Bau-, Architekten- und Immobilienrecht.
Hervorzuhebende Urteile in allen Sachgebieten
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IBRRS 2024, 3383OLG Frankfurt, Urteil vom 16.09.2024 - 29 U 61/23
1. Der bauüberwachende Architekt hat dafür zu sorgen, dass das Bauwerk plangerecht und frei von Mängeln entsteht und zur Vollendung kommt. Er schuldet als werkvertraglichen Erfolg eine mangelfreie Überwachung der Bauleistung, nicht aber unmittelbar die Mangelfreiheit der Bauleistung selbst.
2. Um den geschuldeten Werkerfolg zu erreichen, ist der bauüberwachende Architekt verpflichtet, die auszuführenden Arbeiten der Unternehmen in angemessener und zumutbarer Weise zu überwachen und sich durch Kontrollen zu vergewissern, dass seine Anweisungen sachgerecht erledigt werden. Der Architekt ist nicht verpflichtet, sich ständig auf der Baustelle aufzuhalten. In der Regel ist aber die Einweisung bei Beginn der Arbeiten, die Durchführung von stichprobenhaften Überprüfungen an Ort und Stelle und die Endkontrolle notwendig.
3. Der Architekt verletzt seine Überwachungspflichten, wenn er nicht erkennt, dass die erforderliche Grundierung des Bodens vor Aufbau eines Teppichbodens unterblieben ist. Er darf sich nicht darauf verlassen, dass der bauausführende Unternehmer entsprechend dem Leistungsverzeichnis die Verlegung nach den Herstellerrichtlinien vorgenommen hat.
4. Bei der Verlegung von 3.000 Quadratmetern Teppichboden handelt es sich schon wegen des reinen Umfangs und des damit einhergehenden großen Schadenspotentials nicht um eine handwerkliche Selbstverständlichkeit, sondern um eine besonders überwachungspflichtige Arbeit, bei der sich der objektüberwachende Architekt nicht auf eine Endkontrolle beschränken kann, sondern jedenfalls stichprobenartige Prüfungen vornehmen muss.
5. Bei dem gegen den Architekten gerichteten Schadensersatzanspruch wegen Mängeln des Bauwerks, die auf seine Planungs- oder Überwachungsfehler zurückzuführen sind, handelt es sich der Sache nach um einen Schadensersatz neben der Leistung nach § 280 Abs. 1 BGB, denn die Mängel des Bauwerks können, wenn sie bereits eingetreten sind, nicht durch Nacherfüllung der Architektenleistung noch beseitigt werden. Die Bauwerksschäden sind als Folgeschäden anzusehen und ohne Fristsetzung zur Nacherfüllung erstattungsfähig.*)
6. Dieser Vorschussanspruch ist auf Zahlung eines Geldbetrages gerichtet, auch wenn die Auftraggeberin bisher nur plant, den Werkmangel beseitigen zu lassen und nicht bereits mit einer Verbindlichkeit belastet ist, von der sie Freistellung verlangen könnte.*)
7. Von einer bisher nicht erfolgten Mängelbeseitigung kann nicht auf eine fehlende Mängelbeseitigungsabsicht geschlossen werden. Die Auftraggeberin ist berechtigt, das mangelhafte Werk zu nutzen und mit der Mängelbeseitigung bis zur Zahlung des zweckgebundenen Vorschusses zu warten, selbst wenn sie finanziell zur Tragung der Mängelbeseitigungskosten in der Lage wäre.*)
VolltextIBRRS 2024, 3391
OLG Düsseldorf, Beschluss vom 10.05.2023 - Verg 45/22
1. Für einen durchschnittlichen fachkundigen Bieter des angesprochenen Personenkreises ist bei Anwendung der üblichen Sorgfalt und üblichen Kenntnis bei laienhafter rechtlicher Bewertung nicht feststellbar, ob die Fristverlängerung nach Ablauf der Angebotsfrist auf einen Vergaberechtsverstoß hindeutet. Vertiefte rechtliche Kenntnisse, die es erlauben, die Vergaberechtskonformität einer Wiedereröffnung der Angebotsphase - einschließlich einer Differenzierung zwischen wirksamer und rechtmäßiger Wiedereröffnung - zu beurteilen, können von einem durchschnittlichen Bieter nicht erwartet werden.
2. Die erst nach Ablauf der ursprünglichen Angebotsfrist mitgeteilte Fristverlängerung stellt vergaberechtlich eine Wiedereröffnung der Angebotsfrist in Form einer Teilrückversetzung des Vergabeverfahrens (horizontale Teilaufhebung) dar.
3. Ein öffentlicher Auftraggeber kann grundsätzlich nicht verpflichtet werden, einen Auftrag auf der Grundlage einer Ausschreibung zu erteilen, die er als fehlerhaft erkannt hat. Eine bereits erfolgte Submission schließt eine solche Fehlerkorrektur nicht aus.
4. Notwendige Voraussetzung für eine vollständige oder auch nur teilweise Aufhebung einer Ausschreibung ist lediglich, dass der öffentliche Auftraggeber für seine (Teil-) Aufhebungsentscheidung einen sachlichen Grund hat, so dass eine Diskriminierung einzelner Bieter ausgeschlossen und seine Entscheidung nicht willkürlich ist oder nur zum Schein erfolgt.
5. Gleiches gilt für die Aufhebung einzelner Verfahrensabschnitte des Vergabeverfahrens (horizontale Teilaufhebung), durch die das Vergabeverfahren in einen bestimmten Verfahrensstand zurückversetzt wird.
VolltextIBRRS 2024, 3367
LG Neuruppin, Urteil vom 30.10.2024 - 4 S 30/24
1. Die formularmäßig vereinbarte Schönheitsreparaturenklausel mit dem Wortlaut "Die Schönheitsreparaturen sind fachgerecht auszuführen und umfassen das Tapezieren, Anstreichen der Wände und Decken, das Streichen der Fußböden, der Heizkörper einschließlich der Heizrohre, der Innentüren sowie der Fenster und Außentüren von innen." regelt nicht hinreichend deutlich, dass das Streichen der Fenster nur von innen geschuldet wird, und führt daher zur Unwirksamkeit der Klausel (so auch AG Charlottenburg, IMR 2024, 98, und AG Hamburg, IMR 2023, 182).
2. Eine formularmäßige Quotenabgeltungsklausel in einem Wohnraummietvertrag benachteiligt den Mieter unangemessen und ist daher unwirksam, weil sie von dem Mieter bei Vertragsabschluss verlangt, zur Ermittlung der auf ihn bei Vertragsbeendigung zukommenden Kostenbelastung mehrere hypothetische Betrachtungen anzustellen, die eine sichere Einschätzung der tatsächlichen Kostenbelastung nicht zulassen (vgl. BGH, IMR 2024, 185).
3. Zur Beseitigung der von ihm zu vertretenden Schäden an der Mietsache ist der Mieter auch ohne vertragliche Übertragung der Verpflichtung zur Durchführung von Schönheitsreparaturen heranzuziehen.
4. Selbst übermäßiges Rauchen kann als vertragsgemäß angesehen werden, jedoch nur solange sich die Spuren durch (einfache) Schönheitsreparaturen beseitigen lassen.
5. Das Rauchen in einer Mietwohnung geht jedoch über den vertragsgemäßen Gebrauch hinaus und begründet eine Schadensersatzpflicht des Mieters, wenn dadurch Verschlechterungen der Wohnung verursacht werden, die sich nicht mehr durch Schönheitsreparaturen beseitigen lassen, sondern darüberhinausgehende Instandsetzungsarbeiten erfordern.
6. Dies ist zu bejahen, wenn der Putz an den Wänden teilweise erneuert werden muss.
7. Der Mieter schuldet Ersatz des Mietausfalls bis zum zügigen Abschluss der Renovierung.
VolltextOnline seit 21. November
IBRRS 2024, 3390VK Nordbayern, Beschluss vom 11.09.2024 - RMF-SG21-3194-9-18
1. Aus dem Transparenz- und Gleichbehandlungsgebot resultiert grundsätzlich die Verpflichtung, Antworten auf Bieterfragen allen Bietern zur Verfügung zu stellen.
2. Mitteilungsbedürftig sind damit insbesondere Bieterfragen, die zu einer Änderung der Vergabeunterlagen führen oder solche Antworten, die Auswirkungen auf die Kalkulation der Angebote haben. Das Absehen von der Übermittlung der Antworten an die anderen Bieter stellt vor dem Hintergrund des vergaberechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes eine Ausnahme dar, die nur unter bestimmten Umständen angenommen werden kann.
3. Die ausschließlich private Beantwortung der Fragen des rügenden Bieters verletzt diesen in seinen Rechten, da es ist nicht auszuschließen ist, dass die anderen Bieter bei Erhalt dieser Informationen ihre Angebote so verändert hätten, dass sich dies zugunsten des rügenden Bieters ausgewirkt hätte.
4. Eine ursprünglich eindeutige Leistungsbeschreibung kann nachträglich intransparent werden, wenn die Antworten auf gestellte Bieterfragen der Leistungsbeschreibung widersprechen.
VolltextIBRRS 2024, 3293
LG Berlin II, Urteil vom 22.10.2024 - 65 S 139/24
1. Ist ein Mieter zur Duldung von Erhaltungs- und Modernisierungsarbeiten verpflichtet, heißt das nicht, dass er die Wohnung auf bloßes Verlangen des Vermieters während der Bauarbeiten räumen muss. Dies gilt umso mehr, wenn es sich um einen alten, gebrechlichen Mieter handelt.
2. Die Rücksichtnahmepflicht des Vermieters auf die besonderen Bedürfnisse des Mieters besteht unabhängig davon, ob der Mieter fristgerecht einen Härteeinwand geltend gemacht hat.
VolltextIBRRS 2024, 3388
OLG Naumburg, Urteil vom 06.11.2023 - 12 U 84/23
Durch die Angabe der tatsächlichen Mieterträge in einer dem Kaufvertrag als Anlage beigefügten Mieterliste kann eine konkludente Vereinbarung insofern liegen, als die Vermietbarkeit einer bestimmten Anzahl von Wohneinheiten als Beschaffenheit vereinbart ist.*)
VolltextIBRRS 2024, 3412
OLG München, Urteil vom 11.11.2024 - 19 U 200/24
1. Textnachrichten oder Attachments in Gestalt von Textverarbeitungs- oder PDF-Dateien oder ausreichend guter Fotos per WhatsApp wahren bei rechtsgeschäftlich vereinbarter Schriftform die Voraussetzungen des § 127 Abs. 2 Satz 1 BGB. Dies gilt nicht bei WhatsApp-Sprachnachrichten oder Video- oder Audio-Attachments.*)
2. Eine Willenserklärung kann auch mittels Zeichen kundgetan werden, d.h. auch durch digitale Piktogramme - wie Emojis. Ob der Verwender von Emojis einen Rechtsbindungswillen zum Ausdruck bringen oder lediglich seine Stimmungs- oder Gefühlslage mitteilen möchte, ist eine Frage der Auslegung.*)
3. Faktoren wie Nationalität und Muttersprache, kultureller Hintergrund sowie Alter, Geschlecht oder Persönlichkeitsstruktur können sowohl die Nutzung als auch das Verständnis von Emojis beeinflussen.*)
4. Emojis bergen die Gefahr von Missverständnissen und Fehlschlüssen, weil die konkret verwendeten Symbole möglicherweise auf einem spezifischen "Emoji-Soziolekt" beruhen, der bloß innerhalb einer bestimmten Gruppe existiert.*)
5. Zu Bestimmung des Bedeutungsgehalts von Emojis kann der Rechtsanwender gegebenenfalls Emoji-Lexika zurate ziehen. Hinweise auf das Verständnis eines Emojis können auch aus dem Begleittext folgen.*)
VolltextIBRRS 2024, 2969
BGH, Beschluss vom 04.09.2024 - IV ZB 31/23
1. Bei Einreichung einer Berufung in Schriftform hat der Rechtsanwalt zur vorübergehenden Unmöglichkeit der Einreichung mittels beA vorzutragen und diese glaubhaft zu machen.
2. Die Übersendung einer Berufungsschrift mit lediglich einer einfachen Signatur des Prozessbevollmächtigen über das beA eines anderen Rechtsanwalts stellt keine wirksame Einlegung des Rechtsmittels dar.
3. Der Rechtsirrtum eines Rechtsanwalts über gesetzliche Erfordernisse ist regelmäßig nicht unverschuldet. Ein Rechtsanwalt muss die Gesetze kennen, die in einer Anwaltspraxis gewöhnlich zur Anwendung kommen. Eine irrige Auslegung des Verfahrensrechts kann als Entschuldigungsgrund nur dann in Betracht kommen, wenn der Verfahrensbevollmächtigte die volle von einem Rechtsanwalt zu fordernde Sorgfalt aufgewendet hat, um zu einer richtigen Rechtsauffassung zu gelangen.
4. Selbst wenn die Rechtslage zweifelhaft ist, muss der bevollmächtigte Anwalt den sicheren Weg wählen. Von einem Rechtsanwalt ist zu verlangen, dass er sich anhand einschlägiger Fachliteratur über den aktuellen Stand der Rechtsprechung informiert. Dazu besteht umso mehr Veranlassung, wenn es sich um eine vor kurzem geänderte Gesetzeslage handelt, die ein erhöhtes Maß an Aufmerksamkeit verlangt. Ein Rechtsirrtum ist nur ausnahmsweise als entschuldigt anzusehen, wenn er auch unter Anwendung der erforderlichen Sorgfaltsanforderungen nicht vermeidbar war.
VolltextOnline seit 20. November
IBRRS 2024, 3221OLG Koblenz, Urteil vom 10.10.2024 - 2 U 41/24
In einem Bauvertrag mit einem Verbraucher-Bauherrn sind folgende Klauseln unwirksam:
1. "Die Nacherfüllung ist fehlgeschlagen, wenn der Mangel auch nach dem zweiten Nacherfüllungsversuch noch nicht beseitigt ist."
2. "Die Gewährleistungsansprüche sind auf das Recht der Nacherfüllung beschränkt, wobei dem Bauherrn ausdrücklich das Recht vorbehalten wird, bei Fehlschlagen der Nacherfüllung Herabsetzung der Vergütung zu verlangen. (...) Soweit Gegenstand der Gewährleistung aber eine Bauleistung ist, steht dem Bauherrn bei Fehlschlagen der Nacherfüllung nur ein Anspruch auf Herabsetzung der Vergütung zu."
IBRRS 2024, 3344
VGH Bayern, Beschluss vom 29.10.2024 - 1 ZB 23.1194
1. Soweit Anlagen nicht genehmigungsbedürftig sind und auch nicht (bestandskräftig) genehmigt wurden, widersprechen sie öffentlich-rechtlichen Vorschriften bei "bloßer" materieller Illegalität.
2. Entsprechend den für Bebauungspläne entwickelten allgemeinen Grundsätzen können Darstellungen eines Flächennutzungsplans wegen veränderter tatsächlicher Verhältnisse ebenfalls funktionslos werden. Dies gilt dann, wenn die (tatsächliche) Entwicklung des Baugeschehens den Darstellungen des Flächennutzungsplans in einem sowohl qualitativ wie quantitativ so erheblichen Maß zuwiderläuft, dass die Verwirklichung der ihnen zugrundeliegenden Planungsabsichten entscheidend beeinträchtigt ist.
VolltextOnline seit 19. November
IBRRS 2024, 3360OLG Frankfurt, Urteil vom 11.05.2023 - 22 U 19/22
1. Allein in der Veräußerung des Objekts ist bei verständiger Würdigung aus der Sicht objektiver Personen in der Position der Vertragsparteien (hier) keine Kündigungserklärung zu sehen.
2. Die Kündigung eines nach dem 31.12.2017 geschlossenen Architektenvertrags bedarf der Schriftform. Eine formwidrige Kündigung ist dann folgenlos, wenn die andere Partei die Kündigung hinnimmt. Es ist dann in der Regel eine stillschweigende Vertragsaufhebung anzunehmen.
3. Voraussetzung für die Fälligkeit der Honorarforderung des Architekten ist auch nach der Kündigung eines Vertrags die Abnahme und die Übermittlung einer prüfbaren Schlussrechnung. Im Fall der Kündigung des Architektenvertrags durch den Auftraggeber hat der Architekt im Einzelnen darzulegen, wie sich der Honoraranspruch zusammensetzt. Dabei hat er die erbrachten und die nicht erbrachten Leistungen im Einzelnen vorzutragen, voneinander abzugrenzen und die entsprechenden Honorarteile - gegebenenfalls im Wege der prozentualen Schätzung - zuzuordnen.
4. Welche ersparten Aufwendungen und welchen anderweitigen Erwerb er sich anrechnen lässt, hat der Architekt vorzutragen und zu beziffern. Trägt er nur einen bestimmten Prozentsatz vor, so genügt das nicht, weil nicht ersichtlich ist, wie er für den konkreten Vertrag gerade zu diesem Prozentsatz gekommen ist und ob er vom richtigen Begriff der Ersparnisse und der anderweitigen Verwendung seiner Arbeitskraft bzw. des böswillig unterlassenen anderweitigen Erwerbs ausgegangen ist.
5. Von der Objektüberwachung ist die Tätigkeit des Architekten als verantwortlicher Bauleiter nach den Landesbauordnungen zu unterscheiden. Der Bauleiter ist nach dem allgemeinen Sprachverständnis dafür zuständig, zu überwachen, dass die Baumaßnahme entsprechend den öffentlich-rechtlichen Anforderungen durchgeführt wird, während der Objektüberwacher eine Ausführung des Objekts gemäß der vertraglichen zivilrechtlichen Vereinbarung mit dem Bauherrn schuldet.
VolltextIBRRS 2024, 3364
VK Bund, Beschluss vom 23.07.2024 - VK 1-64/24
1. Eignungskriterien müssen mit dem Auftragsgegenstand in Verbindung und zu diesem in einem angemessenen Verhältnis stehen. Der Auftraggeber kann insoweit auch Mindestanforderungen festlegen.
2. Als Beleg der erforderlichen technischen und beruflichen Leistungsfähigkeit des Bewerbers kann der öffentliche Auftraggeber Angaben über die Ausführung von Leistungen in den letzten bis zu fünf abgeschlossenen Kalenderjahren, die mit der zu vergebenden Leistung vergleichbar sind, verlangen.
3. Der öffentliche Auftraggeber kann einen Bieter unter Einhaltung der Grundsätze der Transparenz und Gleichbehandlung auffordern, fehlende, unvollständige oder fehlerhafte unternehmensbezogene Unterlagen, die mit dem Angebot vorzulegen waren, nachzureichen, zu vervollständigen oder zu korrigieren, es sei denn, er hat eine Nachforderung ganz oder teilweise ausgeschlossen.
4. Unternehmensbezogene Unterlagen wie Referenzen "fehlen", wenn sie (körperlich) nicht im Angebot enthalten sind, nicht rechtzeitig vorgelegt wurden oder in formaler Hinsicht mangelhaft sind.
5. Ein inhaltlicher Mangel der Referenzen stellt kein physisches Fehlen von Unterlagen dar.
VolltextIBRRS 2024, 3370
OLG Schleswig, Urteil vom 25.09.2024 - 12 U 74/23
1. Nutzt der Mieter Außengastronomieflächen außerhalb der vereinbarten Fläche und außerhalb der durch die Baugenehmigung genehmigten Flächen, so kann der Vermieter nach entsprechender Abmahnung kündigen.
2. Baut der Miete eine nicht ausreichend dimensionierte Fettabluftanlage ein, kann der Vermieter ebenfalls nach vorheriger Abmahnung fristlos kündigen.
3. Auch eine fehlende, aber erforderliche Haftpflichtversicherung berechtigt den Vermieter nach vorheriger Abmahnung zur fristlosen Kündigung.
VolltextIBRRS 2024, 3380
OLG Frankfurt, Urteil vom 16.08.2024 - 19 U 67/23
Errichtet ein Grundstückseigentümer im Traufbereich zweier auf dem Nachbargrundstück vor 90 Jahren ohne Einhaltung des Grenzabstands gepflanzter Eichen einen offenen Pool, kann er keine Kostenbeteiligung des Nachbarn (Laubrente) hinsichtlich des erhöhten Reinigungsaufwands verlangen.
VolltextOnline seit 18. November
IBRRS 2024, 3077OLG Brandenburg, Urteil vom 18.09.2024 - 4 U 34/24
1. Der Anspruch des Bauunternehmers auf Einräumung einer Sicherungshypothek an dem Baugrundstück des Bestellers gem. § 650e BGB entfällt nicht dadurch, dass der Bauvertrag durch Kündigung beendet worden ist.
2. Auch der Umstand, dass Teilleistungen nicht abgenommen worden sind, steht dem Sicherungsverlangen des Unternehmers nicht entgegen. Die Fälligkeit der zu sichernden Forderungen ist nicht Anspruchsvoraussetzung des § 650e BGB.
3. Einer fehlenden (Teil-)Abnahme kommt allerdings insoweit Bedeutung zu, als der Unternehmer die Last der Darlegung und Glaubhaftmachung der Mangelfreiheit der nicht abgenommenen Leistungen trägt.
4. Bei einem gekündigten Pauschalpreisvertrag ist die Höhe der Vergütung für die erbrachten Leistungen nach dem Verhältnis des Werts der erbrachten Teilleistung zum Wert der nach dem Vertrag geschuldeten Gesamtleistung zu bemessen. Es muss deshalb der Preisansatz für die Teilleistung im Rahmen der vereinbarten Pauschalvergütung dargelegt werden.
5. Soweit der Vertrag kein Detailpreisverzeichnis enthält und Anhaltspunkte aus der Zeit vor Vertragsschluss nicht vorhanden oder nicht ergiebig sind, muss im Nachhinein im Einzelnen dargelegt werden, wie die erbrachten Leistungen unter Beibehaltung des Preisniveaus zu bewerten sind.
VolltextIBRRS 2024, 3371
LG Darmstadt, Urteil vom 08.11.2024 - 19 O 98/22
1. Ein Gerüstbauvertrag ist ein typengemischter Vertrag, der mit- und werkvertragliche Elemente aufweist.
2. Die Werkleistung bezieht sich bei einem Gerüstbauvertrag auf den Aufbau des Gerüsts. Die Abnahme ist bei der Ingebrauchnahme nach Aufbau anzunehmen.
3. Wer über neun Jahre hinweg ein Baugerüst am Haus stehen hat und jährlich unbeanstandet Abschlagsrechnungen begleicht, die die Gerüstfläche ausweisen, kann nicht nach Abbau des Gerüsts im Abrechnungsprozess einwenden, die Gerüstfläche habe nicht zugetroffen. Ein solcher Einwand verstößt gegen Treu und Glauben.*)
VolltextIBRRS 2024, 3354
EuGH, Urteil vom 07.11.2024 - Rs. C-683/22
1. Art. 43 der Richtlinie 2014/23/EU (…) ist dahin auszulegen, dass er einer nationalen Regelung nicht entgegensteht, wonach der öffentliche Auftraggeber eine Konzession während ihrer Laufzeit in Bezug auf die Person des Konzessionsnehmers und den Konzessionsgegenstand ändern kann, ohne ein neues Konzessionsvergabeverfahren durchzuführen, sofern diese Änderung nicht unter Art. 43 Abs. 5 dieser Richtlinie fällt und der öffentliche Auftraggeber die Gründe dargelegt hat, aus denen er der Auffassung war, dass er zur Durchführung eines solchen Verfahrens nicht verpflichtet sei.*)
2. Art. 43 der Richtlinie 2014/23 ist dahin auszulegen, dass er einer nationalen Regelung nicht entgegensteht, wonach der öffentliche Auftraggeber eine Konzession während ihrer Laufzeit ändern kann, ohne die Zuverlässigkeit des Konzessionsnehmers beurteilt zu haben, wenn diese Änderung weder unter Art. 43 Abs. 1 Unterabs. 1 Buchst. d Ziff. ii noch unter Art. 43 Abs. 5 dieser Richtlinie fällt. Es ist Sache jedes Mitgliedstaats, die Regeln festzulegen, die es dem öffentlichen Auftraggeber ermöglichen, einzuschreiten, wenn der Konzessionsnehmer während der Durchführung des Konzessionsvertrags eine schwerwiegende Vertragsverletzung begangen hat oder begangen haben soll, die seine Zuverlässigkeit in Frage stellt.*)
VolltextIBRRS 2024, 3319
VGH Bayern, Beschluss vom 21.10.2024 - 1 CS 24.1295
1. Werden bauliche Anlagen im Widerspruch zu öffentlich-rechtlichen Vorschriften genutzt, kann diese Nutzung untersagt werden. Es entspricht regelmäßig pflichtgemäßer Ermessensausübung, wenn die Bauaufsichtsbehörde eine formell illegale Nutzung durch den Erlass einer Nutzungsuntersagung unterbindet. Sie darf nur dann nicht untersagt werden, wenn sie offensichtlich genehmigungsfähig ist.
2. Die Nutzungsuntersagungsverfügung beinhaltet nicht nur das Gebot, die beanstandete Nutzung (einmalig) einzustellen, sondern auch das Verbot, auf Dauer dieselbe oder eine vergleichbare Nutzung dort wieder aufzunehmen.
3. Ein Sattler- und Polsterbetrieb ist in einem (faktischen) allgemeinen Wohngebiet nicht offensichtlich genehmigungsfähig.
VolltextIBRRS 2024, 3366
AG Brandenburg, Urteil vom 04.11.2024 - 30 C 90/23
Feuchtigkeit in einem Keller eines im Jahre 1896 errichteten Hauses ist in der Regel kein wichtiger Grund, der für sich allein eine fristlose Kündigung des Mietvertrags durch den Mieter gem. § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 BGB rechtfertigt.*)
VolltextIBRRS 2024, 3374
OLG Düsseldorf, Beschluss vom 11.07.2024 - 10 W 58/24
1. Der Sachverständige erhält die Vergütung nur in Höhe des Auslagenvorschusses, wenn die Vergütung den angeforderten Auslagenvorschuss erheblich übersteigt und er nicht rechtzeitig auf diesen Umstand hingewiesen hat.
2. Die Vorschrift des § 8a Abs. 4 JVEG hat auch ein pönales Element. Es ist aber nicht gerechtfertigt, den Sachverständigen durch Begrenzung seiner Vergütung dafür zu bestrafen, dass das Gericht trotz seiner der Höhe nach zutreffenden vorläufigen Kostenschätzung einen zu geringen Kostenvorschuss angefordert hat.
VolltextOnline seit 15. November
IBRRS 2024, 3362BGH, Urteil vom 23.10.2024 - VIII ZR 106/23
1. Ein innerhalb der Schonfrist des § 569 Abs. 3 Nr. 2 Satz 1 BGB erfolgter Ausgleich des Mietrückstands bzw. eine entsprechende Verpflichtung einer öffentlichen Stelle hat lediglich Folgen für die auf § 543 Abs. 1, 2 Satz 1 Nr. 3 BGB gestützte fristlose, nicht jedoch für eine aufgrund desselben Mietrückstands hilfsweise auf § 573 Abs. 1, 2 Nr. 1 BGB gestützte ordentliche Kündigung (Bestätigung der Senatsurteile vom 13.10.2021 - VIII ZR 91/20, Rz. 49 ff., IMR 2022, 13 = NZM 2022, 49, und vom 05.10.2022 - VIII ZR 307/21, Rz. 13 ff., IMR 2023, 149 = NZM 2023, 28, Rz. 13 ff.; jeweils m.w.N.).*)
2. Diese (beschränkte) Wirkung des Nachholrechts des Mieters entspricht dem eindeutigen Willen des Gesetzgebers, so dass der an Gesetz und Recht gebundene Richter (Art. 20 Abs. 3 GG) diese Entscheidung nicht aufgrund eigener rechtspolitischer Vorstellungen verändern und durch eine judikative Lösung ersetzen darf, die so im Gesetzgebungsverfahren (bisher) nicht erreichbar war (im Anschluss an BVerfGE 69, 315, 372; 82, 6, 12 f.; Bestätigung der Senatsurteile vom 13.10.2021 - VIII ZR 91/20, Rz. 87, IMR 2022, 13 = NZM 2022, 49, und vom 05.10.2022 - VIII ZR 307/21, Rz. 16 ff, IMR 2023, 49 = NZM 2023, 28).*)
VolltextIBRRS 2024, 3336
OLG Koblenz, Urteil vom 23.07.2024 - 3 U 245/24
1. Auch wenn ein Vertragsformular den Leistungsinhalt nicht ausreichend bestimmt, weil die auszuführenden Arbeiten nicht konkret beschrieben sind, kommt ein wirksamer Werkvertrag zu Stande, wenn die zu erbringenden Werkleistungen im Nachhinein im Einzelnen vereinbart werden.
2. Der Besteller einer Werk- oder Bauleistung wird nicht deshalb von seiner Verpflichtung zur Zahlung des vereinbarten Werklohns frei, weil er mit dem Unternehmer vereinbart hat, dass dieser "berechtigt ist, die erbrachten Leistungen direkt mit dem Versicherer ... abzurechnen. ... Soweit der Versicherer den Gesamtrechnungsbetrag aufgrund einer Unterversicherung oder einer Vorsteuerabzugsberechtigung nicht reguliert, wird dieser Differenzbetrag vom Kunden ausgeglichen."
VolltextIBRRS 2024, 3279
LG München I, Beschluss vom 17.07.2024 - 14 S 3692/24
1. Eine "offenen Küche" liegt nicht bereits dann vor, wenn bei einer baulich nach allen Seiten abgegrenzten "normalen" Küche lediglich die Küchentür ausgehängt wird.
2. Das Tatgericht ist in Fällen, in denen zwischen dem Erhebungsstichtag eines Mietspiegels und dem Zugang des Zustimmungsverlangens nachträglich ungewöhnliche Steigerungen der ortsüblichen Vergleichsmiete festzustellen sind, im Rahmen des ihm zukommenden weiten Beurteilungsspielraums grundsätzlich befugt, einen Stichtagszuschlag vorzunehmen, wenn ihm dies zur Bildung einer sachgerechten Einzelvergleichsmiete angemessen erscheint.
3. Eine "ungewöhnliche Steigerung der ortsüblichen Vergleichsmiete" im vorstehenden Sinne kann grundsätzlich nicht bereits mit einem Anstieg des Verbraucherpreisindex begründet werden, zumal dieser Index die durchschnittliche Preisentwicklung aller Waren und Dienstleistungen, die private Haushalte in Deutschland für Konsumzwecke kaufen, misst.
4. Die Einführung einer "Stichtagspraxis" würde zu erheblichen Rechtsunsicherheiten führen und könnte die bedeutsame Befriedungsfunktion des Mietspiegels gerade in angespannten Mietmärkten gefährden.
VolltextIBRRS 2024, 3327
AG Schöneberg, Urteil vom 15.10.2024 - 17 C 33/24
1. Der Vermieter kann wegen Verletzung der (vertraglich wirksam) überbürdeten Schönheitsreparaturpflicht nur dann Schadensersatz in Geld verlangen, wenn er dem Schuldner erfolglos eine angemessene Frist zur Leistung oder Nacherfüllung bestimmt hat.
2. Dazu muss er dem Mieter die Dekorationsmängel im Einzelnen aufzeigen und ihn unter Fristsetzung zu deren Beseitigung auffordern.
3. Haben die Parteien den Zustand der Mietsache insgesamt, soweit die Mängel erkennbar waren, festgestellt und nur bestimmte Pflichten bzw. Arbeiten des Mieters festgelegt, so ist in dieser Beschränkung in der Regel der Verzicht auf andere möglicherweise aus der Zustandsbeschreibung folgende Ansprüche zu sehen.
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IBRRS 2024, 3346
BGH, Urteil vom 11.10.2024 - V ZR 261/23
1. Das Fehlen der nach § 130a Abs. 3 ZPO erforderlichen einfachen Signatur einer auf einem sicheren Übermittlungsweg als elektronisches Dokument eingereichten Klageschrift kann nur dann ausnahmsweise unschädlich sein, wenn sich aus anderen, eine Beweisaufnahme nicht erfordernden Umständen eine der einfachen Signatur vergleichbare zweifelsfreie Gewähr dafür ergibt, dass der Rechtsanwalt die Verantwortung für den Inhalt der Klageschrift übernommen und diese willentlich in den Rechtsverkehr gebracht hat. *)
2. Eine unwirksame Prozesshandlung wird erst von ihrer Heilung an wirksam; eine nach Fristablauf erfolgte Behebung des Mangels ist nicht mehr fristwahrend. Das gilt auch für die materiell-rechtliche Ausschlussfrist des § 45 Satz 1 WEG.*)
VolltextIBRRS 2024, 3324
LAG Hamm, Beschluss vom 28.10.2024 - 9 Ta 319/24
1. Gemäß §§ 133, 157 BGB ist zwar bei der Auslegung einer individualvertraglichen Willenserklärung der wirkliche Wille der Parteien zu erforschen, wobei es aber gerade nicht lediglich auf den inneren Willen eines der beiden Erklärenden ankommt, sondern auf den durch normative Auslegung zu ermittelnden objektiven Erklärungswert.*)
2. Auch im selbständigen Beweisverfahren muss das Beweisthema jedenfalls soweit substantiiert sein, dass der Verfahrensgegenstand zweifelsfrei abgrenzbar ist. Ist dies nicht der Fall, würde im Rahmen der Zeugenvernehmung eine typische Ausforschung betrieben, anhand derer die anspruchsbegründenden Tatsachen erst in Erfahrung gebracht würden.*)
VolltextOnline seit 14. November
IBRRS 2024, 3240OLG Brandenburg, Urteil vom 08.11.2023 - 4 U 52/23
1. Sinn und Zweck der Vorauszahlungsbürgschaft auf erstes Anfordern ist es grundsätzlich, dass der Auftraggeber als Bürgschaftsgläubiger bei einem Scheitern der Vertragsdurchführung seine bis dahin noch nicht durch berechtigte Forderungen des Auftragnehmers verbrauchte Vorauszahlung sofort zurückerhält, ohne sich auf einen Streit über die Berechtigung der bisher geltend gemachten Forderungen einlassen zu müssen. Eine Vorauszahlungsbürgschaft sichert dementsprechend den Rückzahlungsanspruch, der sich für den Auftraggeber ergibt, wenn die Leistungen des Auftragnehmers die erbrachten Vorleistungen nicht abdecken.
2. Maßstab für die Frage, ob die tatsächlich erbrachten Werkleistungen den Umfang der Vorauszahlung abdecken, ist (hier) das Volumen des gesamten Auftrags einschließlich Nachträgen.
3. Für die Frage, ob der Auftraggeber die vom Bürgen ausgezahlte Bürgschaftssumme behalten darf, kommt es zeitlich darauf an, ob dem Auftraggeber im Zeitpunkt der Auszahlung ein entsprechender Anspruch auf Rückzahlung der Vorauszahlungen zustand.
4. Mängel können Rückerstattungsansprüche wegen einer Minderung des Werts des Werks begründen (hier verneint).
VolltextIBRRS 2024, 1479
LG Berlin II, Urteil vom 16.04.2024 - 67 S 39/24
Zur Unzulänglichkeit des standardisierten Rügeschreibens eines Inkassodienstleisters, das sich entgegen § 556g Abs. 2 Satz 2 BGB a.F. weder abstrakt noch konkret mit einer vom Vermieter im Mietvertrag erteilten Auskunft nach § 556g Abs. 1a Satz 1 BGB auseinander setzt.*)
VolltextIBRRS 2024, 3322
OLG Frankfurt, Urteil vom 23.10.2024 - 19 U 134/23
Die Vereinbarung einer Verpflichtung zur Zahlung von Aufwendungsersatz durch den Auftraggeber für den Fall der Aufgabe seiner Verkaufsabsicht in AGB des Maklers ist unwirksam, soweit dadurch nicht nur eine Ersatzpflicht für die konkret durch die Bearbeitung des einzelnen Auftrags verursachten Kosten begründet wird, sondern auch die Verpflichtung zur Zahlung von Gemeinkosten (hier: anteiliger Bürokosten).*)
VolltextIBRRS 2024, 3291
KG, Beschluss vom 01.02.2024 - 1 W 378 - 402/23
1. Die - nachträgliche - Aufnahme einer Öffnungsklausel in die Gemeinschaftsordnung der Gemeinschaft der Wohnungs- und Teileigentümer, mit der dem Eigentümer eines bestimmten Teileigentums dessen Umwandlung in Wohnungseigentum ermöglicht werden soll, bedarf zur Eintragung in die Wohnungs- und Teileigentumsgrundbücher der Zustimmung aller Miteigentümer.*)
2. Ein mit demselben Ziel gefasster Mehrheitsbeschluss kann nur in die Wohnungs- und Teileigentumsgrundbücher eingetragen werden, wenn hierfür wiederum bereits eine Öffnungsklausel in der Gemeinschaftsordnung besteht.*)
VolltextIBRRS 2024, 3331
BGH, Beschluss vom 23.10.2024 - IV ZB 20/24
An die Darlegung eines erheblichen Grunds für die Notwendigkeit der Fristverlängerung dürfen bei einem ersten Antrag auf Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist keine hohen Anforderungen gestellt werden. Daher reicht der bloße Hinweis auf eine Arbeitsüberlastung zur Feststellung eines erheblichen Grunds aus, ohne dass es einer weiteren Substantiierung oder Glaubhaftmachung bedarf.
VolltextIBRRS 2024, 3302
OLG Hamm, Urteil vom 21.08.2024 - 12 U 13/23
Der Besteller genügt im Werkvertragsrecht den Anforderungen an die schlüssige Darlegung eines Mangels im Prozess bereits dann, wenn er die Erscheinungen, die er auf vertragswidrige Abweichungen zurückführt, hinlänglich deutlich beschreibt. Er ist nicht gehalten, die Mangelursachen im Einzelnen zu bezeichnen (sog. Symptomtheorie, st. Rspr., vgl. nur BGH, IBR 2021, 52).
VolltextOnline seit 13. November
IBRRS 2024, 3223OLG Celle, Urteil vom 22.09.2022 - 5 U 142/21
1. Bei der Frage, ob der Hauptauftragnehmer berechtigt ist, die aus einem Vergleichsschluss mit seinem Auftraggeber resultierenden Kosten an seinen Nachunternehmer "weiterzugeben", ist auf den Zeitpunkt des Vergleichsschlusses abzustellen. Es ist zu fragen, ob der Entschluss zur vergleichsweisen Einigung adäquat-kausal auf die Mängel des Nachunternehmerwerks zurückzuführen ist und der Vergleichsschluss nach dieser Maßgabe angemessen war.
2. Es ist dem Hauptauftragnehmer nicht zuzumuten, gleichsam zugunsten des Nachunternehmers einen teuren Prozess mit ungewissem Ausgang zu betreiben und dabei Gefahr zu laufen, neben den Sanierungskosten auch noch die Prozesskosten und die Mangelfolgeschäden ersetzen zu müssen.
VolltextIBRRS 2024, 3310
VG Düsseldorf, Beschluss vom 01.10.2024 - 36 K 6711/24
1. Bauaufsichtsbehörden müssen sich darauf verlassen können, dass ein Ingenieur eine eigens mitgeteilte Tätigkeit als Bauleiter auch wahrnimmt.
2. Behauptet ein Kammermitglied nur, Bauleiter zu sein, ohne entsprechend beauftragt zu sein, liegt ein Verstoß gegen Kardinalspflichten nach der Landesbauordnung Nordrhein-Westfalen vor.
VolltextIBRRS 2024, 3239
VK Nordbayern, Beschluss vom 07.06.2024 - RMF-SG21-3194-9-10
1. Grundsätzlich wird ein Vertrauenstatbestand angenommen, wenn in einem Verhandlungsverfahren mit vorgeschalteten Teilnahmewettbewerb der öffentliche Auftraggeber die Eignung der Teilnehmer geprüft und die Eignung bejaht hat.
2. Bieter können sich jedoch nicht auf einen solchen Vertrauensschutz berufen, wenn nachträgliche Erkenntnisse zu einer neuen Tatsachengrundlage für die Bewertung der Eignung führen (hier: unrichtige Angaben in einer Referenz). Das gilt auch dann, wenn der öffentliche Auftraggeber bereits in einem vorherigen Teilnahmewettbewerb die Unrichtigkeit durch eine sorgfältigere Prüfung hätte erkennen können.
3. Ein entsprechender Vertrauenstatbestand entsteht überdies nur dann, wenn der Bewerber im Teilnahmewettbewerb alle erforderlichen Unterlagen rechtzeitig übermittelt und wahre Angaben getätigt hat. Bei fahrlässig getätigten Falschangaben und erst recht bei arglistigem Handeln bzw. vorsätzlicher Täuschung ist der Bewerber jedoch nicht schutzwürdig.
VolltextIBRRS 2024, 3307
LG Stuttgart, Beschluss vom 04.05.2023 - 19 S 34/22
1. Die Pflicht des Verwalters, Beitragsforderungen gegen säumige Wohnungseigentümer geltend zu machen (vgl. § 27 Abs. 1 Nr. 4 WEG a.F.), entfaltet keine Schutzwirkung zu Gunsten anderer Eigentümer. Die Pflicht des Verwalters dient dem Ziel, die Wohnungseigentümergemeinschaft mit der notwendigen Liquidität auszustatten.
2. Der Verwalter ist gegenüber einem Erwerber, der gemeinsam mit dem Veräußerer für Beiträge haftet, nicht verpflichtet, diese zunächst beim Veräußerer geltend zu machen. Aus der insoweit maßgeblichen Perspektive der Eigentümergemeinschaft besteht kein Haftungsvorrang des Veräußerers.
VolltextIBRRS 2024, 3228
OLG Frankfurt, Beschluss vom 14.08.2024 - 2 Ws 112/23
Die Schlussrechnung des gerichtlichen Sachverständigen muss prüfbar sein, andernfalls kann ihre Berechtigung nicht festgestellt werden kann. Fehlt die Prüfbarkeit, entfällt schon deshalb der endgültige Bezahlanspruch.
VolltextOnline seit 12. November
IBRRS 2024, 3294KG, Beschluss vom 29.10.2024 - 21 U 52/24
1. § 650f BGB findet auf einen typengemischten Vertrag Anwendung, wenn er jedenfalls seinem Schwerpunkt nach ein Bauvertrag ist. Für diese Einordnung kommt es nicht auf die quantitative Bewertung der einzelnen Leistungen, sondern eine qualitative Gesamtbeurteilung an.*)
2. Richtet sich in einem Vertrag mit Elementen von Kauf- und Werkvertrag die Vergütung des Leistungserbringers – insbesondere ihre Fälligkeit – nach dem Werkvertragsrecht, so spricht dies dafür, auch den Sicherungsanspruch des Bauunternehmers aus § 650f auf den Vertrag anzuwenden.*)
3. § 286 ZPO verpflichtet das Gericht zu einer umfassenden Würdigung der Ergebnisse der Beweisaufnahme, wobei es die erforderliche Überzeugung aus dem Inbegriff der mündlichen Verhandlung zu schöpfen hat. Dabei ist das Gericht nicht durch den Inhalt der Protokollierung begrenzt.*)
IBRRS 2024, 3257
VK Niedersachsen, Beschluss vom 04.07.2024 - VgK-13/2024
1. Die Eignungskriterien und -nachweise sind in der Auftragsbekanntmachung aufzuführen. Maßgeblich für die Eignungsprüfung sind allein die in der Auftragsbekanntmachung festgelegten Eignungskriterien und die dort für ihren Beleg geforderten Nachweise.
2. Die Eignungskriterien müssen eindeutig und abschließend beschrieben sein.
3. Der öffentliche Auftraggeber ist an die von ihm wirksam geforderten Eignungsnachweise gebunden. Er darf weder zusätzliche Nachweise fordern noch darf er auf einmal wirksam bekannt gegebene Nachweise verzichten.
4. Sind an sich zulässige und auftragsangemessene Eignungsanforderungen wirksam gefordert worden, wird ein Bieter, wenn er diese Anforderungen nicht erfüllt, wegen fehlender Eignung ausgeschlossen.
VolltextIBRRS 2024, 3258
VGH Bayern, Beschluss vom 01.10.2024 - 15 CS 24.1320
1. Die Nutzung einer baulichen Anlage kann untersagt werden, wenn die Nutzung öffentlich-rechtlichen Vorschriften widerspricht. Diese Voraussetzungen sind grundsätzlich schon dann erfüllt, wenn eine bauliche Anlage ohne erforderliche Genehmigung, somit formell illegal, genutzt wird.
2. Es entspricht regelmäßig pflichtgemäßer Ermessensausübung, wenn die Bauaufsichtsbehörde eine formell illegale Nutzung durch den Erlass einer Nutzungsuntersagung unterbindet. Allerdings darf eine formell rechtswidrige Nutzung aus Gründen der Verhältnismäßigkeit regelmäßig dann nicht untersagt werden, wenn sie offensichtlich genehmigungsfähig ist.
3. Die Nutzung einer Wohnung als Praxis liegt nicht innerhalb deren Variationsbreite, sondern weist eindeutig eine andere Zweckbestimmung auf.
VolltextIBRRS 2024, 3287
LG München I, Urteil vom 07.02.2004 - 14 S 10625/23
1. Ließe man stets singuläre Mitteilungen, namentlich von Mitmietern, Nachbarn oder sonstigen Dritten als Grundlage für ein Besichtigungsrecht eines Vermieters ausreichen, wäre dies namentlich mit den Prinzipien des grundrechtlich geschützten Mietbesitzes (Art. 14 Abs. 1 GG) nicht in Einklang zu bringen. Überdies wären Missbrauchsmöglichkeiten und vermieterseitiger sowie nachbarlicher Schikane Tür und Tor geöffnet.*)
2. Eine Kündigung kann – zwingend ist dies nicht – im Einzelfall durchaus unverhältnismäßig sein, wenn dem Vermieter zuzumuten ist, erst das mildere Mittel einer Duldungsklage und etwaiger (erfolgloser) Vollstreckungsversuche hieraus auszuschöpfen.*)
VolltextIBRRS 2024, 3259
AG Dortmund, Urteil vom 18.01.2024 - 514 C 98/23
1. Fehler in der vom Verwalter vorgelegten Jahresabrechnung können eine Anfechtung des Beschlusses über die Einforderung von Nachschüssen oder die Anpassung von Vorschüssen grundsätzlich nur dann begründen, wenn sie sich auf die Höhe der Zahlungspflichten der Wohnungseigentümer, also der von ihnen zu leistenden Nachschüssen oder den Umfang der Anpassung der beschlossenen Vorschüsse auswirken.
2. Werden nicht alle Kosten verteilt, ist die Anfechtung nicht rechtsmissbräuchlich, da eine unvollständige Kostenverteilung die Abrechnung unstimmig macht, der Jahresetat nicht ausgeglichen und der Wohnungseigentümer dem Risiko einer Inanspruchnahme Dritter ausgesetzt wird.
VolltextOnline seit 11. November
IBRRS 2024, 3242OLG Bamberg, Urteil vom 20.07.2023 - 12 U 9/22
1. Das bloße Schweigen ist in der Regel keine Willenserklärung, sondern das Gegenteil einer Erklärung. Eine Ausnahme hiervon besteht im Handelsverkehr nach den Grundsätzen über das Schweigen auf ein kaufmännisches Bestätigungsschreiben.
2. Der Empfänger eines kaufmännischen Bestätigungsschreibens muss unverzüglich widersprechen, wenn er den Inhalt des Schreibens nicht gegen sich gelten lassen will. Widerspricht er nicht, wird der Vertrag mit dem aus dem Bestätigungsschreiben ersichtlichen Inhalt rechtsverbindlich, es sei denn, dass der Bestätigende das Verhandlungsergebnis bewusst unrichtig wiedergegeben hat oder das Bestätigungsschreiben so weit vom Verhandlungsergebnis abweicht, dass der Absender vernünftigerweise nicht mit dem Einverständnis des Empfängers rechnen konnte.
3. Vereinbaren die Parteien eines VOB/B-Bauvertrag in einem Verhandlungsprotokoll handschriftlich, dass "Mengenänderungen mehr oder weniger als 10% die EPs nicht ändern", handelt es sich um eine Individualvereinbarung, die eine Preisanpassung nach § 2 Abs. 3 VOB/B ausschließt und der AGB-Inhaltskontrolle entzogen ist.
VolltextIBRRS 2024, 3275
EuGH, Urteil vom 24.10.2024 - Rs. C-513/23
Art. 42 Abs. 3 b der Richtlinie 2014/24/EU (…) über die öffentliche Auftragsvergabe (…) ist dahin auszulegen, dass er einer nationalen Regelung nicht entgegensteht, die von öffentlichen Auftraggebern in allen Fällen, in denen die in den Auftragsunterlagen dargelegten technischen Spezifikationen unter Bezugnahme auf nationale Normen formuliert sind, mit denen europäische Normen (…) umgesetzt werden, den Zusatz „oder gleichwertig“ verlangt.*)
VolltextIBRRS 2024, 3224
OVG Saarland, Beschluss vom 02.10.2024 - 2 A 94/23
1. Durch die Nutzung von Stellplätzen und Garagen hervorgerufene Immissionen sind grundsätzlich auch in ruhigen Wohngebieten von den Bewohnern zu tolerieren und begründen vorbehaltlich, hier nicht ersichtlicher, besonderer Verhältnisse im Einzelfall keine nachbarlichen Abwehransprüche.*)
2. Einzelfall, in dem aufgrund der örtlichen Verhältnisse keine Anhaltspunkte dafür bestehen, dass es aufgrund der Stellplatzsituation zu chaotischen Verkehrsverhältnissen im unmittelbaren Umfeld des klägerischen Grundstücks das sich eine Straße oberhalb des Bauvorhabens befindet kommen könnte; hier: kein Anlass für die Einholung eines verkehrstechnischen Gutachtens.*)
3. Hat sich das Verwaltungsgericht wie vorliegend im Rahmen des Ortstermins geschehen einen Eindruck von dem Baugrundstück und seiner Umgebung, insbesondere auch von der baulichen Situation auf benachbarten Grundstücken, verschafft, so ist die Zulassung der Berufung nur gerechtfertigt, wenn das Antragsvorbringen besondere Aspekte des Einzelfalles aufzeigt, die eine überwiegende Wahrscheinlichkeit der Unrichtigkeit des vom Verwaltungsgericht gefundenen Ergebnisses der Zumutbarkeitsbewertung begründen können.*)
VolltextIBRRS 2024, 3276
LG Berlin II, Urteil vom 28.02.2024 - 66 S 178/22
1. Dem gekündigten Mieter steht nach einer vorgetäuschten Eigenbedarfskündigung ein Anspruch auf Auskunft gegen den Vermieter darüber zu, welche Miethöhe dieser von dem neuen Drittnutzer vereinnahmt, dem er die Wohnung entgegen der Darstellung in der Kündigung vermietet und überlassen hat (§ 242 BGB).*)
2. Das erforderliche Rechtschutzinteresse für die Auskunft ergibt sich aus dem möglichen Anspruch des früheren Mieters, einen vom Vermieter mit der Neuvermietung laufend erzielten Mehrerlös nach § 285 Abs. 1 BGB herauszuverlangen. Die dafür erforderliche Identität zwischen dem vom früheren Mieter eingebüßten Gegenstand mit demjenigen, für den der Vermieter das herausverlangte Surrogat erhält (dazu (betr. § 281 BGB a.F.) BGH, IMR 2006, 8), wird regelmäßig vorliegen.*)
VolltextIBRRS 2024, 3260
LG Saarbrücken, Urteil vom 26.04.2024 - 5 S 6/23
Auch wenn nach der Gemeinschaftsordnung einer Mehrhausanlage Untergemeinschaften in eigener Zuständigkeit nach dem Vorbild selbstständiger Eigentümergemeinschaften über Lasten und Kosten entscheiden, muss für die Wohnungseigentümergemeinschaft als Ganzes eine einheitliche Jahresabrechnung erstellt und beschlossen werden. Die Feststellung der (einheitlichen) Abrechnungsspitze (gleich ob positiv oder negativ) obliegt insoweit der Beschlussfassung der Gesamtgemeinschaft über die Gesamtabrechnung.*)
VolltextIBRRS 2024, 3266
BGH, Urteil vom 17.10.2024 - IX ZR 244/22
Zahlt der Mieter nach wirksamer Kündigung des Mietvertrags für die Dauer der Vorenthaltung der Mietsache die vereinbarte Miete, kommt die Annahme eines Bargeschäfts in Betracht.*)
VolltextIBRRS 2024, 3271
BGH, Urteil vom 10.10.2024 - VII ZR 240/23
Verzögerungen im Zustellungsverfahren, die durch eine fehlerhafte Sachbehandlung des Gerichts verursacht sind, sind dem Zustellungsbetreiber nicht zuzurechnen (Anschluss an BGH, IMR 2023, 426 = NJW 2023, 2945). Zu solchen Verzögerungen gehören auch Versäumnisse, die bei der Ausführung der Zustellung von dem Zustellorgan verursacht worden sind.*)
VolltextOnline seit 8. November
IBRRS 2024, 3252OLG Oldenburg, Urteil vom 05.11.2024 - 2 U 93/24
1. Nach Abnahme des Werks kommt der Eintritt des Verzugs mit der Herstellungsverpflichtung nicht mehr in Betracht.*)
2. Der Verzug mit der Nacherfüllungsverpflichtung gem. § 634 Nr. 1, § 635 Abs. 1 BGB setzt grundsätzlich eine Mahnung voraus. Fordert der Besteller den Unternehmer auf, den Mangel "schnellstmöglich, spätestens bis zum ..." zu beseitigen, können darin eine befristete Mahnung ("schnellstmöglich") und eine Fristsetzung zur Nacherfüllung ("spätestens bis zum ...") liegen.*)
3. Verbindet der Besteller ein solches Nachbesserungsverlangen mit der Maßgabe, Termine unter Einhaltung einer Vorlaufzeit mit ihm abzusprechen, kann dies geeignet sein, die Frist für den Eintritt der Mahnung hinauszuschieben.*)
4. Zur Frage der Anspruchsgrundlage auf Schadensersatz wegen eines werkmangelbedingten Nutzungsausfallschadens ("erweitertes Leistungsinteresse").*)
5. Ein Schadensersatzanspruch wegen werkmangelbedingten Nutzungsausfalls gem. § 634 Nr. 4, § 280 Abs. 1 BGB kann wegen eines überwiegenden Mitverschuldens des Bestellers ausgeschlossen sein, wenn der Besteller ihm bekannte Mängel dem Unternehmer nicht anzeigt, die jener vor Schadenseintritt beseitigt hätte.*)