Bau-, Architekten- und Immobilienrecht.
Hervorzuhebende Urteile zum Zivilprozess & Schiedswesen
In den letzten 30 Tagen wurden folgende wichtige Entscheidungen im Volltext bei ibr-online eingestellt
Online seit 18. Dezember
IBRRS 2024, 3642BGH, Beschluss vom 20.11.2024 - VII ZR 191/23
1. Für die Prüfbarkeit einer Schlussrechnung sind ihre Richtigkeit und Abweichungen von vorherigen Schlussrechnungen unerheblich.
2. Eine Partei ist grundsätzlich nicht gehindert, ihr Vorbringen im Laufe des Rechtsstreits zu ändern und insbesondere zu präzisieren, zu ergänzen oder zu berichtigen. Dabei entstehende Widersprüchlichkeiten im Parteivortrag können allenfalls im Rahmen der Beweiswürdigung gem. § 286 ZPO Beachtung finden. Die Nichtberücksichtigung eines erheblichen Beweisangebots wegen vermeintlicher Widersprüche im Vortrag der beweisbelasteten Partei läuft auf eine prozessual unzulässige vorweggenommene tatrichterliche Beweiswürdigung hinaus und verstößt damit zugleich gegen Art. 103 Abs. 1 GG.*)
VolltextOnline seit 17. Dezember
IBRRS 2024, 3600LG Hamburg, Beschluss vom 06.09.2024 - 305 O 132/23
1. Der Vorstand des Gerichts kann Dritten nach § 299 Abs. 2 ZPO ohne Einwilligung der Parteien die Einsicht der Akten gestatten, wenn von den Dritten ein rechtliches Interesse an der Akteneinsicht glaubhaft gemacht wird.
2. Ein solches rechtliches Interesse kann darin gesehen werden, dass ein Bauherr in zwei verschiedenen Verfahren verklagt wird, einmal vom Architekten und einmal vom Bauunternehmer. In diesem Fall hat der Bauunternehmer ein rechtliches Interesse an der Einsicht in die Akten im Parallelverfahren des Architekten.
VolltextOnline seit 16. Dezember
IBRRS 2024, 3587LG München I, Beschluss vom 15.04.2024 - 13 T 1350/24
Der Streitwert einer Klage auf Gestattung der Untervermietung bemisst sich nach dem (einfachen) Jahresbetrag der Untermiete.*)
VolltextOnline seit 4. Dezember
IBRRS 2024, 3511BAG, Urteil vom 16.10.2024 - 4 AZR 254/23
1. Ein Wiedereinsetzungsantrag muss die Angabe und Glaubhaftmachung der die Wiedereinsetzung begründenden Tatsachen enthalten. Hierzu gehört eine aus sich heraus verständliche, geschlossene Schilderung der tatsächlichen Abläufe, aus der sich ergibt, auf welchen konkreten Umständen die Fristversäumung beruht. Lediglich erkennbar unklare oder ergänzungsbedürftige Angaben dürfen noch nach Fristablauf erläutert oder vervollständigt werden.
2. Besteht nach den von der Partei glaubhaft gemachten Tatsachen zumindest die Möglichkeit, dass die Fristversäumung von der Partei oder ihrem Prozessbevollmächtigten verschuldet war, kommt eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht in Betracht.
3. Der Rechtsirrtum eines Prozessbevollmächtigten ist regelmäßig nicht unverschuldet. Ein Rechtsanwalt muss die Gesetze kennen, die in einer Anwaltspraxis gewöhnlich anzuwenden sind. Eine irrige Auslegung des Verfahrensrechts kann als Entschuldigungsgrund nur dann in Betracht kommen, wenn der Prozessbevollmächtigte die volle, von einem Rechtsanwalt zu fordernde Sorgfalt aufgewendet hat, um zu einer richtigen Rechtsauffassung zu gelangen. Ist die Rechtslage zweifelhaft, muss der bevollmächtigte Rechtsanwalt den sicheren Weg wählen.
4. Die Sorgfaltspflichten, die vor Inkrafttreten der Pflicht zur elektronischen Übermittlung nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs bestanden, gelten auch bei der elektronischen Übersendung mittels beA.
5. Stellt der Versender fest, dass eine Übermittlung über das beA aus technischen Gründen vorübergehend unmöglich ist, und ist ihm eine Ersatzeinreichung möglich und zumutbar, kann er sich nicht darauf beschränken, bis zum Fristablauf weitere Übermittlungsversuche zu unternehmen. Er hat vielmehr sicherzustellen, dass der Schriftsatz fristgerecht nach den allgemeinen Vorschriften beim Gericht eingeht.
6. Ein Rechtsanwalt, der eine Frist bis zum letzten Tag ausschöpft, hat wegen des damit erfahrungsgemäß verbundenen Risikos erhöhte Sorgfalt aufzuwenden, um die Einhaltung der Frist sicherzustellen (hier Zumutbarkeit bejaht für Einwurf in den Nachtbriefkasten eines nur drei Kilometer vom Kanzleisitz entfernten Landesarbeitsgerichts).
VolltextOnline seit 2. Dezember
IBRRS 2024, 3448OLG Schleswig, Beschluss vom 22.10.2024 - 7 U 40/24
Die Übernahme der Protokollführung durch den Sachverständigen selbst ist in der ZPO nicht vorgesehen und könnte deshalb verfahrensfehlerhaft sein. Der Einwand einer unzulässigen Protokollierung im zweiten Rechtszug ist aber rechtsmissbräuchlich, wenn alle Beteiligten im erstinstanzlichen Termin damit einverstanden waren.*)
VolltextOnline seit 29. November
IBRRS 2024, 2417BGH, Beschluss vom 23.07.2024 - VIII ZB 39/24
1. Trotz Räumungsvergleichs und Verzichts auf Vollstreckungsschutz kann der Schuldner - soweit zulässig - gem. § 794a ZPO die Verlängerung der Räumungsfrist beantragen.
2. Gegen eine in diesem Zusammenhang ablehnende Entscheidung kann der Schuldner Rechtsbeschwerde einlegen und den Erlass einer einstweiligen Anordnung zur Aussetzung der Räumung beantragen.
3. Im Rahmen der Entscheidung über die Verlängerung der Räumungsfrist sind die Interessen des Gläubigers und des Schuldners gegenüberzustellen, wobei auch die Interessen der in der Wohnung lebenden Kinder des Schuldners zu berücksichtigen sind.
VolltextOnline seit 28. November
IBRRS 2024, 3401LG Berlin II, Beschluss vom 24.10.2024 - 67 S 86/23
1. Die Richterablehnung kann grundsätzlich nicht auf die Verfahrensweise oder die Rechtsauffassung eines Richters gestützt werden. Eine Ausnahme ist dann geboten, wenn die Gestaltung des Verfahrens oder die Entscheidungen des Richters sich so weit von den anerkannten rechtlichen Grundsätzen entfernen, dass sie aus der Sicht der Partei nicht mehr verständlich und offensichtlich unhaltbar erscheinen und dadurch den Eindruck einer willkürlichen oder doch jedenfalls sachfremden Einstellung des Richters erwecken.
2. Ein Ablehnungsgrund kann sich auch aus einer Gesamtschau des Verhaltens des abgelehnten Richters aus der Perspektive des ablehnenden Beteiligten ergeben, insbesondere, wenn der Eindruck entstanden ist, das Gericht nehme wesentliche Einwendungen des Beteiligten nicht oder nicht ausreichend zur Kenntnis.
3. Für die Besorgnis der Befangenheit ist nicht die Feststellung eines einzelnen Verfahrensverstoßes entscheidend. Vielmehr können sich bei vernünftiger Betrachtungsweise schon aus einer Gesamtschau verschiedener Umstände des Verfahrens aus der Perspektive des Antragstellers Zweifel an der Unbefangenheit des Richters ergeben. Diese können sich auch aus der Verfahrensführung oder einem Urteil im Vorprozess ergeben.
4. Ein Richter ist befangen, wenn er die Revisionszulassung mit Beschluss nach § 522 ZPO ablehnt, ohne dass er sich mit den diesbezüglichen Ausführungen des Klägers erkennbar auseinandergesetzt hätte und auch ohne dass dies aus der Entscheidung heraus erklärlich wäre. Dies gilt erst recht, wenn die nicht erklärliche Nicht-Zulassung der Revision zum wiederholten Male erfolgte, nachdem eine vom abgelehnten Richter gefällte Endentscheidung ohne Revisionszulassung vom Verfassungsgerichtshof aufgehoben und zurückverwiesen wurde.
VolltextOnline seit 27. November
IBRRS 2024, 3442BGH, Urteil vom 25.10.2024 - V ZR 17/24
In wohnungseigentumsrechtlichen Beschlussanfechtungsverfahren trifft den Kläger die Obliegenheit, bei Verzögerungen der Klagezustellung spätestens innerhalb eines Jahres nach Ablauf der Monatsfrist zur Erhebung der Anfechtungsklage bei Gericht den Sachstand zu erfragen, selbst wenn er alle für eine ordnungsgemäße Klagezustellung von ihm geforderten Mitwirkungshandlungen erbracht, insbesondere den Gerichtskostenvorschuss ordnungsgemäß gezahlt hat. Erfüllt der Kläger diese Obliegenheit nicht, beginnt der ihm im Rahmen der Prüfung der Voraussetzungen des § 167 ZPO ("demnächst") zuzurechnende Zeitraum einer Zustellungsverzögerung.*)
VolltextIBRRS 2024, 3363
BGH, Urteil vom 23.10.2024 - IV ZR 205/22
1. Eine Berufungsbegründung muss auf den konkreten Streitfall zugeschnitten sein. Es reicht nicht aus, die Auffassung des Erstgerichts mit formularmäßigen Sätzen oder allgemeinen Redewendungen zu rügen oder lediglich auf das Vorbringen in erster Instanz zu verweisen. Eine Verweis auf den gesamten erstinstanzlichen Sach- und Rechtsvortrag genügt den Anforderungen an den Inhalt einer Berufungsbegründung daher nicht.
2. Eine allgemeine Bezugnahme, durch die es dem Berufungsgericht überlassen bleibt, die gesamten erstinstanzlichen Ausführungen auf ihre Relevanz für das Berufungsverfahren zu überprüfen, liegt nicht vor, wenn der Berufungskläger ausdrücklich auf einen bestimmten Schriftsatz aus der ersten Instanz verweist.
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