Bau-, Architekten- und Immobilienrecht.
Aktuelle Urteile zum Recht am Bau
Online seit gestern
IBRRS 2025, 0090LG Hamburg, Urteil vom 08.03.2024 - 305 O 91/23
1. Der Unternehmer kann von dem Besteller Sicherheit für die auch in Zusatzaufträgen vereinbarte und noch nicht gezahlte Vergütung verlangen. Eine Kündigungserklärung des Bestellers steht dem Sicherungsverlangen nicht entgegen.
2. Bei einem Einheitspreisvertrag ist jedenfalls die vereinbarte vorläufige (vor Aufmaß eingesetzte) Summe als vereinbarte Vergütung anzusehen. Die Vergütung vermindert sich um die vertraglich vereinbarten Umlagen für Baunebenkosten.
3. Der Sicherungsanspruch bestehen in demselben Umfang auch für Ansprüche, die an die Stelle des Vergütungsanspruchs treten. Schadens- und Vergütungsersatzansprüche können deshalb gesichert werden, wenn sie dasselbe Interesse wie das Vergütungsinteresse betreffen.
4. Die Höhe der Vollstreckungssicherheit hat sich an den geschätzten Gesamtkosten der zu leistenden Bauhandwerkersicherheit wie z. B. Avalzinsen und den ebenfalls vollstreckbaren Prozesskosten zu orientieren, nicht am Gesamtbetrag der ausgeurteilten Sicherheit.
VolltextOnline seit 13. Januar
IBRRS 2025, 0060OLG Brandenburg, Urteil vom 29.08.2024 - 12 U 3/24
1. Rechtsgeschäfte, bei denen ein auffälliges Missverhältnis zwischen der versprochenen Vergütung und dem Wert der dafür zu erbringenden Leistung besteht, sind nichtig, wenn weitere Umstände hinzutreten, wie etwa eine verwerfliche Gesinnung oder die Ausbeutung der schwierigen Lage oder Unerfahrenheit des Partners für das eigene unangemessene Gewinnstreben.
2. Liegt ein grobes, besonders krasses Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung vor, rechtfertigt dieser Umstand regelmäßig den Schluss auf eine verwerfliche Gesinnung des begünstigten Vertragsteils und damit auf einen sittenwidrigen Charakter des Rechtsgeschäfts.
3. Ein auffälliges, grobes Missverhältnis besteht bei Grundstückskaufverträgen sowie Kaufverträgen über vergleichbar wertvolle bewegliche Sachen regelmäßig bereits dann, wenn der Wert der Leistung annähernd doppelt so hoch ist wie derjenige der Gegenleistung. Dieser Grundsatz ist auch auf Werkverträge anzuwenden.
4. Für das Vorliegen eines auffälligen Missverhältnisses ist auf den objektiven Wert von Leistung und Gegenleistung im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses abzustellen.
VolltextOnline seit 10. Januar
IBRRS 2025, 0065LG Berlin II, Urteil vom 05.12.2024 - 32 O 217/23
1. Öffentlicher Auftraggeber sind berechtigt, den als Sicherheit einbehaltenen Betrag auf ein eigenes Verwahrgeldkonto zu nehmen. Eine Verpflichtung zur Einzahlung auf ein Sperrkonto bei einem Geldinstitut besteht nicht. Das Konto kann im Rahmen der eigenen Verwaltung der Haushaltsmittel geführt werden. Es muss sich nur um ein verwaltungssintern gebildetes Eigenkonto handeln.
2. Gegen eine formularmäßige Sicherheitsvereinbarung, wonach für die vertragsgemäße Ausführung der Leistung (Vertragserfüllungssicherheit) in Höhe von insgesamt 5 % der vereinbarten Auftragssumme (inkl. Umsatzsteuer ohne Nachträge) und für die Mängelansprüche des Auftraggebers (Mängelhaftungssicherheit) in Höhe von 3 % der Netto-Schlussrechnungssumme eine Sicherheit zu leisten sei und im Übrigen § 17 VOB/B gelte, bestehen keine AGB-rechtlichen Wirksamkeitsbedenken.
VolltextOnline seit 9. Januar
IBRRS 2025, 0072OLG Schleswig, Urteil vom 20.12.2024 - 1 U 85/22
1. Ein bei einem Werkvertrag vor der Abnahme nach dem allgemeinen Schuldrecht entstandener Anspruch auf Ersatz des Mangelfolgeschadens verjährt nach den allgemeinen Vorschriften jedenfalls dann, wenn der Mangel vor der Abnahme beseitigt worden ist. § 634a BGB ist nicht anwendbar.*)
2. Ein Bauunternehmer ist von der Obliegenheit, auf Mängel der Bauplanung hinzuweisen, nicht deswegen befreit, weil für den Bauherrn der bauplanende und Bauaufsicht führende Architekt tätig ist. Gerade, wenn die Planung dieses Architekten mangelhaft ist, muss der Hinweis direkt an den Bauherrn gerichtet werden.*)
VolltextOnline seit 8. Januar
IBRRS 2025, 0058LG Frankfurt/Main, Urteil vom 20.12.2024 - 2-31 O 156/24
1. Ein Entschädigungsanspruch aus § 642 BGB ist konkret bauablaufbezogen darzulegen. Das gilt nur dann nicht, wenn der Anspruch anders nachvollzogen werden kann.
2. Bei der konkreten bauablaufbezogenen Darstellung sind die tatsächlichen Ist- und geplanten Soll-Abläufe gegenüberzustellen. Dabei ist jede Veränderung vom ursprünglichen bis zum letzten endgültigen Ablaufplan zu betrachten und auszuwerten. Jede konkrete Behinderung bzw. zeitliche Veränderung ist separat im Hinblick auf die Ursache und die jeweils konkreten Auswirkungen zu beurteilen und darzulegen. Der jeweils gewonnene Ist-Plan ist als neuer Soll-Plan für die Betrachtung der nächsten Veränderungen zugrunde zu legen.
3. Darzulegen ist, wie der Auftragnehmer den Bauablauf tatsächlich geplant hatte, das heißt, welche Teilleistungen er in welcher Zeit herstellen wollte und wie der Arbeitskräfteeinsatz erfolgen sollte. Dem ist der tatsächliche Bauablauf gegenüberzustellen und die einzelnen Behinderungstatbestände aufzuführen sowie deren tatsächliche Auswirkungen auf den Bauablauf zu erläutern.
4. Einer Feststellungsklage fehlt grundsätzlich das Feststellungsinteresse, wenn die Klägerin dasselbe Ziel mit einer Klage auf Leistung erreichen kann (hier bejaht für einen Feststellungsantrag, wonach ein vom Auftraggeber geltend gemachter Rückzahlungsanspruch nicht bestehe).
VolltextIBRRS 2025, 0071
LSG Bayern, Urteil vom 18.09.2024 - L 3 U 86/22
1. Ein Unternehmer des Baugewerbes, der einen anderen Unternehmer mit der Erbringung von Bauleistungen beauftragt, haftet gegenüber der Berufsgenossenschaft der Bauwirtschaft für die Erfüllung der Zahlungspflicht des Nachunternehmers oder eines von dem Nachunternehmer beauftragten Verleihers wie ein selbstschuldnerischer Bürge.
2. Der Unternehmer kann die Zahlung verweigern, solange die Einzugsstelle den Nachunternehmer nicht gemahnt hat und die Mahnfrist nicht abgelaufen ist.
3. Ein aus fehlender Mahnung resultierendes Leistungsverweigerungsrecht des Unternehmers kann zur Rechtswidrigkeit des Haftungsbescheids führen.*)
4. Im Rahmen der Beitragshaftung ist eine Mahnung kein Verwaltungsakt, sondern eine einseitige empfangsbedürftige Willenserklärung. Die Mahnung muss, damit sie ihre Warnfunktion erfüllen kann, dem Empfänger nach allgemeinen zivilrechtlichen Grundsätzen zugehen.
5. Es besteht weder eine Vermutung für den Zugang eines mit einfachem Brief übersandten behördlichen Schreibens noch gelten insoweit die Grundsätze des Anscheinsbeweises.
VolltextOnline seit 7. Januar
IBRRS 2024, 3688BAG, Urteil vom 18.10.2023 - 10 AZR 71/23
1. Zusammenhangstätigkeiten im Sinne des VTV sind Vor-, Neben-, Nach- und Hilfsarbeiten, die den eigenen baulichen Haupttätigkeiten dienen, zu ihrer sachgerechten Ausführung notwendig sind und nach der Verkehrssitte üblicherweise von den Betrieben des Baugewerbes miterledigt werden. Sind diese Voraussetzungen erfüllt, sind sie arbeitszeitlich den baulichen Tätigkeiten hinzuzurechnen. Dabei kommt es nicht darauf an, dass die bauliche Haupttätigkeit die Zusammenhangstätigkeit arbeitszeitlich überwiegt.*).
2. Auch typische Vertriebstätigkeiten wie die Kundenakquise und Kundenberatung können als Zusammenhangstätigkeiten im Sinne des VTV gewertet werden, wenn sie auf die Durchführung eigener baugewerblicher Leistungen gerichtet sind. Für die Einordnung derartiger Tätigkeiten kommt es nicht darauf an, ob die Kundenakquise im Ergebnis erfolgreich war und zu einer Beauftragung des Baubetriebs mit den entsprechenden baulichen Leistungen geführt hat.*)
VolltextOnline seit 20. Dezember 2024
IBRRS 2024, 3462OLG Düsseldorf, Beschluss vom 05.09.2022 - 23 U 230/21
1. Haben die Parteien eines Bauvertrags keine bestimmte Höhenlage für die Errichtung einer Straße vereinbart, scheidet ein Mangel (hier: Errichtung auf falschem Höhenniveau) wegen Fehlens einer vereinbarten Beschaffenheit ebenso aus wie wegen Fehlens einer nach dem Vertrag vorausgesetzten Eignung.
2. Ein Werk ist auch dann mangelhaft, wenn es die vereinbarte Funktion nur deshalb nicht erfüllt, weil die vom Besteller zur Verfügung gestellten Leistungen anderer Unternehmer, von denen die Funktionsfähigkeit des Werks abhängt, unzureichend sind. Der Unternehmer kann in diesen Fällen allerdings der Verantwortlichkeit für den Mangel seines Werks durch Erfüllung seiner Prüfungs- und Hinweispflicht entgehen (hier: Funktionsfähigkeit bejaht).
VolltextOnline seit 18. Dezember 2024
IBRRS 2024, 3642BGH, Beschluss vom 20.11.2024 - VII ZR 191/23
1. Für die Prüfbarkeit einer Schlussrechnung sind ihre Richtigkeit und Abweichungen von vorherigen Schlussrechnungen unerheblich.
2. Eine Partei ist grundsätzlich nicht gehindert, ihr Vorbringen im Laufe des Rechtsstreits zu ändern und insbesondere zu präzisieren, zu ergänzen oder zu berichtigen. Dabei entstehende Widersprüchlichkeiten im Parteivortrag können allenfalls im Rahmen der Beweiswürdigung gem. § 286 ZPO Beachtung finden. Die Nichtberücksichtigung eines erheblichen Beweisangebots wegen vermeintlicher Widersprüche im Vortrag der beweisbelasteten Partei läuft auf eine prozessual unzulässige vorweggenommene tatrichterliche Beweiswürdigung hinaus und verstößt damit zugleich gegen Art. 103 Abs. 1 GG.*)
VolltextOnline seit 17. Dezember 2024
IBRRS 2024, 3618EuGH, Urteil vom 28.11.2024 - Rs. C-622/23
Art. 2 Abs. 1 c Richtlinie 2006/112/EG über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem ist dahin auszulegen, dass der Betrag, der vertraglich geschuldet wird, weil der Besteller einen wirksam geschlossenen Bauvertrag über die Erbringung dieser mehrwertsteuerpflichtigen Leistung - deren Ausführung der Unternehmer begonnen hatte und zu deren Fertigstellung er bereit war -, beendigt hat, als Entgelt für eine Dienstleistung anzusehen ist.
VolltextIBRRS 2024, 3624
OLG Köln, Beschluss vom 22.11.2024 - 18 U 97/23
1. Verpflichtet sich ein öffentlicher Auftraggeber ausweislich der Teilnahmebedingungen dazu, einen Vertrag mit jedem Lieferanten zu schließen, der ein den vorgegebenen Bedingungen entsprechendes Angebot abgibt, kommt durch die Übersendung eines entsprechenden Angebots ein vorvertragliches Schuldverhältnis zwischen dem öffentlichen Auftraggeber und dem Lieferanten zustande.
2. Entspricht das Angebot des Lieferanten den Ausschreibungsbedingungen, muss es der öffentliche Auftraggeber – entsprechend seiner Selbstverpflichtung – annehmen. Anderenfalls hat der Lieferant einen auf Naturalrestitution gerichteten Schadensersatzanspruch. Er ist so zu stellen, wie er stünde, wenn der öffentliche Auftraggeber den Zuschlag pflichtgemäß erteilt hätte.
3. Ein Fixgeschäft kann nicht wirksam per vorformulierter Vertragsbedingungen vereinbart werden (Anschluss an OLG Köln, IBR 2024, 427, und OLG Köln, Urteil vom 19.07.2024 - 6 U 101/23, IBRRS 2024, 3038).
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