Bau-, Architekten- und Immobilienrecht.
Hervorzuhebende Urteile zum Öffentlichen Bau- & Umweltrecht
In den letzten 30 Tagen wurden folgende wichtige Entscheidungen im Volltext bei ibr-online eingestellt
Online seit 28. Oktober
IBRRS 2024, 2449VGH Bayern, Urteil vom 15.07.2024 - 12 B 23.2195
1. Wohnnutzung, nicht hingegen eine (gewerbliche) Vermietung zum Zwecke der Fremdenbeherbergung, liegt vor, wenn in einer Wohnung (weitere) Personen leben, die jeweils über ein eigenes Schlafzimmer verfügen, das eine hinreichende Rückzugsmöglichkeit ins Private gestattet, während der übrige Wohnraum nebst Küche, Bad und Flur gemeinsam genutzt werden. Dass eine Nutzung nur für einen begrenzten Zeitraum und nicht auf lange Dauer angelegt ist, ändert an der Erfüllung des Begriffs des Wohnens nichts.*)
2. Die Vermietung eines Zimmers in einer Wohngemeinschaft beispielsweise an einen Arbeitnehmer, der sich aus Anlass eines Arbeitsauftrages in einer Kommune aufhält und währenddessen nicht nur eine Heimstatt im Alltag, sondern in der Regel sogar (vorübergehend) seinen Lebensmittelpunkt in dieser Gemeinschaft begründet, ist regelmäßig nicht als Fremdenbeherbergung, sondern als Wohnen zu qualifizieren mit der Folge, dass die Annahme einer Zweckentfremdung nicht in Betracht kommt.*)
3. Das Zweckentfremdungsrecht erschöpft sich im "Bestandsschutz von Wohnraum"; es vermittelt deshalb kein Recht, bestimmte Wohnformen in ihrer "Wertigkeit" zu definieren und gegenüber anderen, insbesondere solchen von längerer Dauer zu diskriminieren oder gar als "sozialschädlich" anzusehen und deshalb als "bekämpfungsbedürftig" zu erachten.*)
VolltextOnline seit 25. Oktober
IBRRS 2024, 3096OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 30.09.2024 - 10 A 483/23
Eine Nutzungsuntersagung ist rechtmäßig, wenn ein Objekt zur Überlassung von Wohnraum genutzt wird und diese Nutzung nicht von der vorhandenen Baugenehmigung gedeckt ist. Der Grundstückseigentümer ist Zustandsstörer und demnach richtiger Adressat der Ordnungsverfügung.
VolltextOnline seit 21. Oktober
IBRRS 2024, 3068VGH Bayern, Beschluss vom 18.09.2024 - 1 ZB 23.2080
1. Ein Bebauungszusammenhang i.S.v. § 34 BauGB ist anzunehmen, soweit die aufeinanderfolgende Bebauung trotz etwa vorhandener Baulücken den Eindruck der Geschlossenheit und Zusammengehörigkeit vermittelt und die zur Bebauung vorgesehene Fläche (noch) diesem Zusammenhang angehört.
2. Wie eng die Aufeinanderfolge von Baulichkeiten sein muss, um sich als zusammenhängende Bebauung darzustellen, ist nicht nach geografisch-mathematischen Maßstäben, sondern aufgrund einer umfassenden Würdigung der tatsächlichen örtlichen Gegebenheiten einzelfallbezogen zu entscheiden.
3. Der Bebauungszusammenhang endet regelmäßig am letzten Baukörper. Örtliche Besonderheiten können es im Einzelfall aber ausnahmsweise rechtfertigen, ihm noch bis zu einem Geländehindernis, einer Erhebung oder einem Einschnitt (Damm, Böschung, Graben, Fluss, Waldrand o. ä.) ein oder mehrere Grundstücke zuzuordnen, die unbebaut sind oder trotz des Vorhandenseins von Baulichkeiten sonst nicht zur Prägung der Siedlungsstruktur beitragen.
4. Eine unbebaute Fläche ist – als Baulücke – Teil des Bebauungszusammenhangs, wenn sie von der angrenzenden zusammenhängenden Bebauung so stark geprägt wird, dass die Errichtung eines Gebäudes auf dieser Fläche als zwanglose Fortsetzung der vorhandenen Bebauung erscheint.
VolltextIBRRS 2024, 2639
OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 18.04.2024 - 20 A 726/20
1. Bei einem Abfallgemisch ist für die Beurteilung, ob Abfälle zur Verwertung oder Abfälle zur Beseitigung vorliegen, im Regelfall auf das Abfallgemisch als Ganzes und nicht auf den sortenreinen Einzelabfall abzustellen (Anschluss an BVerwG, Urteil vom 15.06.2000 - 3 C 4.00 -, NVwZ 2000, 1178).*)
2. Auch bei einem Abfallgemisch ist für die Beurteilung, ob Abfälle zur Verwertung oder Abfälle zur Beseitigung vorliegen, ausnahmsweise auf den Einzelabfall abzustellen, wenn es unter Verstoß gegen abfallrechtliche gesetzliche Bestimmungen nachträglich, d. h. nach Anfall der Einzelabfälle, unter Verstoß gegen die Grundpflicht des Erzeugers oder Besitzers zur gemeinwohlverträglichen Entsorgung entstanden ist und das Vermischen von Abfällen zur Verwertung und Abfällen zur Beseitigung unzulässig gewesen ist (Anschluss an BVerwG, Urteil vom 15.06.2000 - 3 C 4.00 --, NVwZ 2000, 1178). Das gilt erst recht, wenn entgegen dem Vermischungsverbot gem. § 9 Abs. 2 Satz 1 KrWG in der bis zum 28.10.2020 gültigen Fassung (KrWG a. F.) - jetzt § 9a Abs. 1 KrWG - oder gem. § 15 Abs. 3 Satz 2 KrWG a. F. i. V. m. § 9 Abs. 2 Satz 1 KrWG a. F. gefährliche Abfälle mit anderen Kategorien von gefährlichen Abfällen oder mit anderen Abfällen vermischt worden sind. Das kann bei einer Vermischung von asbestbelasteten Baustoffbruchstücken mit asbestunbelasteten Baustoffbruchstücken der Fall sein.*)
3. Einer abfallrechtlichen Verwertung asbesthaltiger Baustoffbruchstücke steht das uneingeschränkte Verbot, Asbestfasern in den Verkehr zu bringen, gem. § 16 Abs. 1 GefStoffV i. V. m. Art. 67 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 1907/2006 und Eintrag 6 Nr. 1 Satz 1 des Anhangs XVII der VO (EG) 1907/2006 entgegen.*)
VolltextOnline seit 18. Oktober
IBRRS 2024, 3025VGH Bayern, Beschluss vom 04.10.2024 - 9 ZB 23.1102
1. Die Zustimmung des Nachbarn bindet auch seinen Rechtsnachfolger, dieser tritt automatisch in die nachbarrechtliche Stellung seines Rechtsvorgängers ein. Es handelt sich um eine grundstücksbezogene und damit dinglich wirkende Nachbareinverständniserklärung. In materieller Hinsicht bedeutet die Zustimmung einen Verzicht auf sämtliche subjektiv-öffentlichen Rechte, die dem Nachbarn aufgrund nachbarschützender Vorschriften gegen das Vorhaben zustehen könnten.
2. Eine mit Zustimmung des Nachbarn erteilte bestandskräftige Baugenehmigung und eine von der Baugenehmigung gedeckte tatsächliche Ausführung schafft Tatsachen, die unter dem Gesichtspunkt des Eigentumsschutzes, der Rechtssicherheit und der öffentlichen Sicherheit und Ordnung - insbesondere nach Jahrzehnten - nicht unberücksichtigt bleiben dürfen.
VolltextOnline seit 11. Oktober
IBRRS 2024, 2935VGH Bayern, Beschluss vom 30.07.2024 - 2 ZB 23.139
1. Weder aus der Bayerischen Bauordnung noch in sonstigen Rechtsvorschriften folgt, dass generell nur die für ein bestimmtes Vorhaben zwingend notwendigen Stellplätze genehmigt werden dürfen und überobligatorische Stellplätze damit bauplanungsrechtlich unzulässig seien.
2. Eine Stellplatzauflage bedarf einer Rechtsgrundlage (hier verneint).
3. Die sog. dingliche Wirkung bezieht sich immer nur auf das jeweilige Baugrundstück und wirkt auch für den Rechtsnachfolger.
VolltextOnline seit 8. Oktober
IBRRS 2024, 2937OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 20.08.2024 - 7 B 486/24
1. Eine auf Gefahrenbeseitigung gerichtete Ordnungsverfügung ist auch bei einem durch eine gültige Baugenehmigung gedeckten Gebäude grundsätzlich möglich, und zwar insbesondere dann, wenn sie - wie beim Brandschutz - dem Schutz von Leben und Gesundheit dient.
2. An die für das Vorliegen einer konkreten Gefahr erforderliche Wahrscheinlichkeit eines Schadenseintritts in Bezug auf Leben oder Gesundheit als geschützte Rechtsgüter sind keine übermäßig hohen Anforderungen zu stellen.
3. Dem öffentlichen Interesse an der Minimierung von Brandrisiken und der damit bezweckten Vermeidung von Schäden an Leben und Gesundheit der Bewohner von Gebäuden kommt grundsätzlich ein höheres Gewicht zu als finanziellen Interessen des betroffenen Eigentümers.
VolltextOnline seit 4. Oktober
IBRRS 2024, 2895OVG Thüringen, Beschluss vom 23.07.2024 - 1 EO 236/24
1. Das Begründungserfordernis nach § 80 Abs. 3 VwGO ist rein formeller Art. Daher kommt es nicht darauf an, dass die von der Behörde angegebenen Gründe inhaltlich richtig sind und die sofortige Vollziehung des Verwaltungsakts tatsächlich rechtfertigen. Entscheidend ist vielmehr die Darlegung, warum aus der Sicht der Behörde das Interesse des Betroffenen an der aufschiebenden Wirkung zurückzutreten hat.*)
2. Unterscheidet sich der Fall einer Baueinstellungsverfügung nicht von sonstigen typischen Fällen, in denen wegen einer formellen Illegalität ein Baustopp verfügt wird, darf die Behörde auf eine gruppentypisierte Begründung zurückgreifen.*)
3. Ein atypischer Einzelfall liegt nicht schon dann vor, wenn der Bauherr der Auffassung ist, dass sein Handeln materiell rechtmäßig ist.*)
4. Ist die Baugenehmigung mit einer Auflage zur Vorababstimmung mit den Fachdiensten vor Baubeginn versehen worden und ist die Baugenehmigung insoweit bestandskräftig geworden, ist der Bauherr im Eilverfahren mit seinen Einwendungen gegen diese Auflage präkludiert.*)
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