Bau-, Architekten- und Immobilienrecht.
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IBRRS 2024, 1494OLG Köln, Beschluss vom 02.11.2021 - 7 U 173/20
1. Der Abnahme steht es gleich, wenn der Besteller das Werk nicht innerhalb einer ihm vom Unternehmer bestimmten angemessenen Frist abnimmt, obwohl er dazu verpflichtet ist. Der Besteller ist zur Abnahme verpflichtet, wenn die Bauleistung fertig gestellt ist und allenfalls unwesentliche Mängel aufweist.
2. Ob ein Mangel wesentlich ist und deshalb zur Verweigerung der Abnahme berechtigt, hängt von Art und Umfang des Mangels und seinen Auswirkungen ab. Das lässt sich nur unter Berücksichtigung der Umstände des jeweiligen Einzelfalls beurteilen. Auch bloß optische Beeinträchtigungen können das Maß des Zumutbaren überschreiten.
3. Die Gestaltung einer mittig gelegenen, 280 qm umfassenden Innenhoffläche mit einer wassergebundenen Decke anstelle einer Rasenfläche stellt einen wesentlichen Mangel dar.
VolltextIBRRS 2024, 2261
VK Sachsen, Beschluss vom 25.08.2023 - 1/SVK/019-23
1. Das Gebot der produktneutralen Ausschreibung ist eine der Grundsäulen des diskriminierungsfreien Wettbewerbs. Nach § 7 EU Abs. 2 Satz 1 VOB/A 2019 dürfen grundsätzlich keine bestimmten Erzeugnisse, Verfahren, Ursprungsorte, Typen usw. durch den öffentlichen Auftraggeber vorgegeben werden. Durch diesen Grundsatz wird das Bestimmungsrecht des Auftraggebers eingeschränkt, um eine grundlose Wettbewerbsverengung durch produkt- bzw. herstellerbezogene Leistungsbeschreibungen zu verhindern.*)
2. Eine Ausnahme vom Grundsatz der produktneutralen Ausschreibung ist möglich, wenn dies durch den Auftragsgegenstand gerechtfertigt ist, § 7 EU Abs. 2 Satz 1 VOB/A 2019. Das ist der Fall, wenn vom Auftraggeber nachvollziehbare objektive und auftragsbezogene Gründe angegeben worden sind, die Bestimmung willkürfrei getroffen worden ist, solche Gründe tatsächlich vorhanden sind und die Bestimmung andere Wirtschaftsteilnehmer nicht diskriminiert.*)
3. Die aus dem Auftragsgegenstand abgeleiteten Sachgründe für eine konkrete Produktvorgabe und der Willensbildungsprozess des Auftraggebers müssen in der Vergabeakte nachvollziehbar dokumentiert werden. Aus der Dokumentation müssen sich das Vorhandensein sachlicher Gründe und die daran anknüpfende Entscheidung des Auftraggebers für einen unbefangenen Dritten nachvollziehbar erschließen lassen.*)
VolltextIBRRS 2024, 2223
OVG Schleswig-Holstein, Urteil vom 22.05.2024 - 1 KN 7/19
1. Auch eine Vorkaufssatzung nach § 25 BauGB bedarf der Ausfertigung.*)
2. Zur Wirksamkeit einer Vorkaufssatzung, mit der eine Baumaßnahme gesichert werden soll, die nicht in die Trägerschaft der Kommune fällt (hier: innerörtliche Straßenbaumaßnahme des Landesbetriebs Straßenbau und Verkehr Schleswig-Holstein).*)
3. Städtebauliche Maßnahme gem. § 25 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BauGB kann grundsätzlich auch der Bau von Straßen und sonstigen Infrastruktureinrichtungen ebenso wie kommunale Verkehrspolitik sein.*)
VolltextIBRRS 2024, 2255
BGH, Urteil vom 05.06.2024 - VIII ZR 150/23
Bezieht ein Wohnraummieter Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach Maßgabe des SGB II, geht ein auf Rückerstattung überzahlter Miete gerichteter Bereicherungsanspruch gegen den Vermieter unter den Voraussetzungen des § 33 Abs. 1 Satz 1 SGB II auf den Sozialleistungsträger über.*)
VolltextIBRRS 2024, 2259
LG Berlin II, Urteil vom 17.05.2024 - 63 S 193/23
1. Ein wiederholter Parkverstoß (Behinderung der Garagenzufahrt) durch den Mieter ist eine Eigentumsstörung und nicht eine Verletzung des Mietvertrags oder eine Störung des Hausfriedens, und damit kein Kündigungsgrund.
2. Das Gleiche gilt für behauptete Straftaten des Mieters ohne Bezug zum Mietverhältnis, wenn nicht ein besonderer Ausnahmefall wie bei einem Schwerstverbrechen vorliegt.
VolltextIBRRS 2024, 2262
OLG Frankfurt, Beschluss vom 07.03.2024 - 16 W 5/24
Die zulässige Erhebung einer Klage oder eines Antrags auf Erlass einer einstweiligen Verfügung erfordert die Angabe einer ladungsfähigen Anschrift. Das gilt auch dann, wenn der Kläger durch einen Prozessbevollmächtigten vertreten wird.
VolltextIBRRS 2024, 2263
LG Darmstadt, Urteil vom 08.07.2024 - 18 O 54/23
Erstmaliges Bestreiten entscheidungserheblichen Vortrags rund eine Woche vor einem Termin kann verspätet i.S.v. § 296 Abs. 1 ZPO sein.*)
VolltextOnline seit gestern
IBRRS 2024, 2238EuGH, Urteil vom 11.07.2024 - Rs. C-279/23
Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 2011/7/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16.02.2011 zur Bekämpfung von Zahlungsverzug im Geschäftsverkehr ist dahin auszulegen, dass er einer Praxis der nationalen Gerichte entgegensteht, die darin besteht, Klagen auf Zahlung des in dieser Bestimmung vorgesehenen Mindestpauschalbetrags als Entschädigung für Beitreibungskosten mit der Begründung abzuweisen, dass der Zahlungsverzug des Schuldners nicht erheblich sei oder dass der Betrag, mit dem der Schuldner in Verzug geraten sei, gering sei.*)
VolltextIBRRS 2024, 2240
LG Bayreuth, Urteil vom 14.07.2022 - 31 O 173/21
1. Wird ein BGB-Bauvertrag nachträglich erweitert, indem der Auftraggeber ein Angebot gegenzeichnet, an dessen Ende steht "Ausführung nach VOB/B ... liegt zur Einsichtnahme in unseren Geschäftsräumen aus", reicht dies nicht zu einer wirksamen Einbeziehung er VOB/B gegenüber einem Laien.*)
2. Es ist (ohne Fachplanung) Angelegenheit des Fussbodenlegers sicherzustellen, dass der ausgewählte Belag und dessen Befestigung für die zu belegende Fläche geeignet ist, falls er keine belastbaren Angaben zur Beschaffenheit des zu belegenden Objekts hat, muss er diese aufklären.*)
3. Bringt der Fussbodenleger, ohne solche Ermittlungen angestellt zu haben, einen dampfdichten Belag auf einem naturbelassenen Boden auf und kommt es in der Folge zu einer Verseifung des Klebers und Ablösung des Fussbodenbelags, handelt es sich um einen Baumangel.*)
VolltextIBRRS 2024, 2239
VK Sachsen, Beschluss vom 07.03.2024 - 1/SVK/038-23
1. Der Auftraggeber verfügt bei der Beurteilung der Eignung über einen Beurteilungsspielraum, der nur einer eingeschränkten Kontrolle durch die Nachprüfungsbehörden und Gerichte unterliegt. Die Nachprüfungsinstanzen überprüfen nur, ob der Auftraggeber bei der Eignungsprüfung die Grenzen seines Beurteilungsspielraums überschritten hat. Das ist der Fall, wenn das vorgeschriebene Verfahren nicht eingehalten wurde, von einem unzutreffenden oder nicht vollständig ermittelten Sachverhalt ausgegangen worden ist, sachwidrige Erwägungen für die Entscheidung verantwortlich waren oder gegen allgemein gültige Bewertungsgrundsätze verstoßen worden ist.*)
2. Der Auftraggeber darf von den für die Eignung bzw. deren Nachweise bekannt gemachten Vorgaben im weiteren Verlauf des Vergabeverfahrens weder abweichen noch darf er diese ändern. Bezüglich publizierter Mindestanforderungen der Eignung besteht eine Selbstbindung des Auftraggebers. Er darf bei der späteren Eignungsprüfung nicht zugunsten eines Bieters auf die Erfüllung der Mindestbedingungen verzichten. Das widerspräche dem Transparenzgrundsatz und dem Gleichbehandlungsgebot.*)
3. Die Bestimmung der Eignungskriterien steht grundsätzlich im Ermessen des öffentlichen Auftraggebers. Sie müssen jedoch mit dem Auftragsgegenstand in Verbindung und zu diesem in einem angemessenen Verhältnis stehen, § 122 Abs. 4 Satz 1 GWB.*)
VolltextIBRRS 2024, 2217
VGH Bayern, Beschluss vom 24.06.2024 - 9 CS 24.458
1. Ein Vorhaben, das der beabsichtigten Bauleitplanung widerspricht oder sie wesentlich erschweren würde, kann nicht im Wege einer Ausnahme von der Veränderungssperre zugelassen werden kann.
2. Bei temporären Bauvorhaben (hier: auf drei Jahre befristete Baugenehmigung für eine Containeranlage mit Rückbauverpflichtung) kann ein solcher Widerspruch zu verneinen und eine Ausnahme von der Veränderungssperre somit zulässig sein.
3. Die Tatbestandsvoraussetzungen des § 246 Abs. 13a BauGB können vorliegen, wenn eine vorhandene Notunterkunft für eine dauerhafte, menschenwürdige Unterkunft nicht geeignet ist.
VolltextIBRRS 2024, 2231
VG Karlsruhe, Urteil vom 06.05.2024 - 2 K 4206/23
1. Zur Bestimmung der tatsächlichen Geländeoberfläche nach Ausführung des Bauvorhabens gem. § 5 Abs. 4 Satz 5 LBO-BW ist allein auf die Maße in den zur Genehmigung gestellten Bauvorlagen abzustellen, nicht jedoch auf die Messergebnisse nach - möglicherweise planabweichend - erfolgter Bauausführung.*)
2. Eine abstandsflächenrechtliche Privilegierung scheidet auch bei einer Überschreitung der in § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, Satz 2 LBO-BW genannten Maße um wenige Zentimeter aus. Denn die Wahrung der Schwellenwerte kann überhaupt erst ein Absehen von den Abstandsflächen rechtfertigen.*)
VolltextIBRRS 2024, 2241
LG Frankfurt/Main, Urteil vom 04.07.2024 - 2-13 S 15/24
§ 16 Abs. 2 Satz 2 WEG ermöglicht eine Kostenverteilung nach dem Objektprinzip auch dann, wenn die abzurechnenden Kosten unabhängig von der Wohnungsgröße und dem Wert der Wohnung anfallen.*)
VolltextIBRRS 2024, 2245
AG Hamburg-St. Georg, Urteil vom 19.07.2024 - 980b C 3/24 WEG
Steht in der Einladung "Entlastung der Verwaltung R", in der Überschrift des Beschlusses aber "Entlastung der Verwaltung A" und im Beschluss selbst dann "Die anwesenden Eigentümer stimmen für die Entlastung der Hausverwaltung R", ist er wegen Perplexität als nichtig anzusehen, weil es an einer vollziehbaren Regelung überhaupt fehlt.
VolltextIBRRS 2024, 2244
BAG, Urteil vom 21.03.2024 - 2 AZR 113/23
1. Ist von mehreren in einer Klage geltend gemachten Ansprüchen nur der eine zur Endentscheidung reif, hat das Gericht diese durch Endurteil (Teilurteil) zu erlassen (§ 301 Abs. 1 ZPO). Entscheidungsreife besteht nur, wenn das Teilurteil unabhängig vom Schlussurteil erlassen werden kann und die Gefahr einander widersprechender Entscheidungen – auch in Folge abweichender Beurteilung durch das Rechtsmittelgericht – ausgeschlossen ist.
2. Eine Gefahr sich widersprechender Entscheidungen ist gegeben, wenn in einem Teilurteil eine Frage entschieden wird, die sich dem Gericht im weiteren Verfahren über andere Ansprüche oder Anspruchsteile noch einmal stellt oder stellen kann. Dies ist u. a. der Fall, wenn bei einer Mehrheit selbstständiger prozessualer Ansprüche zwischen diesen eine materiell-rechtliche Verzahnung besteht.
3. Nach einem unzulässigen Teilurteil darf das Berufungsgericht die Sache nur zurückverweisen, wenn die weitere Verhandlung vor dem Gericht des ersten Rechtszugs erforderlich ist. Ist das nicht der Fall, muss das Revisionsgericht die Sache an das Berufungsgericht zurückverweisen. Dieses muss die im erstinstanzlichen Teilurteil zu Unrecht „ausgesparten“ Klageanträge an sich ziehen und ebenfalls über diese entscheiden.
4. Übergeht das Berufungsgericht einen Berufungsantrag i.S.v. § 321 ZPO, entfällt grundsätzlich (auch) die Rechtshängigkeit des damit weiterverfolgten Sachantrags, wenn keine Partei innerhalb der Frist des § 321 Abs. 2 ZPO eine Ergänzung des Berufungsurteils verlangt. Hat eine Partei einen in erster Instanz noch unbeschieden anhängigen Klageantrag entgegen § 261 Abs. 3 Nr. 2 ZPO im Berufungsverfahren ein weiteres Mal rechtshängig gemacht, erlischt ausschließlich die Rechtshängigkeit des zweiten Klageantrags.
5. Bei einem Prozessurteil erwächst nicht der angenommene Unzulässigkeitsgrund als solcher - d. h. vom Streitgegenstand losgelöst - in Rechtskraft, so dass die Rechtskraft nicht für weitere prozessuale oder gar materielle Rechtsfolgen wirken kann, die sich aus dem Unzulässigkeitsgrund ableiten ließen.
VolltextIBRRS 2024, 2242
BFH, Beschluss vom 15.05.2024 - IX S 16/24
Die Erklärung, auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu verzichten, verbraucht sich jedenfalls dann nicht durch eine nachfolgende gerichtliche Entscheidung, wenn hierdurch lediglich der äußere Fortgang des Verfahrens betroffen und nicht die tatsächliche oder rechtliche Grundlage der Endentscheidung berührt wird.*)
VolltextOnline seit 19. Juli
IBRRS 2024, 2171OLG Düsseldorf, Beschluss vom 04.10.2022 - 23 U 182/21
1. Bringt der Besteller ausdrücklich oder auch konkludent zum Ausdruck, unter keinen Umständen mehr mit dem Unternehmer, der ihm das Werk als fertiggestellt zur Abnahme angeboten hat, zusammenarbeiten zu wollen, entsteht ein Abrechnungsverhältnis.
2. Hat der Besteller zum Ausdruck gebracht, unter keinen Umständen mehr mit dem Unternehmer zusammenarbeiten zu wollen, kann der Besteller nicht mehr zum (Nach-)Erfüllungsanspruch gegen den Unternehmer zurückkehren, auch wenn den Parteien die Möglichkeit einer gütlichen Einigung unbenommen bleibt.
VolltextIBRRS 2024, 2236
VK Niedersachsen, Beschluss vom 13.03.2024 - VgK-3/2024
1. Der öffentliche Auftraggeber hat nicht nur die Zuschlagskriterien und ihre Gewichtung in der Auftragsbekanntmachung oder den Vergabeunterlagen bekannt zu geben, sondern auch die zur Ausfüllung eines Zuschlagskriteriums aufgestellten Unterkriterien und deren konkrete Gewichtung.
2. Unterkriterien und deren konkrete Gewichtung sind auch dann bekannt zu geben, wenn der Auftraggeber die Gewichtung von Unterkriterien erst im Nachhinein aufgestellt hat und nicht auszuschließen ist, dass, wären diese bei der Vorbereitung der Angebote bekannt gewesen, sie die Vorbereitung hätten beeinflussen können.
3. Unterkriterien sind solche Kriterien, die der Ausfüllung und näheren Bestimmung eines Hauptkriteriums dienen und präziser darstellen, worauf es dem Auftraggeber ankommt.
VolltextIBRRS 2024, 2235
OVG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 13.06.2024 - 2 L 7/23
Zu einer erheblichen Beeinträchtigung einer als Denkmalbereich geschützten Altstadt kann im Einzelfall auch ein einzelnes Fenster in einer Dachschräge führen.*)
VolltextIBRRS 2024, 2187
VG Schleswig, Beschluss vom 02.07.2024 - 8 B 14/24
1. Eine formell rechtswidrige Nutzung darf aus Gründen der Verhältnismäßigkeit regelmäßig dann nicht untersagt werden, wenn sie offensichtlich genehmigungsfähig bzw. bei verfahrensfreien Vorhaben offensichtlich zulässig ist.
2. Bei einem Streit um die materielle Rechtmäßigkeit einer Nutzung kann eine offensichtliche Genehmigungsfähigkeit von vornherein nur in Betracht kommen, wenn bereits ein entsprechender Antrag gestellt worden ist.
3. Bei Ferienwohnungen, die typischerweise auf Selbstversorgung der Feriengäste ausgerichtet sind, handelt es sich nicht um kleine Beherbergungsbetriebe, sondern um nur ausnahmsweise zulässige sonstige nicht störende Gewerbebetriebe.
4. Eine durchgängig rechtswidrige Nutzung kann keinen Bestandsschutz begründen.
5. Die Kenntnis der Behörde von der formellen Illegalität steht einer Nutzungsuntersagungsverfügung nicht entgegen. Erforderlich ist vielmehr, dass die Baubehörde in Kenntnis der formellen und ggf. materiellen Illegalität eines Vorhabens zu erkennen gibt, dass sie sich auf Dauer mit dessen Existenz abzufinden gedenkt (sog. aktive Duldung).
6. Der Gleichbehandlungsgrundsatz verpflichtet die Behörde grundsätzlich nicht, in einem Bereich, in dem sie baurechtswidrige Zustände beobachtet hat, schlagartig gegen alle vorzugehen. Die Behörde darf sich vielmehr auf ein Vorgehen gegen einzelne Störer beschränken, sofern sie hierfür sachliche Gründe hat.
VolltextIBRRS 2024, 2115
AG Berlin-Mitte, Urteil vom 27.02.2024 - 8 C 225/23
Werden die vom Mieter behaupteten Mietmängel qualifiziert seitens des Vermieters bestritten, so bedarf es substanziierten Sachvortrags bezüglich der angeblichen Mängel.
VolltextIBRRS 2024, 2237
LG Frankfurt/Main, Urteil vom 11.07.2024 - 2-13 S 19/24
Die Änderung des Verteilerschlüssels gem. § 16 Abs. 2 Satz 2 WEG ist nicht bereits deshalb nicht ordnungsgemäß, weil sie zu finanziellen Mehrbelastungen einzelner Wohnungseigentümer im Vergleich zu anderen führt, sondern erst wenn eine treuwidrige Ungleichbehandlung eines einzelnen Eigentümers oder einer Eigentümergruppe gegeben ist, die insoweit zu einem unbilligen Sonderopfer führt.*)
VolltextIBRRS 2024, 2233
OLG Brandenburg, Beschluss vom 30.05.2024 - 6 W 19/24
1. Der Sachverständige erhält die Vergütung nur in Höhe des Auslagenvorschusses, wenn die Vergütung den angeforderten Auslagenvorschuss erheblich übersteigt und der Sachverständige nicht rechtzeitig auf diesen Umstand hingewiesen hat.
2. Eine erhebliche Überschreitung ist regelmäßig bei einer Differenz von mehr als 20% gegeben. Entscheidend ist dabei der Brutto-Endbetrag.
VolltextIBRRS 2024, 2205
BGH, Beschluss vom 10.06.2024 - AnwZ (Brfg) 7/24
1. Die Frist zur Begründung des Zulassungsantrags nach § 112e Satz 2 BRAO i.V.m. § 125 Abs. 1 Satz 1, § 57 Abs. 2 VwGO und § 224 Abs. 2 ZPO ist einer Verlängerung nicht zugänglich.
2. Eine vermeintlich oder tatsächlich rechtsfehlerhafte Vorentscheidung rechtfertigt für sich genommen ohne das Hinzutreten weiterer Umstände die Besorgnis der Befangenheit grundsätzlich nicht. Die Ablehnung eines Richters wegen der Besorgnis der Befangenheit ist kein Instrument der Verfahrens- oder Fehlerkontrolle.
3. Eine vermeintlich oder tatsächlich fehlerhafte Vorentscheidung vermag deshalb eine Ablehnung wegen der Besorgnis der Befangenheit erst zu rechtfertigen, wenn die betreffende richterliche Entscheidung einer ausreichenden gesetzlichen Grundlage entbehrt oder offensichtlich so grob fehlerhaft beziehungsweise unhaltbar ist, dass sie als willkürlich erscheint.
VolltextIBRRS 2024, 2228
BGH, Beschluss vom 28.05.2024 - VIII ZA 14/23
Ein Ablehnungsgesuch, das lediglich Ausführungen enthält, die zur Begründung der Besorgnis der Befangenheit gänzlich ungeeignet sind, ist offensichtlich unzulässig.
VolltextIBRRS 2024, 2234
OLG Hamm, Beschluss vom 07.05.2024 - 7 U 109/23
1. Wegen der im Hinblick auf die Einheitlichkeit der Rechtsprechung gebotenen weiten Auslegung des § 102 Abs. 1 EnWG und der Notwendigkeit, Rechts(mittel)klarheit und -sicherheit zu schaffen, ist davon auszugehen, dass i. S. des § 102 Abs. 1 Satz 2 EnWG Vorfragen aus dem EnWG und nach einem auf diesem Gesetz beruhenden untergesetzlichen Regelungswerk immer schon dann zu beantworten sind, wenn – wie hier – nach einer Kabelbeschädigung Ansprüche aus §§ 823 ff. BGB geltend gemacht werden und dabei energiewirtschaftliche Fragen entscheidungserheblich sind oder noch werden können (in Fortschreibung zu BGH, Beschluss vom 17.07.2018 – EnZB 53/17, Rn. 15, IBRRS 2018, 2760).*)
2. Da die Anwendbarkeit von § 102 Abs. 1 EnWG in diesen Fällen noch nicht abschließend geklärt ist, ist die Berufung nicht als unzulässig zu verwerfen, sondern das Berufungsverfahren analog § 281 Abs. 1 Satz 1 BGB von Amts wegen an das zuständige Berufungsgericht zu verweisen, auch wenn erstinstanzlich ein Landgericht in seiner Spezialzuständigkeit für energiewirtschaftliche Fragen entschieden hat (im Anschluss an BGH, Beschluss vom 17.07.2018 – EnZB 53/17, Rn. 24 ff., IBRRS 2018, 2760; in Abgrenzung zu BGH, Beschluss vom 06.06.2023 – VI ZB 75/22, Rn. 21 f., IBRRS 2023, 2380).*)
VolltextOnline seit 18. Juli
IBRRS 2024, 2182LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 21.06.2023 - L 18 AL 72/20
1. Die Winterbeschäftigungsumlage nach § 354 SGB III wird von Betrieben des Baugewerbes erhoben. Erbringt ein Betrieb Bauleistungen auf dem Baumarkt, so wird vermutet, dass er ein Betrieb des Baugewerbes i.S.v. § 101 Abs. 2 Satz 1 SGB III ist, es sei denn es wird der Nachweis geführt, dass Bauleistungen arbeitsrechtlich nicht überwiegen, Satz 2.*)
2. Bei der Widerlegung der Vermutung ist auf die Mehrzahl der Arbeitsstunden für Bauleistungen abzustellen.*)
3. Dem Arbeitgeber kommt hinsichtlich der nachzuweisenden Umstände eine besondere Mitwirkungsobliegenheit i.S.v. § 21 Abs. 2 Satz 1 SGB X zu.*)
VolltextIBRRS 2024, 1736
AG Charlottenburg, Urteil vom 27.05.2024 - 237 C 72/24
1. Ein Vertrag über die Erstellung eines Sanierungsfahrplans für ein bestimmtes Gebäude ist als Werkvertrag einzuordnen.
2. Der geschuldete Werkerfolg besteht in der Erstellung eines individuellen Sanierungsfahrplans entsprechend den Vorgaben des Bestellers.
3. Macht der Unternehmer klageweise sein Honorar für die Erstellung eines Sanierungsfahrplans geltend, muss er darlegen, was der geschuldete ausgearbeitete Sanierungsfahrplan - nach Maßgabe der einschlägigen Bestimmungen - enthalten musste, und dass diese Vorgaben eingehalten wurden.
VolltextIBRRS 2024, 2230
VK Niedersachsen, Beschluss vom 21.03.2024 - VgK-4/2024
1. Es liegt im Interesse des Wettbewerbs, Beschaffungsziele nicht so ehrgeizig vorzugeben, dass nur wenige Anbieter diese Ziele zeitgerecht erfüllen können.
2. Jede Mindestanforderung begrenzt den Wettbewerb. Begrenzungen des Wettbewerbs führen regelmäßig dazu, dass sich die wertbaren Angebote verteuern, weil preiswerte Konzepte ausgeschlossen werden müssen.
VolltextIBRRS 2024, 2146
VGH Bayern, Beschluss vom 24.06.2024 - 9 CS 24.280
1. Die Dachform oder sonstige Gestaltungsmerkmale sind kein Einfügenskriterium nach § 34 Abs. 1 BauGB. Um derartigen, die Dachform und die Fensterformate betreffende Gestaltungsvorgaben, die von § 34 Abs. 1 BauGB nicht erfasst werden, Rechtsverbindlichkeit zu verleihen, bedürfte es einer eigenen (Gestaltungs-)Satzung.
2. Eine vom Bürgermeister unterschriebenen Ortsgestaltungsrichtlinie ist keine ordnungsgemäß in Kraft gesetzte Rechtsnorm, sondern lediglich Verwaltungsvorschrift.
VolltextIBRRS 2024, 2183
VG Ansbach, Urteil vom 24.05.2023 - 3 K 21.01809
1. Wird nicht nur der bloße Abriss angeordnet, sondern der Rückbau gemäß den eingereichten Bauvorlagen, mithin ein Wiederaufbau entsprechend der Unterlagen, gefordert, ist Art. 54 Abs. 2 Satz 2 BayBO als bauaufsichtsrechtliche Generalklausel einschlägig.
2. Liegen die tatbestandlichen Voraussetzungen für den Erlass einer Beseitigungsanordnung vor, muss die Behörde in der Regel über den Willen zur Schaffung rechtmäßiger Zustände hinaus nicht besonders begründen, weshalb sie von der Eingriffsbefugnis Gebrauch macht. Vielmehr genügt es, wenn sie zum Ausdruck bringt, dass der beanstandete Zustand wegen seiner Rechtswidrigkeit zu beseitigen ist.
3. Eine tiefergehende Ermessensausübung für ein Einschreiten gegen rechtswidrige oder auch nur ordnungswidrige Zustände kann in Ausnahmesituationen dann geboten sein, wenn die Behörde durch ihr Verhalten - insofern auch unter Berücksichtigung einer Zeitkomponente - gegenüber dem Betroffenen einen besonderen Vertrauenstatbestand gesetzt hat und sich mit dem Erlass einer bauordnungsrechtlichen Verfügung in Widerspruch zu ihrem eigenen Verhalten setzen würde.
VolltextIBRRS 2024, 2218
OLG Dresden, Urteil vom 08.05.2024 - 5 U 1856/23
1. An die konkludente Vereinbarung einer Betriebspflicht in einem Mietvertrag sind wegen des erheblichen Eingriffs in die Rechtsposition des Mieters strenge Anforderungen zu stellen, welche erfordern, dass ein tatsächliches Verhalten der Mietvertragsparteien vorliegen muss, das einen zweifelsfreien Schluss auf einen auf die Begründung einer Betriebspflicht gerichteten Rechtsbindungswillen zulässt.*)
2. Die Vereinbarung einer Umsatzmiete genügt für die Annahme der konkludenten Vereinbarung einer Betriebspflicht nicht.*)
3. Ob und gegebenenfalls in welcher Höhe der Vermieter im Falle der Vereinbarung einer Umsatzmiete vom Mieter die Zahlung fiktiver Umsatzmiete verlangen kann, wenn der Mieter keinen Umsatz erzielt hat, ist durch Auslegung des Mietvertrags gem. §§ 133, 157 BGB zu bestimmen.*)
VolltextIBRRS 2024, 2227
BGH, Urteil vom 19.04.2024 - V ZR 167/23
1. Nach dem seit dem 01.12.2020 geltenden Wohnungseigentumsrecht richtet sich der Anspruch des einzelnen Wohnungseigentümers auf Erstellung der Jahresabrechnung nicht mehr gegen den Verwalter, sondern gegen die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer (Abgrenzung zu Senat, Urteil vom 01.06.2012 - V ZR 171/11, Rz. 14, IBRRS 2012, 2490 = IMRRS 2012, 1804 = NJW 2012, 2797).*)
2. Möchte der Kläger in der Berufungsinstanz einen Parteiwechsel auf Beklagtenseite vornehmen, ist hierfür grundsätzlich die Zustimmung des ausscheidenden und auch die Zustimmung des neuen Beklagten erforderlich, es sei denn, die Verweigerung der Zustimmung ist rechtsmissbräuchlich.*)
3. Hat ein Wohnungseigentümer vor dem 01.12.2020 Klage auf Erstellung der Jahresabrechnung gegen den Verwalter erhoben und erklärt er im Hinblick auf die während des Berufungsverfahrens zum 01.12.2020 eingetretene Rechtsänderung einen Parteiwechsel auf die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer, ist deren Verweigerung der Zustimmung zu dem Parteiwechsel regelmäßig rechtsmissbräuchlich.*)
IBRRS 2024, 2222
OLG Hamm, Beschluss vom 30.04.2024 - 28 U 47/22
Eine Tatbestandsberichtigung ist nur zulässig, soweit der Tatbestand die verstärkte Beweiskraft gem. § 314 ZPO besitzt. Dies trifft für das bloße Prozessgeschehen nicht zu.
VolltextOnline seit 17. Juli
IBRRS 2024, 2210OLG Schleswig, Urteil vom 09.03.2022 - 12 U 16/21
1. Der Architekt hat nicht die am besten geeignete Lösung auszuwählen hat. Es stellt keinen Planungsfehler dar, wenn ein Architekt nicht die "Ideallösung" erbringt.
2. Entscheidend sind vielmehr die Vorgaben des Bauherrn. Wird von diesen abgewichen, führt dies regelmäßig zu einer mangelhaften Planung, auch wenn dem Architekten ein gewisses Maß an planerischem Ermessen zuzugestehen ist. Die Vorgaben des Bauherrn sind für den Architekten verbindlich.
3. Hat die vom Architekten vorgeschlagene und realisierte Planungsvariante zu Mehrkosten geführt, kann eine Pflichtverletzung nicht angenommen werden, wenn sich die Mehrkosten in einem Toleranzrahmen von 30% halten.
4. Bei der Verletzung von Aufklärungs- bzw. Beratungspflichten kann nicht ohne weiteres ein beratungsgerechtes Handeln unterstellt werden. Eine typisierende Betrachtungsweise, wonach davon auszugehen sei, dass sich der Auftraggeber bei der geschuldeten Aufklärung sachgerecht verhalten hätte, verbietet sich.
5. Der Architekt muss solchen Baumaßnahmen besondere Aufmerksamkeit widmen, bei denen sich im Verlauf der Bauausführung Anhaltspunkte für Mängel ergeben. Er muss insbesondere eine regelmäßige und angemessene Überwachung der Bauleistungen vornehmen.
6. Besonders wichtige Bauabschnitte, von denen das Gelingen des ganzen Werkes abhängt, muss der Architekt persönlich überwachen und sich sofort nach der Ausführung der Arbeiten von deren Ordnungsmäßigkeit überzeugen.
7. Drainagearbeiten zu besonders schwierigen und gefahrträchtigen Arbeiten, die besonders beobachtet und überprüft werden müssen.
8. Der Architekt kann sich auf die Unverhältnismäßigkeit der Beseitigung von im Bauwerk verkörperter planungsbedingter Baumängel berufen. Unverhältnismäßig hohe Kosten der Mangelbeseitigung sind nicht zu ersetzen. Die Grenze liegt dort, wo Kosten als unnötig, unzweckmäßig oder überteuert anzusehen sind.
9. Der Einwand der Unverhältnismäßigkeit ist nur dann gerechtfertigt, wenn das Bestehen auf ordnungsgemäßer Vertragserfüllung mit Rücksicht auf das objektive Interesse des Bauherrn an der ordnungsgemäßen Erfüllung im Verhältnis zu dem dafür erforderlichen Aufwand unter Abwägung aller Umstände einen Verstoß gegen Treu und Glauben darstellt.
10. Besteht nur ein objektiv geringes Interesse des Bauherrn an einer mangelfreien Vertragsleistung und steht diesem ein ganz erheblicher und deshalb vergleichsweise unangemessener Kostenaufwand gegenüber, kann von einer Unverhältnismäßigkeit gesprochen werden.
VolltextIBRRS 2024, 2209
VK Sachsen, Beschluss vom 03.05.2024 - 1/SVK/041-23
1. Bei zweistufigen Rahmenvereinbarungen mit mehreren Unternehmen und sog. Miniwettbewerb haben beteiligte Unternehmen bei Verstößen im Zusammenhang mit der Vergabe der Einzelaufträge grundsätzlich die Möglichkeit, Primärrechtsschutz bei der Vergabekammer in Anspruch zu nehmen. Dies bedeutet, dass nicht nur bei der Vergabe der Rahmenvereinbarung selbst, sondern auch bei der späteren Vergabe der Einzelaufträge durch einen Miniwettbewerb der Rechtsweg zu den Vergabekammern eröffnet sein kann.*)
2. Die Rügeobliegenheit des § 160 Abs. 3 Nr. 1 GWB wird ausgelöst, wenn der Antragsteller positive Kenntnis nicht lediglich von den einen Vergaberechtsverstoß begründenden tatsächlichen Umständen (Tatsachenkenntnis), sondern aufgrund laienhafter, vernünftiger Bewertung zugleich die positive Vorstellung von einem Verstoß gegen Vergabevorschriften gewonnen hat. Sie entsteht somit nicht erst in dem Zeitpunkt, in dem das Unternehmen Kenntnis von einem völlig zweifelsfreien und in jeder Beziehung sicher nachweisbaren Vergabefehler erlangt. Ausreichend ist vielmehr das Wissen um einen Sachverhalt, der aufgrund laienhafter rechtlicher Wertung des individuellen Bieters den Schluss auf die Verletzung vergaberechtlicher Bestimmungen ergibt und es bei vernünftiger Betrachtung dann gerechtfertigt erscheinen lässt, das Vergabeverfahren als fehlerhaft zu beanstanden.*)
3. Im Generellen werden an die Begründung des Nachprüfungsantrags keine hohen Anforderungen gestellt. Es reicht aus, dass der Antragsteller in laienhafter Darstellung schlüssig behauptet, dass und welche vergaberechtlichen Vorschriften im Verlauf des Vergabeverfahrens missachtet worden sein sollen. Den dieser Behauptung zugrundeliegenden Sachverhalt hat der Antragsteller in einer Weise darzustellen, dass die Vergabekammer erkennen kann, durch welche Handlungen oder Unterlassungen der Auftraggeber die vom Antragsteller geltend gemachten Rechtsverletzungen begangen hat, und ob dem Antragsteller hierdurch ein Schaden entstanden ist oder zu entstehen droht.*)
4. Dem Konzessionsgeber steht bei der Bewertung eines Testessens ein weiter Beurteilungsspielraum zu. Denn die Bewertung eines Testessens stellt einen Vorgang dar, welcher einer mündlichen Prüfung ähnelt und der wegen ihrer Einmaligkeit nicht wiederholt werden kann (situative Bewertung). Deshalb ist von vornherein eine nur eingeschränkte Überprüfungsmöglichkeit dieser Situation gegeben. Deswegen kommt einer hinreichenden Dokumentation und Begründung der Wertung eines Testessens als Kehrseite des weiten Beurteilungsspielraums eine hohe Bedeutung zu und ist unerlässlich. Sie ist Voraussetzung dafür, dass überhaupt nachgeprüft werden kann, ob der Konzessionsgeber die Grenzen seines Beurteilungsspielraums eingehalten hat.*)
5. Fehler in der Wertung sind unbeachtlich, wenn sich durch diese die Bieterreihenfolge - also die Aussichten auf den Erhalt des Zuschlags - nicht ändert und einem Antragsteller dadurch insoweit kein Schaden entsteht.*)
VolltextIBRRS 2024, 2207
BVerwG, Beschluss vom 24.04.2024 - 4 C 2.23
1. Die Betrachtung der Funktionslosigkeit einer Festsetzung kann auf ein Teilgebiet des Bebauungsplans begrenzt werden, wenn die betroffene Festsetzung ihre Wirkung nach der Plankonzeption der Gemeinde in diesem Bereich auch ungeachtet benachbarter Bereiche entfalten soll.*)
2. Der Verlust der Steuerungsfähigkeit einer Festsetzung ist offenkundig, wenn auf der Grundlage des ausermittelten Sachverhalts und nach einer durch Fachkenntnisse geprägten Betrachtung der tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse die nachträglich eingetretenen Abweichungen im maßgeblichen Betrachtungsraum nach Quantität und Qualität ein Ausmaß erreicht haben, aufgrund dessen sich der Schluss aufdrängt, dass ein Vertrauen in die Fortgeltung der Festsetzung nicht mehr schutzwürdig ist.*)
3. Das Einzelfallerfordernis in § 31 Abs. 3 BauGB verlangt einen atypischen Sonderfall.*)
VolltextIBRRS 2024, 2014
AG Hamburg-St. Georg, Beschluss vom 25.06.2024 - 926 C 70/24
1. Der Mieter hat gegen die Hausverwaltung keinen Anspruch auf Herausgabe des Namens und der Anschrift des Vermieters.
2. Der Mieter kann dies vielmehr durch Einsichtnahme ins Grundbuch selbst herausfinden.
3. Dies gilt zumindest dann, wenn der Vermieter eine Privatperson ist.
VolltextIBRRS 2024, 2190
AG Hamburg-St. Georg, Urteil vom 12.07.2024 - 980b C 37/23 WEG
1. Zwar handelt es sich bei dem bloßen Verschrauben der PV-Module mit der Balkonbrüstung nicht um einen Substanzeingriff im Sinne einer durch Bautätigkeit gegenständlichen Veränderung des gemeinschaftlichen Eigentums. Es ist aber anerkannt, dass gleichwohl auch solche Maßnahmen, die diese Schwelle nicht überschreiten, von der Regelung des § 20 Abs. 1 WEG erfasst werden, sofern damit eine optische Auswirkung (Veränderung) des Gesamtbildes der Wohnanlage verbunden ist.
2. Die Wohnungseigentümer haben die Kompetenz, eine ohne vorherige Beschlussfassung errichtete Baulichkeit im Wege nachträglicher Entscheidung durch einen - den Grundsätzen ordnungsmäßiger Verwaltung unterworfenen - Mehrheitsbeschluss nach Maßgabe von § 20 Abs. 1 WEG zu legalisieren.
3. Für die Beurteilung der Ordnungsmäßigkeit des angefochtenen Beschlusses kommt es (nur) auf den Zeitpunkt seines Zustandekommens an, so dass nachträgliche Veränderungen der Sach- und/oder Rechtslage außer Betracht bleiben.
4. Damit eine ermessensfehlerfreie Entscheidung über die (nachträgliche) Genehmigung einer baulichen Veränderung - sowohl betreffend das "Ob" als auch das "Wie" - von den Eigentümern getroffen werden kann, ist es aus Rechtsgründen erforderlich, ihnen eine ausreichende Tatsachengrundlage zu verschaffen.
5. Es reicht nicht aus, den Eigentümern erst in der Versammlung einen umfänglichen Beschlussantrag zur Abstimmung vorzulegen, ohne ihnen vorab Gelegenheit gegeben zu haben, sich mit der Beschlussmaterie und ihrer Einzelheiten - sprich: dem Gegenstand der nachträglichen Gestattung - vertraut zu machen.
6. Eine grundlegende Umgestaltung i.S.d. § 20 Abs. 4 WEG liegt nur vor, wenn die bauliche Veränderung der Anlage ein "neues Gepräge" gibt, sich also im konkreten Einzelfall angesichts ihrer Größe und Gestaltung wesentlich auf diese auswirkt und das charakterliche Aussehen der Anlage bzw. deren besondere Eigenart, mit der sich ein Gebäude von benachbarten Gebäuden im Umfeld prägend abhebt, gravierend beeinträchtigt.
VolltextIBRRS 2024, 2158
OLG Köln, Beschluss vom 04.06.2024 - 16 W 16/24
1. Die Ablehnung eines Sachverständigen findet statt, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen seine Unparteilichkeit zu rechtfertigen. Es muss sich dabei um Tatsachen oder Umstände handeln, die vom Standpunkt des Ablehnenden aus bei vernünftiger Betrachtung die Befürchtung wecken können, der Sachverständige stehe der Sache nicht unvoreingenommen und damit nicht unparteiisch gegenüber.
2. Das Verfahren der Ablehnung eines Sachverständigen ist nicht dazu bestimmt, zu überprüfen, ob die Verfahrensweise des Sachverständigen im Rahmen der Begutachtung oder ein Gutachten zutreffend ist oder nicht. Etwas anderes kann nur bei schwer wiegenden Verstößen eines Sachverständigen gegen zwingende gesetzliche Vorschriften gelten (hier verneint).
3. Soweit die fachliche Eignung des Sachverständigen angezweifelt wird, vermag dies den Vorwurf der Befangenheit nicht zu begründen. Die fachliche Qualifikation des Sachverständigen ist ein Umstand, der beide Parteien in gleichem Maße betrifft. Selbst wenn die Feststellungen des Sachverständigen sich an einem Punkt als nicht haltbar herausstellen sollten, oder gar als grob fehlerhaft, würde dies keinen hinreichenden Anlass für die Besorgnis, dass die fehlerhafte Feststellung bewusst zu Lasten einer Partei getroffen worden ist, darstellen.
VolltextIBRRS 2024, 2213
OLG Hamm, Beschluss vom 03.01.2023 - 10 W 71/22
Ein Pflichtteilsberechtigter kann im Wege des selbständigen Beweisverfahrens gem. § 485 ZPO die Einholung eines Sachverständigengutachtens zur Ermittlung des Verkehrswerts einer im Nachlass vorhandenen Immobilie verlangen. Er ist nicht auf die Erhebung einer Auskunfts- und Wertermittlungsklage gem. § 2314 BGB zu verweisen.*)
VolltextIBRRS 2024, 2179
OVG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 27.06.2024 - 2 L 125/23
Wird eine Terminverlegung wegen Erkrankung erst kurz vor der anberaumten mündlichen Verhandlung beantragt, ist der Verhinderungsgrund so darzulegen und zu untersetzen, dass das Gericht ihn ohne weitere Nachforschungen selbst beurteilen kann. Dazu ist die Erkrankung, auch eines Prozessbevollmächtigten, regelmäßig mit einem ärztlichen Attest zu belegen.*)
VolltextOnline seit 16. Juli
IBRRS 2024, 2177LSG Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 09.08.2023 - L 2 AL 35/18
1. Der Anspruch des Bauunternehmers auf Gewährung von Zuschuss-Wintergeld nach § 102 Abs. 1, 2 SGB III setzt u. a. voraus, dass der geltend gemachte Zeitraum innerhalb der sog. Schlechtwetterzeit liegt und das Unternehmen dem Baugewerbe zuzurechnen ist.*)
2. Für dessen Bewilligung gilt gem. § 325 Abs. 3 SGB III eine Ausschlussfrist von drei Monaten.*)
3. Hat der Bauunternehmer mit seiner Antragstellung die Mindestinhalte entsprechend § 323 Abs. 2 Satz 4 SGB III gegenüber dem Leistungsträger angegeben, so ist ihm das geltend gemachte Zuschuss-Wintergeld zu bewilligen.*)
VolltextIBRRS 2024, 2181
VK Niedersachsen, Beschluss vom 14.05.2024 - VgK-6/2024
1. Der öffentliche Auftraggeber ist verpflichtet, das Vergabeverfahren von Anbeginn fortlaufend so zu dokumentieren, dass die einzelnen Stufen des Verfahrens, die einzelnen Maßnahmen sowie die Begründung der einzelnen Entscheidungen festgehalten werden.
2. Ein Verstoß gegen die Dokumentationspflicht ist immer zugleich auch ein Verstoß gegen das Transparenzgebot.
3. Zu dokumentieren sind sowohl der formale Verfahrensablauf als auch die Maßnahmen, Feststellungen und Begründungen der einzelnen Entscheidungen.
4. Zwar muss die Dokumentation nicht notwendigerweise in einem zusammenhängenden Vergabevermerk erfolgen. Es ist ausreichend, aber auch erforderlich, dass das Verfahren lückenlos dokumentiert wird, wobei der Vermerk aus mehreren Teilen bestehen kann. Die Dokumentation muss jedoch zeitnah erstellt und laufend fortgeschrieben werden.
5. Die für die Zuschlagserteilung maßgeblichen Erwägungen sind in allen Schritten so eingehend zu dokumentieren, dass nachvollziehbar ist, welche konkreten qualitativen Eigenschaften der Angebote mit welchem Gewicht und Ergebnis in die Benotung eingegangen sind.
VolltextIBRRS 2024, 2174
OVG Niedersachsen, Urteil vom 10.06.2024 - 1 LB 51/22
1. Bei der Bestimmung der nach § 34 Abs. 1 BauGB für das Einfügen eines Vorhabens nach dem Maß der baulichen Nutzung maßgeblichen näheren Umgebung ist zwischen den einzelnen Seiten eines überschaubaren Straßengevierts nur dann zu differenzieren, wenn diese - etwa infolge der Trennung durch einen hinreichend gewichtigen unbebauten Blockinnenbereich oder bei Erkennbarkeit zweier klar voneinander abgegrenzter, in sich im Wesentlichen homogener Bebauungsmuster - jeweils erkennbar ein Eigenleben führen.*)
2. Bei Beurteilung des Einfügens nach dem Maß der baulichen Nutzung i. S. des § 34 Abs. 1 BauGB ist für die absolute Größe und das Verhältnis der Gebäude zur umgebenden Freifläche (Bebauungsdichte) jeweils separat nach Referenzobjekten zu suchen. Allerdings sind bei der Bestimmung der Bebauungsdichte neben der Grundfläche der Gebäude auch ihre Höhe und Geschossigkeit zu berücksichtigen.*)
3. Für die Bestimmung des Verhältnisses eines Gebäudes zu den umgebenden Freiflächen können dem Vorhaben Teile von Nachbargrundstücken nur zugerechnet werden, wenn diese nicht als umgebende Freiflächen eines vorhandenen oder realisierbaren Nachbargebäudes angesehen werden können. Umgekehrt sind diejenigen Teile des Vorhabengrundstücks keine umgebenden Freiflächen, die ihrer Lage nach das Verhältnis des Vorhabens zu Nachbarbaukörpern nicht prägen können; dies gilt insbesondere für Zufahrtsstreifen von Hinterliegergrundstücken.*)
4. Ein Vorhaben fügt sich mit Blick auf das Verhältnis der Gebäude zu umliegenden Freiflächen nicht bereits dann ein, wenn seine Abstände zu Nachbargebäuden in der näheren Umgebung ein Vorbild haben.*)
VolltextIBRRS 2024, 2116
AG Frankfurt/Main, Urteil vom 02.02.2024 - 33 C 1198/23
Unberechtigte Erhöhungen der Heizkostenvorauszahlungen dürfen nicht in die Berechnung des Mietrückstands miteinbezogen werden.
VolltextIBRRS 2024, 2191
AG Hamburg-St. Georg, Urteil vom 12.07.2024 - 980a C 26/23 WEG
1. Ist ein Beschluss als bloße Aufforderung zu verstehen, ohne damit eine Leistungspflicht konstitutiv begründen zu wollen, sind bei einer Anfechtung eines solchen Beschlusses nur formelle Mängel zu prüfen.
2. Entstehen durch eine bauliche Veränderung keinem Miteigentümer Nachteile, ist die Veränderung zu genehmigen.
VolltextIBRRS 2024, 2178
VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 18.06.2024 - 14 S 761/24
Die Glaubhaftmachung (§ 173 Satz 1 VwGO i.V.m. § 294 ZPO) der vorübergehenden (technischen) Unmöglichkeit i.S.v. § 55d Satz 3 und 4 VwGO erfordert eine aus sich heraus verständliche, geschlossene Schilderung der tatsächlichen Abläufe oder Umstände, die zur vorübergehenden Unmöglichkeit der elektronischen Übermittlung aus technischen Gründen geführt hat (im Anschluss an VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 05.12.2023 - 12 S 1719/23, IBRRS 2024, 2176 = IMRRS 2024, 0922, m w. N.).*)
VolltextIBRRS 2024, 2198
BGH, Beschluss vom 16.04.2024 - X ARZ 101/24
1. Eine Durchbrechung der Bindungswirkung eines nach § 17a Abs. 1 GVG ergangenen Verweisungsbeschlusses kommt allenfalls bei extremen Verstößen gegen die den Rechtsweg und seine Bestimmung regelnden materiell- und verfahrensrechtlichen Vorschriften in Betracht (Bestätigung von BGH, Beschluss vom 24.10.2017 - X ARZ 326/17, Rz. 19, IBRRS 2017, 4191 = IMRRS 2017, 1735; Beschluss vom 16.04.2019 - X ARZ 143/19, Rz. 13, IBRRS 2019, 1514).*)
2. Ein derart extremer Verstoß liegt nicht schon dann vor, wenn ein Amtsgericht, das den Rechtsstreit bereits auf der Grundlage von § 281 ZPO an ein Arbeitsgericht verwiesen hat, den Rechtsstreit nach Rücksendung der Akten auf der Grundlage von § 17a GVG erneut an dasselbe Arbeitsgericht verweist (Abgrenzung zu BAG, Beschluss vom 21.12.2015 - 10 AS 9/15, NZA 2016, 446).*)
VolltextIBRRS 2024, 2203
BGH, Beschluss vom 04.06.2024 - VIII ZB 40/23
1. Der Umstand, dass in einem vor dem Bundesverfassungsgericht geführten Verfassungsbeschwerdeverfahren über eine Frage zu entscheiden ist, von deren Beantwortung die Entscheidung des Rechtsstreits ganz oder zum Teil abhängt, rechtfertigt eine Aussetzung der Verhandlung nach § 148 Abs. 1 ZPO nicht (im Anschluss an Senatsurteile vom 21.12.2022 - VIII ZR 78/22, Rz. 40, IBRRS 2023, 0373; vom 08.02.2023 - VIII ZR 65/22, Rz. 40, IBRRS 2023, 0743; jeweils m.w.N.).*)
2. Die Aussetzung eines Rechtsstreits nach § 148 Abs. 1 ZPO kommt - auch in entsprechender Anwendung dieser Vorschrift - nicht bereits deshalb in Betracht, weil bei dem zur Entscheidung berufenen Gericht oder bei anderen Spruchkörpern dieses Gerichts eine Vielzahl weiterer Parallelverfahren anhängig ist (im Anschluss an Senatsbeschluss vom 28.02.2012 - VIII ZB 54/11, IBR 2014, 1141 - nur online).*)
Volltext