Bau-, Architekten- und Immobilienrecht.
Hervorzuhebende Urteile zum Öffentlichen Bau- & Umweltrecht
Folgende wichtige Entscheidungen wurden ab dem 10.03.2023 im Volltext bei ibr-online eingestellt
Online seit 11. Oktober
IBRRS 2024, 2935VGH Bayern, Beschluss vom 30.07.2024 - 2 ZB 23.139
1. Weder aus der Bayerischen Bauordnung noch in sonstigen Rechtsvorschriften folgt, dass generell nur die für ein bestimmtes Vorhaben zwingend notwendigen Stellplätze genehmigt werden dürfen und überobligatorische Stellplätze damit bauplanungsrechtlich unzulässig seien.
2. Eine Stellplatzauflage bedarf einer Rechtsgrundlage (hier verneint).
3. Die sog. dingliche Wirkung bezieht sich immer nur auf das jeweilige Baugrundstück und wirkt auch für den Rechtsnachfolger.
VolltextOnline seit 8. Oktober
IBRRS 2024, 2937OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 20.08.2024 - 7 B 486/24
1. Eine auf Gefahrenbeseitigung gerichtete Ordnungsverfügung ist auch bei einem durch eine gültige Baugenehmigung gedeckten Gebäude grundsätzlich möglich, und zwar insbesondere dann, wenn sie - wie beim Brandschutz - dem Schutz von Leben und Gesundheit dient.
2. An die für das Vorliegen einer konkreten Gefahr erforderliche Wahrscheinlichkeit eines Schadenseintritts in Bezug auf Leben oder Gesundheit als geschützte Rechtsgüter sind keine übermäßig hohen Anforderungen zu stellen.
3. Dem öffentlichen Interesse an der Minimierung von Brandrisiken und der damit bezweckten Vermeidung von Schäden an Leben und Gesundheit der Bewohner von Gebäuden kommt grundsätzlich ein höheres Gewicht zu als finanziellen Interessen des betroffenen Eigentümers.
VolltextOnline seit 4. Oktober
IBRRS 2024, 2895OVG Thüringen, Beschluss vom 23.07.2024 - 1 EO 236/24
1. Das Begründungserfordernis nach § 80 Abs. 3 VwGO ist rein formeller Art. Daher kommt es nicht darauf an, dass die von der Behörde angegebenen Gründe inhaltlich richtig sind und die sofortige Vollziehung des Verwaltungsakts tatsächlich rechtfertigen. Entscheidend ist vielmehr die Darlegung, warum aus der Sicht der Behörde das Interesse des Betroffenen an der aufschiebenden Wirkung zurückzutreten hat.*)
2. Unterscheidet sich der Fall einer Baueinstellungsverfügung nicht von sonstigen typischen Fällen, in denen wegen einer formellen Illegalität ein Baustopp verfügt wird, darf die Behörde auf eine gruppentypisierte Begründung zurückgreifen.*)
3. Ein atypischer Einzelfall liegt nicht schon dann vor, wenn der Bauherr der Auffassung ist, dass sein Handeln materiell rechtmäßig ist.*)
4. Ist die Baugenehmigung mit einer Auflage zur Vorababstimmung mit den Fachdiensten vor Baubeginn versehen worden und ist die Baugenehmigung insoweit bestandskräftig geworden, ist der Bauherr im Eilverfahren mit seinen Einwendungen gegen diese Auflage präkludiert.*)
VolltextOnline seit 1. Oktober
IBRRS 2024, 2881VG Neustadt, Urteil vom 11.09.2024 - 5 K 427/24
1. Soweit in dem Baugebiet nicht bereits Einrichtungen und Anlagen für die Tierhaltung, einschließlich der Kleintiererhaltungszucht, zulässig sind, gehören gem. § 14 Abs. 1 Satz 2 BauNVO zu den untergeordneten Nebenanlagen und Einrichtungen im Sinne des Satzes 1 auch solche für die Kleintierhaltung. Die Tierhaltung darf folglich lediglich ein Annex zur Hauptnutzung - hier: der Wohnnutzung - sein. Die legale Kleintierhaltung findet in allgemeinen Wohngebieten ihre Grenze dort, wo die Schwelle der "Wohnakzessorietät" überschritten wird.
2. Esel, Ziegen und Schweine sind unabhängig von ihrer Einstufung als Groß- oder Kleintiere typischerweise nicht in den durch Wohnnutzung geprägten Baugebieten zu erwarten; ihre Haltung liegt nicht im Rahmen einer typischerweise der Wohnnutzung dienenden Freizeitbetätigung. Das gilt auch für "Minischweine".
VolltextOnline seit 16. September
IBRRS 2024, 2765OVG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 05.09.2024 - 2 L 147/23
1. Die Frage, ob von baulichen Anlagen (hier: einer Aufschüttung und einer Einfriedung) Wirkungen wie von Gebäuden ausgehen, ist mit Rücksicht auf die Funktionen der Abstandsflächen zu beantworten. Diese umfassen neben Belangen wie Brandschutz, Besonnung, Belichtung, Belüftung und Sozialabstand auch den Wohnfrieden.
2. Da es sich bei dem Schutz vor Einblicken nur um einen Teilaspekt des Wohnfriedens als eines der abstandsrelevanten Belange handelt, kann er für das Merkmal der gebäudegleichen Wirkungen i.S.d. § 6 Abs. 1 Satz 2 BauO-SA in der Regel nicht allein ausschlaggebend sein.*)
VolltextOnline seit 10. September
IBRRS 2024, 2611VG Freiburg, Urteil vom 11.07.2024 - 4 K 1957/23
1. Sieht eine städtische Abfallwirtschaftssatzung die gesamtschuldnerische Haftung mehrerer Abfallgebührenschuldner - hier u. a. Mieter als Wohnungsnutzer und Vermieter als Wohnungseigentümer - sowie die vorrangige Heranziehung eines Gesamtschuldners - hier des tatsächlichen Wohnungsnutzers - vor, erfordert dies nicht das Ergreifen von Vollstreckungsmaßnahmen gegen den vorrangig heranzuziehenden Gebührenschuldner.*)
2. Gebührengläubiger haben bei einer Gesamtschuldnerschaft für Kommunalabgaben grundsätzlich alle Möglichkeiten zur Durchsetzung des Abgabenanspruches zu nutzen und dürfen von der Inanspruchnahme eines - weiteren - Gesamtschuldners nicht allein schon deswegen absehen, weil für diesen Gesamtschuldner Schwierigkeiten bei der Realisierung seines Ausgleichsanspruchs im Innenverhältnis zu befürchten stehen.*)
3. Bittet ein Gesamtschuldner um die eigene vorrangige Heranziehung, um die Gebühren sodann im Innenverhältnis selbst zeitnah mit anderen Gesamtschuldnern abzurechnen - zum Beispiel in einem Mietverhältnis über die Nebenkostenabrechnung -, muss die Gebührenschuldnerin in ordnungsgemäßer Ermessensausübung regelmäßig eben diese Person vorrangig heranziehen.*)
4. Alle Gebührenschuldner haben aus dem allgemeinen Rechtssatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB) in Zusammenhang mit dem öffentlich-rechtlichen Gebührenschuldverhältnis einen Auskunftsanspruch über das Bestehen und die Höhe der Gebührenschuld.*)
VolltextOnline seit 9. September
IBRRS 2024, 2715OVG Niedersachsen, Urteil vom 07.08.2024 - 1 KN 161/21
1. Auch im Anwendungsbereich des § 13a Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BauGB sind die Grundflächen mehrerer Bebauungspläne, die in einem engen sachlichen, räumlichen und zeitlichen Zusammenhang aufgestellt werden, mitzurechnen.*)
2. Auch mit Bebauungsplänen, die im Normalverfahren aufgestellt werden, kann ein Zusammenhang mit der Folge bestehen, dass die zulässigen Grundflächen zu addieren sind und das beschleunigte Verfahren nicht anwendbar ist.*)
VolltextOnline seit 29. August
IBRRS 2024, 2629BVerwG, Beschluss vom 23.07.2024 - 4 B 20.23
1. Das allgemeine Rechtsstaatsprinzip verlangt für die hinreichende Bestimmtheit einer Baugenehmigung, dass sie Inhalt, Reichweite und Umfang der getroffenen Regelung eindeutig erkennen lässt, damit der Bauherr die Bandbreite der für ihn zulässigen Nutzungen und Drittbetroffene das Maß der für sie aus der Baugenehmigung erwachsenden Betroffenheit zweifelsfrei feststellen können.
2. Eine dem Bestimmtheitsgebot genügende Regelung muss der Baugenehmigung selbst, gegebenenfalls durch Auslegung, entnommen werden können, wobei die mit einem Zugehörigkeitsvermerk versehenen Bauvorlagen bei der Ermittlung des objektiven Erklärungsinhalts der Baugenehmigung heranzuziehen sind.
3. Ist der Regelungsgehalt einer Baugenehmigung - auch durch Auslegung - nicht eindeutig feststellbar, ist sie rechtswidrig.
VolltextOnline seit 16. August
IBRRS 2024, 2524OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 26.06.2024 - 8 A 10427/23
1. Eine Beseitigungsverfügung nach § 81 LBO-RP bedarf für ihre Rechtmäßigkeit nicht der Angabe einer Beseitigungsfrist (st. Rspr. des OVG Rheinland-Pfalz, vgl. Urteil vom 12.05.2021 - 8 A 10264/21, IBRRS 2021, 2374 m.w.N.). Ist mit der Beseitigungsverfügung eine Beseitigungsfrist gesetzt worden, so ist der rechtliche Bestand der Beseitigungsverfügung nicht davon abhängig, dass die gesetzte Frist angemessen ist. Vielmehr kann die Frist losgelöst von der Beseitigungsverfügung aufgehoben werden.*)
2. Eine im Zusammenhang mit einer (baurechtlichen) Beseitigungsverfügung gesetzte Frist zur Beseitigung erledigt sich, wenn sie verstrichen ist und der Adressat diese Frist während ihres Laufs aus Rechtsgründen nicht einzuhalten brauchte. Die mit dem Grundverwaltungsakt verbundene (§ 66 Abs. 2 VwVG-RP) und allein auf die gesetzte Frist zur Beseitigung bezugnehmende Zwangsmittelandrohung wird damit gegenstandslos (st. Rspr. des OVG Rheinland-Pfalz, vgl. schon Urteil vom 11.04.1985 - 1 A 45/84, NVwZ 1986, 763).*)
3. Zur lediglich teilweisen Zulassung der Berufung.*)
VolltextOnline seit 15. August
IBRRS 2024, 2519BVerwG, Urteil vom 24.04.2024 - 4 C 1.23
1. § 11 Abs. 3 BauNVO ist nicht drittschützend.*)
2. Die Rechtsprechung, wonach ein nachbargemeindlicher Abwehranspruch gegen die Zulassung von Einzelvorhaben dann gegeben sein kann, wenn die Gemeinde dem Bauinteressenten unter Missachtung des § 2 Abs. 2 BauGB einen Zulassungsanspruch verschafft hat, ist mit Blick auf § 34 Abs. 3 BauGB für den beplanten (§ 30 BauGB) und den unbeplanten Innenbereich (§ 34 BauGB) überholt.*)
3. Beurteilt sich die planungsrechtliche Zulässigkeit eines unter § 11 Abs. 3 Satz 1 BauNVO fallenden Vorhabens nach einem früheren Bebauungsplan (§ 30 BauGB), folgt bei einem Verstoß gegen dessen Festsetzungen ein Abwehrrecht der Nachbargemeinde aus Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG, dessen Inhalt sich nach dem Maßstab des § 34 Abs. 3 BauGB bestimmt.*)
VolltextOnline seit 13. August
IBRRS 2024, 2491OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 31.07.2024 - 10 B 530/24
Wird eine Photovoltaik-Anlage unter eklatanten Verstößen gegen die allgemein anerkannten Regeln der Technik errichtet und betrieben, legt dies die Vermutung nahe, dass von der Anlage eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung, insbesondere für Leben und Gesundheit, ausgeht.
VolltextOnline seit 8. August
IBRRS 2024, 2438OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 29.07.2024 - 10 A 1719/22
1. Die Frage, wann die Benutzung von Garagen oder Stellplätzen die Umgebung unzumutbar stört, sich nicht abstrakt und generell nach festen Merkmalen beurteilen lässt. Vielmehr kommt es entscheidend auf die konkrete Situation an, in der sich die Belästigungen auswirken.
2. Dementsprechend ist von Bedeutung, an welchem Standort die Garagen oder Stellplätze angeordnet werden sollen und in welcher Lage sich dieser Standort zu dem Grundstück, dem Wohnhaus und gegebenenfalls gegenüber den Wohn- und Aufenthaltsbereichen der betroffenen Nachbarn befindet.
3. Technisch-rechnerisch ermittelte Immissionswerte sind für die Beurteilung, ob Lärmbelästigungen von Stellplätzen und Garagen in rückwärtigen Grundstücksbereichen die Grenze des Zumutbaren überschreiten, nicht ausschlaggebend.
VolltextOnline seit 7. August
IBRRS 2024, 2421BVerwG, Urteil vom 24.04.2024 - 4 CN 2.23
1. Die Vorschrift des § 44 Abs. 1 VwVfG-NW ist trotz der geringfügigen Abweichung gegenüber dem Wortlaut des § 44 Abs. 1 VwVfG ("offenkundig" statt "offensichtlich") revisibel.*)
2. Ein "bestimmtes Vorhaben" i.S.d. § 2 Abs. 6 Nr. 3 UVPG ist bei einem Bauvorhaben nach Nr. 18.7 der Anlage 1 zum UVPG schon dann gegeben, wenn dessen tatbestandliche Voraussetzungen vorliegen. In einem solchen Fall wird ein Angebotsbebauungsplan UVP-pflichtig, ohne dass es auf den Grad der Konkretisierung des Vorhabens ankommt.
3. Vorprüfungspflichtige Bebauungspläne gelten wegen § 50 Abs. 1 UVPG stets auch als UVP-pflichtig (vgl. BVerwG, Beschluss vom 14.03.2017 - 4 CN 3.16 -, IBRRS 2017, 1467).*)
VolltextOnline seit 31. Juli
IBRRS 2024, 2349OVG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 21.05.2024 - 2 M 34/24
1. Eine Verletzung des Gebots der Rücksichtnahme kann nicht auf die bloße Anzahl der auf einem Baugrundstück geplanten Gebäude gestützt werden.*)
2. Da das Gebot der Rücksichtnahme in dem Tatbestandsmerkmal des Einfügens in § 34 Abs. 1 BGB enthalten ist, ist bei der Ermittlung dessen, was dem Rücksichtnahmepflichtigen zuzumuten ist, auch auf die maßgebende prägende Umgebungsbebauung abzustellen.*)
3. Das Rücksichtnahmegebot verpflichtet den Bauherrn nicht, die mit nachbarlichen Belangen verträglichste Variante zu wählen, wenn das Vorhaben, etwa hinsichtlich der Lage eines Baukörpers, unterschiedlich ausgeführt werden kann.*)
VolltextOnline seit 30. Juli
IBRRS 2024, 2141VGH Bayern, Beschluss vom 12.06.2024 - 1 ZB 23.1806
1. Ein Vorhaben ist im Außenbereich u. a. zulässig, wenn öffentliche Belange nicht entgegenstehen, die ausreichende Erschließung gesichert ist und wenn es einem landwirtschaftlichen Betrieb dient und nur einen untergeordneten Teil der Betriebsfläche einnimmt.
2. Bei der Auslegung des Merkmals "Dienen" ist darauf abzustellen, ob ein vernünftiger Landwirt - auch und gerade unter Berücksichtigung des Gebots größtmöglicher Schonung des Außenbereichs - das Bauvorhaben mit etwa gleichem Verwendungszweck und mit etwa gleicher Gestaltung und Ausstattung für einen entsprechenden Betrieb errichten würde.
3. Kann ein Gebäude jedem beliebigen Zweck zugeführt werden, "dient" es einem landwirtschaftlichen Betrieb nicht.
VolltextOnline seit 29. Juli
IBRRS 2024, 2315OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 12.06.2024 - 7 A 741/22
1. Vergnügungsstätten sind Gewerbebetriebe besonderer Art, die sich in unterschiedlicher Ausprägung (wie z. B. Amüsierbetriebe, Diskotheken, Spielhallen) unter Ansprache des Geselligkeitsbedürfnisses, des Spiel- oder des Sexualtriebs einer bestimmten auf Gewinnerzielung gerichteten Freizeitunterhaltung widmen. Für den städtebaulichen Bezug ist wesentlich, dass solche Einrichtungen typischerweise mit negativen Folgewirkungen - wie z. B. Lärmbelästigungen, Beeinträchtigungen des Stadt- und Straßenbildes oder Verschlechterung der Gebietsqualität - verbunden sind
2. Sog. "Live-Escape-Rooms" sind planungsrechtlich als Vergnügungsstätte zu werten.
3. Die nähere Umgebung eines Vorhabens i.S.d. § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB wird dadurch ermittelt, dass sowohl in Richtung vom Vorhaben auf die Umgebung als auch in Richtung von der Umgebung auf das Vorhaben geprüft wird, wie weit die jeweiligen Auswirkungen reichen. Zu berücksichtigen ist die Umgebung einmal insoweit, als sich die Ausführung des Vorhabens auf sie auswirken kann und zweitens insoweit, als die Umgebung ihrerseits den bodenrechtlichen Charakter des Baugrundstücks prägt oder doch beeinflusst.
4. Die nähere Umgebung ist für jedes der in § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB genannten Merkmale gesondert zu ermitteln, weil diese jeweils eine Prägung ganz unterschiedlicher Reichweite und Gewichtung entfalten können.
5. Eine Straße hat bei beidseitig andersartiger Siedlungsstruktur nicht stets eine trennende Funktion. Ob einer Straße im Rahmen der Abgrenzung der näheren Umgebung trennende oder verbindende Wirkung zukommt, richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls.
VolltextOnline seit 17. Juli
IBRRS 2024, 2207BVerwG, Beschluss vom 24.04.2024 - 4 C 2.23
1. Die Betrachtung der Funktionslosigkeit einer Festsetzung kann auf ein Teilgebiet des Bebauungsplans begrenzt werden, wenn die betroffene Festsetzung ihre Wirkung nach der Plankonzeption der Gemeinde in diesem Bereich auch ungeachtet benachbarter Bereiche entfalten soll.*)
2. Der Verlust der Steuerungsfähigkeit einer Festsetzung ist offenkundig, wenn auf der Grundlage des ausermittelten Sachverhalts und nach einer durch Fachkenntnisse geprägten Betrachtung der tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse die nachträglich eingetretenen Abweichungen im maßgeblichen Betrachtungsraum nach Quantität und Qualität ein Ausmaß erreicht haben, aufgrund dessen sich der Schluss aufdrängt, dass ein Vertrauen in die Fortgeltung der Festsetzung nicht mehr schutzwürdig ist.*)
3. Das Einzelfallerfordernis in § 31 Abs. 3 BauGB verlangt einen atypischen Sonderfall.*)
VolltextOnline seit 16. Juli
IBRRS 2024, 2174OVG Niedersachsen, Urteil vom 10.06.2024 - 1 LB 51/22
1. Bei der Bestimmung der nach § 34 Abs. 1 BauGB für das Einfügen eines Vorhabens nach dem Maß der baulichen Nutzung maßgeblichen näheren Umgebung ist zwischen den einzelnen Seiten eines überschaubaren Straßengevierts nur dann zu differenzieren, wenn diese - etwa infolge der Trennung durch einen hinreichend gewichtigen unbebauten Blockinnenbereich oder bei Erkennbarkeit zweier klar voneinander abgegrenzter, in sich im Wesentlichen homogener Bebauungsmuster - jeweils erkennbar ein Eigenleben führen.*)
2. Bei Beurteilung des Einfügens nach dem Maß der baulichen Nutzung i.S.d, § 34 Abs. 1 BauGB ist für die absolute Größe und das Verhältnis der Gebäude zur umgebenden Freifläche (Bebauungsdichte) jeweils separat nach Referenzobjekten zu suchen. Allerdings sind bei der Bestimmung der Bebauungsdichte neben der Grundfläche der Gebäude auch ihre Höhe und Geschossigkeit zu berücksichtigen.*)
3. Für die Bestimmung des Verhältnisses eines Gebäudes zu den umgebenden Freiflächen können dem Vorhaben Teile von Nachbargrundstücken nur zugerechnet werden, wenn diese nicht als umgebende Freiflächen eines vorhandenen oder realisierbaren Nachbargebäudes angesehen werden können. Umgekehrt sind diejenigen Teile des Vorhabengrundstücks keine umgebenden Freiflächen, die ihrer Lage nach das Verhältnis des Vorhabens zu Nachbarbaukörpern nicht prägen können; dies gilt insbesondere für Zufahrtsstreifen von Hinterliegergrundstücken.*)
4. Ein Vorhaben fügt sich mit Blick auf das Verhältnis der Gebäude zu umliegenden Freiflächen nicht bereits dann ein, wenn seine Abstände zu Nachbargebäuden in der näheren Umgebung ein Vorbild haben.*)
VolltextOnline seit 9. Juli
IBRRS 2024, 2053OLG Brandenburg, Urteil vom 12.06.2024 - 4 U 183/22
1. Der Wert des Beschwerdegegenstands bemisst sich im Fall der Einlegung der Berufung gegen die Verurteilung zur Erteilung einer neuen Heizkostenabrechnung nach dem Aufwand an Zeit und Kosten, die die Erfüllung des titulierten Anspruchs erfordert, nicht aber nach dem Wert des Auskunftsanspruchs.
2. Fehlen - in atypischer Weise - in einem Vertrag über Wärmecontracting nähere Angaben zu den Grundlagen der Berechnung des Entgelts, müssen solche Angaben in der Abrechnung gemacht werden, da der Wärmecontractor andernfalls das Entgelt willkürlich festlegen könnte. In diesem Fall muss der Wärmecontractor in der Abrechnung auch nähere Angaben zum Vorwegabzug machen.
3. Die gesetzliche Regelung in § 7 Abs. 1 Satz 5 HeizkostenV stellt Fläche und Kubatur gleichberechtigt nebeneinander und bringt damit zum Ausdruck, dass eine der beiden Alternativen nach billigem Ermessen unter Berücksichtigung der konkreten Gestaltung der Wohnanlage zur Abrechnung herangezogen werden kann.
4. Weisen zwei Wohnungen eine deutlich höhere Raumhöhe (6,68 m gegenüber 3,5 m sonst) auf, betragen die Flächen mit großer Raumhöhe aber weniger als 3% der Gesamtfläche, wird die Wahl der Fläche als Abrechnungsmaßstab dadurch nicht unbillig.
5. Das in § 556 Abs. 3 Satz 1 BGB (ausschließlich) für Wohnraummietverhältnisse normierte Jährlichkeitsgebot der Heizkostenabrechnung findet beim Wärmecontracting einer Wohnungseigentümergemeinschaft keine Anwendung.
VolltextOnline seit 8. Juli
IBRRS 2024, 1257VG Düsseldorf, Urteil vom 30.11.2023 - 28 K 8865/22
Nach dem Inkrafttreten des § 2 EEG sind die erneuerbaren Energien als vorrangiger Belang in die nach § 9 Abs. 3 Satz 1 DSchG NRW durchzuführende Schutzgüterabwägung einzubringen und kann der Denkmalschutz nur ausnahmsweise auf Grund besonderer Umstände ein zum Nachteil der erneuerbaren Energien gehendes Ergebnis erfordern.*)
VolltextOnline seit 4. Juli
IBRRS 2024, 2051VGH Bayern, Beschluss vom 11.06.2024 - 15 CS 24.757
1. Im Rahmen einer Duldungsanordnung kommt mangels dinglicher Berechtigung des Pächters nur auf die Wirksamkeit - und nicht auf die Rechtmäßigkeit - der Nutzungsuntersagung gegenüber dem Grundstückseigentümer an.
2. Das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung einer Nutzungsuntersagung wegen Brandschutzmängeln entfällt erst dann, wenn zweifelsfrei nachgewiesen ist, dass sämtliche Mängel brandschutzkonform beseitigt worden sind. Die Vorlage der Rechnung einer Firma für Innenausbau und Renovierung ist hierfür weder aussagekräftig noch stellt sie einen ordnungsgemäßen und prüffähigen Nachweis dar.
VolltextOnline seit 3. Juli
IBRRS 2024, 2010VGH Bayern, Urteil vom 14.05.2024 - 1 N 23.2256
Wer seine ursprüngliche Planung abändert, um die Baugenehmigung zu erhalten und sich anschließend nicht an die genehmigte Planung hält, sondern seine im Genehmigungsverfahren fallen gelassene Planung verwirklicht, kann sich nicht darauf berufen, dass seine bauliche Anlage zum Zeitpunkt der Errichtung genehmigungsfähig gewesen wäre und damit Bestandsschutz genießt. Eine derartige Berufung verstößt gegen den auch im öffentlichen Recht geltenden Grundsatz von Treu und Glauben.*)
VolltextOnline seit Juni
IBRRS 2024, 1875OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 29.05.2024 - 10 B 368/24
Die Frage, ob Einrichtungen und Anlagen für die Tierhaltung als Nebenanlagen i.S.v. § 14 Abs. 1 Satz 1 BauNVO der Eigenart des Baugebiets nicht widersprechen, beurteilt sich nach der örtlichen Situation im jeweiligen Einzelfall (hier: Haltung eines Hahns im allgemeinen Wohngebiet).*)
VolltextIBRRS 2024, 1802
OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 04.04.2024 - 1 A 10247/23
1. Bei der Errichtung und dem Betrieb einer Kleinwindenergieanlage handelt es sich auch dann um ein der Nutzung der Windenergie dienendes privilegiertes Vorhaben im Sinne des § 35 Abs. 1 Nr. 5 BauGB, wenn die Anlage nicht der öffentlichen Energieversorgung, sondern allein der Deckung eines privaten Verbrauchs dient.*)
2. Die Errichtung einer Kleinwindenergieanlage im Außenbereich lässt bereits deshalb keinen Wildwuchs derartiger Anlagen zu Lasten der Landschaft befürchten, weil derartige Vorhaben unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten nur in Betracht kommen, wenn der erzeugte Strom entweder durch einen dort in der Nähe der Anlage vorhandenen Verbraucher abgenommen oder in das Stromnetz eingespeist wird. Dies ist regelmäßig nicht der Fall, da ein Endabnehmer im Außenbereich nur in Ausnahmefällen vorhanden ist und der Bau einer Leitung allein zum Zweck der Einspeisung des mit der Kleinanlage erzeugten Stroms in ein öffentliches Netz unter Rentabilitätsaspekten ausscheidet.*)
VolltextIBRRS 2024, 1772
VG Minden, Urteil vom 27.07.2023 - 1 K 6952/21
1. Begrünt i.S.d. § 8 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BauO-NW ist eine nicht überbaute Grundstücksfläche, wenn ihr Charakter sich als eine durch Bewuchs geprägte nichtbauliche Nutzung darstellt. Dabei muss der Bewuchs so dicht sein, dass der Eindruck einer durchgehenden Bepflanzung entsteht.*)
2. Die Begrünung muss auf den nicht überbaubaren Flächen unmittelbar wachsen, eine flächenhafte Ausdehnung von Baumkronen und sonstigem Blattgrün im Luftraum, etwa von Wein auf erhöhten Rankhilfen, ist nicht ausreichend.*)
3. Das Auslegen von Kunstrasen stellt keine Begrünung i.S.d. § 8 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BauO-NW dar.*)
4. Der Charakter einer durch Bewuchs geprägten nichtbaulichen Nutzung fehlt jedenfalls dann, wenn sich eine substanzielle Fläche, etwa der überwiegende Teil eines Vorgartens, als sog. Schottergarten darstellt, der fast ausschließlich aus Steinschüttungen besteht, hinter deren Massivität der - so überhaupt vorhandene - Bewuchs zurücktritt.*)
5. Der Begriff "Pflanzperiode" ist hinreichend bestimmt.*)
VolltextIBRRS 2024, 1795
VG Berlin, Beschluss vom 28.05.2024 - 6 L 125.24
An der erforderlichen Ernsthaftigkeit von Vermietungsbemühungen zur Beendigung von Leerstand fehlt es, wenn der Wohnraum zu einem offensichtlich überdurchschnittlichen Mietzins angeboten wird.*)
VolltextOnline seit Mai
IBRRS 2024, 1718OVG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 30.01.2024 - 2 K 129/21
Ein Bebauungsplan, der die Errichtung von Windenergieanlagen mit einer Höhenbegrenzung zulässt, wird nur dann funktionslos, wenn seine Verwirklichung weder in der Vergangenheit erfolgt ist noch in der Zukunft erfolgen kann. Nicht ausgeschlossen ist die Verwirklichung demgegenüber dann, wenn die nach einem Bebauungsplan zulässigen Anlagen in Ausnutzung und Umsetzung seiner Festsetzungen vollständig errichtet wurden.
VolltextIBRRS 2024, 1705
VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 09.11.2023 - 5 S 1096/23
1. Grundsätzlich dienen die Vorschriften über die Zuständigkeit nicht dem Schutz des Nachbarn, sondern ausschließlich dem öffentlichen Interesse an einem geordneten Verwaltungsverfahren. Daher entfaltet auch § 48 Abs. 2 LBO-BW weder allgemein noch in Bezug auf einen Dritten, der Einwendungen gegen das Vorhaben erhoben hat, drittschützenden Charakter, wenn der Bauherr einen Anspruch auf die Baugenehmigung hat.
2. Etwas anderes gilt nur dann, wenn die sachlich zuständige Baurechtsbehörde Ermessenserwägungen im Hinblick auf nachbarschützende Regelungen anzustellen hat. Insofern muss aber die Verletzung materieller Rechtspositionen im Rahmen der Ermessensausübung zumindest möglich erscheinen. Steht dem Bauherrn hingegen ein (gebundener) Anspruch auf Erteilung der Baugenehmigung zu und sind Ermessenserwägungen nicht anzustellen, kommt § 48 Abs. 2 LBO-BW keine nachbarschützende Funktion zu.
3. Daran fehlt es, wenn es sich bei der angefochtenen Baugenehmigung um eine gebundene Entscheidung nach § 34 Abs. 1 BauGB handelt und keine Ausnahmen oder Befreiungen von drittschützenden materiell-rechtlichen Bestimmungen erteilt wurden, die eine Ermessensausübung erforderlich gemacht hätten.
4. § 48 Abs. 2 LBO-BW ist weder direkt noch analog auf den Fall anzuwenden, dass die Baurechtsbehörde des Landratsamts über einen Bauantrag einer anderen Behörde des Landratsamts zu entscheiden hat.
VolltextIBRRS 2024, 1662
BVerwG, Urteil vom 09.11.2023 - 4 CN 2.22
Die raumplanerische Zielfestlegung "Regionaler Grünzug" ist keine flächenscharfe, sondern eine funktionale Vorgabe und bedarf deshalb regelmäßig in besonderer Weise der Konkretisierung und Ausgestaltung durch die nachfolgende Planung.*)
VolltextIBRRS 2024, 1646
OVG Schleswig-Holstein, Urteil vom 02.11.2023 - 1 KN 11/19
Eine Abweichung zwischen Auslegungszeit und Verfügbarkeit im Internet mag mit einem Tag zwar marginal sein. Vor dem Hintergrund eines einfachen und effektiven Zugangs der Öffentlichkeit sind indes strenge Anforderungen an ein ordnungsgemäßes Online-Beteiligungsverfahren zu stellen.
VolltextIBRRS 2024, 1608
OVG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 22.04.2024 - 2 M 22/24
1. Die Variationsbreite der bisherigen Nutzung wird auch dann überschritten, wenn durch die Änderung andere Emissionsverhältnisse oder sonstige veränderte Auswirkungen begründet werden, an die das Städtebaurecht zugleich andere Folgen knüpft, etwa hinsichtlich der Zumutbarkeit für Nachbarn.*)
2. Um den erforderlichen Vergleich zwischen genehmigter und ausgeübter Nutzung anstellen zu können, kommt es maßgeblich auf den Inhalt der bestehenden Baugenehmigung an. Derjenige, der sich auf einen Bestandsschutz für die von ihm ausgeübte Nutzung aufgrund einer früheren Baugenehmigung beruft, ist nicht nur für das Vorliegen einer Baugenehmigung beweispflichtig, sondern auch für deren Umfang bzw. Inhalt.*)
3. Die Bauaufsichtsbehörde darf sich beim Einschreiten gegen nicht genehmigte Nutzungen auf die Regelung von Einzelfällen beschränken, wenn sie hierfür sachliche Gründe anzuführen vermag.*)
VolltextIBRRS 2024, 1611
VG Karlsruhe, Urteil vom 08.04.2024 - 2 K 3865/23
Einem "Einreichen" eines Bauantrags bzw. einer Bauvoranfrage bei der Gemeinde i. S. des § 36 Abs. 2 Satz 2 Hs. 2 BauGB und i. S. des § 53 Abs. 1 Satz 1 LBO-BW (i.d.F. vom 01.08.2019) entspricht es nicht, wenn der Bauherr diese an die Baurechtsbehörde des Landratsamts adressiert und in Textform per E-Mail an die Baurechtsbehörde versendet, wenn er gleichzeitig der Gemeinde lediglich eine Kopie der E-Mail zukommen lässt.*)
VolltextIBRRS 2024, 1413
OVG Schleswig-Holstein, Beschluss vom 06.10.2023 - 1 MB 16/23
Flüchtlingsunterkünfte stellen bauliche Anlagen für soziale Zwecke i.S.d. § 5 Abs. 2 Nr. 7 BauNVO dar und sind in einem faktischen Dorfgebiet planungsrechtlich zulässig.
VolltextOnline seit April
IBRRS 2024, 1424BVerwG, Beschluss vom 26.03.2024 - 4 B 1.24
1. Die Verfestigung einer Splittersiedlung meint die Auffüllung eines schon bisher in Anspruch genommenen räumlichen Bereichs, was bei einer Erweiterung eines Bestandsbaus gegeben ist. Sie ist dann zu befürchten, wenn sie im Sinne eines Vorgangs der Zersiedlung unerwünscht ist.
2. Davon ist unter anderem dann auszugehen, wenn das Vorhaben eine weitreichende oder doch nicht genau übersehbare Vorbildwirkung besitzt. Hierfür reicht es aus, dass bei einer Zulassung des Vorhabens weitere ähnliche Vorhaben in der Splittersiedlung nicht verhindert werden könnten und dadurch der Außenbereich weiter zersiedelt würde.
VolltextIBRRS 2024, 1373
OVG Niedersachsen, Beschluss vom 18.04.2024 - 1 LA 1/24
1. Für die Abgrenzung eines Gebäudes i.S.v. § 2 Abs. 2 NBauO von einem Gebäudeteil ist die funktionale und bautechnische Selbständigkeit maßgeblich; insofern bedarf es einer wertenden Gesamtbetrachtung (wie Senatsbeschluss vom 10.06.2022 - 1 ME 46/22 -, IBR 2022, 426 = NVwZ-RR 2022, 665).*)
2. Eine Verbindungstür zwischen dem Hauptgebäude und einem Anbau lässt diesen nicht zwangsläufig als Teil des Hauptgebäudes erscheinen, wenn die Verbindung die eigenständige Funktion des Anbaus unberührt lässt und ohne wesentliche Funktionsänderung hinweggedacht werden könnte. Die rechtlichen Grenzen sind indes überschritten, wenn der Anbau nicht unerheblich in die Nutzung des Hauptgebäudes eingebunden ist.*)
3. Dient ein Anbau mehreren Nutzungszwecken, darf die dem Hauptgebäude zuzuordnende Nutzung den Anbau nicht wesentlich prägen.*)
VolltextIBRRS 2024, 1291
OVG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 07.03.2024 - 2 M 70/23
1. Auch unter Berücksichtigung des überragenden öffentlichen Interesses am Ausbau erneuerbarer Energien verbleibt es bei der auf den Einzelfall zu beziehenden Interessenabwägung, ob dieser Belang die Belange des Denkmalschutzes überwiegt.*)
2. Dabei ist aber in Ansehung des Abwägungsvorrangs gem. § 2 EEG davon auszugehen, dass denkmalschutzrechtliche Belange nur überwiegen, wenn entweder der Eingriff in das Denkmal besonders schwer wiegend ist oder, wenn er ein Denkmal von herausgehobener Bedeutung betrifft.*)
VolltextOnline seit März
IBRRS 2024, 0814VGH Bayern, Beschluss vom 21.08.2023 - 12 BV 23.725
1. Allein die Tatsache einer gelegentlichen, gegebenenfalls auch mehrfachen kurz- oder auch längerfristigen Vermietung oder Gebrauchsüberlassung von Wohnraum reicht angesichts der mannigfaltigen Möglichkeiten einer vollkommen legalen (genehmigten) Nutzung ohne das Hinzutreten weiterer, eindeutig auf eine Zweckentfremdung hinweisender Umstände regelmäßig nicht aus, die Annahme eines konkreten Anfangsverdachts einer entsprechenden Ordnungswidrigkeit zu rechtfertigen (vgl. bereits VGH Bayern, Beschluss vom 20.05.2020 - 12 B 19.1648, IBRRS 2020, 1540 = IMRRS 2020, 0670; Beschluss vom 16.06.2021 - 12 CS 21.1413 , NVwZ-RR 2021, 932 [933], Rz. 12).*)
2. Eine permanente "generalpräventive" (Total-)Überwachung und -kontrolle des (gesamten) Wohnungsbestands ohne konkrete tatsächliche Anhaltspunkte für eine Zweckentfremdung im Einzelfall kommt in einem freiheitlichen Rechtsstaat nicht in Betracht. Das Zweckentfremdungsrecht erlaubt kein "generalpräventives Vorgehen" zur "Abschreckung" lediglich potentieller Zweckentfremder (vgl. bereits VGH Bayern, Beschluss vom 26.07.2021 - 12 B 21.913, BayVBl. 2022, 193).*)
3. Die konkrete Tauglichkeit eines bestimmten Objekts für die Verwirklichung des Tatbestandes einer Zweckentfremdung muss positiv feststehen, bevor eine Behörde als ersuchende Stelle i.S.v. § 14 Abs. 2 TMG a.F. bzw. § 22 Abs. 3 Nr. 1 TTDSG Auskunft begehrt, denn nur dann ist überhaupt eine Rechtsgutsverletzung, die den Handlungsrahmen erst eröffnet, denkbar und möglich. Eine auf bloße Mutmaßungen gestützte Auskunftserteilung ist ausgeschlossen (vgl. bereits VGH Bayern, Beschluss vom 20.08.2019 - 12 ZB 19.333; Beschluss vom 20.05.2020 - 12 B 19.1648, IBRRS 2020, 1540 = IMRRS 2020, 0670; Beschluss vom 16.06.2021 - 12 CS 21.1413, NVwZ-RR 2021, 932 [933], Rz. 14).*)
4. Aus einem im Grundsatz vollkommen legalen Verhalten - wie beispielsweise dem Vermieten von Wohnraum - kann allein noch kein Anfangsverdacht einer Zweckentfremdung hergeleitet werden. Ansonsten bestünde die Gefahr, dass grundsätzlich erlaubte Handlungen unter einen allgemeinen Generalverdacht gestellt werden. Nicht ein abstrakter Gefahrenverdacht, sondern nur eine hinreichend konkrete Gefahr eröffnet den zweckentfremdungsrechtlichen Handlungs- und Eingriffsrahmen (vgl. auch bereits VGH Bayern, Beschluss vom 16.06.2021 - 12 CS 21.1413, NVwZ-RR 2021, 932 [933], Rz. 14).*)
VolltextIBRRS 2024, 0761
OVG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 08.02.2024 - 2 M 148/23
1. Ergibt die nähere Umgebung eines Vorhabens hinsichtlich der vorgefundenen Bauweise ein uneinheitliches Bild, das mangels einer erkennbaren Ordnung weder eine Einordnung als offene oder geschlossene Bauweise noch als eine abweichende Bauweise i.S.d. § 22 Abs. 4 Satz 1 BauNVO zulässt, hält sich sowohl ein Gebäude mit als auch ein Gebäude ohne seitlichen Grenzabstand innerhalb des durch das Vorhandene geprägten Rahmens und fügt sich damit - vorbehaltlich seiner Vereinbarkeit mit dem Gebot der Rücksichtnahme - i.S.d. § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB hinsichtlich seiner Bauweise in die Eigenart der näheren Umgebung ein.*)
2. Zur Verletzung des Gebots der Rücksichtnahme wegen erdrückender Wirkung oder Verschattung des Nachbargrundstücks durch ein Vorhaben (hier verneint).*)
VolltextIBRRS 2024, 0739
OVG Niedersachsen, Urteil vom 12.02.2024 - 1 KN 191/21
1. Ob eine Festsetzung zur höchstzulässigen Zahl der Wohnungen in Wohngebäuden von der Ermächtigungsgrundlage des § 9 Abs. 1 Nr. 6 BauGB gedeckt ist, ist auch anhand der städtebaulichen Zielsetzungen der Ermächtigungsgrundlage zu beurteilen.*)
2. § 9 Abs. 1 Nr. 6 BauGB erlaubt es, bei der Festsetzung der höchstzulässigen Zahl der Wohnungen in Wohngebäuden nach Gebäudetypen, die im öffentlichen Baurecht anerkannt sind (Einzelhaus, Doppelhaus, Hausgruppe), zu unterscheiden. Das gilt jedenfalls bei der Festsetzung einer absoluten Höchstzahl.*)
VolltextOnline seit Februar
IBRRS 2024, 0701VGH Bayern, Beschluss vom 06.02.2024 - 2 CE 24.32
1. Die Doppelhaus-Festsetzung bzw. die Ausführung als Doppelhaus in der offenen Bauweise kann nachbarschützend sein mit der Folge, dass eine einseitige Aufhebung des Doppelhauses zu einer Verletzung drittschützender Normen führen kann.
2. Zum Begriff des Doppelhauses i.S.d. § 22 Abs. 2 Satz 1 BauNVO.
VolltextIBRRS 2024, 0697
OVG Sachsen, Beschluss vom 09.10.2023 - 1 B 153/23
1. Die zuständige (Bau-)Behörde kann auch dann gegen schädliche Umwelteinwirkungen, die von einer Baumaßnahme ausgehen, vorgehen, wenn keine Gefahr für Leben und Gesundheit besteht.
2. Eine Reduzierung des Ermessens bei Geräuschemissionen kommt erst dann in Betracht, wenn diese dem Einwirkungsbereich mit Rücksicht auf dessen durch die Gebietsart und die konkreten tatsächlichen Verhältnisse bestimmte Schutzwürdigkeit und Schutzbedürftigkeit nicht mehr zugemutet werden können.
3. Die in Nr. 3.1.1 AVV Baulärm festgelegten Immissionsrichtwerte entfalten für den Regelfall Bindungswirkung.
VolltextIBRRS 2024, 0680
VG München, Beschluss vom 20.06.2023 - 8 S 23.1308
1. Die Umwandlung deines Wohnhauses in eine Arbeiterunterkunft stellt eine nicht genehmigte Zweckentfremdung dar, da sie nicht als Wohnnutzung zu qualifizieren ist.
2. Wohnzwecken dient ein Gebäude/eine Wohnung dann nicht mehr, wenn es/sie aufgrund seiner/ihrer spartanischen Ausstattung lediglich als Schlafstätte dient und auch einfache Wohnbedürfnisse nicht befriedigt.
3. Eine Heimstatt im Alltag liegt daher nicht vor, wenn der Nutzer der Räumlichkeiten über eine weitere "Hauptwohnung" als Heimstatt im Alltag verfügt und sich in der streitgegenständlichen "Wohnung" nur übergangsweise, z. B. als Bauarbeiter für die Abwicklung eines Bauprojekts, aufhält.
4. Als Hauptmieter kann der Mieter die zweckfremde Nutzung durch Kündigung des Untermietvertrags unmittelbar beenden, so dass er als Handlungsstörer zu qualifizieren ist.
VolltextIBRRS 2024, 0629
VGH Bayern, Beschluss vom 29.01.2024 - 1 ZB 22.2090
1. Die Verletzung einer nachbarschützenden Vorschrift und insbesondere des Abstandsflächenrechts allein genügt nicht, damit sich das der Bauaufsichtsbehörde zustehende Ermessen auf bauaufsichtliches Einschreiten auf null reduziert.
2. Eine Ermessensreduzierung ist regelmäßig nur anzunehmen, wenn die von der rechtswidrigen Anlage ausgehende Beeinträchtigung einen erheblichen Grad erreicht und die Abwägung mit dem Schaden des Bauherrn ein deutliches Übergewicht der nachbarlichen Interessen ergibt.
3. Ein Rechtsanspruch besteht insbesondere, wenn eine unmittelbar, auf andere Weise nicht zu beseitigende Gefahr für hochrangige Rechtsgüter wie Leben oder Gesundheit droht oder sonstige unzumutbare Belästigungen abzuwehren sind.
4. Das Entschließungsermessen ist nicht bereits dann auf eine Pflicht zum Einschreiten reduziert, wenn es sich nicht nur um geringfügige Beeinträchtigungen handelt.
VolltextIBRRS 2024, 0610
BVerwG, Beschluss vom 09.11.2023 - 4 C 2.22
Im Anwendungsbereich von § 28 Abs. 2 BauGB ist die Gemeinde nicht befugt, bei der Ausübung des Vorkaufsrechts durch Verwaltungsakt auch einen (Teil-)Kaufpreis festzusetzen.*)
VolltextIBRRS 2023, 2673
OLG Nürnberg, Beschluss vom 10.08.2023 - 7 UF 312/23
1. Sonderregeln zur Ehewohnung gelten nur zwischen den Eheleuten. Sie betreffen die Überlassung zur Benutzung; unberührt bleiben die Eigentumsverhältnisse.*)
2. Der Vorrang der familienrechtlichen Vorschriften zur Überlassung der Ehewohnung vor einem Herausgabeanspruch aus § 985 BGB gilt nur im Verhältnis der Ehegatten oder Lebenspartner untereinander. Dies gilt auch dann, wenn die verfahrensgegenständliche Immobilie nach Zustellung des Scheidungsantrags verkauft wird.
3. Als wesentliche Kriterien für "ob" und Dauer einer Räumungsfrist ist das Bemühen und die Möglichkeit des Schuldners, Ersatzwohnraum zu finden, anzusehen.
VolltextOnline seit Januar
IBRRS 2024, 0306OVG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 22.12.2023 - 2 L 53/23
Bei einem Verstoß gegen nachbarschützende Vorschriften des öffentlichen Baurechts über Abstandsflächen ist das der Behörde gem. § 79 Satz 1 BauO-SA eingeräumte Ermessen in aller Regel dahin auf null reduziert, dass gegen das baurechtswidrige Vorhaben eingeschritten werden muss.*)
VolltextIBRRS 2024, 0286
OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 15.01.2024 - 2 E 738/23
1. Die Annahme eines von der Rechtswegzuweisung des § 217 Abs. 1 Sätze 1 und 4 BauGB erfassten Vorkaufsrechts zum Entschädigungswert gem. § 28 Abs. 4 Satz 1 BauGB i.V.m. § 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BauGB setzt voraus, dass die Gemeinde bei der Ausübung des Vorkaufsrechts einen auf die Anwendung des § 28 Abs. 4 BauGB bezogenen Regelungswillen hat und dies auch im objektiven Erklärungsgehalt des Bescheids (gegebenenfalls in Zusammenhang mit weiteren Umständen) zum Ausdruck kommt.*)
2. Ein Verwaltungsakt nach § 28 Abs. 4 BauGB liegt nicht bereits (immer) dann vor, wenn ein Vorkaufsrecht gem. § 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BauGB ausgeübt wird.*)
VolltextIBRRS 2024, 0243
OVG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 15.01.2024 - 2 M 120/23
Die Zulässigkeit eines Überbaus ist generell kein Gegenstand einer Baugenehmigung, weil diese Frage nicht die mit einer solchen Genehmigung allein festgestellte Einhaltung öffentlich-rechtlicher Vorschriften betrifft, sondern sich nach den zivilrechtlichen Vorschriften der §§ 912 ff. BGB richtet.*)
VolltextIBRRS 2024, 0222
VG Berlin, Beschluss vom 23.11.2023 - 19 L 225.23
1. Im Anwendungsbereich von § 9a Abs. 2 WEG n.F. stehen die Ausübungs- und Wahrnehmungsbefugnis und damit auch das Recht zur gerichtlichen Geltendmachung der sich aus dem gemeinschaftlichen Eigentum ergebenden Rechte ausschließlich dem Verband und nicht dem einzelnen Wohnungseigentümer zu. Dazu zählt auch die Geltendmachung öffentlich-rechtlicher Nachbaransprüche im Hinblick auf das Gemeinschaftseigentum.*)
2. Auch nach neuer Rechtslage bleibt es möglich, dass sich ein Sondereigentümer auf eine Verletzung des Gebots der Rücksichtnahme berufen kann, wenn die besorgte Beeinträchtigung ausschließlich oder zumindest auch sein Sondereigentum betrifft. Dafür ist indes erforderlich, dass er substantiiert die Umstände benennt und darlegt, aufgrund derer sich die angegriffene Maßnahme gerade auf sein Sondereigentum - über die allgemeine Betroffenheit des Gemeinschaftseigentums hinaus - auswirkt. Insbesondere ist die Darlegung unerlässlich, in welcher räumlichen Beziehung das Sondereigentum zum angegriffenen Vorhaben steht.*)
VolltextIBRRS 2024, 0213
VG Freiburg, Beschluss vom 12.12.2023 - 2 K 3207/23
1. Die Frist des § 36 Abs. 2 Satz 2 BauGB beginnt in der Regel erst zu laufen, wenn dem Antrag alle Unterlagen beigefügt sind, die zur bauplanungsrechtlichen Beurteilung erforderlich sind. Dazu gehören auch solche Stellungnahmen von Fachbehörden, die von der Bauaufsichtsbehörde nach Landesrecht einzuholen sind.*)
2. Zur Besorgnis der Befangenheit, wenn sich die Verfahrensführung des Amtsträgers so weit von den anerkannten rechtlichen Grundsätzen entfernt, dass der Eindruck einer sachwidrigen, auf Voreingenommenheit beruhenden Benachteiligung entsteht.*)
3. Maßgeblich dafür, ob ein Vorhaben einem landwirtschaftlichen Betrieb dient (§ 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB) ist stets das Vorhaben, so wie es sich nach Art und Funktion sowie seinen wirklichen Nutzungszwecken aus der Baubeschreibung ergibt.*)
4. Die Ausstattung einer Betriebsleiterwohnung nebst Altenteilerwohnung und Hofladen mit einem über 130 qm Wellnessbereich, der neben einem Whirlpool und einem etwa 13,3 m x 3,6 m großen Pool innerhalb des Gebäudes auch eine Sauna und einen Fitnessraum umfassen soll, ist weder verkehrsüblich noch hinreichend vom Verwendungszweck geprägt.*)
5. Übersteigen die Grundfläche und der umbaute Raum des Ersatzneubaus Grundfläche und umbauten Raum des abgerissenen Gebäudes jeweils um mehr als 100%, ist es ohne Weiteres ausgeschlossen, das Vorliegen einer nur geringfügigen Erweiterung i.S.d. § 35 Abs. 4 Satz 3 BauGB auch nur in Erwägung zu ziehen.*)
6. Ein Ersatzbau, der über 40 m entfernt vom abgerissenen Gebäude in Südhanglage errichtet werden soll, wird nicht mehr "an gleicher Stelle" errichtet.*)
Volltext