Bau-, Architekten- und Immobilienrecht.
Hervorzuhebende Urteile zum Öffentlichen Bau- & Umweltrecht
Folgende wichtige Entscheidungen wurden ab dem 25.06.2024 im Volltext bei ibr-online eingestellt
Online seit 28. Oktober
IBRRS 2024, 2449VGH Bayern, Urteil vom 15.07.2024 - 12 B 23.2195
1. Wohnnutzung, nicht hingegen eine (gewerbliche) Vermietung zum Zwecke der Fremdenbeherbergung, liegt vor, wenn in einer Wohnung (weitere) Personen leben, die jeweils über ein eigenes Schlafzimmer verfügen, das eine hinreichende Rückzugsmöglichkeit ins Private gestattet, während der übrige Wohnraum nebst Küche, Bad und Flur gemeinsam genutzt werden. Dass eine Nutzung nur für einen begrenzten Zeitraum und nicht auf lange Dauer angelegt ist, ändert an der Erfüllung des Begriffs des Wohnens nichts.*)
2. Die Vermietung eines Zimmers in einer Wohngemeinschaft beispielsweise an einen Arbeitnehmer, der sich aus Anlass eines Arbeitsauftrages in einer Kommune aufhält und währenddessen nicht nur eine Heimstatt im Alltag, sondern in der Regel sogar (vorübergehend) seinen Lebensmittelpunkt in dieser Gemeinschaft begründet, ist regelmäßig nicht als Fremdenbeherbergung, sondern als Wohnen zu qualifizieren mit der Folge, dass die Annahme einer Zweckentfremdung nicht in Betracht kommt.*)
3. Das Zweckentfremdungsrecht erschöpft sich im "Bestandsschutz von Wohnraum"; es vermittelt deshalb kein Recht, bestimmte Wohnformen in ihrer "Wertigkeit" zu definieren und gegenüber anderen, insbesondere solchen von längerer Dauer zu diskriminieren oder gar als "sozialschädlich" anzusehen und deshalb als "bekämpfungsbedürftig" zu erachten.*)
VolltextOnline seit 25. Oktober
IBRRS 2024, 3096OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 30.09.2024 - 10 A 483/23
Eine Nutzungsuntersagung ist rechtmäßig, wenn ein Objekt zur Überlassung von Wohnraum genutzt wird und diese Nutzung nicht von der vorhandenen Baugenehmigung gedeckt ist. Der Grundstückseigentümer ist Zustandsstörer und demnach richtiger Adressat der Ordnungsverfügung.
VolltextOnline seit 21. Oktober
IBRRS 2024, 3068VGH Bayern, Beschluss vom 18.09.2024 - 1 ZB 23.2080
1. Ein Bebauungszusammenhang i.S.v. § 34 BauGB ist anzunehmen, soweit die aufeinanderfolgende Bebauung trotz etwa vorhandener Baulücken den Eindruck der Geschlossenheit und Zusammengehörigkeit vermittelt und die zur Bebauung vorgesehene Fläche (noch) diesem Zusammenhang angehört.
2. Wie eng die Aufeinanderfolge von Baulichkeiten sein muss, um sich als zusammenhängende Bebauung darzustellen, ist nicht nach geografisch-mathematischen Maßstäben, sondern aufgrund einer umfassenden Würdigung der tatsächlichen örtlichen Gegebenheiten einzelfallbezogen zu entscheiden.
3. Der Bebauungszusammenhang endet regelmäßig am letzten Baukörper. Örtliche Besonderheiten können es im Einzelfall aber ausnahmsweise rechtfertigen, ihm noch bis zu einem Geländehindernis, einer Erhebung oder einem Einschnitt (Damm, Böschung, Graben, Fluss, Waldrand o. ä.) ein oder mehrere Grundstücke zuzuordnen, die unbebaut sind oder trotz des Vorhandenseins von Baulichkeiten sonst nicht zur Prägung der Siedlungsstruktur beitragen.
4. Eine unbebaute Fläche ist – als Baulücke – Teil des Bebauungszusammenhangs, wenn sie von der angrenzenden zusammenhängenden Bebauung so stark geprägt wird, dass die Errichtung eines Gebäudes auf dieser Fläche als zwanglose Fortsetzung der vorhandenen Bebauung erscheint.
VolltextIBRRS 2024, 2639
OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 18.04.2024 - 20 A 726/20
1. Bei einem Abfallgemisch ist für die Beurteilung, ob Abfälle zur Verwertung oder Abfälle zur Beseitigung vorliegen, im Regelfall auf das Abfallgemisch als Ganzes und nicht auf den sortenreinen Einzelabfall abzustellen (Anschluss an BVerwG, Urteil vom 15.06.2000 - 3 C 4.00 -, NVwZ 2000, 1178).*)
2. Auch bei einem Abfallgemisch ist für die Beurteilung, ob Abfälle zur Verwertung oder Abfälle zur Beseitigung vorliegen, ausnahmsweise auf den Einzelabfall abzustellen, wenn es unter Verstoß gegen abfallrechtliche gesetzliche Bestimmungen nachträglich, d. h. nach Anfall der Einzelabfälle, unter Verstoß gegen die Grundpflicht des Erzeugers oder Besitzers zur gemeinwohlverträglichen Entsorgung entstanden ist und das Vermischen von Abfällen zur Verwertung und Abfällen zur Beseitigung unzulässig gewesen ist (Anschluss an BVerwG, Urteil vom 15.06.2000 - 3 C 4.00 --, NVwZ 2000, 1178). Das gilt erst recht, wenn entgegen dem Vermischungsverbot gem. § 9 Abs. 2 Satz 1 KrWG in der bis zum 28.10.2020 gültigen Fassung (KrWG a. F.) - jetzt § 9a Abs. 1 KrWG - oder gem. § 15 Abs. 3 Satz 2 KrWG a. F. i. V. m. § 9 Abs. 2 Satz 1 KrWG a. F. gefährliche Abfälle mit anderen Kategorien von gefährlichen Abfällen oder mit anderen Abfällen vermischt worden sind. Das kann bei einer Vermischung von asbestbelasteten Baustoffbruchstücken mit asbestunbelasteten Baustoffbruchstücken der Fall sein.*)
3. Einer abfallrechtlichen Verwertung asbesthaltiger Baustoffbruchstücke steht das uneingeschränkte Verbot, Asbestfasern in den Verkehr zu bringen, gem. § 16 Abs. 1 GefStoffV i. V. m. Art. 67 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 1907/2006 und Eintrag 6 Nr. 1 Satz 1 des Anhangs XVII der VO (EG) 1907/2006 entgegen.*)
VolltextOnline seit 18. Oktober
IBRRS 2024, 3025VGH Bayern, Beschluss vom 04.10.2024 - 9 ZB 23.1102
1. Die Zustimmung des Nachbarn bindet auch seinen Rechtsnachfolger, dieser tritt automatisch in die nachbarrechtliche Stellung seines Rechtsvorgängers ein. Es handelt sich um eine grundstücksbezogene und damit dinglich wirkende Nachbareinverständniserklärung. In materieller Hinsicht bedeutet die Zustimmung einen Verzicht auf sämtliche subjektiv-öffentlichen Rechte, die dem Nachbarn aufgrund nachbarschützender Vorschriften gegen das Vorhaben zustehen könnten.
2. Eine mit Zustimmung des Nachbarn erteilte bestandskräftige Baugenehmigung und eine von der Baugenehmigung gedeckte tatsächliche Ausführung schafft Tatsachen, die unter dem Gesichtspunkt des Eigentumsschutzes, der Rechtssicherheit und der öffentlichen Sicherheit und Ordnung - insbesondere nach Jahrzehnten - nicht unberücksichtigt bleiben dürfen.
VolltextOnline seit 11. Oktober
IBRRS 2024, 2935VGH Bayern, Beschluss vom 30.07.2024 - 2 ZB 23.139
1. Weder aus der Bayerischen Bauordnung noch in sonstigen Rechtsvorschriften folgt, dass generell nur die für ein bestimmtes Vorhaben zwingend notwendigen Stellplätze genehmigt werden dürfen und überobligatorische Stellplätze damit bauplanungsrechtlich unzulässig seien.
2. Eine Stellplatzauflage bedarf einer Rechtsgrundlage (hier verneint).
3. Die sog. dingliche Wirkung bezieht sich immer nur auf das jeweilige Baugrundstück und wirkt auch für den Rechtsnachfolger.
VolltextOnline seit 8. Oktober
IBRRS 2024, 2937OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 20.08.2024 - 7 B 486/24
1. Eine auf Gefahrenbeseitigung gerichtete Ordnungsverfügung ist auch bei einem durch eine gültige Baugenehmigung gedeckten Gebäude grundsätzlich möglich, und zwar insbesondere dann, wenn sie - wie beim Brandschutz - dem Schutz von Leben und Gesundheit dient.
2. An die für das Vorliegen einer konkreten Gefahr erforderliche Wahrscheinlichkeit eines Schadenseintritts in Bezug auf Leben oder Gesundheit als geschützte Rechtsgüter sind keine übermäßig hohen Anforderungen zu stellen.
3. Dem öffentlichen Interesse an der Minimierung von Brandrisiken und der damit bezweckten Vermeidung von Schäden an Leben und Gesundheit der Bewohner von Gebäuden kommt grundsätzlich ein höheres Gewicht zu als finanziellen Interessen des betroffenen Eigentümers.
VolltextOnline seit 4. Oktober
IBRRS 2024, 2895OVG Thüringen, Beschluss vom 23.07.2024 - 1 EO 236/24
1. Das Begründungserfordernis nach § 80 Abs. 3 VwGO ist rein formeller Art. Daher kommt es nicht darauf an, dass die von der Behörde angegebenen Gründe inhaltlich richtig sind und die sofortige Vollziehung des Verwaltungsakts tatsächlich rechtfertigen. Entscheidend ist vielmehr die Darlegung, warum aus der Sicht der Behörde das Interesse des Betroffenen an der aufschiebenden Wirkung zurückzutreten hat.*)
2. Unterscheidet sich der Fall einer Baueinstellungsverfügung nicht von sonstigen typischen Fällen, in denen wegen einer formellen Illegalität ein Baustopp verfügt wird, darf die Behörde auf eine gruppentypisierte Begründung zurückgreifen.*)
3. Ein atypischer Einzelfall liegt nicht schon dann vor, wenn der Bauherr der Auffassung ist, dass sein Handeln materiell rechtmäßig ist.*)
4. Ist die Baugenehmigung mit einer Auflage zur Vorababstimmung mit den Fachdiensten vor Baubeginn versehen worden und ist die Baugenehmigung insoweit bestandskräftig geworden, ist der Bauherr im Eilverfahren mit seinen Einwendungen gegen diese Auflage präkludiert.*)
VolltextOnline seit 1. Oktober
IBRRS 2024, 2881VG Neustadt, Urteil vom 11.09.2024 - 5 K 427/24
1. Soweit in dem Baugebiet nicht bereits Einrichtungen und Anlagen für die Tierhaltung, einschließlich der Kleintiererhaltungszucht, zulässig sind, gehören gem. § 14 Abs. 1 Satz 2 BauNVO zu den untergeordneten Nebenanlagen und Einrichtungen im Sinne des Satzes 1 auch solche für die Kleintierhaltung. Die Tierhaltung darf folglich lediglich ein Annex zur Hauptnutzung - hier: der Wohnnutzung - sein. Die legale Kleintierhaltung findet in allgemeinen Wohngebieten ihre Grenze dort, wo die Schwelle der "Wohnakzessorietät" überschritten wird.
2. Esel, Ziegen und Schweine sind unabhängig von ihrer Einstufung als Groß- oder Kleintiere typischerweise nicht in den durch Wohnnutzung geprägten Baugebieten zu erwarten; ihre Haltung liegt nicht im Rahmen einer typischerweise der Wohnnutzung dienenden Freizeitbetätigung. Das gilt auch für "Minischweine".
VolltextOnline seit 16. September
IBRRS 2024, 2765OVG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 05.09.2024 - 2 L 147/23
1. Die Frage, ob von baulichen Anlagen (hier: einer Aufschüttung und einer Einfriedung) Wirkungen wie von Gebäuden ausgehen, ist mit Rücksicht auf die Funktionen der Abstandsflächen zu beantworten. Diese umfassen neben Belangen wie Brandschutz, Besonnung, Belichtung, Belüftung und Sozialabstand auch den Wohnfrieden.
2. Da es sich bei dem Schutz vor Einblicken nur um einen Teilaspekt des Wohnfriedens als eines der abstandsrelevanten Belange handelt, kann er für das Merkmal der gebäudegleichen Wirkungen i.S.d. § 6 Abs. 1 Satz 2 BauO-SA in der Regel nicht allein ausschlaggebend sein.*)
VolltextOnline seit 10. September
IBRRS 2024, 2611VG Freiburg, Urteil vom 11.07.2024 - 4 K 1957/23
1. Sieht eine städtische Abfallwirtschaftssatzung die gesamtschuldnerische Haftung mehrerer Abfallgebührenschuldner - hier u. a. Mieter als Wohnungsnutzer und Vermieter als Wohnungseigentümer - sowie die vorrangige Heranziehung eines Gesamtschuldners - hier des tatsächlichen Wohnungsnutzers - vor, erfordert dies nicht das Ergreifen von Vollstreckungsmaßnahmen gegen den vorrangig heranzuziehenden Gebührenschuldner.*)
2. Gebührengläubiger haben bei einer Gesamtschuldnerschaft für Kommunalabgaben grundsätzlich alle Möglichkeiten zur Durchsetzung des Abgabenanspruches zu nutzen und dürfen von der Inanspruchnahme eines - weiteren - Gesamtschuldners nicht allein schon deswegen absehen, weil für diesen Gesamtschuldner Schwierigkeiten bei der Realisierung seines Ausgleichsanspruchs im Innenverhältnis zu befürchten stehen.*)
3. Bittet ein Gesamtschuldner um die eigene vorrangige Heranziehung, um die Gebühren sodann im Innenverhältnis selbst zeitnah mit anderen Gesamtschuldnern abzurechnen - zum Beispiel in einem Mietverhältnis über die Nebenkostenabrechnung -, muss die Gebührenschuldnerin in ordnungsgemäßer Ermessensausübung regelmäßig eben diese Person vorrangig heranziehen.*)
4. Alle Gebührenschuldner haben aus dem allgemeinen Rechtssatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB) in Zusammenhang mit dem öffentlich-rechtlichen Gebührenschuldverhältnis einen Auskunftsanspruch über das Bestehen und die Höhe der Gebührenschuld.*)
VolltextOnline seit 9. September
IBRRS 2024, 2715OVG Niedersachsen, Urteil vom 07.08.2024 - 1 KN 161/21
1. Auch im Anwendungsbereich des § 13a Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BauGB sind die Grundflächen mehrerer Bebauungspläne, die in einem engen sachlichen, räumlichen und zeitlichen Zusammenhang aufgestellt werden, mitzurechnen.*)
2. Auch mit Bebauungsplänen, die im Normalverfahren aufgestellt werden, kann ein Zusammenhang mit der Folge bestehen, dass die zulässigen Grundflächen zu addieren sind und das beschleunigte Verfahren nicht anwendbar ist.*)
VolltextOnline seit 29. August
IBRRS 2024, 2629BVerwG, Beschluss vom 23.07.2024 - 4 B 20.23
1. Das allgemeine Rechtsstaatsprinzip verlangt für die hinreichende Bestimmtheit einer Baugenehmigung, dass sie Inhalt, Reichweite und Umfang der getroffenen Regelung eindeutig erkennen lässt, damit der Bauherr die Bandbreite der für ihn zulässigen Nutzungen und Drittbetroffene das Maß der für sie aus der Baugenehmigung erwachsenden Betroffenheit zweifelsfrei feststellen können.
2. Eine dem Bestimmtheitsgebot genügende Regelung muss der Baugenehmigung selbst, gegebenenfalls durch Auslegung, entnommen werden können, wobei die mit einem Zugehörigkeitsvermerk versehenen Bauvorlagen bei der Ermittlung des objektiven Erklärungsinhalts der Baugenehmigung heranzuziehen sind.
3. Ist der Regelungsgehalt einer Baugenehmigung - auch durch Auslegung - nicht eindeutig feststellbar, ist sie rechtswidrig.
VolltextOnline seit 16. August
IBRRS 2024, 2524OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 26.06.2024 - 8 A 10427/23
1. Eine Beseitigungsverfügung nach § 81 LBO-RP bedarf für ihre Rechtmäßigkeit nicht der Angabe einer Beseitigungsfrist (st. Rspr. des OVG Rheinland-Pfalz, vgl. Urteil vom 12.05.2021 - 8 A 10264/21, IBRRS 2021, 2374 m.w.N.). Ist mit der Beseitigungsverfügung eine Beseitigungsfrist gesetzt worden, so ist der rechtliche Bestand der Beseitigungsverfügung nicht davon abhängig, dass die gesetzte Frist angemessen ist. Vielmehr kann die Frist losgelöst von der Beseitigungsverfügung aufgehoben werden.*)
2. Eine im Zusammenhang mit einer (baurechtlichen) Beseitigungsverfügung gesetzte Frist zur Beseitigung erledigt sich, wenn sie verstrichen ist und der Adressat diese Frist während ihres Laufs aus Rechtsgründen nicht einzuhalten brauchte. Die mit dem Grundverwaltungsakt verbundene (§ 66 Abs. 2 VwVG-RP) und allein auf die gesetzte Frist zur Beseitigung bezugnehmende Zwangsmittelandrohung wird damit gegenstandslos (st. Rspr. des OVG Rheinland-Pfalz, vgl. schon Urteil vom 11.04.1985 - 1 A 45/84, NVwZ 1986, 763).*)
3. Zur lediglich teilweisen Zulassung der Berufung.*)
VolltextOnline seit 15. August
IBRRS 2024, 2519BVerwG, Urteil vom 24.04.2024 - 4 C 1.23
1. § 11 Abs. 3 BauNVO ist nicht drittschützend.*)
2. Die Rechtsprechung, wonach ein nachbargemeindlicher Abwehranspruch gegen die Zulassung von Einzelvorhaben dann gegeben sein kann, wenn die Gemeinde dem Bauinteressenten unter Missachtung des § 2 Abs. 2 BauGB einen Zulassungsanspruch verschafft hat, ist mit Blick auf § 34 Abs. 3 BauGB für den beplanten (§ 30 BauGB) und den unbeplanten Innenbereich (§ 34 BauGB) überholt.*)
3. Beurteilt sich die planungsrechtliche Zulässigkeit eines unter § 11 Abs. 3 Satz 1 BauNVO fallenden Vorhabens nach einem früheren Bebauungsplan (§ 30 BauGB), folgt bei einem Verstoß gegen dessen Festsetzungen ein Abwehrrecht der Nachbargemeinde aus Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG, dessen Inhalt sich nach dem Maßstab des § 34 Abs. 3 BauGB bestimmt.*)
VolltextOnline seit 13. August
IBRRS 2024, 2491OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 31.07.2024 - 10 B 530/24
Wird eine Photovoltaik-Anlage unter eklatanten Verstößen gegen die allgemein anerkannten Regeln der Technik errichtet und betrieben, legt dies die Vermutung nahe, dass von der Anlage eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung, insbesondere für Leben und Gesundheit, ausgeht.
VolltextOnline seit 8. August
IBRRS 2024, 2438OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 29.07.2024 - 10 A 1719/22
1. Die Frage, wann die Benutzung von Garagen oder Stellplätzen die Umgebung unzumutbar stört, sich nicht abstrakt und generell nach festen Merkmalen beurteilen lässt. Vielmehr kommt es entscheidend auf die konkrete Situation an, in der sich die Belästigungen auswirken.
2. Dementsprechend ist von Bedeutung, an welchem Standort die Garagen oder Stellplätze angeordnet werden sollen und in welcher Lage sich dieser Standort zu dem Grundstück, dem Wohnhaus und gegebenenfalls gegenüber den Wohn- und Aufenthaltsbereichen der betroffenen Nachbarn befindet.
3. Technisch-rechnerisch ermittelte Immissionswerte sind für die Beurteilung, ob Lärmbelästigungen von Stellplätzen und Garagen in rückwärtigen Grundstücksbereichen die Grenze des Zumutbaren überschreiten, nicht ausschlaggebend.
VolltextOnline seit 7. August
IBRRS 2024, 2421BVerwG, Urteil vom 24.04.2024 - 4 CN 2.23
1. Die Vorschrift des § 44 Abs. 1 VwVfG-NW ist trotz der geringfügigen Abweichung gegenüber dem Wortlaut des § 44 Abs. 1 VwVfG ("offenkundig" statt "offensichtlich") revisibel.*)
2. Ein "bestimmtes Vorhaben" i.S.d. § 2 Abs. 6 Nr. 3 UVPG ist bei einem Bauvorhaben nach Nr. 18.7 der Anlage 1 zum UVPG schon dann gegeben, wenn dessen tatbestandliche Voraussetzungen vorliegen. In einem solchen Fall wird ein Angebotsbebauungsplan UVP-pflichtig, ohne dass es auf den Grad der Konkretisierung des Vorhabens ankommt.
3. Vorprüfungspflichtige Bebauungspläne gelten wegen § 50 Abs. 1 UVPG stets auch als UVP-pflichtig (vgl. BVerwG, Beschluss vom 14.03.2017 - 4 CN 3.16 -, IBRRS 2017, 1467).*)
VolltextOnline seit Juli
IBRRS 2024, 2349OVG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 21.05.2024 - 2 M 34/24
1. Eine Verletzung des Gebots der Rücksichtnahme kann nicht auf die bloße Anzahl der auf einem Baugrundstück geplanten Gebäude gestützt werden.*)
2. Da das Gebot der Rücksichtnahme in dem Tatbestandsmerkmal des Einfügens in § 34 Abs. 1 BGB enthalten ist, ist bei der Ermittlung dessen, was dem Rücksichtnahmepflichtigen zuzumuten ist, auch auf die maßgebende prägende Umgebungsbebauung abzustellen.*)
3. Das Rücksichtnahmegebot verpflichtet den Bauherrn nicht, die mit nachbarlichen Belangen verträglichste Variante zu wählen, wenn das Vorhaben, etwa hinsichtlich der Lage eines Baukörpers, unterschiedlich ausgeführt werden kann.*)
VolltextIBRRS 2024, 2141
VGH Bayern, Beschluss vom 12.06.2024 - 1 ZB 23.1806
1. Ein Vorhaben ist im Außenbereich u. a. zulässig, wenn öffentliche Belange nicht entgegenstehen, die ausreichende Erschließung gesichert ist und wenn es einem landwirtschaftlichen Betrieb dient und nur einen untergeordneten Teil der Betriebsfläche einnimmt.
2. Bei der Auslegung des Merkmals "Dienen" ist darauf abzustellen, ob ein vernünftiger Landwirt - auch und gerade unter Berücksichtigung des Gebots größtmöglicher Schonung des Außenbereichs - das Bauvorhaben mit etwa gleichem Verwendungszweck und mit etwa gleicher Gestaltung und Ausstattung für einen entsprechenden Betrieb errichten würde.
3. Kann ein Gebäude jedem beliebigen Zweck zugeführt werden, "dient" es einem landwirtschaftlichen Betrieb nicht.
VolltextIBRRS 2024, 2315
OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 12.06.2024 - 7 A 741/22
1. Vergnügungsstätten sind Gewerbebetriebe besonderer Art, die sich in unterschiedlicher Ausprägung (wie z. B. Amüsierbetriebe, Diskotheken, Spielhallen) unter Ansprache des Geselligkeitsbedürfnisses, des Spiel- oder des Sexualtriebs einer bestimmten auf Gewinnerzielung gerichteten Freizeitunterhaltung widmen. Für den städtebaulichen Bezug ist wesentlich, dass solche Einrichtungen typischerweise mit negativen Folgewirkungen - wie z. B. Lärmbelästigungen, Beeinträchtigungen des Stadt- und Straßenbildes oder Verschlechterung der Gebietsqualität - verbunden sind
2. Sog. "Live-Escape-Rooms" sind planungsrechtlich als Vergnügungsstätte zu werten.
3. Die nähere Umgebung eines Vorhabens i.S.d. § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB wird dadurch ermittelt, dass sowohl in Richtung vom Vorhaben auf die Umgebung als auch in Richtung von der Umgebung auf das Vorhaben geprüft wird, wie weit die jeweiligen Auswirkungen reichen. Zu berücksichtigen ist die Umgebung einmal insoweit, als sich die Ausführung des Vorhabens auf sie auswirken kann und zweitens insoweit, als die Umgebung ihrerseits den bodenrechtlichen Charakter des Baugrundstücks prägt oder doch beeinflusst.
4. Die nähere Umgebung ist für jedes der in § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB genannten Merkmale gesondert zu ermitteln, weil diese jeweils eine Prägung ganz unterschiedlicher Reichweite und Gewichtung entfalten können.
5. Eine Straße hat bei beidseitig andersartiger Siedlungsstruktur nicht stets eine trennende Funktion. Ob einer Straße im Rahmen der Abgrenzung der näheren Umgebung trennende oder verbindende Wirkung zukommt, richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls.
VolltextIBRRS 2024, 2207
BVerwG, Beschluss vom 24.04.2024 - 4 C 2.23
1. Die Betrachtung der Funktionslosigkeit einer Festsetzung kann auf ein Teilgebiet des Bebauungsplans begrenzt werden, wenn die betroffene Festsetzung ihre Wirkung nach der Plankonzeption der Gemeinde in diesem Bereich auch ungeachtet benachbarter Bereiche entfalten soll.*)
2. Der Verlust der Steuerungsfähigkeit einer Festsetzung ist offenkundig, wenn auf der Grundlage des ausermittelten Sachverhalts und nach einer durch Fachkenntnisse geprägten Betrachtung der tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse die nachträglich eingetretenen Abweichungen im maßgeblichen Betrachtungsraum nach Quantität und Qualität ein Ausmaß erreicht haben, aufgrund dessen sich der Schluss aufdrängt, dass ein Vertrauen in die Fortgeltung der Festsetzung nicht mehr schutzwürdig ist.*)
3. Das Einzelfallerfordernis in § 31 Abs. 3 BauGB verlangt einen atypischen Sonderfall.*)
VolltextIBRRS 2024, 2174
OVG Niedersachsen, Urteil vom 10.06.2024 - 1 LB 51/22
1. Bei der Bestimmung der nach § 34 Abs. 1 BauGB für das Einfügen eines Vorhabens nach dem Maß der baulichen Nutzung maßgeblichen näheren Umgebung ist zwischen den einzelnen Seiten eines überschaubaren Straßengevierts nur dann zu differenzieren, wenn diese - etwa infolge der Trennung durch einen hinreichend gewichtigen unbebauten Blockinnenbereich oder bei Erkennbarkeit zweier klar voneinander abgegrenzter, in sich im Wesentlichen homogener Bebauungsmuster - jeweils erkennbar ein Eigenleben führen.*)
2. Bei Beurteilung des Einfügens nach dem Maß der baulichen Nutzung i.S.d, § 34 Abs. 1 BauGB ist für die absolute Größe und das Verhältnis der Gebäude zur umgebenden Freifläche (Bebauungsdichte) jeweils separat nach Referenzobjekten zu suchen. Allerdings sind bei der Bestimmung der Bebauungsdichte neben der Grundfläche der Gebäude auch ihre Höhe und Geschossigkeit zu berücksichtigen.*)
3. Für die Bestimmung des Verhältnisses eines Gebäudes zu den umgebenden Freiflächen können dem Vorhaben Teile von Nachbargrundstücken nur zugerechnet werden, wenn diese nicht als umgebende Freiflächen eines vorhandenen oder realisierbaren Nachbargebäudes angesehen werden können. Umgekehrt sind diejenigen Teile des Vorhabengrundstücks keine umgebenden Freiflächen, die ihrer Lage nach das Verhältnis des Vorhabens zu Nachbarbaukörpern nicht prägen können; dies gilt insbesondere für Zufahrtsstreifen von Hinterliegergrundstücken.*)
4. Ein Vorhaben fügt sich mit Blick auf das Verhältnis der Gebäude zu umliegenden Freiflächen nicht bereits dann ein, wenn seine Abstände zu Nachbargebäuden in der näheren Umgebung ein Vorbild haben.*)
VolltextIBRRS 2024, 2053
OLG Brandenburg, Urteil vom 12.06.2024 - 4 U 183/22
1. Der Wert des Beschwerdegegenstands bemisst sich im Fall der Einlegung der Berufung gegen die Verurteilung zur Erteilung einer neuen Heizkostenabrechnung nach dem Aufwand an Zeit und Kosten, die die Erfüllung des titulierten Anspruchs erfordert, nicht aber nach dem Wert des Auskunftsanspruchs.
2. Fehlen - in atypischer Weise - in einem Vertrag über Wärmecontracting nähere Angaben zu den Grundlagen der Berechnung des Entgelts, müssen solche Angaben in der Abrechnung gemacht werden, da der Wärmecontractor andernfalls das Entgelt willkürlich festlegen könnte. In diesem Fall muss der Wärmecontractor in der Abrechnung auch nähere Angaben zum Vorwegabzug machen.
3. Die gesetzliche Regelung in § 7 Abs. 1 Satz 5 HeizkostenV stellt Fläche und Kubatur gleichberechtigt nebeneinander und bringt damit zum Ausdruck, dass eine der beiden Alternativen nach billigem Ermessen unter Berücksichtigung der konkreten Gestaltung der Wohnanlage zur Abrechnung herangezogen werden kann.
4. Weisen zwei Wohnungen eine deutlich höhere Raumhöhe (6,68 m gegenüber 3,5 m sonst) auf, betragen die Flächen mit großer Raumhöhe aber weniger als 3% der Gesamtfläche, wird die Wahl der Fläche als Abrechnungsmaßstab dadurch nicht unbillig.
5. Das in § 556 Abs. 3 Satz 1 BGB (ausschließlich) für Wohnraummietverhältnisse normierte Jährlichkeitsgebot der Heizkostenabrechnung findet beim Wärmecontracting einer Wohnungseigentümergemeinschaft keine Anwendung.
VolltextIBRRS 2024, 1257
VG Düsseldorf, Urteil vom 30.11.2023 - 28 K 8865/22
Nach dem Inkrafttreten des § 2 EEG sind die erneuerbaren Energien als vorrangiger Belang in die nach § 9 Abs. 3 Satz 1 DSchG NRW durchzuführende Schutzgüterabwägung einzubringen und kann der Denkmalschutz nur ausnahmsweise auf Grund besonderer Umstände ein zum Nachteil der erneuerbaren Energien gehendes Ergebnis erfordern.*)
VolltextIBRRS 2024, 2051
VGH Bayern, Beschluss vom 11.06.2024 - 15 CS 24.757
1. Im Rahmen einer Duldungsanordnung kommt mangels dinglicher Berechtigung des Pächters nur auf die Wirksamkeit - und nicht auf die Rechtmäßigkeit - der Nutzungsuntersagung gegenüber dem Grundstückseigentümer an.
2. Das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung einer Nutzungsuntersagung wegen Brandschutzmängeln entfällt erst dann, wenn zweifelsfrei nachgewiesen ist, dass sämtliche Mängel brandschutzkonform beseitigt worden sind. Die Vorlage der Rechnung einer Firma für Innenausbau und Renovierung ist hierfür weder aussagekräftig noch stellt sie einen ordnungsgemäßen und prüffähigen Nachweis dar.
VolltextIBRRS 2024, 2010
VGH Bayern, Urteil vom 14.05.2024 - 1 N 23.2256
Wer seine ursprüngliche Planung abändert, um die Baugenehmigung zu erhalten und sich anschließend nicht an die genehmigte Planung hält, sondern seine im Genehmigungsverfahren fallen gelassene Planung verwirklicht, kann sich nicht darauf berufen, dass seine bauliche Anlage zum Zeitpunkt der Errichtung genehmigungsfähig gewesen wäre und damit Bestandsschutz genießt. Eine derartige Berufung verstößt gegen den auch im öffentlichen Recht geltenden Grundsatz von Treu und Glauben.*)
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