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VK Lüneburg, Beschluss vom 06.02.2018 - VgK-42/2017
1. § 135 Abs. 1 GWB fordert für den Antrag auf Feststellung der Unwirksamkeit des erteilten Auftrags keine Rüge. Sie ist daher selbst dann nicht erforderlich, wenn der Antragsteller an dem Vergabeverfahren, in dem gegen § 134 GWB verstoßen worden war, teilgenommen hat. Dadurch gelangt der an der rechtswidrigen Vergabe teilnehmende Bieter in die ansonsten nicht vorgesehene Position, Rügen zurückhalten und abhängig von der Entscheidung der Vergabestelle einsetzen zu können. Dennoch ist dies hinzunehmen. Die Verpflichtung zur Rüge ist die auf Treu und Glauben gegründete Gegenleistung des Bieters dafür, dass sich der Auftraggeber an die gesetzlichen Vorgaben hält, insbesondere die Vergabebekanntmachung nach § 35 SektVO und Einhaltung der Informations- und Wartepflicht. Erfüllt der öffentliche Auftraggeber seine Verpflichtung nicht, so wird der Bieter im Gegenzug von der Rügeverpflichtung befreit. Das ist der Grund für die Regelung des § 160 Abs. 3 Satz 2 GWB.*)
2. Wenn ein Auftraggeber einen laufenden Vertrag mit einer Frist von einem Jahr kündigt, um in dieser Zeit zu entscheiden, ob er die Aufgabe selbst wahrnimmt, oder über einen Dienstleistungsauftrag beschafft, kann er sich drei Monate vor Ablauf der Kündigungsfrist nicht auf Eilbedürftigkeit gem. § 13 Abs. 2 Nr. 4 SektVO berufen. Es fällt in seine Risikosphäre, dass er die Entscheidung zwischen den Varianten nicht frühzeitig traf und die Kündigungsfrist nicht zur Vorbereitung der Vergabe nutzte.*)
3. Der öffentliche Auftraggeber ist gem. § 134 GWB verpflichtet, die unterlegenen Bieter über die Gründe der Nichtberücksichtigung zu informieren (Informationspflicht) und den Vertrag frühestens 10 bzw. 15 Kalendertage nach Absendung der Information zu schließen (Wartepflicht). Nach § 134 Abs. 3 Satz 1 GWB entfällt die Informationspflicht nur, wenn das Verhandlungsverfahren ohne Teilnahmewettbewerb wegen besonderer Dringlichkeit gerechtfertigt ist (Verweis auf § 13 Abs. 2 Nr. 4 SektVO/§ 14 Abs. 4 Nr. 3 VgV). Erforderlich für die Heilung ist die objektive Dringlichkeit gemäß dieser Tatbestände, also einschließlich der nicht Zurechenbarkeit des Grundes der Dringlichkeit.*)
4. Vergibt der Auftraggeber zur Sicherung der Grundversorgung einen Auftrag ohne nicht zurechenbare Dringlichkeit, so hat er die Informations- und Wartepflicht einzuhalten.*)
5. Der öffentliche Auftraggeber ist gem. § 97 GWB in Verbindung mit § 35 SektVO verpflichtet, auch Interimsvergaben europaweit bekanntzumachen, wenn der maßgebliche Schwellenwert überschritten ist. Versäumt er dies rechtsirrig, so bietet § 135 Abs. 3 GWB die Möglichkeit der Heilung durch eine verfahrensbegleitende Bekanntmachung.*)
6. § 182 Abs. 3 Satz 5 GWB berechtigt die Vergabekammer zur Kostenentscheidung nach billigem Ermessen. Das erlaubt es, auch dem in der Sache obsiegenden Antragsteller die Kosten aufzuerlegen, wenn dessen Verhalten vergaberechtlich zu missbilligen ist.*)