planmäßig endgültig angestellt sind, ist das Recht auf den gesetzlichen Richter verletzt.
2. Zwingende Gründe liegen vor, wenn Richter zur Eignungserprobung abgeordnet werden.
3. Die Beteiligung einer zum Zeitpunkt des Urteils an das Finanzgericht für insgesamt 18 Monate zur Eignungserprobung abgeordneten Richterin am Sozialgericht, die nach Ablauf der Abordnung zur Richterin am Finanzgericht ernannt wird, verstößt nicht gegen den Anspruch auf den gesetzlichen Richter.*)
VolltextOnline seit 5. August
IBRRS 2024, 2406BGH, Urteil vom 05.07.2024 - V ZR 34/24
Nach Inkrafttreten des Wohnungseigentumsmodernisierungsgesetzes zum 01.12.2020 bestehen Ansprüche des einzelnen Wohnungseigentümers wegen der Verletzung von Pflichten des Verwalters aus dem zwischen diesem und der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer geschlossenen Vertrag nur gegenüber der Gemeinschaft. Der zwischen der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer und dem Verwalter geschlossene Vertrag entfaltet keine drittschützende Wirkung zu Gunsten des einzelnen Wohnungseigentümers.*)
VolltextIBRRS 2024, 2333
OLG Karlsruhe, Urteil vom 28.10.2022 - 4 U 142/20
1. Fehlt eine schriftliche Honorarvereinbarung, wird nach § 7 Abs. 5 HOAI 2013 unwiderleglich vermutet, dass die Mindestsätze vereinbart sind.
2. Die Stellung einer Schlussrechnung, in der die Honorarforderung nicht vollständig ausgewiesen ist, beinhaltet regelmäßig keinen konkludenten Verzicht auf die weitergehende Forderung.
3. Der Einwand widersprüchlichen Verhaltens steht der Geltendmachung eines Mindestsatzhonorars nur dann entgegen, wenn der Auftraggeber auf die Wirksamkeit der Vereinbarung vertraut hat und vertrauen durfte und er sich darauf in einer Weise eingerichtet hat, dass ihm die Zahlung des Differenzbetrages zwischen dem vereinbarten Honorar und den Mindestsätzen nach Treu und Glauben nicht zugemutet werden kann.
4. Wird der Architekt mit der Einholung der Baugenehmigung beauftragt, kann nicht ohne Weiteres davon ausgegangen werden, dass damit auch die übrigen Leistungen der Leistungsphasen 1 bis 4 erbracht werden sollen. Entscheidend ist vielmehr, was die Parteien tatsächlich als Leistungen vereinbart haben.
5. Ein Anspruch auf Ersatz eines Verzögerungsschadens setzt voraus, dass dem Auftraggeber infolge des von ihm behaupteten Verzugs ein Schaden entstanden ist.
6. Für den vom geschädigten Auftraggeber zu führenden Beweis eines entgangenen Gewinns gilt ein objektiver Maßstab. Abzustellen ist auf den gewöhnlichen Lauf der Dinge, wobei stets die individuellen Verhältnisse maßgebend sind. Die bloße Möglichkeit eines Gewinns genügt als Nachweis noch nicht.
VolltextIBRRS 2024, 2391
VK Niedersachsen, Beschluss vom 13.03.2024 - VgK-2/2024
1. Der öffentliche Auftraggeber nicht nur die Zuschlagskriterien und ihre Gewichtung in der Auftragsbekanntmachung oder den Vergabeunterlagen bekannt zu geben, sondern auch die zur Ausfüllung eines Zuschlagskriteriums aufgestellten Unterkriterien und deren konkrete Gewichtung. Dies gilt auch, wenn der Auftraggeber die Gewichtung von Unterkriterien erst im Nachhinein aufgestellt hat und nicht auszuschließen ist, dass sie die Vorbereitung hätten beeinflussen können.
2. Es unterfällt dem Beurteilungsspielraum des öffentlichen Auftraggebers, wie er die Bewertung organisiert und strukturiert. Allerdings darf die Methode unter Beachtung des Transparenz- und Wettbewerbsgrundsatzes nicht zu einer Abweichung von den zuvor festgelegten Zuschlagskriterien und ihrer Gewichtung führen. Der Auftraggeber darf daher insbesondere keine untaugliche Methode anwenden, seine Bewertungsmethode nicht auf sachwidrige Erwägungen stützen oder unzulässige Kriterien verwenden.
VolltextIBRRS 2024, 2365
OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 07.03.2024 - 1 C 10416/22
1. Selbst eine ausschließliche Wohnbebauung auf einer Teilfläche eines einheitlichen Baugebiets i. S. des § 1 Abs. 2 Nr. 5 bzw. 7 BauNVO führt nicht dazu, dass dort die Lärmgrenzwerte eines allgemeinen Wohngebiets gelten, solange das für die jeweilige Gebietsart erforderliche Nebeneinander verschiedener Nutzungsarten und damit der Gebietscharakter insgesamt erhalten bleibt.*)
2. An der städtebaulichen Erforderlichkeit eines Bebauungsplans gem. § 1 Abs. 3 Satz 1 BauGB fehlt es nicht deshalb, weil ein privates Bauvorhaben aufgegeben wird, das den Anstoß für die Planung gegeben hat, wenn gleichwohl eine von städtebaulich legitimen Zielen getragene Planungskonzeption vorliegt.*)
VolltextIBRRS 2024, 2385
OLG Dresden, Beschluss vom 08.04.2024 - 5 U 1855/23
1. Maßgeblich für die Kostenentscheidung nach § 91a Abs. 1 Satz 1 ZPO ist vor allem, wer im Verfahren voraussichtlich unterlegen gewesen wäre, wenn es nicht zur Hauptsacheerledigung gekommen wäre.*)
2. Aus einer dreiseitigen Vereinbarung zwischen Vermieter, Altmieter und Neumieter, nach welcher der Neumieter mit Wirkung für die Zukunft anstelle des Altmieters in den Mietvertrag mit dem Vermieter eintritt, erwächst regelmäßig kein unmittelbarer Anspruch des Neumieters gegen den Altmieter auf Räumung und Herausgabe des Mietobjektes an den Neumieter.*)
VolltextIBRRS 2024, 2290
LG Berlin II, Urteil vom 16.01.2024 - 85 S 11/23 WEG
1. Hat ein Eigentümer einen Anspruch auf Gestattung der baulichen Maßnahme, kann die Gemeinschaft nicht deren Beseitigung verlangen. Dies gilt jedenfalls dann, wenn die Maßnahme bereits vollumfänglich abgeschlossen ist (Abgrenzung zu BGH, Urteil vom 17.03.2023 - V ZR 140/22, IMRRS 2023, 0513).
2. Sind die Sonnenkollektoren aufgrund einer davor liegenden Bepflanzung nicht zu sehen, liegt keine Benachteiligung der anderen Eigentümer vor.
3. Wird die Bepflanzung nachträglich durch die Gemeinschaft entfernt, bleibt die bauliche Maßnahme dennoch rechtmäßig. Denn entscheidend ist der Zeitpunkt der Durchführung der Maßnahme.
VolltextIBRRS 2024, 2044
AG Westerburg, Beschluss vom 30.01.2024 - 12 M 87/24
1. Räumungsgut ist vom Gerichtsvollzieher nach Ablauf der zweimonatigen Aufbewahrungsfrist grundsätzlich je nach Verwertbarkeit entweder zu verkaufen oder zu vernichten, wenn der Schuldner es nicht abfordert.
2. Von der Vernichtung durch den Gerichtsvollzieher ausgeschlossen sind allerdings die anwaltlichen Handakten des Schuldners und dessen sonstige Geschäftsunterlagen, soweit für diese gesetzliche Aufbewahrungsfristen gelten und diese Fristen noch nicht abgelaufen sind.
3. Dem Vollstreckungsgericht obliegt die Entscheidung über die weitere Verwahrung der aufzubewahrenden Unterlagen nach Ablauf der Frist des § 885 Abs. 4 Satz 1 ZPO.
4. Die Verwahrung hat "auf Kosten der Staatskasse" bis zum Ablauf der gesetzlichen Aufbewahrungsfristen zu erfolgen, wenn der Schuldner die Unterlagen nicht abfordert.
VolltextIBRRS 2024, 2392
BGH, Beschluss vom 11.07.2024 - I ZB 34/23
1. Zu den von Amts wegen zu prüfenden besonderen Verfahrensvoraussetzungen des Aufhebungsverfahrens gem. § 1059 ZPO zählt hinsichtlich der formalen Anforderungen an einen Schiedsspruch jedenfalls das in § 1054 Abs. 1 Satz 1 ZPO vorgesehene Erfordernis der Unterzeichnung des Schiedsspruchs und die unter den Voraussetzungen des § 1054 Abs. 1 Satz 2 ZPO erforderliche Angabe des Grundes für das Fehlen einer Unterschrift. Ein Schiedsspruch, der diese formalen Voraussetzungen nicht erfüllt, ist kein Schiedsspruch i. S. des § 1059 Abs. 1 ZPO, gegen den ein Aufhebungsantrag gerichtet werden kann.*)
2. Der Vermerk „Unterschrift konnte nicht erlangt werden" gibt einen Grund für das Fehlen der Unterschrift an und genügt danach den inhaltlichen Anforderungen des § 1054 Abs. 1 Satz 2 ZPO.*)
3. An den Vermerk über den Grund für das Fehlen einer Unterschrift gem. § 1054 Abs. 1 Satz 2 ZPO sind keine besonderen formalen Anforderungen zu stellen. Insbesondere muss der Vermerk nicht gesondert unterschrieben werden.*)
VolltextIBRRS 2024, 2397
OLG Düsseldorf, Beschluss vom 13.06.2024 - 4 U 20/24
1. Eine wirksame Ersatzeinreichung liegt nicht vor, wenn die per Telefax bei Gericht eingegangene Berufungsschrift nicht unterschrieben war.
2. Dass ein Prozessbevollmächtigter es versäumt, die per Telefax versendete Berufungsschrift zu unterschreiben, hat mit technischen Problemen beim elektronischen Dokumentenversand nichts zu tun.
VolltextIBRRS 2024, 2398
OLG Stuttgart, Beschluss vom 08.07.2024 - 3 W 24/24
1. Bei Prüfung der Rechtzeitigkeit eines Ablehnungsgesuchs gegen einen Sachverständigen ist eine entsprechende Anwendung von § 43 ZPO geboten.*)
2. Der Verlust des Ablehnungsrechts umfasst lediglich die der Partei bekannten Ablehnungsgründe.*)
3. Für Ablehnungsgesuche, in denen ein Ablehnungsgrund erst nach sorgfältiger Prüfung der Ausführungen des Sachverständigen zu erkennen ist, ist eine angemessene Überlegungsfrist maßgeblich, die die Zwei-Wochen-Frist gem. § 406 Abs. 2 Satz 1 ZPO nicht überschreiten darf.*)
4. Es ist für jeden einzelnen Ablehnungsgrund zu prüfen, ob die Partei ihr Ablehnungsrecht dadurch verloren hat, dass sie sich nach der Anhörung des Sachverständigen rügelos zur Sache eingelassen hat.*)
VolltextOnline seit 2. August
IBRRS 2024, 2358LG Lübeck, Urteil vom 25.07.2024 - 14 S 109/22
1. Ein Vertrag über die Reinigung von (Ferien-)Wohnungen ist als Werkvertrag zu qualifizieren.
2. Die Vergütung ist grundsätzlich bei der Abnahme des Werks zu entrichten und damit fällig. An die Stelle der Abnahme tritt die Vollendung des Werks, wenn nach der Beschaffenheit des Werks die Abnahme ausgeschlossen ist.
3. Verpflichtet sich der Unternehmer dazu, Reinigungsleistungen gemäß einer vom Besteller zu erstellenden Reinigungsliste über eine unbestimmte Anzahl von Ferienwohnungen zu erbringen, ist die Leistung grundsätzlich nicht abnahmebedürftig. Die werkvertraglichen Mängelrechte sind anzuwenden, wenn der Unternehmer die Leistung in Erfüllung seiner gesamten Verbindlichkeit erbracht hat (Anschluss an BGH, IBR 2013, 646).
4. Der Unternehmer trägt die Darlegungs- und Beweislast für die Vollendung seiner Leistung. Vollendung liegt vor, wenn eine vollständige Fertigstellung der Werkleistung gegeben ist. Hierfür muss der Unternehmer grundsätzlich alle geschuldeten Leistungen erbracht haben. Verbleibende Mängel schließen eine Vollendung nicht aus.
5. Will der Besteller Gewährleistungsrechte geltend machen, muss er substantiiert darlegen, dass ein Mangel an dem von dem Unternehmer fertiggestellten Werk besteht. Dabei kann es ausreichen, wenn der Besteller auf konkrete Symptome hinweist.
6. Ein Werkvertrag ist nicht deshalb nichtig, weil der Unternehmer seine Mitarbeiter "schwarz" bezahlt.
VolltextIBRRS 2024, 2384
VG Köln, Urteil vom 14.06.2024 - 16 K 3854/20
1. Das Erfordernis, vor einem geförderten Breitbandausbau ein Markterkundungsverfahren hinsichtlich der Ausbauabsichten privater Unternehmen innerhalb der nächsten drei Jahre durchzuführen, begründet nicht zugleich eine Durchführungsfrist für den Abschluss des Förderverfahrens.*)
2. Rechtsträger eines öffentlich-rechtlichen Zuwendungsvertrags und damit richtiger Beklagter der Nichtigkeitsfeststellungsklage eines Konkurrenten ist nur die die Zuwendung bewilligende Behörde. Eine zugleich gegen den Zuwendungsempfänger gerichtete Feststellungsklage ist insoweit unzulässig.*)
VolltextIBRRS 2024, 2363
OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 25.01.2024 - 1 C 10401/22
1. Die Rechtsfolgen eines Verfahrensverstoßes sind auch bei der Prüfung eines Normenkontrollantrags einer anerkannten Umweltvereinigung gegen den Bebauungsplan nach den Bestimmungen der §§ 214, 215 BauGB zu beurteilen.*)
2. Die in einem Bebauungsplan festgesetzte Anbringung von Nist- und Fledermauskästen erfüllt die Voraussetzungen einer vorgezogenen Ausgleichsmaßnahme i. S. des § 44 Abs. 5 Satz 3 BNatSchG (CEF-Maßnahme) nicht, wenn diese Maßnahme die Fortpflanzungs- und Ruhefunktion einer geschützten Tierart nicht bereits im Zeitpunkt der Durchführung des Eingriffs gewährleistet.*)
3. Nimmt ein Plangeber zu Unrecht an, dass für CEF-Maßnahmen kein Anlass besteht und die im Bebauungsplan enthaltenen Festsetzungen zum Artenschutz ausreichend sind, kann dies einen Abwägungsfehler darstellen und gegen das Gebot der planerischen Konfliktbewältigung verstoßen.*)
VolltextIBRRS 2024, 2293
LG München I, Urteil vom 21.12.2023 - 36 S 659/22 WEG
Ein Positivbeschluss, der eine negative Regelung zum Inhalt hat, ist nicht mit einem Negativbeschluss gleichzusetzen.
VolltextIBRRS 2024, 2343
AG Hamburg-Blankenese, Urteil vom 19.06.2024 - 539 C 2/24
1. Bei Beschlussfassungen über den Abschluss von Verträgen muss der wesentliche Vertragsinhalt den Wohnungseigentümern bekannt gemacht sein.
2. Bei der Vergabe von größeren Aufträgen zur Durchführung von Instandsetzungs- oder Instandhaltungsarbeiten verstößt ein Beschluss regelmäßig gegen die Grundsätze ordnungsmäßiger Verwaltung, wenn nicht zuvor mehrere (aktuelle) Vergleichsangebote eingeholt worden sind.
3. Wird eine Sonderumlage beschlossen, muss deren Zweck ausdrücklich oder konkludent bestimmt sein.
VolltextIBRRS 2024, 2032
BGH, Beschluss vom 13.06.2024 - IX ZR 100/23
1. Das Gebot rechtlichen Gehörs verpflichtet das entscheidende Gericht, die Ausführungen der Prozessbeteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen.
2. In den Entscheidungsgründen müssen die wesentlichen Tatsachen- und Rechtsausführungen verarbeitet werden. Wenn ein bestimmter Vortrag einer Partei den Kern des Parteivorbringens darstellt und für den Prozessausgang von entscheidender Bedeutung ist, besteht für das Gericht eine Pflicht, die vorgebrachten Argumente zu würdigen und in den Entscheidungsgründen hierzu Stellung zu nehmen. Ein Schweigen lässt hier den Schluss zu, dass der Vortrag der Prozesspartei nicht oder zumindest nicht hinreichend beachtet wurde.
3. Zur grob fahrlässigen Unkenntnis i.S. des § 199 Abs. 1 Nr. 2 Fall 2 BGB.
VolltextIBRRS 2024, 2369
LG Trier, Beschluss vom 18.07.2024 - 7 HK O 41/23
Die Zulässigkeit des Streitbeitritts wird im Rahmen der Kostenentscheidung nicht mehr nachgeprüft, da sie von Amts wegen nicht zu prüfen ist.*)
VolltextOnline seit 1. August
IBRRS 2024, 2370BGH, Urteil vom 25.06.2024 - X ZR 97/23
1. Eine Verantwortlichkeit des Gläubigers i.S.v. § 323 Abs. 6 Fall 1 BGB und § 326 Abs. 2 Satz 1 Fall 1 BGB kann auch dann anzunehmen sein, wenn die Auslegung des Vertrags ergibt, dass der Gläubiger nach der vertraglichen Gestaltung das Risiko eines bestimmten Leistungshindernisses ausdrücklich oder konkludent übernommen hat und sich dieses Leistungshindernis verwirklicht (Bestätigung von BGH, Beschluss vom 26.01.2023 - IX ZR 17/22, Rn. 9, IBRRS 2023, 0744; Urteil vom 13.01.2011 - III ZR 87/10, IBRRS 2011, 0528 = IMRRS 2011, 0387; Urteil vom 11.11.2010 - III ZR 57/10, IBRRS 2011, 4053 = IMRRS 2011, 2885; Urteil vom 18.10.2001 - III ZR 265/00, IBRRS 2001, 0195 = IMRRS 2001, 0083).*)
2. Die stillschweigende Übernahme eines Risikos kommt insbesondere in Betracht, wenn dieses schon bei Vertragsschluss bestanden hat und nur eine Vertragspartei in der Lage war, es abzuschätzen, oder wenn seine Verwirklichung von persönlichen Verhältnissen eines Vertragspartners abhängt, die der andere Teil nicht beeinflussen kann (Bestätigung von BGH, Urteil vom 18.10.2001 - III ZR 265/00, IBRRS 2001, 0195 = IMRRS 2001, 0083; Urteil vom 11.11.2010 - III ZR 57/10, IBRRS 2011, 4053 = IMRRS 2011, 2885).*)
VolltextIBRRS 2024, 2357
LG Karlsruhe, Urteil vom 08.05.2024 - 6 O 300/17
1. Grundsätzlich hat der Bauherr den bauüberwachenden Architekten ordnungsgemäße Ausführungspläne auch ohne ausdrückliche Erwähnung im Vertrag als Obliegenheit zur Verfügung zu stellen. Ist diese Obliegenheit zur Leistungspflicht erhoben worden, so haben die bauüberwachenden Architekten einen durchsetzbaren Anspruch und die Verletzung dieser Pflicht der Besteller kann auch zu einem Schadensersatzanspruch führen.*)
2. Hat der planende Architekt wegen des Kelleraltbestands ohne sichere Kenntnis von den konkreten Umständen der Kellerwand anfangs Ausführungspläne erstellt, dann hat er sich ab Offenlage der Kellerwand ein klares Bild über die konkrete Situation - am besten vor Ort – zu verschaffen, um die Ausführungspläne, der Dynamik des Baugeschehens folgend, entsprechend anpassen zu können. Auch hat er dafür zu sorgen, dass die bauüberwachenden Architekten nicht nur Vorabzüge dieser Pläne, die für das Bauen nicht maßgeblich sind, sondern „definitive“ Ausführungspläne erhalten, die auch eindeutig als „definitiv“ erkennbar sind.*)
3. Die bauüberwachenden Architekten haben während der gesamten Bauzeit jederzeit vor Ort den besten Überblick über die tatsächliche Situation. Dann hätten sie wegen der Leistungspflicht des Bauherrn, auch „definitive“ und ordnungsgemäße Ausführungspläne einfordern bzw. sogar einklagen und sich auch weigern können, die Arbeit fortzusetzen. Indem sie dies nicht taten und auf der Grundlage selbst erstellter Ausführungspläne die Arbeit fortsetzten, haben auch sie eine wesentliche Ursache für die unzureichende Abdichtung gesetzt.*)
VolltextIBRRS 2024, 2362
VK Rheinland, Beschluss vom 23.07.2024 - VK 28/24
1. Die Rüge ist eine zwingend von den Vergabekammern von Amts wegen zu beachtende Sachentscheidungsvoraussetzung. Ohne vorherige Rüge ist ein Nachprüfungsantrag unzulässig.*)
2. Für eine den Anforderungen des § 160 GWB genügende Rüge ist erforderlich, dass aus ihr für den Auftraggeber unmissverständlich hervorgeht, welches Verhalten als Vergaberechtsverstoß angesehen wird und inwiefern der Bieter vom Auftraggeber Abhilfe verlangt.*)
3. Für eine fristgemäße Rüge ist deren Zugang beim Auftraggeber relevant und nicht deren Absendung. Der "O.K."-Vermerk auf dem Sendebericht ist jedenfalls dann irrelevant, wenn der Empfänger den Zugang substanziiert bestreitet.*)
4. Der Rügende trägt das Risiko, dass die Rüge nicht bzw. nicht vollständig zugeht. Er ist dafür darlegungs- und beweispflichtig.*)
IBRRS 2024, 2364
OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 10.07.2024 - 2 A 384/23
1. "Läden" im bauplanungsrechtlichen Sinn sind Stätten gewerblicher Betätigung mit Kunden- und Publikumsverkehr, in denen Waren zum Verkauf angeboten werden.
2. Der Ladenbegriff ist nicht auf den Handel beschränkt, sondern schließt auch ladenmäßig betriebene Gewerbebetriebe ohne Bezug zum Handel wie etwa Videoverleihe, Annahmestellen für Reinigungen und auch Lotto- und Totoannahmestellen ein, die häufig im Verbund mit einer Verkaufsstelle (Kiosk) betrieben würden.
3. Eine Bankfiliale ist nicht als "sonstiger Laden" anzusehen, weil dem Kunden nicht im herkömmlichen Sinn Waren der Nahversorgung angeboten werden.
VolltextIBRRS 2024, 2371
AG Hamburg-Wandsbek, Urteil vom 24.07.2024 - 711 C 17/24
1. Beim Ausspruch einer Kündigung müssen kommunale Wohnungsunternehmen, insbesondere bei vulnerablen Mietern, die Ausstrahlungswirkung der Grundrechte und etwaige Grundrechtsbeeinträchtigungen für den Mieter aufgrund der Vertragsbeendigung berücksichtigen.*)
2. Kommunale Wohnungsunternehmen müssen zur Wahrung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes vor Ausspruch der Kündigung mildere Maßnahmen zur Vermeidung der Kündigung erwägen und gegebenenfalls ergreifen.*)
3. Kommunale Wohnungsunternehmen können zur Einschaltung des sozialpsychiatrischen Dienstes und/oder zum Angebot einer Ersatzwohnung verpflichtet sein, um eine nachhaltige Hausfriedensstörung zu beseitigen.*)
VolltextIBRRS 2024, 2173
AG Charlottenburg, Urteil vom 26.06.2024 - 211 C 33/23
1. Wird dem Prozessbevollmächtigten des Mieters die Schriftsatzkündigung direkt qualifiziert elektronisch signiert per beA zugestellt, ist die Einhaltung der Schriftform gewahrt.
2. Das bloße Bestreiten der qualifizierten Signatur mit Nichtwissen ist unzulässig, da es sich um Handlungen im eigenen Wahrnehmungsbereich des Beklagten bzw. seines Bevollmächtigten handelt.
3. Das Bedürfnis des Bruders des Vermieters, nunmehr mit seiner Familie in eigener Wohnung zu leben und nicht mehr behelfsmäßig zusammen mit dem Vermieter selbst, genügt als Eigenbedarfsgrund.
4. Der Vermieter muss dem Mieter keine nur angemietete und vom Vermieter selbst als Atelier genutzte Wohnung als Alternativwohnung anbieten.
VolltextIBRRS 2024, 1981
AG Homburg, Beschluss vom 12.09.2023 - 19 C 4/23
1. Einer Vollstreckungsklausel bedarf es im Fall einer einstweiligen Verfügung nicht.
2. Lässt der Vollstreckungsschuldner entgegen einer dem widersprechenden einstweiligen Verfügung eine Brandschutztür einbauen, ist er mit einem Ordnungsgeld zu belegen.
3. Daran ändert auch die Tatsache nichts, dass der Vollstreckungsschuldner gegen die einstweilige Verfügung Berufung eingelegt hat.
VolltextIBRRS 2024, 2372
OLG Düsseldorf, Beschluss vom 14.03.2024 - 15 U 63/23
1. Die Anordnung nach § 184 Abs. 1 Satz 1 ZPO kann nicht im Wege der öffentlichen Zustellung nach § 185 ZPO zugestellt werden, da es sich auch bei § 185 ZPO um eine fingierte Zustellung handelt, deren Inhalt dem Adressaten in der Regel nicht zur Kenntnis gelangt. § 184 Abs. 1 Satz 1 ZPO lässt es aber nicht zu, die in § 184 Abs. 1 Satz 2 ZPO vorgesehene Zustellungsfiktion auf eine Zustellung zu gründen, die ebenfalls nur einer Fiktion entspringt.*)
2. Sind seit einem ersten erfolglosen Zustellversuch mehr als anderthalb Jahre vergangen, ist in der Regel - wenn nicht feststeht, dass die Auslandszustellung keinen Erfolg verspricht - der erneute Versuch einer Zustellung erforderlich, bevor die öffentliche Zustellung nach § 185 ZPO bewilligt werden kann.*)
3. Angesichts der besonderen Bedeutung des Grundrechts auf rechtliches Gehör ist eine informelle Information des Zustelladressaten - sei es durch einfachen Brief oder per E-Mail - neben der öffentlichen Zustellung nach § 185 ZPO zwingend erforderlich, wenn die Anschrift oder sonstige Kontaktmöglichkeiten bekannt oder im Wege einer einfachen Internetrecherche ohne Schwierigkeiten ermittelbar sind.*)
4. Die Heilung von Zustellungsmängeln nach § 189 ZPO setzt einen tatsächlichen Zugang des zuzustellenden Dokuments bei dem Zustellungsempfänger voraus. Eine Ersatzzustellung nach § 178 ZPO genügt diesen Anforderungen nicht.*)
VolltextIBRRS 2024, 1984
LG Berlin II, Beschluss vom 05.06.2024 - 64 T 31/24
1. Die Zulässigkeit eines jeden Rechtsmittels setzt eine Beschwer des Rechtsmittelklägers voraus, die nicht allein im Kostenpunkt bestehen darf, sowie das Bestreben, diese Beschwer mit dem Rechtsmittel zu beseitigen. Sie ergibt sich nicht schon aus etwaigen dem Rechtsmittelkläger unerwünschten Feststellungen.
2. Eine Beschwer besteht insbesondere nicht darin, dass das Amtsgericht über die Kostenlast ausdrücklich entschieden hat, obwohl die Parteien sich darüber angeblich bereits geeinigt haben.
VolltextOnline seit 31. Juli
IBRRS 2024, 2359OLG Bamberg, Beschluss vom 11.09.2023 - 12 U 24/23
1. Verspricht ein Projektbetreuer gegenüber dem Bauherrn, für die Einhaltung einer bestimmten Bausumme einzustehen, kann seine Erklärung einen unterschiedlichen Inhalt haben, der stets im Einzelfall durch Auslegung festzustellen ist.
2. Für die Annahme einer selbständigen Garantie, bei der der Auftragnehmer verschuldensunabhängig - auch bei unvorhersehbaren Geschehensabläufen - für sämtliche die Garantiesumme übersteigenden Kosten haftet, sind hohe Anforderungen zu stellen.
3. Eine Baukostengarantie wird gegenstandslos, wenn die ursprüngliche Planung einvernehmlich geändert und in erweitertem Umfang ausgeführt wird.
4. Ein individuelles Aushandeln kann anzunehmen sein, wenn die streitgegenständliche Klausel im Zuge der Vertragsverhandlungen auf einen entsprechenden Wunsch des Verwendungsgegners abgeändert wird (hier bejaht).
VolltextIBRRS 2024, 2348
VK Südbayern, Beschluss vom 06.02.2024 - 3194.Z3-3_01-23-58
1. Der öffentliche Auftraggeber kann auch dann in eine Preisprüfung eintreten, wenn zwar die sog. Aufgreifschwelle nicht erreicht ist, das Angebot aber aus anderen Gründen konkreten Anlass zur Preisprüfung gibt. Entscheidet sich der öffentliche Auftraggeber in einem solchen Fall für eine Preisprüfung, kann diese Entscheidung nur daraufhin geprüft werden, ob sie gegen das Willkürverbot verstößt.
2. Es ist einem Bieter nicht schlechthin verwehrt, einzelne Positionen unter seinen Kosten anzubieten. Dies bedeutet aber nicht, dass der Bieter seine zu deckenden Gesamtkosten nach Belieben einzelnen Positionen des Leistungsverzeichnisses zuordnen darf.
3. Eine Angebotsstruktur, bei der deutlich unter den zu erwartenden Kosten liegenden Ansätzen bei bestimmten Positionen auffällig hohe Ansätze bei anderen Positionen des Leistungsverzeichnisses entsprechen, indiziert eine Preisverlagerung. Kann der Bieter die Indizwirkung nicht erschüttern, rechtfertigt dies die Annahme, dass das Angebot nicht die geforderten Preisangaben enthält und daher auszuschließen ist.
4. Es ist für das Vorliegen einer Mischkalkulation nicht zwingend notwendig, dass der Auftraggeber eine Konnexität zwischen ab- und aufgepreisten Preispositionen nachweist, allerdings muss für den Eintritt der Indizwirkung wenigstens ein logischer Zusammenhang zwischen den Positionen bestehen, der über eine reine Zufälligkeit hinausgeht.
5. Bei Leistungsverzeichnissen mit mehreren hundert Positionen wird jeder Bieter mit hoher Wahrscheinlichkeit in einer oder mehreren Positionen einmal den günstigsten und auch den teuersten Preis im Vergleich aller Bieter anbieten, so dass allein das Vorhandensein von Positionen mit niedrigen und hohen Ansätzen an beliebigen Stellen des Leistungsverzeichnisses noch keine Mischkalkulation mit der Folge der Beweislastumkehr indiziert.
VolltextIBRRS 2024, 2349
OVG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 21.05.2024 - 2 M 34/24
1. Eine Verletzung des Gebots der Rücksichtnahme kann nicht auf die bloße Anzahl der auf einem Baugrundstück geplanten Gebäude gestützt werden.*)
2. Da das Gebot der Rücksichtnahme in dem Tatbestandsmerkmal des Einfügens in § 34 Abs. 1 BGB enthalten ist, ist bei der Ermittlung dessen, was dem Rücksichtnahmepflichtigen zuzumuten ist, auch auf die maßgebende prägende Umgebungsbebauung abzustellen.*)
3. Das Rücksichtnahmegebot verpflichtet den Bauherrn nicht, die mit nachbarlichen Belangen verträglichste Variante zu wählen, wenn das Vorhaben, etwa hinsichtlich der Lage eines Baukörpers, unterschiedlich ausgeführt werden kann.*)
VolltextIBRRS 2024, 2196
AG Frankfurt/Main, Urteil vom 21.06.2024 - 33052 C 64/24
1. Formell wirksam erteilte Betriebskostenabrechnungen können bei einer Rückstandshöhe, die zwei Monatsmieten übersteigt, zur Kündigung Anlass geben.
2. Die Kündigung wegen dieses Rückstands ist kein "einfach gelagerter" RVG-Fall!
VolltextIBRRS 2024, 2336
AG Kassel, Urteil vom 30.11.2023 - 800 C 3439/22
1. In der Jahresabrechnung sind alle Ausgaben einzustellen, auch dann, wenn für die Ausgaben eine hinreichende Beschlussgrundlage fehlt.
2. In der Kostengrundentscheidung einer Beschlussklage i.S.v. § 44 WEG kann keine Aussage über die interne Verteilung der Kosten in der Eigentümergemeinschaft getroffen werden.
3. Der Streitwert für die Anfechtungsklage gegen einen Beschluss über die Jahresabrechnung bemisst sich nach deren Gesamtvolumen, begrenzt auf den 7,5-fachen Wert des Anteils der Klagepartei.
VolltextIBRRS 2024, 2037
BVerfG, Beschluss vom 13.05.2024 - 2 BvR 26/24
1. Die einstweilige Einstellung der Räumungsvollstreckung unter der Auflage, dass sich der Schuldner regelmäßig psychiatrisch behandeln lässt, geht erkennbar von der Prämisse aus, dass sich dessen Gesundheitszustand bis zum Ablauf der gewährten Vollstreckungsschutzfrist dergestalt verbessert, dass von einer alsdann erfolgenden Räumung keine ernsthaften Gesundheitsgefahren mehr für den Schuldner ausgehen. Verbessert sich der Gesundheitszustand später indes, wie durch ärztliches Attest belegt, nicht, liegt ein tauglicher Anknüpfungspunkt für eine Neubewertung der Sachlage i.S.v. § 765a Abs. 4 ZPO vor (im Anschluss an BVerfG, NZM 2024, 96).
2. Fehlen valide Hinweise darauf, dass ein dem Gericht vorgelegtes ärztliches Attest aus bloßer Gefälligkeit ausgestellt wurde, ist es mit dem Lebensschutzgebot des Grundgesetzes unvereinbar, den Grad der attestierten Suizidalität des Schuldners "kleinzureden", um darüber auf weitere Sachaufklärung zu verzichten.
VolltextIBRRS 2024, 2351
OLG Hamburg, Beschluss vom 08.05.2024 - 4 W 48/24
1. Der Grundsatz der reformatio in peius gilt bei der Überprüfung des Kostenansatzes im Rahmen des § 4 JVEG nicht.*)
2. Für eine Versagung oder Beschränkung der Sachverständigenvergütung nach § 8a Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 JVEG genügen nicht bloße inhaltliche Mängel, sondern ein Gutachten muss aufgrund inhaltlicher, objektiv feststellbarer Mängel unverwertbar sein und unter keinem Gesichtspunkt als Entscheidungsgrundlage dienen können. Im selbständigen Beweisverfahren bedarf es insoweit einer Prognoseentscheidung hinsichtlich der Verwertbarkeit im Hauptsacheverfahren.*)
3. Hinsichtlich jener Beweisthemen, zu denen ohne sachlichen Grund nur Teilleistungen erbracht wurden, welche die Beweisfrage letztlich nicht beantworten, ist eine Vergütung in der Regel insgesamt zu versagen.*)
4. Ein Verschulden muss im Rahmen des § 8a Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 JVEG nicht nachgewiesen werden.*)
5. Die nach § 8a Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 JVEG erforderliche Fristsetzung zur Mängelbeseitigung ist ausnahmsweise entbehrlich, wenn eine Mängelbeseitigung nicht mehr erfolgen kann, weil das der Gutachtenerstattung zugrunde liegende Verfahren aufgrund einer Erklärung der Parteien bereits beendet ist.*)
VolltextIBRRS 2024, 2350
OLG Stuttgart, Beschluss vom 08.05.2024 - 10 W 22/24
Die Ablehnung eines Antrags auf ergänzende oder erläuternde schriftliche Begutachtung ist nicht beschwerdefähig, weil der entsprechenden Entscheidung des Gerichts kein Gesuch i.S.v. § 567 Abs. 1 Nr. 2 ZPO zugrunde liegt (Aufgabe der Rechtsprechung des Senats, Beschluss vom 02.01.2014 - 10 W 34/13, IBRRS 2014, 1130 = IMRRS 2014, 0566).*)
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