Bau-, Architekten- und Immobilienrecht.
Hervorzuhebende Urteile zum Zivilprozess & Schiedswesen
Folgende wichtige Entscheidungen wurden ab dem 08.11.2024 im Volltext bei ibr-online eingestellt
Online seit gestern
IBRRS 2024, 3448OLG Schleswig, Beschluss vom 22.10.2024 - 7 U 40/24
Die Übernahme der Protokollführung durch den Sachverständigen selbst ist in der ZPO nicht vorgesehen und könnte deshalb verfahrensfehlerhaft sein. Der Einwand einer unzulässigen Protokollierung im zweiten Rechtszug ist aber rechtsmissbräuchlich, wenn alle Beteiligten im erstinstanzlichen Termin damit einverstanden waren.*)
VolltextOnline seit 29. November
IBRRS 2024, 2417BGH, Beschluss vom 23.07.2024 - VIII ZB 39/24
1. Trotz Räumungsvergleichs und Verzichts auf Vollstreckungsschutz kann der Schuldner - soweit zulässig - gem. § 794a ZPO die Verlängerung der Räumungsfrist beantragen.
2. Gegen eine in diesem Zusammenhang ablehnende Entscheidung kann der Schuldner Rechtsbeschwerde einlegen und den Erlass einer einstweiligen Anordnung zur Aussetzung der Räumung beantragen.
3. Im Rahmen der Entscheidung über die Verlängerung der Räumungsfrist sind die Interessen des Gläubigers und des Schuldners gegenüberzustellen, wobei auch die Interessen der in der Wohnung lebenden Kinder des Schuldners zu berücksichtigen sind.
VolltextOnline seit 28. November
IBRRS 2024, 3401LG Berlin II, Beschluss vom 24.10.2024 - 67 S 86/23
1. Die Richterablehnung kann grundsätzlich nicht auf die Verfahrensweise oder die Rechtsauffassung eines Richters gestützt werden. Eine Ausnahme ist dann geboten, wenn die Gestaltung des Verfahrens oder die Entscheidungen des Richters sich so weit von den anerkannten rechtlichen Grundsätzen entfernen, dass sie aus der Sicht der Partei nicht mehr verständlich und offensichtlich unhaltbar erscheinen und dadurch den Eindruck einer willkürlichen oder doch jedenfalls sachfremden Einstellung des Richters erwecken.
2. Ein Ablehnungsgrund kann sich auch aus einer Gesamtschau des Verhaltens des abgelehnten Richters aus der Perspektive des ablehnenden Beteiligten ergeben, insbesondere, wenn der Eindruck entstanden ist, das Gericht nehme wesentliche Einwendungen des Beteiligten nicht oder nicht ausreichend zur Kenntnis.
3. Für die Besorgnis der Befangenheit ist nicht die Feststellung eines einzelnen Verfahrensverstoßes entscheidend. Vielmehr können sich bei vernünftiger Betrachtungsweise schon aus einer Gesamtschau verschiedener Umstände des Verfahrens aus der Perspektive des Antragstellers Zweifel an der Unbefangenheit des Richters ergeben. Diese können sich auch aus der Verfahrensführung oder einem Urteil im Vorprozess ergeben.
4. Ein Richter ist befangen, wenn er die Revisionszulassung mit Beschluss nach § 522 ZPO ablehnt, ohne dass er sich mit den diesbezüglichen Ausführungen des Klägers erkennbar auseinandergesetzt hätte und auch ohne dass dies aus der Entscheidung heraus erklärlich wäre. Dies gilt erst recht, wenn die nicht erklärliche Nicht-Zulassung der Revision zum wiederholten Male erfolgte, nachdem eine vom abgelehnten Richter gefällte Endentscheidung ohne Revisionszulassung vom Verfassungsgerichtshof aufgehoben und zurückverwiesen wurde.
VolltextOnline seit 27. November
IBRRS 2024, 3442BGH, Urteil vom 25.10.2024 - V ZR 17/24
In wohnungseigentumsrechtlichen Beschlussanfechtungsverfahren trifft den Kläger die Obliegenheit, bei Verzögerungen der Klagezustellung spätestens innerhalb eines Jahres nach Ablauf der Monatsfrist zur Erhebung der Anfechtungsklage bei Gericht den Sachstand zu erfragen, selbst wenn er alle für eine ordnungsgemäße Klagezustellung von ihm geforderten Mitwirkungshandlungen erbracht, insbesondere den Gerichtskostenvorschuss ordnungsgemäß gezahlt hat. Erfüllt der Kläger diese Obliegenheit nicht, beginnt der ihm im Rahmen der Prüfung der Voraussetzungen des § 167 ZPO ("demnächst") zuzurechnende Zeitraum einer Zustellungsverzögerung.*)
VolltextIBRRS 2024, 3363
BGH, Urteil vom 23.10.2024 - IV ZR 205/22
1. Eine Berufungsbegründung muss auf den konkreten Streitfall zugeschnitten sein. Es reicht nicht aus, die Auffassung des Erstgerichts mit formularmäßigen Sätzen oder allgemeinen Redewendungen zu rügen oder lediglich auf das Vorbringen in erster Instanz zu verweisen. Eine Verweis auf den gesamten erstinstanzlichen Sach- und Rechtsvortrag genügt den Anforderungen an den Inhalt einer Berufungsbegründung daher nicht.
2. Eine allgemeine Bezugnahme, durch die es dem Berufungsgericht überlassen bleibt, die gesamten erstinstanzlichen Ausführungen auf ihre Relevanz für das Berufungsverfahren zu überprüfen, liegt nicht vor, wenn der Berufungskläger ausdrücklich auf einen bestimmten Schriftsatz aus der ersten Instanz verweist.
VolltextOnline seit 21. November
IBRRS 2024, 2969BGH, Beschluss vom 04.09.2024 - IV ZB 31/23
1. Bei Einreichung einer Berufung in Schriftform hat der Rechtsanwalt zur vorübergehenden Unmöglichkeit der Einreichung mittels beA vorzutragen und diese glaubhaft zu machen.
2. Die Übersendung einer Berufungsschrift mit lediglich einer einfachen Signatur des Prozessbevollmächtigen über das beA eines anderen Rechtsanwalts stellt keine wirksame Einlegung des Rechtsmittels dar.
3. Der Rechtsirrtum eines Rechtsanwalts über gesetzliche Erfordernisse ist regelmäßig nicht unverschuldet. Ein Rechtsanwalt muss die Gesetze kennen, die in einer Anwaltspraxis gewöhnlich zur Anwendung kommen. Eine irrige Auslegung des Verfahrensrechts kann als Entschuldigungsgrund nur dann in Betracht kommen, wenn der Verfahrensbevollmächtigte die volle von einem Rechtsanwalt zu fordernde Sorgfalt aufgewendet hat, um zu einer richtigen Rechtsauffassung zu gelangen.
4. Selbst wenn die Rechtslage zweifelhaft ist, muss der bevollmächtigte Anwalt den sicheren Weg wählen. Von einem Rechtsanwalt ist zu verlangen, dass er sich anhand einschlägiger Fachliteratur über den aktuellen Stand der Rechtsprechung informiert. Dazu besteht umso mehr Veranlassung, wenn es sich um eine vor kurzem geänderte Gesetzeslage handelt, die ein erhöhtes Maß an Aufmerksamkeit verlangt. Ein Rechtsirrtum ist nur ausnahmsweise als entschuldigt anzusehen, wenn er auch unter Anwendung der erforderlichen Sorgfaltsanforderungen nicht vermeidbar war.
VolltextOnline seit 15. November
IBRRS 2024, 3346BGH, Urteil vom 11.10.2024 - V ZR 261/23
1. Das Fehlen der nach § 130a Abs. 3 ZPO erforderlichen einfachen Signatur einer auf einem sicheren Übermittlungsweg als elektronisches Dokument eingereichten Klageschrift kann nur dann ausnahmsweise unschädlich sein, wenn sich aus anderen, eine Beweisaufnahme nicht erfordernden Umständen eine der einfachen Signatur vergleichbare zweifelsfreie Gewähr dafür ergibt, dass der Rechtsanwalt die Verantwortung für den Inhalt der Klageschrift übernommen und diese willentlich in den Rechtsverkehr gebracht hat. *)
2. Eine unwirksame Prozesshandlung wird erst von ihrer Heilung an wirksam; eine nach Fristablauf erfolgte Behebung des Mangels ist nicht mehr fristwahrend. Das gilt auch für die materiell-rechtliche Ausschlussfrist des § 45 Satz 1 WEG.*)
VolltextIBRRS 2024, 3324
LAG Hamm, Beschluss vom 28.10.2024 - 9 Ta 319/24
1. Gemäß §§ 133, 157 BGB ist zwar bei der Auslegung einer individualvertraglichen Willenserklärung der wirkliche Wille der Parteien zu erforschen, wobei es aber gerade nicht lediglich auf den inneren Willen eines der beiden Erklärenden ankommt, sondern auf den durch normative Auslegung zu ermittelnden objektiven Erklärungswert.*)
2. Auch im selbständigen Beweisverfahren muss das Beweisthema jedenfalls soweit substantiiert sein, dass der Verfahrensgegenstand zweifelsfrei abgrenzbar ist. Ist dies nicht der Fall, würde im Rahmen der Zeugenvernehmung eine typische Ausforschung betrieben, anhand derer die anspruchsbegründenden Tatsachen erst in Erfahrung gebracht würden.*)
VolltextOnline seit 14. November
IBRRS 2024, 3331BGH, Beschluss vom 23.10.2024 - IV ZB 20/24
An die Darlegung eines erheblichen Grunds für die Notwendigkeit der Fristverlängerung dürfen bei einem ersten Antrag auf Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist keine hohen Anforderungen gestellt werden. Daher reicht der bloße Hinweis auf eine Arbeitsüberlastung zur Feststellung eines erheblichen Grunds aus, ohne dass es einer weiteren Substanziierung oder Glaubhaftmachung bedarf.
VolltextIBRRS 2024, 3302
OLG Hamm, Urteil vom 21.08.2024 - 12 U 13/23
Der Besteller genügt im Werkvertragsrecht den Anforderungen an die schlüssige Darlegung eines Mangels im Prozess bereits dann, wenn er die Erscheinungen, die er auf vertragswidrige Abweichungen zurückführt, hinlänglich deutlich beschreibt. Er ist nicht gehalten, die Mangelursachen im Einzelnen zu bezeichnen (sog. Symptomtheorie, st. Rspr., vgl. nur BGH, IBR 2021, 52).
VolltextOnline seit 13. November
IBRRS 2024, 3249LG Freiburg, Beschluss vom 20.09.2024 - 4 T 105/24
1. Im Verfahren nach § 74a Abs 5 ZVG ist - ebenso wie im Verfahren der Neufestsetzung des Verkehrswertes auf Grund geänderter Umstände - regelmäßig die Einholung eines Sachverständigengutachtens geboten.*)
2. Sieht das Vollstreckungsgericht von der Einholung eines Sachverständigengutachtens ab, hat es in der Entscheidung über die Wertfestsetzung - den Grundsätzen der freien richterlichen Beweiswürdigung nach § 286 Abs. 1 ZPO folgend - seine eigene Sachkunde darzulegen und zu begründen und dies vorab den Parteien mitzuteilen.*)
3. Die Sachkunde ist noch nicht allein mit der Tätigkeit als Vollstreckungsrechtspfleger belegt, gleich, wie lange diese bereits andauern mag.*)
4. Wird diesen Grundsätzen nicht genügt, liegen im Falle einer sofortigen Beschwerde eines Beteiligten regelmäßig die Voraussetzungen für die Aufhebung des Wertfestsetzungsbeschlusses und die Zurückverweisung des Verfahrens an das Vollstreckungsgericht vor, um die Einholung des Sachverständigengutachtens nachzuholen.*)
VolltextOnline seit 11. November
IBRRS 2024, 3271BGH, Urteil vom 10.10.2024 - VII ZR 240/23
Verzögerungen im Zustellungsverfahren, die durch eine fehlerhafte Sachbehandlung des Gerichts verursacht sind, sind dem Zustellungsbetreiber nicht zuzurechnen (Anschluss an BGH, IMR 2023, 426 = NJW 2023, 2945). Zu solchen Verzögerungen gehören auch Versäumnisse, die bei der Ausführung der Zustellung von dem Zustellorgan verursacht worden sind.*)
VolltextOnline seit 8. November
IBRRS 2024, 3247OLG Nürnberg, Urteil vom 12.03.2024 - 3 U 1856/23
1. Ansprüche aus einer schuldrechtlichen Abrede in einem Erbbaurechtsbestellungsvertrag gegen den ersten Erbbaurechtsinhaber, die über den dinglichen Erbbauzins hinausgehen, bestehen gegen diesen fort, auch wenn das Erbbaurecht einem Dritten zugeschlagen wurde.*)
2. Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, nach der mit einem Zustimmungsvorbehalt nach § 5 ErbbauRG der Eintritt des Erwerbers in die schuldrechtliche Verpflichtung zur Zahlung und Anpassung des Erbbauzinses erzwungen werden kann, begründet keine Verpflichtung, den Erwerber als Vertragspartner des Bestellungsvertrags bzw. der Erbbauzinsabrede zu akzeptieren. Dementsprechend besteht erst recht keinerlei Obliegenheit, bereits bei der Bestellung des Erbbaurechts durch Vereinbarung eines Zustimmungsvorbehalts sicherzustellen, dass ein Eintritt eines späteren Erwerbers oder Erstehers in den Bestellungsvertrag erzwungen werden könnte.*)
VolltextIBRRS 2024, 3243
OLG Brandenburg, Beschluss vom 07.10.2024 - 1 W 45/24
1. Die Ablehnung eines Richters wegen der Besorgnis der Befangenheit findet statt, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen seine Unparteilichkeit zu rechtfertigen. Dabei kommen nur objektive Gründe in Frage. Rein subjektive, unvernünftige Vorstellungen des Ablehnenden scheiden als Gründe aus. Entscheidend ist, ob ein am Verfahren Beteiligter bei vernünftiger Würdigung aller Umstände Anlass hat, an der Unvoreingenommenheit des Richters zu zweifeln.
2. Die Ablehnung kann grundsätzlich nicht erfolgreich auf die Verfahrensweise oder die Rechtsauffassung eines Richters gestützt werden. Eine Ausnahme von diesem Grundsatz ist nur dann geboten, wenn die Gestaltung des Verfahrens oder die Entscheidungen des Richters sich so weit von den anerkannten rechtlichen - insbesondere verfassungsrechtlichen - Grundsätzen entfernen, dass sie aus der Sicht der Partei nicht mehr verständlich und offensichtlich unhaltbar erscheinen und dadurch den Eindruck einer willkürlichen oder doch jedenfalls sachfremden Einstellung des Richters erwecken.
3. Der Umstand, dass ein Richter auf einen nachgelassenen Schriftsatz keine Hinweise erteilt hat, ist nicht geeignet, eine unsachgemäße Einstellung oder Vorgehensweise zu belegen.
4. Die richterliche Pflicht zum Erteilen von Hinweisen ist auf die Zeit der Vorbereitung wie auch der Durchführung der mündlichen Verhandlung begrenzt.
5. Nach dem Schluss der mündlichen Verhandlung ist die Erteilung von Hinweisen erst wieder im Verkündungstermin möglich. In dessen Vorbereitung obliegt es dem Richter zu prüfen, ob das Vorbringen im nachgelassenen Schriftsatz eine Wiedereröffnung der mündlichen Verfahren und gegebenenfalls die Erteilung weiterer Hinweise zur Vorbereitung des Fortsetzungstermins erfordert oder aber die Verkündung eines Urteils angezeigt ist.
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