Urteilssuche
Bau-, Architekten- und Immobilienrecht.
1 Volltexturteil gefunden |
VK Sachsen, Beschluss vom 17.06.2016 - 1/SVK/011-16
1. Die Frist zur Geltendmachung der Unwirksamkeit eines Vertrags endet u. a. gem. § 101b Abs. 2 Satz 2 GWB a.F. 30 Kalendertage nach Veröffentlichung der Bekanntmachung der Auftragsvergabe im Amtsblatt der Europäischen Union. Notwendige Voraussetzung für diesen Fristbeginn ist das Vorliegen einer ordnungsgemäßen Bekanntmachung. Fehlt es in der Bekanntmachung an notwendigen Bestandteilen oder sind diese fehlerhaft, beginnt die Frist nach § 101b Abs. 2 Satz 2 GWB a.F. nicht zu laufen. *)
2. Die 30-Tages-Frist beginnt zudem nur dann zu laufen, wenn in der Bekanntmachung begründet wird, warum der Auftraggeber den Auftrag ohne vorherige Veröffentlichung einer Bekanntmachung vergeben hat.*)
3. Wenn sich ein Auftraggeber auf die Verfristung des Vergabenachprüfungsantrags berufen will, indem er sich die Publizität des EU-Amtsblattes zu Nutze macht, muss er Sorge dafür tragen, dass der in die Bekanntmachung aufzunehmende Hinweis in Bezug auf die Fristen für die Einlegung von Rechtsbehelfen richtig und die Rechtsbehelfsinstanz zutreffend bezeichnet ist.*)
4. Im Bereich der Gefahrenabwehr ist der Ausnahmetatbestand des § 3 EG Abs. 4 d VOL/A 2009, der eine Vergabe von Aufträgen aus dringlichen zwingenden Gründen im Verhandlungsverfahren ohne Teilnahmewettbewerb zulässt, mit größerer Toleranz zu betrachten, da hier eine Vorhersehbarkeit in der Regel nicht gegeben ist. Bei einer akuten oder jedenfalls möglicherweise bevorstehenden Gefährdung von Menschen und der Abwehr bevorstehender terroristischer Angriffe handelt es sich regelmäßig um Umstände, bei denen ein Abwarten des Auftraggebers nicht erlaubt ist. In einem solchen (Ausnahme-)Fall ist die Auftragsvergabe dringlich und dem Auftraggeber ist es auch nicht zuzumuten, die (verkürzten) Fristen für das Nichtoffene Verfahren bzw. Verhandlungsverfahren mit vorgeschaltetem Teilnahmewettbewerb einzuhalten.*)
5. Im Rahmen der Beurteilung einer (allgemeinen) Gefährdungslage haben Auftraggeber eine Einschätzungsprärogative mit der Folge, dass ihre Beurteilung der Sicherheitslage von den Betroffenen hingenommen werden muss und nur einer eingeschränkten Kontrolle durch die Nachprüfungsinstanzen unterworfen werden kann.*)