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1 Volltexturteil gefunden
IBRRS 2016, 2089; IMRRS 2016, 1268
Mit Beitrag
AGBAGB
Allgemeiner Geschäftsbedingung oder unverbindlichen Erklärung?

BGH, Urteil vom 29.06.2016 - VIII ZR 191/15

1. Die Frage, ob eine Erklärung als (rechtsverbindliche) Willenserklärung zu werten ist, beurteilt sich nach den für die Auslegung von Willenserklärungen geltenden Maßstäben (im Anschluss an BGH, Urteile vom 07.11.2001 - VIII ZR 13/01, NJW 2002, 363 unter II 3 b aa = IBR 2002, 113; vom 22.01.2014 - VIII ZR 391/12, NJW 2014, 1951 Rn. 14 = IBRRS 2014, 0740 = IMRRS 2014, 0338). Bei der Abgrenzung einer Allgemeinen Geschäftsbedingung von einer unverbindlichen Erklärung ist daher der für die inhaltliche Auslegung von Allgemeinen Geschäftsbedingungen geltende Grundsatz der objektiven Auslegung heranzuziehen (im Anschluss an Senatsurteile vom 04.02.2009 - VIII ZR 32/08, BGHZ 179, 319 Rn. 11, 22 = IBR 2009, 1136 - nur online; vom 09.04.2014 - VIII ZR 404/12, BGHZ 200, 362 Rn. 24 f. = IBR 2014, 1292 - nur online).*)

2. Dabei kommt allerdings nicht die Unklarheitenregelung des § 305c Abs. 2 BGB zur Anwendung. Denn diese setzt voraus, dass es sich bei der in Frage stehenden Erklärung um eine Allgemeine Geschäftsbedingung handelt (im Anschluss an Senatsurteil vom 04.02.2009 - VIII ZR 32/08, aaO Rn. 22 mwN = IBR 2009, 1136 - nur online).*)

3. Ob es sich bei einer in einem "verbindlichen Bestellformular" über den Ankauf eines Kraftfahrzeugs vorgedruckten und durch eine individuelle Datumsangabe ergänzte Erklärung "Datum der Erstzulassung lt. Fzg-Brief" um eine rechtsverbindliche Erklärung handelt oder nicht, ist nach objektiven Maßstäben zu entscheiden. Denn für den Fall ihrer Rechtsverbindlichkeit käme allein eine Einordnung als Allgemeine Geschäftsbedingung oder als typische, im Gebrauchtwagenhandel übliche Individualerklärung in Betracht. Auch im letztgenannten Fall gilt ein objektiver, von den Vorstellungen der konkreten Parteien und der Einzelfallumstände losgelöster Auslegungsmaßstab (im Anschluss an BGH, Urteile vom 25.10.1952 - I ZR 48/52, BGHZ 7, 365, 368; vom 29.10.1956 - II ZR 64/56, BGHZ 22, 109, 113).*)

4. Die in einem "verbindlichen Bestellformular" über den Ankauf eines Kraftfahrzeugs vorgedruckte und mit einer individuellen Datumsangabe versehene Erklärung "Datum der Erstzulassung lt. Fzg-Brief" stellt keine auf den Abschluss einer konkludenten Beschaffenheitsvereinbarung nach § 434 Abs. 1 Satz 1 BGB über eine bestimmte Höchststandzeit zwischen Herstellung und Erstzulassung des Fahrzeugs oder eine bestimmte Modellreihenzugehörigkeit gerichtete Willenserklärung, sondern allein eine Wissenserklärung dar (im Anschluss an Senatsurteile vom 04.06.1997 - VIII ZR 243/96, BGHZ 135, 393, 398; vom 12.03.2008 - VIII ZR 253/05, NJW 2008, 1517 Rn. 13 = IBRRS 2008, 1162 = IMRRS 2008, 0811; Senatsbeschluss vom 02.11.2010 - VIII ZR 287/09, DAR 2011, 520 Rn. 4 = IBRRS 2011, 0063 = IMRRS 2011, 0054).*)

5. Anders als bei Neuwagen und "Jahreswagen", bei denen vor der Erstzulassung eine Standzeit von höchstens zwölf Monaten hinzunehmen ist (vgl. Senatsurteile vom 15.10.2003 - VIII ZR 227/02, unter II 3 = IBRRS 2003, 3127 = IMRRS 2003, 1401; vom 07.06.2006 - VIII ZR 180/05, NJW 2006, 2694 Rn. 7 ff. = IBRRS 2006, 3290 = IMRRS 2006, 2378), lassen sich bei (sonstigen) Gebrauchtwagen keine allgemein gültigen Aussagen dahin treffen, ab welcher Grenze eine Standzeit zwischen Herstellung und Erstzulassung eine Beschaffenheit darstellt, die nicht mehr üblich ist und die der Käufer auch nicht erwarten musste (Fortentwicklung von Senatsurteil vom 10.03.2009 - VIII ZR 34/08, NJW 2009, 1588 Rn. 14).*)

6. Dem Berufungsgericht ist gemäß § 513 Abs. 1, § 546 ZPO selbst bei - vom Revisionsgericht nur beschränkt überprüfbaren - Individualerklärungen eine unbeschränkte Überprüfung der vorinstanzlichen Vertragsauslegung dahin eröffnet, ob diese bei Würdigung aller dafür maßgeblichen Umstände sachgerecht erscheint (im Anschluss an Senatsurteil vom 14.07.2004 - VIII ZR 164/03, BGHZ 160, 83, 88 ff. = IBRRS 2006, 0129 = IMRRS 2006, 0064).*)

7. Nach § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO tritt eine Bindung des Berufungsgerichts an die Tatsachenfeststellung der ersten Instanz nicht bereits dann ein, wenn diese keine Verfahrensfehler aufweist (im Anschluss an BGH, Urteile vom 09.03.2005 - VIII ZR 266/03, BGHZ 162, 314, 316 f. = IBRRS 2005, 1466 = IMRRS 2005, 0748; vom 07.02.2008 - III ZR 307/05, NJW-RR 2008, 771 Rn. 13 = IBRRS 2008, 0497; IMRRS 2008, 0340). Vielmehr sind auch verfahrensfehlerfrei getroffene Tatsachenfeststellungen für das Berufungsgericht nach § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO nicht bindend, soweit konkrete Anhaltspunkte Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen begründen. Solche Zweifel können sich auch aus der Möglichkeit unterschiedlicher Wertungen ergeben (im Anschluss an Senatsurteil vom 09.03.2005 - VIII ZR 266/03, aaO S. 317; BVerfG, NJW 2003, 2524; NJW 2005, 1487).*)