Bau-, Architekten- und Immobilienrecht.
Hervorzuhebende Urteile in allen Sachgebieten
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Online seit gestern
IBRRS 2024, 3462OLG Düsseldorf, Beschluss vom 05.09.2022 - 23 U 230/21
1. Haben die Parteien eines Bauvertrags keine bestimmte Höhenlage für die Errichtung einer Straße vereinbart, scheidet ein Mangel (hier: Errichtung auf falschem Höhenniveau) wegen Fehlens einer vereinbarten Beschaffenheit ebenso aus wie wegen Fehlens einer nach dem Vertrag vorausgesetzten Eignung.
2. Ein Werk ist auch dann mangelhaft, wenn es die vereinbarte Funktion nur deshalb nicht erfüllt, weil die vom Besteller zur Verfügung gestellten Leistungen anderer Unternehmer, von denen die Funktionsfähigkeit des Werks abhängt, unzureichend sind. Der Unternehmer kann in diesen Fällen allerdings der Verantwortlichkeit für den Mangel seines Werks durch Erfüllung seiner Prüfungs- und Hinweispflicht entgehen (hier: Funktionsfähigkeit bejaht).
VolltextIBRRS 2024, 3582
VK Südbayern, Beschluss vom 22.10.2024 - 3194.Z3-3_01-24-38
1. Wird der Entwurf eines Nachprüfungsantrags kurz vor Einreichung des Nachprüfungsantrags an den öffentlichen Auftraggeber als Rüge übermittelt, so genügt dies der Rügeobliegenheit des § 160 Abs. 3 Nr. 1 GWB. Wird sofort nach der Rüge ein Nachprüfungsantrag gestellt, ohne dem Auftraggeber irgendeine Reaktionszeit einzuräumen, so ist dies über eine Kostentragungspflicht des Antragstellers zu lösen, wenn der Auftraggeber sofort einlenkt.*)
2. Bei Objektplanungsleistungen kann die Bewertung eines mündlichen Vortrags hinsichtlich der Vortragsfähigkeiten des Referenten den gem. § 127 Abs. 3 GWB geforderten Auftragsbezug eines Zuschlagskriteriums haben, wenn die Tätigkeit der referierenden Personen im zu vergebenden Auftrag gerade auch das Präsentieren bzw. Vortragen beinhaltet.*)
3. Werden die Vortrags- bzw. Präsentationsfähigkeiten von künftigen Auftragnehmern im Rahmen der Zuschlagskriterien bewertet, so muss der öffentliche Auftraggeber sicherstellen, dass die bewerteten Personen dann bei der Leistungserbringung auch die entsprechenden Vortrags- bzw. Präsentationstätigkeiten übernehmen.*)
VolltextIBRRS 2024, 3651
OLG Düsseldorf, Urteil vom 23.11.2023 - 2 U 99/22
1. Bei einer durch eine Rechtsanwaltskanzlei verfassten vertragsstrafebewehrten Unterlassungserklärung können bereits die äußeren Umstände dafürsprechen, dass die Vertragsbedingungen für eine Vielzahl von Fällen i.S.v. § 305 Abs. 1 Satz 1 BGB vorformuliert sind.*)
2. Akzeptiert der Gläubiger einer vertragsstrafebewehrten Unterlassungserklärung zahlreiche Streichungen des Schuldners von außerhalb der vertragsstrafebewehrten Unterlassungsverpflichtung liegender Klauseln, so kann nicht ohne weiteres davon ausgegangen werden, dass er auch die Vertragsstrafeklausel ernsthaft zur Disposition gestellt hat und diese damit als ausgehandelt i.S.v. § 305 Abs. 1 Satz 3 BGB anzusehen ist.*)
3. Eine als Allgemeine Geschäftsbedingung einzustufende Vertragsstrafeklausel, die einen uneingeschränkten Ausschluss des Fortsetzungszusammenhangs vorsieht, benachteiligt den Schuldner in der Regel unangemessen i.S.v. § 307 Abs. 1 BGB.*)
VolltextOnline seit 19. Dezember
IBRRS 2024, 3644BGH, Urteil vom 13.11.2024 - VIII ZR 15/23
Ein auf unbestimmte Zeit geschlossener DDR-Altmietvertrag über Wohnraum, der hinsichtlich einer Beendigung des Mietverhältnisses auf die Vorschriften des Zivilgesetzbuchs der Deutschen Demokratischen Republik (§§ 120 ff. ZGB) Bezug nimmt, kann seitens des Vermieters gegen den Willen des Mieters wegen Eigenbedarfs seit dem Wirksamwerden des Beitritts der Deutschen Demokratischen Republik zur Bundesrepublik Deutschland nach Maßgabe des Art. 232 § 2 EGBGB nach den Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs (§ 564b Abs. 2 Nr. 2 BGB a.F.; § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB) gekündigt werden.*)
VolltextIBRRS 2024, 3561
AG Hamburg-St. Georg, Urteil vom 06.12.2024 - 980a C 13/24 WEG
1. Die Geltendmachung an sich gegebener Antrags-, Beschlussanfechtungs- oder anderer Rechte eines Wohnungseigentümers kann wegen der angestrebten Ziele rechtsmissbräuchlich bzw. schikanös (§ 226 BGB) sein; an das Vorliegen eines Rechtsmissbrauchs sind aber strenge Anforderungen zu stellen, weil es um einen Eingriff in den Kernbereich elementarer Mitgliedschaftsrechte des betroffenen Wohnungseigentümers geht.
2. Die Erhebung einer Beschlussklage kann (rechts-)missbräuchlich sein, wenn der Beschlusskläger mit seinem Rechtsbehelf seine eigene Leistungspflicht in grob eigennütziger Weise unbillig unterlaufen und seine Stellung als Mehrheitseigentümer majorisierend ordnungswidrig ausnutzen will.
VolltextOnline seit 18. Dezember
IBRRS 2024, 3642BGH, Beschluss vom 20.11.2024 - VII ZR 191/23
1. Für die Prüfbarkeit einer Schlussrechnung sind ihre Richtigkeit und Abweichungen von vorherigen Schlussrechnungen unerheblich.
2. Eine Partei ist grundsätzlich nicht gehindert, ihr Vorbringen im Laufe des Rechtsstreits zu ändern und insbesondere zu präzisieren, zu ergänzen oder zu berichtigen. Dabei entstehende Widersprüchlichkeiten im Parteivortrag können allenfalls im Rahmen der Beweiswürdigung gem. § 286 ZPO Beachtung finden. Die Nichtberücksichtigung eines erheblichen Beweisangebots wegen vermeintlicher Widersprüche im Vortrag der beweisbelasteten Partei läuft auf eine prozessual unzulässige vorweggenommene tatrichterliche Beweiswürdigung hinaus und verstößt damit zugleich gegen Art. 103 Abs. 1 GG.*)
VolltextIBRRS 2024, 3627
OLG Düsseldorf, Beschluss vom 11.12.2024 - Verg 24/24
1. Die Teilnahme eines Unternehmens am Vergabeverfahren, das den Auftraggeber bereits in dessen Vorfeld beraten oder unterstützt hat, kann grundsätzlich als Gefährdung eines ordnungsgemäßen Wettbewerbs angesehen werden. Trotz dieser Gefahren ist die Teilnahme vorbefasster Unternehmen an dem Vergabeverfahren grundsätzlich zulässig. Dem Auftraggeber obliegt dabei die Verpflichtung, den Wissensvorsprung des einen Bieters durch Information aller anderen Bieter auszugleichen.
2. Es liegt grundsätzlich im pflichtgemäßen Ermessen des öffentlichen Auftraggebers, welche Maßnahmen er zur Herstellung eines fairen Wettbewerbs ergreift und unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Einzelfalls zu bewerten, ob bei einer Beteiligung des Projektanten der Grundsatz des fairen Wettbewerbs gewahrt wird. Da der öffentliche Auftraggeber dafür Sorge zu tragen hat, dass dem Projektanten im Vergleich zu seinen Wettbewerbern kein überlegenes Angebot ermöglicht wird, dürfen dem Projektanten aufgrund seines Wissensvorsprungs auch durch die festgelegten Eignungs- und Zuschlagskriterien keine Wertungsvorteile entstehen.
3. Der rügende Bieter als derjenige, die eine unzureichende Mitteilung gesammelter Informationen durch vorbefasste Personen geltend macht, hat darzulegen, welche Informationen dies sein sollen und jedenfalls im Ansatz darzutun, dass diese Informationen wettbewerbsrelevant sind.
4. Bei der Bewertung kommt dem öffentlichen Auftraggeber systemimmanent ein Beurteilungsspielraum zu. Sie muss allerdings in sich und in Relation zu den übrigen Angeboten nachvollziehbar sein. Es muss klar sein, welche konkreten qualitativen Eigenschaften der Angebote mit welchem Gewicht in die Bewertung eingegangen sind. Der Auftraggeber ist daher verpflichtet, die Gründe für seine Auswahlentscheidung eingehend zu dokumentieren.
5. Die Bewertungsentscheidungen ist daraufhin überprüfbar, ob die jeweilige Bewertung im Vergleich ohne Benachteiligung des einen oder anderen Bieters plausibel vergeben wurde. Es muss nachvollziehbar sein, weshalb ein Mitbewerber besser bewertet wurde; die Wertungen müssen im Quervergleich mit den besser bewerteten Angeboten stimmig sein, insbesondere demjenigen des Zuschlagsprätendenten. Dabei dürfen aber im Interesse der Handhabbarkeit keine allzu hohen Anforderungen an die Bewertungsbegründung gestellt werden, eine Nachvollziehbarkeit genügt.
6. Präkludierte Verstöße dürfen nicht von Amts wegen aufgegriffen werden. Während das Aufgreifen eines zwar nicht präkludierten, aber sich auch nicht aufdrängenden Vergabeverstoßes dadurch geheilt werden kann, dass sich der Antragsteller die amtswegigen Überlegungen der Vergabekammer im Beschwerdeverfahren zu eigen macht, steht § 160 Abs. 3 Satz 1 GWB als Präklusionsvorschrift gerade nicht zur Disposition der Verfahrensbeteiligten.
VolltextIBRRS 2024, 3637
LG Hamburg, Urteil vom 12.06.2024 - 318 S 42/23
Wenn nach der Teilungserklärung/Gemeinschaftsordnung der Wohnungseigentümer "Gebäudeteile, Anlagen und Teile von diesen, die entweder in seinem Sondereigentum stehen oder sich als Gemeinschaftseigentum im Bereich seines Sondereigentums befinden, ordnungsgemäß in Stand zu halten und in Stand zu setzen hat, und zwar auf eigene Kosten", so fehlt der Wohnungseigentümergemeinschaft insoweit die Beschlusskompetenz.
VolltextIBRRS 2024, 3473
LG München I, Urteil vom 10.07.2024 - 1 S 10018/22
1. Bei der Verpflichtung aus der Vereinbarung in Gestalt der Teilungserklärung/Gemeinschaftsordnung handelt es sich um eine eigenständige Anspruchsgrundlage.
2. Eine Vereinbarung, wonach durch den einem Eigentümer erlaubten Ausbau des Dachgeschosses entstehende Schäden der Gemeinschaft zu ersetzen sind (Ausbaurecht mit Wiederherstellungspflicht des Gemeinschaftseigentums), ist dahin auszulegen, dass jeglicher Schaden, der durch den Ausbau entsteht, zu ersetzen ist.
3. Maßstab für die Schadensersatzpflicht ist die ordnungsgemäße (Wieder)Herstellung des Gemeinschaftseigentums, in das eingegriffen wurde.
4. Das Wirtschaftlichkeitsgebot greift dann ein, wenn dem Geschädigten mit unterschiedlichen Kosten verbundene Reparaturmöglichkeiten aufgezeigt werden, mit der Folge, dass er bei seiner Auswahl die berechtigten Interessen des Schädigers berücksichtigen muss. Zwischen Alternativen der Instandsetzung muss er nach wirtschaftlicher Vernunft wählen und im Rahmen des ihm Möglichen und Zumutbaren zu der preiswertesten greifen.
5. Für die Verletzung der Schadensminderungspflicht ist der Schädiger darlegungs- und beweisbelastet. Hierzu muss er darlegen, dass der Geschädigte Maßnahmen unterlässt, die ein ordentlicher und verständiger Mensch zur Schadensminderung ergreifen würde.
VolltextOnline seit 17. Dezember
IBRRS 2024, 3618EuGH, Urteil vom 28.11.2024 - Rs. C-622/23
Art. 2 Abs. 1 c Richtlinie 2006/112/EG über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem ist dahin auszulegen, dass der Betrag, der vertraglich geschuldet wird, weil der Besteller einen wirksam geschlossenen Bauvertrag über die Erbringung dieser mehrwertsteuerpflichtigen Leistung - deren Ausführung der Unternehmer begonnen hatte und zu deren Fertigstellung er bereit war -, beendigt hat, als Entgelt für eine Dienstleistung anzusehen ist.
VolltextIBRRS 2024, 3329
LG München I, Urteil vom 28.12.2023 - 5 O 6541/22
Bei einem Treuhandkonto ist zwar der Verwalter als Kontoinhaber schuldrechtlich Berechtigter am Guthaben bei der Bank. Durch die treuhänderische Bindung ist jedoch der Verwalter gegenüber der Wohnungseigentümergemeinschaft nach § 27 Abs. 1 Nr. 5, 6 WEG a.F. bzgl. der zu verwaltenden Gelder in Form des Bankguthabens schuldrechtlich Verpflichteter.
VolltextIBRRS 2024, 3600
LG Hamburg, Beschluss vom 06.09.2024 - 305 O 132/23
1. Der Vorstand des Gerichts kann Dritten nach § 299 Abs. 2 ZPO ohne Einwilligung der Parteien die Einsicht der Akten gestatten, wenn von den Dritten ein rechtliches Interesse an der Akteneinsicht glaubhaft gemacht wird.
2. Ein solches rechtliches Interesse kann darin gesehen werden, dass ein Bauherr in zwei verschiedenen Verfahren verklagt wird, einmal vom Architekten und einmal vom Bauunternehmer. In diesem Fall hat der Bauunternehmer ein rechtliches Interesse an der Einsicht in die Akten im Parallelverfahren des Architekten.
VolltextOnline seit 16. Dezember
IBRRS 2024, 3611OLG Köln, Urteil vom 11.01.2024 - 7 U 39/23
1. Ein Bauwerksmangel kann einen Anscheinsbeweis für einen Bauüberwachungsfehler nur dann begründen, wenn es sich um Bauarbeiten handelt, die in jedem Fall einer umfangreichen Bauaufsicht des Architekten bedürfen (hier bejaht für Dachdeckerarbeiten).
2. Die Erschütterung des Anscheinsbeweises bedarf substantiierten Vortrags dazu, wann der bauüberwachende Architekt was geprüft hat.
3. Verkörpern sich Planungs- und Überwachungsfehler im Bauwerk, hat der Auftraggeber einen Anspruch auf Vorschuss zur Vorfinanzierung der für die Mängelbeseitigung erforderlichen Kosten. Der Vorschuss erstreckt sich auch auf Begleitschäden am Bauwerk, die infolge des im Bauwerk verkörperten Planungs- und Überwachungsmangels entstanden sind.
4. Schließt der Auftraggeber trotz eines entsprechenden Hinweises des Architekten keine Wartungsverträge ab, führt dieser Umstand nicht ohne weiteres zu einem Mitverschulden des Auftraggebers.
VolltextIBRRS 2024, 3087
AG Breisach, Urteil vom 17.10.2024 - 1 C 45/23
Verschließt ein Mieter mittels Austausch eines Schlosses den Zugang zu einer nicht gemieteten Fläche, berechtigt dies den Vermieter zur fristlosen Kündigung.
VolltextIBRRS 2024, 3602
AG Hamburg-St. Georg, Urteil vom 13.12.2024 - 980b C 40/23 WEG
1. Ein gegebenenfalls zu ersetzender Schaden ist durch einen Vergleich der infolge des haftungsbegründenden Ereignisses eingetretenen Vermögenslage mit derjenigen Vermögenslage zu ermitteln, die ohne jenes Ereignis eingetreten wäre; dies erfordert einen Gesamtvermögensvergleich, der alle von dem haftungsbegründenden Ereignis betroffenen finanziellen Positionen umfasst, wobei es bei dem Gesamtvermögensvergleich nicht um Einzelpositionen, sondern um eine Gegenüberstellung der hypothetischen und der tatsächlichen Vermögenslage geht.
2. Macht die Gemeinschaft gegenüber dem Verwalter Schadensersatz geltend, weil ihr durch dessen Verhalten Fördermittel entgangen seien, ist dieser zu verneinen, wenn die Fördermittel nur geflossen wären, wenn die Fenster ausgetauscht worden wären, diese aber nicht ausgetauscht wurden.
VolltextIBRRS 2024, 3587
LG München I, Beschluss vom 15.04.2024 - 13 T 1350/24
Der Streitwert einer Klage auf Gestattung der Untervermietung bemisst sich nach dem (einfachen) Jahresbetrag der Untermiete.*)
VolltextOnline seit 13. Dezember
IBRRS 2024, 3601BGH, Urteil vom 21.11.2024 - VII ZR 245/23
Die dreijährige Verjährungsfrist des Anspruchs auf Stellung einer Bauhandwerkersicherung nach § 648a Abs. 1 Satz 1 BGB (in der Fassung vom 23.10.2008) beginnt in entsprechender Anwendung von § 604 Abs. 5, § 695 Satz 2, § 696 Satz 3 BGB taggenau mit dem Verlangen des Unternehmers nach Sicherheit.*)
IBRRS 2024, 3589
OLG Köln, Urteil vom 15.11.2024 - 6 U 60/24
1. Für einen wirksamen Vertragsschluss müssen grundsätzlich die für die Parteien wesentlichen Punkte, die essentialia negotii, feststehen. Essentialia negotii sind jedenfalls die Hauptleistungspflichten, also Leistung und Gegenleistung.
2. Beim Werkvertrag sind das herzustellende Werk und die zu zahlende Vergütung die essentialia negotii. Weil sich die Parteien in der Rechtswirklichkeit bei bestimmten Vertragstypen vor der Leistungserbringung nicht immer ausdrücklich über den Preis einigen, kann nach § 632 Abs. 1 BGB eine stillschweigende Preisvereinbarung an die Stelle der tatsächlichen Preisvereinbarung fingiert werden.
3. Auch im Werkvertragsrecht kann es einen Dissens über die Vergütung geben. Wenn sich beide Parteien auf eine bestimmte Vergütung einigen wollen, aber ausdrücklich keine Einigung zustande kommt, liegt trotz § 632 Abs. 1 BGB ein offener Dissens vor.
4. Kaufmännische Bestätigungsschreiben haben den Zweck, eine rechtsgeschäftliche Einigung zwischen den Parteien verbindlich zu fixieren. Erforderlich sind daher Vorverhandlungen in Gestalt eines geschäftlichen Gesprächs oder geschäftlicher Korrespondenz, sei es mündlich, schriftlich, in Textform oder auf andere Art.
5. Die Vorverhandlungen müssen nicht zu einem Vertragsschluss geführt haben. Ein kaufmännisches Bestätigungsschreiben kann auch einen tatsächlich nicht erfolgten Vertragsschluss ersetzen. Erforderlich ist dann aber, dass in den Vorverhandlungen die essentialia negotii des zu schließenden Vertrags hinreichend erörtert wurden.
6. Das Bestätigungsschreiben muss zeitnah im Anschluss an die Verhandlungen beim Empfänger eingehen. Entscheidend ist, ob der Empfänger noch mit einer entsprechenden Bestätigung rechnen durfte, was auch von dem Gegenstand des Vertrags abhängt.
VolltextIBRRS 2024, 3583
VK Südbayern, Beschluss vom 08.05.2024 - 3194.Z3-3_01-24-10
1. Wird ein präqualifizierter Bieter von einem bei den Eignungskriterien verlinkten Formblatt weder explizit angesprochen, weil sich dieses nur an nicht-präqualifizierte Bieter richtet, noch weist die Gestaltung des Formblatts darauf hin, dass hier eine Mindestanforderung hinsichtlich der Nachweise an die Eignung aufgestellt wird, die auch für präqualifizierte Bieter einschlägig sein soll, darf ein präqualifizierter Bieter bereits auf Grund der Überschrift davon ausgehen, dass dieses Formblatt keine für ihn relevanten Informationen enthält. Er ist insbesondere nicht gehalten es nach versteckten Hinweisen auf Mindestanforderungen, die auch für ihn gelten könnten, zu durchsuchen.*)
2. Fehlen für präqualifizierte Bieter aufgrund eines Bekanntmachungsdefizites wirksam aufgestellte Eignungsanforderungen oder Nachweise, muss das Vergabeverfahren in den Stand vor Bekanntmachung zurückversetzt werden, wenn der Zuschlag auf das Angebot eines ungeeigneten Bieters droht. Ein präqualifizierter Bieter wäre dann als ungeeignet anzusehen, wenn er die für nicht-präqualifizierte Bieter aufgestellten Eignungsanforderungen nicht mit dem von ihm im PQ-Verzeichnis hinterlegten Angaben und Nachweisen erfüllen kann.*)
3. Die von einer Vergabestelle geforderten vergleichbaren Referenzen müssen nicht zwingend Referenzen für die Komplettleistung sein, sondern eine Vergabestelle kann die technische Leistungsfähigkeit eines Bieter auch anhand von Referenzen für einzelne Leistungsbereiche bejahen, wenn die Einzelreferenzen über Leistungen erteilt wurden, welche mit den ausgeschriebenen Teilleistungen vergleichbar sind und die Vergabestelle in einer fehlerfreien Prognoseentscheidung festgestellt hat, dass die Summe der Einzelreferenzen die ordnungsgemäße Erfüllung der Gesamtmaßnahme erwarten lässt.*)
4. Da zur Vergleichbarkeit einer Leistung jedoch auch der Umfang der erbrachten Leistung gehört, erscheint es im Regelfall jedoch ausgeschlossen, dass mehrere Teilleistungen hinsichtlich des Umfangs einer der Art vergleichbaren Leistung vom selben Bieter zusammengenommen werden können, um eine nach Art und Umfang vergleichbare (Teil-)Leistung nachzuweisen.*)
5. Den Aussagen eines Bieters im Rahmen einer Preisaufklärung kommt ein bedeutender Erklärungswert darüber zu, wie der Bieter sein Angebot verstanden wissen wollte und mit welchem Inhalte er es kalkuliert hat. Will ein Bieter von Erklärungen, die er im Rahmen der Preisaufklärung getätigt hat später abrücken, so obliegt es ihm hinreichende Nachweise dafür bringen, dass die Kalkulation seines Angebots ursprünglich tatsächlich etwas anderes beinhaltete als er (versehentlich) in der Aufklärung erklärt hat.*)
6. Hat ein Bieter in seinem Angebot abschließend erklärt, eine bestimmte (Teil-)Leistung selbst zu erbringen, kann er für diese Leistung nachträglich keinen Unterauftragnehmer mehr benennen, da dies eine unzulässige inhaltliche Änderung seines Angebots darstellen würde. Das Angebot ist jedoch nicht auszuschließen, sondern so zu werten, wie es eingegangen ist, also dass die Leistung im eigenen Betrieb ausgeführt wird.*)
VolltextIBRRS 2024, 3599
AG Hanau, Urteil vom 29.11.2024 - 32 C 265/23
1. Die Verwendung auch weicher Renovierungsfristen für Schönheitsreparaturen von 3, 5 und 7 Jahren ist bei nach Februar 2008 geschlossenen Mietverträgen unzulässig und führt zur Unwirksamkeit der Klausel.*)
2. Stehen dem Vermieter Schadensersatzansprüche gegen den Mieter aufgrund eines vertragswidrigen Zustands der Mietsache zu, muss er sich, wenn die Schönheitsreparaturen nicht oder nicht wirksam auf den Mieter abgewälzt wurden, diejenigen Kosten anrechnen lassen, die er mangels eigener Renovierungsarbeiten im laufenden Mietverhältnis erspart hat. Die über die Fristen der unwirksamen Schönheitsreparaturenklausel begründete Vermutung des Renovierungsbedarfs gilt insoweit gegen den Vermieter.*)
3. Das Gericht kann die Höhe der ersparten Renovierungskosten auf Grundlage der jeweils geltenden Pauschalen für Schönheitsreparaturen gem. § 28 Abs. 4 Satz 2 II. BerechnungsVO schätzen.*)
VolltextIBRRS 2024, 3525
OLG Köln, Urteil vom 01.03.2024 - 1 U 10/23
1. Kommt es durch Patienten des Mieters zu wiederholten und schwer wiegenden Störungen des Hausfriedens ist die außerordentliche Kündigung des Mietvertrages gerechtfertigt.
2. Die Kündigung eines Gewerbemietvertrags durch einen nicht qualifiziert elektronisch signierten Schriftsatz im Gerichtsverfahren ist ordnungsgemäß, denn die Kündigung bedarf nicht der Schriftform.
VolltextIBRRS 2024, 3588
OLG Brandenburg, Beschluss vom 26.11.2024 - 12 W 26/24
1. Eine erhebliche Überschreitung des eingezahlten Auslagenvorschusses ist regelmäßig bei einer Differenz von mehr als 20% anzunehmen. Unabhängig von der Frage, ob es sich dabei um eine starre Kappungsgrenze handelt, ist bei einer Überschreitung von mehr als 50% ohne weiteres von einer Erheblichkeit auszugehen.
2. Die den Vorschuss übersteigende Vergütung ist auch dann zu versagen, wenn sich die Hinweispflichtverletzung auf die letztlich entstandenen Kosten nicht kausal ausgewirkt hat, weil die Parteien auf einen rechtzeitig erteilten Hinweis die weitere Beweisführung nicht unterbunden und gegebenenfalls einen weitergehenden Vorschuss gezahlt hätten.
3. Der Sachverständige kann sich vom vermuteten Verschulden nicht dadurch exkulpieren, dass er fünfmal vergeblich versucht habe, die Geschäftsstelle telefonisch zu erreichen. Dass die Belehrung im Anschreiben an den Sachverständigen keinen Hinweis darauf enthält, dass die Mitteilung schriftlich erfolgen muss, entlastet ihn ebenso wenig.
VolltextOnline seit 12. Dezember
IBRRS 2024, 3552OLG Brandenburg, Urteil vom 21.11.2024 - 10 U 131/23
1. Eine Fertigstellung setzt nicht voraus, dass sämtliche Arbeiten erbracht und alle wesentlichen Mängel behoben worden sind. Fertigstellung kann damit auch gegeben sein, wenn noch - auch wesentliche - Mängel des Werks vorliegen. Es muss nur vollständig fertig gestellt sein, ohne dass Restleistungen notwendig sind.
2. Ein Werk gilt als abgenommen, wenn der Unternehmer dem Besteller nach Fertigstellung des Werks eine angemessene Frist zur Abnahme gesetzt hat und der Besteller die Abnahme nicht innerhalb dieser Frist unter Angabe mindestens eines Mangels verweigert hat.
3. Hat der Besteller bereits zuvor Mängel gerügt, ist es ihm im Interesse der Rechtsklarheit gleichwohl zuzumuten, im Rahmen der Abnahmeverweigerung (fort-)bestehende Mängel erneut zu rügen.
4. Die Abnahmewirkungen treten auch dann ein, wenn der Besteller die Abnahme zu Unrecht endgültig und ernsthaft verweigert. Der Anspruch auf Zahlung des Werklohns wird dann auch ohne (tatsächliche) Abnahme fällig, wenn der Besteller zur Abnahme verpflichtet ist. Eine Abnahmepflicht besteht allerdings nur dann, wenn das Werk keine wesentlichen Mängel aufweist.
5. Die Mangelfreiheit hat zwar der Unternehmer zu beweisen. Im Hinblick darauf, dass er eine negative Tatsache beweisen muss, obliegt dem Besteller eine sekundäre Darlegungslast dahingehend, dass er den behaupteten Mangel substanziiert vortragen muss.
VolltextIBRRS 2024, 3577
VK Baden-Württemberg, Beschluss vom 20.11.2024 - 1 VK 67/24
1. Fehlt einem Bieter die Eignung, ist er in jeder Phase des Vergabeverfahrens auszuschließen.
2. Bei festgestellter Eignung kann der Bieter nachträglich Schadensersatz gegen den Auftraggeber geltend machen, jedoch nicht darauf vertrauen, dass er nicht ausgeschlossen wird (entgegen OLG Düsseldorf, Beschluss vom 29.03.2021 - Verg 9/21, IBRRS 2021, 2415).
VolltextIBRRS 2024, 3387
LG Lübeck, Urteil vom 19.04.2024 - 14 S 110/22
1. Eine nicht zugegangene Mieterhöhung kann nicht im Prozess nachgeholt werden.
2. § 558b Abs. 3 BGB kann nämlich nur formelle, aber keine materiellen Fehler - wie etwa den fehlende Zugang der Erklärung - heilen.
VolltextOnline seit 11. Dezember
IBRRS 2024, 3562OLG Frankfurt, Urteil vom 25.11.2024 - 22 U 213/23
1. Nur wesentliche Mängel hindern die Fälligkeit der Schlussrate eines Bauträgervertrags.
2. Fälligkeitsvoraussetzung ist die Abnahmereife und die Beseitigung wesentlicher Abnahmemängel.
3. Die Größenabweichung eines Carports von 14% ist ein wesentlicher Mangel eines Reihenhauses.
4. Der Plan einer Außenanlage ist eine Beschaffenheitsvereinbarung.
VolltextIBRRS 2024, 3575
BGH, Urteil vom 17.09.2024 - KRB 101/23
Bei einer Submissionsabsprache beginnt die nach nationalem Prozessrecht zu beurteilende Verfolgungsverjährung nicht schon mit dem sich aus der wettbewerbsbeschränkenden Absprache ergebenden Vertragsschluss, sondern erst mit der vollständigen Vertragsabwicklung; daran ist auch nach der Entscheidung des EuGH vom 14.01.2021 (Rs. C-450/19 - Eltel, IBRRS 2021, 0183 = VPRRS 2021, 0016) festzuhalten (Bestätigung von BGH, Beschluss vom 25.08.2020 - KRB 25/20 - Unterlassenes Angebot, m.w.N., IBRRS 2020, 2702 = VPRRS 2020, 0286).*)
VolltextIBRRS 2024, 3573
BVerwG, Urteil vom 12.09.2024 - 7 C 3.23
1. Ersatzmaßnahmen (§ 15 Abs. 2 Satz 3 BNatSchG) sind auf eine gleichwertige (nicht gleichartige) Wiederherstellung beeinträchtigter Funktionen des Naturhaushalts und des Landschaftsbildes gerichtet. Als Ersatz genügt die Herstellung ähnlicher, mit den beeinträchtigten nicht identischer Funktionen (wie BVerwG, IBR 2004, 392, und Urteil vom 22.11.2016 - 9 A 25.15 - Buchholz 406.403, § 15 BNatSchG 2010 Nr. 6 Rn. 21).*)
2. Beim Ersatz für eine Beeinträchtigung des Landschaftsbildes genügt es für die Eignung als Ersatzmaßnahme in räumlicher Hinsicht, wenn die Maßnahme im betroffenen Naturraum belegen ist (im Anschluss an BVerwG, Urteile vom 17.08.2004 - 9 A 1.03 - NuR 2005, 177, und vom 22.11.2016 - 9 A 25.15 - Buchholz 406.403, § 15 BNatSchG 2010 Nr. 6 Rn. 21).*)
3. Der Ersatz einer Beeinträchtigung des Landschaftsbildes ist nicht ausschließlich durch Maßnahmen möglich, die in der Art und Weise ihrer Wirkung auf das Landschaftsbild die Wirkung des Eingriffs "spiegelbildlich" kompensieren. Vielmehr kommen auch Ersatzmaßnahmen in Betracht, die in anderer Art und Weise und mit Bezug auf andere die Landschaftswahrnehmung bestimmende Faktoren positiv auf das Landschaftsbild einwirken.*)
4. Der Ersatz einer Beeinträchtigung des Landschaftsbildes durch Windenergieanlagen beschränkt sich nicht auf die Beseitigung von im betroffenen Naturraum vorhandenen vertikalen Strukturen.*)
VolltextIBRRS 2024, 3563
AG Flensburg, Urteil vom 04.12.2024 - 61 C 55/24
1. An dem Tatbestandsmerkmal "benötigt" i.S.d. § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB fehlt es, wenn dem Vermieter eine andere freistehende Wohnung zur Verfügung steht, durch die sein Bedarf gedeckt werden kann.
2. Im Falle eines Bestreitens hat der Mieter seine gesundheitlichen Beeinträchtigungen oder die seiner Mitbewohner und die nachteiligen Auswirkungen eines Umzugs durch Vorlage ärztlicher Atteste zu substanziieren, was dann vom Gericht durch ein Sachverständigengutachten zu überprüfen wäre. Hierbei muss der Vortrag so umfangreich und substanziiert sein, dass das Gericht den Eintritt von relevanten Nachteilen für den Mieter mit hinreichender Wahrscheinlichkeit annehmen kann.
3. Der Mieter genügt seiner Substanziierungslast nur dann, wenn er unter Vorlage eines (ausführlichen) fachärztlichen Attests einen Härtegrund darlegt.
4. Der bloße unstreitige Umstand, dass die Kinder des Mieters einen Behindertenausweis und Pflegegrad II bzw. III zugesprochen bekommen haben, genügt hierfür nicht. Ohne Erläuterungen, welche Krankheiten oder Behinderungen die Kinder haben, kann das Gericht keinen Härtegrund annehmen.
5. Eine Härte liegt auch vor, wenn angemessener Ersatzwohnraum zu zumutbaren Bedingungen nicht beschafft werden kann. Für das Vorliegen dieser Voraussetzung ist der Mieter darlegungs- und beweispflichtig.
VolltextIBRRS 2024, 3578
LG Frankfurt/Main, Urteil vom 28.11.2024 - 2-13 S 27/24
1. § 18 Abs. 4 WEG gewährt den Eigentümern lediglich ein Einsichtnahmerecht in die Verwaltungsunterlagen, ein Anspruch auf Versand der Unterlagen besteht nicht, dies gilt auch für den Versand per Mail.*)
2. Liegen Unterlagen der Wohnungseigentümergemeinschaft in Papierform vor (hier Kontoauszüge), besteht kein Anspruch der Eigentümer, dass die Unterlagen zusätzlich digital beschafft werden.*)
VolltextIBRRS 2024, 3571
OLG Frankfurt, Urteil vom 28.08.2024 - 3 U 193/23
Zur Pflicht des Rechtsanwalts zur Aufklärung über die Erfolgsaussichten der Berufung gegenüber dem rechtsschutzversicherten Mandanten bei Veränderung der rechtlichen Ausgangslage im Laufe des Verfahrens.*)
VolltextOnline seit 10. Dezember
IBRRS 2024, 3535OLG Oldenburg, Beschluss vom 07.12.2023 - 12 U 198/22
1. Sind beide Ehegatten jeweils Auftraggeber eines Bauvertrags und richtet der eine Ehegatte in "Ich-Form" ein Nacherfüllungsverlangen an den Auftragnehmer, erfolgt das Nacherfüllungsverlangen gleichwohl im Namen auch des anderen Ehegatten, wenn in der Grußformel die Namen beider Ehegatten genannt sind.
2. Die in einem Nacherfüllungsverlangen beschriebenen Mängelerscheinungen umfassen grundsätzlich alle diesen zu Grunde liegenden Mängelursachen.
3. Erwidert der Auftragnehmer auf ein Mängelbeseitigungsverlangen damit, er werde "ab jetzt keine Arbeiten mehr ausführen", liegt darin eine endgültige Verweigerung der Mängelbeseitigung, die eine (erneute) Fristsetzung entbehrlich macht.
4. Die für einen Vorschussanspruch erforderliche Absicht zur Beseitigung der Mängel ist zu unterstellen.
VolltextIBRRS 2024, 3551
VG Köln, Urteil vom 23.08.2024 - 8 K 6380/21
1. Nach § 31 Abs. 3 BauGB kann in einem Gebiet mit einem angespannten Wohnungsmarkt, das nach § 201a BauGB bestimmt ist, mit Zustimmung der Gemeinde im Einzelfall von den Festsetzungen des Bebauungsplans zu Gunsten des Wohnungsbaus befreit werden.
2. Der Einzelfall in § 31 Abs. 3 BauGB verlangt einen atypischen Sonderfall.
3. Ein atypischer Sonderfall ist zu verneinen, wenn es an einer grundstücksbezogenen Besonderheit fehlt, wenn also etwa die Gründe, die für eine Befreiung streiten, für jedes oder nahezu für jedes Grundstück im Planbereich gegeben wären bzw. wenn sich eine vergleichbare Befreiungslage innerhalb des Plangebiets in einer erheblichen Zahl gleichgelagerter Fälle einstellen könnte.
VolltextIBRRS 2024, 3533
OLG Oldenburg, Urteil vom 06.02.2023 - 9 U 14/16
1. Vertragsbedingungen sind nicht ausgehandelt, wenn die für den Vertragspartner des Verwenders nachteilige Wirkung der Klausel im Zuge von Verhandlungen zwar abgeschwächt, der gesetzesfremde Kerngehalt der Klausel vom Verwender jedoch nicht ernsthaft zur Disposition gestellt wird.
2. Soweit Allgemeine Geschäftsbedingungen einen Haftungsausschluss für mängelbedingte Schadensersatzansprüche im Fall einfacher Fahrlässigkeit des Verwendungsgegners (Auftragnehmer) regeln, der noch dazu unabhängig davon greifen soll, ob der Verwender (Auftraggeber) konkret anderweitig gegen solche Schäden versichert ist, sind diese - auch im unternehmerischen Rechtsverkehr - unwirksam. Gleiches gilt für die zeitliche Begrenzung der Durchsetzbarkeit entsprechender Schadensersatzansprüche durch Abkürzung der gesetzlichen Verjährungsfristen.
3. Die Beauftragung eines Dritten mit der Beaufsichtigung der Ausführung (hier: Service-Techniker des Maschinenherstellers) entlastet den Auftragnehmer weder unter dem Gesichtspunkt des Verschuldens oder des Zurechnungszusammenhangs noch begründet es ein Mitverschulden des Auftraggebers.
4. ...
VolltextOnline seit 9. Dezember
IBRRS 2024, 3568BGH, Urteil vom 21.11.2024 - VII ZR 39/24
1. Zur Haftung des Betreibers einer Portalwaschanlage für die Beschädigung eines mit einem serienmäßigen Heckspoiler ausgestatteten Fahrzeugs.*)
2. Bei einem Vertrag über die Reinigung eines Fahrzeugs handelt es sich um einen Werkvertrag. Aus einem solchen Vertrag ergibt sich als Nebenpflicht die Schutzpflicht des Unternehmers, das Fahrzeug des Bestellers vor Beschädigungen beim Waschvorgang zu bewahren.
3. Verkehrssicherungspflichten innerhalb eines Vertragsverhältnisses sind zugleich Vertragspflichten. Die auf den Werkvertrag bezogene Verkehrssicherungspflicht des Unternehmers geht nicht weiter als die werkvertragliche Schutzpflicht des Unternehmers.
4. Der Unternehmer, der eine Gefahrenlage schafft, ist grundsätzlich dazu verpflichtet, die notwendigen und zumutbaren Vorkehrungen zu treffen, um eine Schädigung des Eigentums des Bestellers möglichst zu verhindern.
5. Grundsätzlich trägt der Besteller die Beweislast dafür, dass der Unternehmer eine ihm obliegende Pflicht verletzt und diese Pflichtverletzung den Schaden verursacht hat. Diese Grundsätze finden auch bei der Verletzung einer Schutzpflicht Anwendung, so dass es - ohne Vorliegen besonderer Umstände - nicht genügt, dass der Besteller lediglich nachweist, dass ihm im Zusammenhang mit der Durchführung eines Werkvertrags ein Schaden entstanden ist.
6. Liegen die für den Schaden in Betracht kommenden Ursachen allein im Obhuts- und Gefahrenbereich des Unternehmers, hat er sich hinsichtlich seines Verschuldens nicht nur zu entlasten, sondern auch darzulegen und gegebenenfalls zu beweisen, dass ihn keine Pflichtverletzung trifft.
IBRRS 2024, 3532
OLG Schleswig, Beschluss vom 12.12.2022 - 1 U 54/22
1. Soll ein Fahrstuhlschacht nicht mehr, wie im Vertrag vereinbart, aus Betonfertigelementen hergestellt werden, sondern an Ort und Stelle aus Beton gegossen werden, liegt darin eine Änderung des Bauentwurfs.
2. Der Auftraggeber ist nach § 1 Abs. 3 VOB/B befugt, Änderungen des Bauentwurfs anzuordnen. Dieses Anordnungsrecht findet seine Grenze dort, wo die geänderte Ausführung für den Auftragnehmer unzumutbar ist. Er muss sie nicht ausführen, wenn sein Betrieb nicht darauf ausgerichtet ist.
3. Auch im VOB/B-Vertrag bedarf die Anordnung des Auftraggebers zur Ausführung einer geänderten Leistung der Textform.
IBRRS 2024, 3519
LG Karlsruhe, Urteil vom 17.05.2024 - 11 S 163/23
1. Prozessführungsbefugnis im WEG-Recht: Aus der Betroffenheit eigener Rechte (hier: allgemeines Persönlichkeitsrecht) können Sondereigentümer gegen andere störende Sondereigentümer weiterhin im Wege der Unterlassungs- oder Beseitigungsklage vorgehen.*)
2. Der Einbau eines digitalen Türspions in eine Wohnungseingangstür bedarf der Gestattung durch die Gemeinschaft. Dies gilt auch für (einfache) Geräte ohne dauerhafte Speicherungsfunktion und ohne Weitergabemöglichkeit des Signals an andere Geräte.*)
3. Ein Duldungsanspruch des Störers aus § 1004 Abs. 2 BGB ergibt sich jedenfalls so lange nicht, bis die in der Anbringung des digitalen Türspions liegende bauliche Veränderung nicht genehmigt wurde. Es ist zu erwägen, kann aber dahinstehen, ob eine solche Beschlussfassung eine gesetzliche Duldungspflicht auch im Verhältnis der Sondereigentümer untereinander schaffen könnte.*)
VolltextOnline seit 6. Dezember
IBRRS 2024, 3381OLG Hamm, Beschluss vom 17.10.2024 - 17 W 14/24
Die Eintragung einer Vormerkung zur Sicherung eines Anspruchs auf Eintragung einer Bauhandwerkersicherungshypothek (§ 650e BGB) kann durch Stellung einer Bauhandwerkersicherheit (§ 650f Abs. 1, 2 BGB) und den Verzicht auf den Kostenerstattungsanspruch verhindert werden.
VolltextIBRRS 2024, 3541
VK Nordbayern, Beschluss vom 08.12.2023 - RMF-SG21-3194-8-25
1. Ein öffentlicher Auftraggeber ist aufgrund eines einmal eingeleiteten Vergabeverfahrens grundsätzlich nicht zur Zuschlagserteilung verpflichtet. Auch dann, wenn kein gesetzlich normierter Aufhebungsgrund vorliegt, kann er von einem Vergabeverfahren Abstand nehmen.
2. Nur in Ausnahmefällen kann ein Anspruch auf Fortsetzung des Vergabeverfahrens angenommen werden. Das ist der Fall, wenn die Aufhebungsentscheidung willkürlich ist oder wenn die Aufhebung bei fortbestehender Beschaffungsabsicht nur zu dem Zweck erfolgt, Bieter zu diskriminieren.
3. Willkürlich ist die Aufhebung des Vergabeverfahrens nur dann, wenn sie unter keinem denkbaren Aspekt rechtlich vertretbar ist und sich daher der Schluss aufdrängt, dass sie auf sachfremden Erwägungen beruht. Willkür liegt erst vor, wenn eine offensichtlich einschlägige Norm in eklatanter Weise nicht berücksichtigt oder der Inhalt einer Norm in eklatanter Weise missdeutet wird.
4. Die fehlende Wirtschaftlichkeit stellt ein grundsätzlich anerkennenswertes Motiv dar. Ein unwirtschaftliches Ergebnis der Ausschreibung aufgrund eines Angebots, das den ordnungsgemäß ermittelten Auftragswert deutlich übersteigt, stellt einen schwer wiegenden Grund dar, der den Auftraggeber zur Aufhebung der Ausschreibung berechtigt.
5. Die Feststellung der Unwirtschaftlichkeit erfordert eine aktuelle und ordnungsgemäße Ermittlung des Auftragswerts.
6. Auch mit angemessener Sorgfalt durchgeführte Schätzungen sind nur Prognoseentscheidungen. Bei der Ordnungsgemäßheit der Kostenschätzung geht es nicht vorrangig darum, dass die Preise tatsächlich den Marktpreisen entsprechen. Es kommt darauf an, dass die Methodik der Kostenermittlung grundsätzlich geeignet ist, Marktpreise im Voraus zu schätzen.
VolltextIBRRS 2024, 3480
OLG Brandenburg, Urteil vom 03.04.2024 - 4 U 105/23
1. Ein Maklervertrag kann nicht nur durch ausdrückliche Erklärungen, sondern auch stillschweigend durch schlüssiges Verhalten geschlossen werden, indem ein Kaufinteressent in Kenntnis eines gegen ihn gerichteten eindeutigen Provisionsverlangens weitere Maklerleistungen in Anspruch nimmt. Hierfür genügt, wenn der Makler dem Interessenten unter ausdrücklichem Hinweis auf die Provisionspflicht das Exposé übersendet.
2. Vertritt der Interessent mehrere Unternehmen, ist die Frage, wer Vertragspartner des Maklers geworden ist, durch Auslegung zu ermitteln.
3. Die zum Vertragspartner bestimmte Person muss zum Zeitpunkt der Vornahme des Vertretergeschäfts, d. h. auch im Zeitpunkt der Annahme des Angebotes durch Entgegennahme der Maklerleistungen, noch nicht bestimmt sein; der Geschäftspartner kann vielmehr erst nachträglich bestimmt werden.
VolltextOnline seit 5. Dezember
IBRRS 2024, 3529OLG Düsseldorf, Beschluss vom 05.12.2022 - 23 U 161/21
1. Eine Aufforderung zur Mängelbeseitigung ist nicht erforderlich, wenn sich dem Auftragnehmer aufdrängen muss, was im Rahmen der Mängelbeseitigung von ihm erwartet wird.
2. Stellt ein vom Auftragnehmer beauftragter Privatsachverständiger weitere Mängel fest, muss sich der Auftragnehmer an diesen Mangelfeststellungen festhalten lassen. Einer gesonderte Aufforderung zur Mängelbeseitigung seitens des Auftraggebers bedarf es in einem solchen Fall nicht.
3. Etwaige Zweifel daran, ob der Auftraggeber die Beseitigung der "neuen" Mängel zulässt, kann der Auftragnehmer durch eine schlichte Nachfrage ausräumen.
VolltextOnline seit 4. Dezember
IBRRS 2024, 3493LG Berlin II, Urteil vom 30.04.2024 - 65 S 14/22
1. Der Mieter kann - trotz wirksamer Kündigung - die Fortsetzung des Mietverhältnisses auf unbestimmte Zeit verlangen, wenn ein erzwungener Auszug aus der Wohnung für den Mieter auf Dauer unzumutbar ist.
2. Dies ist zu bejahen, wenn der erzwungene Auszug das überwiegend wahrscheinliche Risiko eines Suizids des Mieters begründet und sämtliche therapeutischen Optionen ausgeschöpft sind.
3. Der maßgebliche Zeitpunkt für die nach wirksamem Widerspruch des Mieters vorzunehmende Prüfung des Vorliegens einer Härte sowie die Abwägung der wechselseitigen Interessen von Vermieter und Mieter ist der Schluss der letzten mündlichen Verhandlung in der Tatsacheninstanz.
4. Liegt die bisherige Miete unterhalb der ortsüblichen Miete, so kann eine Mietanhebung bis zur ortsüblichen Miete angemessen sein. Bei der Festsetzung der Miethöhe durch das Gericht müssen weder die Kappungsgrenzen noch die Fristen und die Formalien des § 558a BGB beachtet werden.
VolltextIBRRS 2024, 3484
BGH, Beschluss vom 13.11.2024 - IV ZR 212/23
1. Leistungsbegrenzungen bleiben zunächst grundsätzlich der freien unternehmerischen Entscheidung des Versicherers überlassen, soweit er nicht mit der Beschreibung der Hauptleistung beim Versicherungsnehmer falsche Vorstellungen weckt. Eine Gefährdung des Vertragszwecks liegt erst dann vor, wenn die Einschränkung den Vertrag seinem Gegenstand nach aushöhlt und in Bezug auf das zu versichernde Risiko zwecklos macht.
2. Der Tatrichter kann, wenn es um die Beurteilung einer Fachwissen voraussetzenden Frage geht, auf die Einholung eines Sachverständigengutachtens nur verzichten, wenn er entsprechende eigene besondere Sachkunde auszuweisen vermag.
3. Im Rahmen der Inhaltskontrolle von Allgemeinen Geschäftsbedingungen kann es im Falle ihrer Verwendung für verschiedene Arten von Geschäften oder gegenüber verschiedenen Verkehrskreisen, deren Interessen, Verhältnisse und Schutzbedürfnisse generell unterschiedlich gelagert sind, geboten sein, die Abwägung in den durch die am Sachgegenstand orientierte typische Interessenlage gebildeten Vertrags- oder Fallgruppen vorzunehmen, was zu gruppentypisch unterschiedlichen Ergebnissen führen kann. Voraussetzung für die Unterteilung der Klauselgegner in unterschiedliche Fallgruppen ist aber eine hinreichend deutliche, aussagekräftige Abgrenzbarkeit der Unterschiede.
VolltextIBRRS 2024, 3511
BAG, Urteil vom 16.10.2024 - 4 AZR 254/23
1. Ein Wiedereinsetzungsantrag muss die Angabe und Glaubhaftmachung der die Wiedereinsetzung begründenden Tatsachen enthalten. Hierzu gehört eine aus sich heraus verständliche, geschlossene Schilderung der tatsächlichen Abläufe, aus der sich ergibt, auf welchen konkreten Umständen die Fristversäumung beruht. Lediglich erkennbar unklare oder ergänzungsbedürftige Angaben dürfen noch nach Fristablauf erläutert oder vervollständigt werden.
2. Besteht nach den von der Partei glaubhaft gemachten Tatsachen zumindest die Möglichkeit, dass die Fristversäumung von der Partei oder ihrem Prozessbevollmächtigten verschuldet war, kommt eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht in Betracht.
3. Der Rechtsirrtum eines Prozessbevollmächtigten ist regelmäßig nicht unverschuldet. Ein Rechtsanwalt muss die Gesetze kennen, die in einer Anwaltspraxis gewöhnlich anzuwenden sind. Eine irrige Auslegung des Verfahrensrechts kann als Entschuldigungsgrund nur dann in Betracht kommen, wenn der Prozessbevollmächtigte die volle, von einem Rechtsanwalt zu fordernde Sorgfalt aufgewendet hat, um zu einer richtigen Rechtsauffassung zu gelangen. Ist die Rechtslage zweifelhaft, muss der bevollmächtigte Rechtsanwalt den sicheren Weg wählen.
4. Die Sorgfaltspflichten, die vor Inkrafttreten der Pflicht zur elektronischen Übermittlung nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs bestanden, gelten auch bei der elektronischen Übersendung mittels beA.
5. Stellt der Versender fest, dass eine Übermittlung über das beA aus technischen Gründen vorübergehend unmöglich ist, und ist ihm eine Ersatzeinreichung möglich und zumutbar, kann er sich nicht darauf beschränken, bis zum Fristablauf weitere Übermittlungsversuche zu unternehmen. Er hat vielmehr sicherzustellen, dass der Schriftsatz fristgerecht nach den allgemeinen Vorschriften beim Gericht eingeht.
6. Ein Rechtsanwalt, der eine Frist bis zum letzten Tag ausschöpft, hat wegen des damit erfahrungsgemäß verbundenen Risikos erhöhte Sorgfalt aufzuwenden, um die Einhaltung der Frist sicherzustellen (hier Zumutbarkeit bejaht für Einwurf in den Nachtbriefkasten eines nur drei Kilometer vom Kanzleisitz entfernten Landesarbeitsgerichts).
VolltextOnline seit 3. Dezember
IBRRS 2024, 3506OLG Köln, Urteil vom 18.09.2024 - 11 U 104/23
1. Die Leistung des Auftragnehmers ist mangelfrei, wenn sie die vereinbarte Beschaffenheit aufweist, den anerkannten Regeln der Technik entspricht und funktionstauglich ist.
2. Eine Sandtrainierbahn ist mangelhaft, wenn das zur Ableitung von Niederschlagswassers erforderliche Gefälle zwar zunächst ordnungsgemäß hergestellt war, aber nicht gesichert ist, dass es dauerhaft funktionstauglich ist und zur Ableitung des Wassers geeignet bleibt, weil die hierfür erforderliche Pflege aufgrund der Örtlichkeiten nicht möglich ist.
3. Als Sowieso-Kosten sind nur solche Kosten anzusetzen, um die die Arbeiten des Auftragnehmers teurer geworden wären, wenn von vorneherein eine mangelfreie Ausführung beauftragt worden wäre.
4. Die Darlegungs- und Beweislast für Sowieso-Kosten liegt beim Auftragnehmer. Die Feststellung der erforderlichen Kosten und die Ermittlung eventueller Sowieso-Kosten kann vom Gericht geschätzt werden.
VolltextIBRRS 2024, 3375
VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 18.10.2024 - 5 S 154/23
Auch bauplanungsrechtlich als selbständige Hauptnutzung einzustufende Werbeanlagen zum Zwecke der Fremdwerbung können nach § 25 Abs. 5 Satz 2 BauNVO auf den nicht überbaubaren Grundstücksflächen zugelassen werden, wenn sie nach Landesrecht in den Abstandsflächen zulässig sind.*)
VolltextIBRRS 2024, 3508
EuGH, Urteil vom 25.01.2024 - Rs. C-810/21
1. Art. 6 Abs. 1 und Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 93/13/EWG (...) über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen sind (...) dahin auszulegen, dass sie einer gerichtlichen Auslegung des nationalen Rechts entgegenstehen, wonach im Anschluss an die Nichtigerklärung einer missbräuchlichen Vertragsklausel, mit der dem Verbraucher die Kosten des Abschlusses eines Hypothekendarlehensvertrags auferlegt werden, der Anspruch auf Erstattung solcher Kosten einer Verjährungsfrist von zehn Jahren unterliegt, die ab dem Zeitpunkt zu laufen beginnt, zu dem sich die Wirkungen dieser Klausel erschöpft haben, weil die letzte Zahlung der Kosten geleistet wurde, ohne dass es insoweit als relevant angesehen würde, dass der Verbraucher von der rechtlichen Würdigung dieses Sachverhalts Kenntnis hat. Ob die Anwendungsmodalitäten einer Verjährungsfrist mit den oben genannten Bestimmungen vereinbar sind, ist unter Berücksichtigung dieser Modalitäten in ihrer Gesamtheit zu beurteilen.*)
2. Die Richtlinie 93/13 ist dahin auszulegen, dass sie einer gerichtlichen Auslegung des nationalen Rechts entgegensteht, wonach zur Bestimmung des Beginns der Verjährungsfrist für den Anspruch des Verbrauchers auf Erstattung von aufgrund einer missbräuchlichen Vertragsklausel rechtsgrundlos gezahlten Beträgen das Bestehen einer gefestigten nationalen Rechtsprechung zur Nichtigkeit derartiger Klauseln als Nachweis dafür angesehen werden kann, dass die Voraussetzung der Kenntnis des betroffenen Verbrauchers von der Missbräuchlichkeit dieser Klausel und den sich daraus ergebenden Rechtsfolgen erfüllt ist.*)
VolltextOnline seit 2. Dezember
IBRRS 2024, 3392OLG Schleswig, Urteil vom 11.09.2024 - 12 U 156/22
1. Verlangt der Auftragnehmer die Stellung einer Bauhandwerkersicherheit (§ 650f Abs. 1 BGB), hat er grundsätzlich die Höhe der vom Auftraggeber geforderten Sicherheit anzugeben.
2. Dessen ungeachtet ist das Verlangen einer Bauhandwerkersicherheit ohne Angabe der Höhe jedenfalls dann wirksam, wenn es dem Auftraggeber auch ohne Anknüpfungspunkte möglich ist, die Höhe festzustellen, sie also bestimmbar ist.
3. Auch wenn der Auftragnehmer in einer Baubesprechung erklärt, dass er den Auftrag nicht mehr ausführen wird und er danach zu mehreren Baubesprechungen nicht mehr erscheint, liegt darin keine ernsthafte und endgültige Erfüllungsverweigerung. Denn an eine solche Erfüllungsverweigerung sind strenge Anforderungen zu stellen.
4. Erklärt der Auftraggeber die Kündigung des Bauvertrags aus wichtigem Grund, ohne dass ein solcher Kündigungsgrund vorliegt, ist seine Kündigung in eine sog. freie Kündigung umzudeuten.
VolltextIBRRS 2024, 3491
BVerwG, Beschluss vom 26.09.2024 - 4 C 3.23
1. Von Vorhaben nach § 34 Abs. 1, 2 BauGB dürfen keine schädlichen Auswirkungen auf zentrale Versorgungsbereiche in der Gemeinde oder in anderen Gemeinden zu erwarten sein. Das gilt für alle Vorhaben, die im unbeplanten Innenbereich verwirklicht werden sollen. Es kommt nicht darauf an, ob sie sich in die Eigenart der näheren Umgebung einfügen und insoweit zulässig sind.
2. Die Vorschrift des § 34 Abs. 3 BauGB versteht sich als abschließende Regelung. Für einen Abwehranspruch der Nachbargemeinde nach Maßgabe der „Weichenstellungsrechtsprechung“ ist bei Vorhaben im unbeplanten Innenbereich kein Raum.
3. Schädliche Auswirkungen i.S.v. § 34 Abs. 3 BauGB sind dann zu erwarten, wenn das Vorhaben die Funktionsfähigkeit zentraler Versorgungsbereiche der Standortgemeinde so nachhaltig stört, dass sie ihren Versorgungsauftrag generell oder hinsichtlich einzelner Branchen nicht mehr substantiell wahrnehmen können.
VolltextIBRRS 2024, 3456
AG Köln, Urteil vom 28.08.2024 - 213 C 61/24
1. Der Eigenbedarf muss sich auf die Nutzung zu (privaten) Wohnungszwecken beziehen. Will der Vermieter bzw. eine Person aus dem privilegierten Personenkreis die Wohnung nur teilweise für eigene Wohnzwecke, überwiegend oder sogar vollständig für gewerbliche Zwecke nutzen, kann eine Kündigung nicht auf Eigenbedarf gestützt werden.
2. Sollen vier Zimmer der 6,5-Zimmer-Wohnung durch die Bedarfsperson, die von Beruf Künstler ist, für gewerbliche Zwecke eingeplant werden, bleiben erhebliche Zweifel, dass der Wohnungszweck überwiegt.
3. Insbesondere in angespannten Wohnlagen ist Personen mit Sammlereigenschaften zuzumuten, nicht ihren gesamten Lagerbestand unmittelbar in der Wohnung selbst zur Verfügung stehen zu haben. Soweit zeitlich zumutbar entfernte Stauraumkapazitäten, die keinen Wohnraum darstellen, zur Verfügung stehen, ist "Sammlern" ein Ausweichen von Teilen ihrer Sammelgegenstände in diese zumutbar.
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