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Bau-, Architekten- und Immobilienrecht.
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Generalanwalt beim EuGH, Schlussanträge vom 06.12.2017 - Rs. C-472/16
1. Es ist davon auszugehen, dass kein Übergang im Sinne der Richtlinie 2001/23/EG des Rates vom 12.03.2001 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Wahrung von Ansprüchen der Arbeitnehmer beim Übergang von Unternehmen, Betrieben oder Unternehmens- oder Betriebsteilen vorliegt, wenn der Inhaber einer Konzession für eine kommunale Musikschule, dem die Kommune sämtliche Sachmittel (Räumlichkeiten, Instrumente, Unterrichtssäle und Mobiliar) zur Verfügung stellt, der eigenes Personal beschäftigt und seine Dienstleistungen nach Schuljahren erbringt, am 01.04.2013 - zwei Monate vor dem Ende des Schuljahrs - die Tätigkeit einstellt und sämtliche Sachmittel an die Kommune zurückgibt, die die Tätigkeit nicht selbst fortführt, um das Schuljahr 2012/2013 zu beenden, sondern einen neuen Auftrag an einen neuen Auftragnehmer vergibt, der die Tätigkeit im September 2013 mit Beginn des neuen Schuljahrs 2013/2014 wieder aufnimmt und dem sie hierzu die notwendigen Sachmittel (Räumlichkeiten, Instrumente, Unterrichtssäle, Mobiliar) überlässt, über die zuvor der frühere Auftragnehmer verfügte.*)
2. Im Hinblick auf Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie 2001/23 ist davon auszugehen, dass unter den dargestellten Umständen, d. h. wenn der erste Auftragnehmer aufgrund der Pflichtverletzung des Auftraggebers (Kommune) gezwungen ist, seine Tätigkeit einzustellen und die gesamte Belegschaft zu entlassen, und der Auftraggeber gleich darauf die Sachmittel einem zweiten Auftragnehmer überlässt, der dieselbe Tätigkeit fortführt, die Kündigung der Arbeitnehmer des ersten Auftragnehmers aus "wirtschaftlichen, technischen oder organisatorischen Gründen, die Änderungen im Bereich der Beschäftigung mit sich bringen" erfolgt ist und nicht auf dem "Übergang eines Unternehmens, Betriebs oder Unternehmens- bzw. Betriebsteils" beruhte, was nach diesem Artikel kein zulässiger Kündigungsgrund ist.*)
3. Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union ist dahin auszulegen, dass er einer nationalen Regelung, die einen Einzelrichter oder ein Kollegialgericht daran hindert, über das Vorbringen eines Arbeitnehmers, der seine im Rahmen einer Massenentlassung erfolgte Kündigung in einem individuellen Verfahren anficht, um die Rechte aus der Richtlinie 2001/23 und der Richtlinie 98/59/EG des Rates vom 20.07.1998 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über Massenentlassungen geltend zu machen, in der Sache zu entscheiden, weil zuvor ein rechtskräftiges Urteil über die Massenentlassung in einem Verfahren ergangen ist, bei dem der Arbeitnehmer nicht Partei sein konnte, an dem sich aber die im Unternehmen vertretenen Gewerkschaften und/oder die gesetzlichen Kollektivvertreter der Arbeitnehmer beteiligt haben oder beteiligen konnten, nicht entgegensteht, wenn nach nationalem Recht die Rechtskraft des im Kollektivverfahren ergangenen Urteils nicht über die Grenzen des Streitgegenstands dieses Verfahrens hinausgeht und sich dieser Streitgegenstand von dem des Individualverfahrens unterscheidet.*)
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