Bau-, Architekten- und Immobilienrecht.
Aktuelle Urteile zum Öffentlichen Bau- & Umweltrecht
Online seit 5. Juli
IBRRS 2024, 2074OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 14.06.2024 - 1 B 10359/24
1. Zur hinreichenden inhaltlichen Bestimmtheit einer Baugenehmigung für einen innerörtlichen Festplatz im Hinblick auf die Vermeidung unzumutbarer Lärmimmissionen (hier verneint).*)
2. Soweit die Bewältigung möglicher Lärmschutzkonflikte durch einen mittels Bebauungsplan festgesetzten Festplatz im Bebauungsplanverfahren zulässigerweise dem nachfolgenden Verwaltungsverfahren überlassen worden ist, hat diese in einer nachfolgenden Baugenehmigung grundsätzlich abschließend zu erfolgen.*)
VolltextOnline seit 4. Juli
IBRRS 2024, 2051VGH Bayern, Beschluss vom 11.06.2024 - 15 CS 24.757
1. Im Rahmen einer Duldungsanordnung kommt mangels dinglicher Berechtigung des Pächters nur auf die Wirksamkeit - und nicht auf die Rechtmäßigkeit - der Nutzungsuntersagung gegenüber dem Grundstückseigentümer an.
2. Das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung einer Nutzungsuntersagung wegen Brandschutzmängeln entfällt erst dann, wenn zweifelsfrei nachgewiesen ist, dass sämtliche Mängel brandschutzkonform beseitigt worden sind. Die Vorlage der Rechnung einer Firma für Innenausbau und Renovierung ist hierfür weder aussagekräftig noch stellt sie einen ordnungsgemäßen und prüffähigen Nachweis dar.
VolltextOnline seit 3. Juli
IBRRS 2024, 2010VGH Bayern, Urteil vom 14.05.2024 - 1 N 23.2256
Wer seine ursprüngliche Planung abändert, um die Baugenehmigung zu erhalten und sich anschließend nicht an die genehmigte Planung hält, sondern seine im Genehmigungsverfahren fallen gelassene Planung verwirklicht, kann sich nicht darauf berufen, dass seine bauliche Anlage zum Zeitpunkt der Errichtung genehmigungsfähig gewesen wäre und damit Bestandsschutz genießt. Eine derartige Berufung verstößt gegen den auch im öffentlichen Recht geltenden Grundsatz von Treu und Glauben.*)
VolltextOnline seit 2. Juli
IBRRS 2024, 2008OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 11.06.2024 - 2 B 178/24
1. Selbst im Falle der Missachtung einer sich aus § 1 Abs. 3 BauGB ergebenden Planungspflicht bedarf es für den Erfolg der Nachbarklage einer konkreten drittschützenden Norm, da es ein subjektives Recht des Einzelnen auf eine (Änderung der) Bauleitplanung nach § 1 Abs. 3 Satz 2 BauGB nicht gibt.
2. Eine gebietsfremde Nutzung mit Bezug auf ein bestimmtes Baugebiet (hier: das festgesetzte reine Wohngebiet) kann regelmäßig nur innerhalb desselben Baugebietes abgewehrt werden.
3. Bei einer "Fläche für die Landwirtschaft" handelt es sich nicht um ein "Baugebiet", dessen Festsetzung aus sich heraus dem Schutz nachbarlicher Interessen dient
4. Ist die Baugenehmigung nicht offensichtlich nachbarrechtswidrig, geht die Interessenabwägung zu Lasten des Antragstellers aus.
VolltextOnline seit 1. Juli
IBRRS 2024, 1919VGH Bayern, Beschluss vom 17.06.2024 - 9 ZB 23.1836
1. Ein Vorhaben liegt im Außenbereich, wenn es nicht Bestandteil eines im Zusammenhang bebauten Ortsteils ist. Ausschlaggebend für das Bestehen eines Bebauungszusammenhangs ist, inwieweit die aufeinanderfolgende Bebauung trotz etwa vorhandener Baulücken nach der Verkehrsauffassung den Eindruck der Geschlossenheit und Zusammengehörigkeit vermittelt und die zur Bebauung vorgesehene Fläche (noch) diesem Zusammenhang angehört.
2. Der Bebauungszusammenhang endet regelmäßig am letzten Baukörper. Örtliche Besonderheiten können es im Einzelfall ausnahmsweise rechtfertigen, ihm noch bis zu einem Geländehindernis, einer Erhebung oder einem Einschnitt ein oder mehrere Grundstücke zuzuordnen, die unbebaut sind oder trotz des Vorhandenseins von Baulichkeiten sonst nicht zur Prägung der Siedlungsstruktur beitragen. Maßgeblich dabei, ob diese besonderen topografischen oder geografischen Umstände den Eindruck der Geschlossenheit bzw. Zugehörigkeit einer Fläche zum Bebauungszusammenhang vermitteln.
3. Ebenso wie ein Bebauungszusammenhang nicht unmittelbar mit dem letzten Baukörper zu enden braucht, verbietet sich umgekehrt die Annahme, dass notwendigerweise das letzte Grundstück in seinem gesamten Umfang vom Zusammenhang erfasst wird. Wie weit der Bebauungszusammenhang im Einzelfall reicht, kann nur das Ergebnis einer Bewertung des konkreten Sachverhalts sein.
4. Für die Beurteilung ausschlaggebend ist grundsätzlich die tatsächlich vorhandene Bebauung. Bebauung ist indes nicht jede beliebige Anlage. Den Bebauungszusammenhang selbst herstellen oder zu seiner Entwicklung beitragen können nur Bauwerke, die optisch wahrnehmbar sind und ein gewisses Gewicht haben, so dass sie geeignet sind, ein Gebiet als einen Ortsteil mit einem bestimmten Charakter zu prägen. Hierzu zählen grundsätzlich nur Bauwerke, die dem ständigen Aufenthalt von Menschen dienen.
5. Baulichkeiten, die nur vorübergehend genutzt werden oder "Nebenanlagen" zu einer landwirtschaftlichen, (klein-)gärtnerischen oder sonstigen Hauptnutzung sind, sind in aller Regel keine Bauten, die für sich genommen ein für die Siedlungsstruktur prägendes Element darstellen.
VolltextOnline seit 28. Juni
IBRRS 2024, 1992BVerwG, Beschluss vom 23.05.2024 - 4 BN 29.23
1. Die Gemeinde hat das Abwägungsmaterial so genau und vollständig zu ermitteln, dass eine sachgerechte Planungsentscheidung möglich ist. Umfang und Tiefe der Sachermittlungspflicht sind von den konkreten Umständen des Einzelfalls abhängig. Dafür kann auch von Bedeutung sein, dass Fachbehörden und Träger öffentlicher Belange den Planentwurf unbeanstandet gelassen und potentiell Betroffene hiergegen keine substantiierten Einwendungen erhoben haben.
2. Ob eine Gemeinde im Anschluss an substantiierte Anregungen zu einem Gutachten gehalten ist, weitere Ermittlungen anzustellen und etwa ein ergänzendes Gutachten einzuholen, beurteilt sich nach den konkreten Umständen in der jeweiligen Planungssituation.
3. Fehler und Irrtümer, die die Zusammenstellung und Aufbereitung des Abwägungsmaterials, die Erkenntnis und Einstellung aller wesentlichen Belange in die Abwägung oder die Gewichtung der Belange betreffen und die sich etwa aus Akten, Protokollen, aus der Entwurfs- oder Planbegründung oder aus sonstigen Unterlagen ergeben, sind offensichtlich. Sie betreffen die „äußere" Seite des Abwägungsvorgangs und sind objektiv feststellbar.
VolltextOnline seit 27. Juni
IBRRS 2024, 1980OVG Niedersachsen, Beschluss vom 17.06.2024 - 1 LB 126/23
1. Kennzeichnend für die Baulast i.S.v. § 81 NBauO ist ihre baurechtliche Relevanz, die in einer Erleichterung oder Erweiterung der Bebauungs- bzw. Nutzungsmöglichkeiten liegt.*)
2. Das öffentliche und private Interesse am Erhalt der Baulast entfällt, wenn eine Baulast keine baurechtliche Relevanz mehr entfaltet. Das ist insbesondere der Fall, wenn dem Baulastbegünstigten ein rechtlich gesicherter und baurechtlich besserer Weg nicht nur offensteht, sondern schon verwirklicht ist, er mithin für seine Grundstücksnutzung in rechtlicher Hinsicht nicht mehr auf die Baulast angewiesen ist.*)
3. Ein "besserer" Weg kann auch in einer nachträglich erteilten weiteren Baulast liegen, die sich rechtlich oder tatsächlich als günstiger darstellt.*)
VolltextOnline seit 26. Juni
IBRRS 2024, 1968BVerwG, Beschluss vom 13.05.2024 - 4 BN 26.23
1. Eine nutzungsbeschränkende Festsetzung in einem Bebauungsplan kann aufgrund der Betroffenheit wirtschaftlicher Belange abwägungsfehlerhaft sein und sogar an einem Mangel im Abwägungsergebnis leiden, wenn nach Lage der Dinge eine Rentabilität der verbleibenden zulässigen Nutzung auf Dauer nicht erwartet werden kann.
2. Ob ein Bebauungsplan im Ergebnis an einem Abwägungsfehler leidet, weil private Belange auch angesichts der Unwägbarkeiten einer zukunftsgerichteten Betrachtung nicht angemessen berücksichtigt worden sind, ist von den Umständen des Einzelfalls abhängig und deshalb nicht verallgemeinerungsfähig.
3. In einem - zur Bewältigung der Auswirkungen „besonderer Eigenschaften“ von Betrieben und Anlagen - intern durch Lärmemissionskontingente gegliederten Gewerbegebiet muss es ein hinreichend großes Teilgebiet ohne Emissionsbeschränkung oder mit solchen Emissionskontingenten geben, die bei typisierender Betrachtung ausreichend hoch sind, um die zulässigen und nicht wirksam ausgeschlossenen Nutzungen zu verwirklichen (vgl. BVerwG, Urteil vom 29.06.2021 - 4 CN 8.19, IBRRS 2021, 2967).
4. Im Fall einer gebietsübergreifenden Gliederung gelten dieselben Maßstäbe.
5. Diese Grundsätze gelten in gleicher Weise für Gliederungen zu anderen Zwecken.
VolltextOnline seit 25. Juni
IBRRS 2024, 1950OVG Niedersachsen, Urteil vom 10.06.2024 - 1 LB 150/22
1. Angesichts der verhältnismäßig weitreichenden Rechtsfolge sind die Anforderungen an eine zur Annahme eines Einkaufszentrums erforderliche, äußerlich in Erscheinung tretende gemeinsame Organisation und Kooperation verschiedener Einzelhandelsbetriebe an einem Standort nicht zu gering anzusetzen (wie Senatsurteil vom 09.07.2020 - 1 LB 79/18 -, BeckRS 2020, 17701).*)
2. Ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse wegen beabsichtigter Führung eines Amtshaftungsprozesses setzt voraus, dass ein solcher nicht offensichtlich aussichtslos ist. Von offensichtlicher Aussichtslosigkeit kann nur gesprochen werden, wenn ohne eine ins einzelne gehende Prüfung erkennbar ist, dass der behauptete Schadensersatz- oder Entschädigungsanspruch unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt bestehen kann (vgl. Senatsurteil vom 25.06.2019 - 1 LB 160/17 -, BeckRS 2019, 28668; im Anschluss an BVerwG, Urteil vom 28.08.1987 - 4 C 31.86 -, NJW 1988, 826 m.w.N.).*)
VolltextIBRRS 2024, 1933
VG Hamburg, Urteil vom 04.06.2024 - 12 K 3917/20
1. Zur Funktionslosigkeit der Festsetzung rückwärtiger Baugrenzen in einer Doppelhaussiedlung infolge einer jahrzehntelangen umfangreichen Befreiungspraxis der Bauaufsichtsbehörde.*)
2. Zur Berücksichtigungsfähigkeit von Anbauten in unterschiedlichen Geschossen bei der Bestimmung der nach § 34 Abs. 1 BauGB maßgeblichen faktischen Bebauungstiefe bei teilweiser Hanglage der betroffenen Grundstücke.*)
VolltextOnline seit 24. Juni
IBRRS 2024, 1923OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 27.05.2024 - 10 D 110/22
1. Dient ein Angebotsbebauungsplan als planungsrechtliche Grundlage für ein konkret umrissenes Vorhaben, begegnet es grundsätzlich keinen durchgreifenden Bedenken, wenn der Rat vor allem dieses Vorhaben zur realitätsnahen Abschätzung der absehbar planbedingten Auswirkungen heranzieht (hier aus zwei Kleinspielfeldern für Fuß- und Basketball sowie drei Tischtennisplatten bestehende Multifunktionsanlage).*)
2. Die Ermittlung und Beurteilung der planbedingten Lärmimmissionen erfolgte in der der Abwägung zugrunde liegenden schalltechnischen Untersuchung zutreffend auf Grundlage des Freizeitlärmerlasses NRW. Bei der Multifunktionsanlage handelt es sich um eine Einrichtung, die dazu bestimmt ist, von Personen zur Gestaltung ihrer Freizeit genutzt zu werden. Dass sie nach den Festsetzungen weiterhin auch im Schulbetrieb genutzt werden kann, rechtfertigt keine andere Betrachtung.*)
3. Der Rat konnte die ordnungsgemäße Nutzung der Multifunktionsanlage seiner Abwägungsentscheidung zugrunde legen. Etwas anderes ergibt sich auch nicht daraus, dass es bereits in der Vergangenheit zu einer missbräuchlichen Nutzung der Anlage gekommen ist.*)
4. Es führt nicht zu einem Abwägungsmangel, dass der Rat die Festlegung der Nutzungszeiten der Multifunktionsanlage dem Genehmigungsverfahren überlassen hat.*)
VolltextIBRRS 2024, 1920
VG Hamburg, Urteil vom 03.06.2024 - 12 K 265/24
1. Ein Boardinghaus stellt eine Übergangsform zwischen Wohnnutzung und Beherbergungsbetrieb dar, wobei die schwerpunktmäßige Zuordnung von den Umständen des Einzelfalls abhängt. In einem Fall, in dem sowohl eine Wohnnutzung als auch eine Nutzung als Beherbergungsbetrieb in Betracht kommt, kommt es (jedenfalls im Regelfall) maßgeblich auf das Nutzungskonzept an, das durch den Bauherrn bestimmt wird.*)
2. Zur Ermittlung der planerischen Grundkonzeption eines Bebauungsplans können neben der zeichnerischen Darstellung auch der Textteil des Bebauungsplans und seine Begründung sowie die Planaufstellungsakten herangezogen werden.*)
3. Die Ausweisung von Baufenstern abseits einer emissionsträchtigen Straße kann einen Grundzug der Planung darstellen, wenn sich aus den Planaufstellungsunterlagen ergibt, dass der Plangeber die Wohnbebauung zur Reduzierung ihrer Immissionsbelastung von der Straße abrücken wollte.*)
VolltextOnline seit 21. Juni
IBRRS 2024, 1914OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 17.05.2024 - 10 B 186/24
Eine planbedingte Überschreitung der Immissionswerte von etwa 70 dB(A) tags und 60 dB(A) nachts kann im Einzelfall hinzunehmen sein, etwa dann, wenn in einem besonders lärmvorbelasteten Bereich die Erhöhungen der Immissionspegel unterhalb der Wahrnehmbarkeitsschwelle für das menschliche Ohr liegen, die bezogen auf einen rechnerisch ermittelten Dauerschallpegel bei Pegelunterschieden von 1 bis 2 dB(A) anzusetzen ist.*)
VolltextOnline seit 20. Juni
IBRRS 2024, 1898OVG Saarland, Beschluss vom 11.06.2024 - 2 A 49/23
1. Bei der Abgrenzung der maßgeblichen näheren Umgebung eines Baugrundstücks in nicht beplanter Ortslage (§ 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB) wie auch bei der Beurteilung des Charakters faktischer Baugebiete auf dieser Grundlage rechtfertigt der Umstand, dass die Abgrenzung wie auch die Einordnung der maßgeblichen Umgebungsbebauung nach ihrer Nutzungsart in aller Regel die Verschaffung eines eigenen Eindrucks von den konkreten örtlichen Gegebenheiten voraussetzt und daher von einem Rechtsmittelgericht regelmäßig nicht abschließend allein aufgrund der Aktenlage vorgenommen werden kann, nicht bereits die Annahme, das auf einer Ortsbesichtigung beruhende Ergebnis einer solchen Beurteilung des Verwaltungsgerichts unterläge ernstlichen Zweifeln hinsichtlich seiner Richtigkeit (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO). Hat sich das Verwaltungsgericht einen eigenen Eindruck von den baulichen Gegebenheiten vor Ort verschafft und eine nach den Maßstäben der Rechtsprechung nachvollziehbare Bewertung vorgenommen, so kommt eine Zulassung der Berufung nur in Betracht, wenn das Antragsvorbringen besondere Aspekte des konkreten Falles aufzeigt, die eine überwiegende Wahrscheinlichkeit der Unrichtigkeit des von ihm festgestellten Ergebnisses begründen können.*)
2. Nach der Überleitungsvorschrift des § 245d Abs. 1 BauGB findet § 34 Abs. 2 BauGB auf dörfliche Wohngebiete keine Anwendung, so dass es keine faktischen dörflichen Wohngebiete gibt.*)
3. Ehemalige landwirtschaftliche Betriebe, die von Nichtlandwirten zur Tierhaltung zu Hobbyzwecken und zur Lagerhaltung genutzt werden, können der Qualifizierung eines Gebiets als faktisches allgemeines Wohngebiet entgegenstehen, da Anlagen zur Tierhaltung und zur Lagerung landwirtschaftlicher Produkte in einem allgemeinen Wohngebiet nach § 4 Abs. 2 und 3 BauNVO weder allgemein noch ausnahmsweise zulässig sind. Ob derartige Anlagen die nähere Umgebung prägen oder als Fremdkörper unbeachtlich sind, hängt von den Umständen des Einzelfalles ab.*)
4. Zur näheren Kennzeichnung des bauplanungsrechtlichen Begriffs des freien Berufs kann auf die nicht abschließenden Berufekataloge des § 18 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG und des § 1 Abs. 2 Satz 2 PartGG zurückgegriffen werden. Dabei ist die Eigenständigkeit der BauNVO gegenüber dem Steuer- und Partnerschaftsgesellschaftsrecht zu beachten.*)
5. Dass der Kläger über die reine Beratungsleistung hinaus in den Räumlichkeiten seines Ingenieursbüros elektronische Schaltungen entwickelt und realisiert bzw. elektronische Baugruppen als Prototypen oder in Kleinserien fertigt und mechanische Bauteile in 3D-Druckern herstellt, begründet nicht das Vorliegen eines produzierenden Gewerbebetriebs. Auch wenn das Ergebnis der zunächst erbrachten geistigen Ingenieurleistung aufgrund der Weiterentwicklung der technischen Möglichkeiten in 3D-Druckern als mechanisches Bauteil darstellbar oder als Prototyp produzierbar wird, lässt dies nicht den freiberuflichen Charakter der individuellen Ingenieurstätigkeit entfallen, solange der Schwerpunkt der Tätigkeit auf der zu Grunde liegenden Entwicklung liegt.*)
6. Eine gewerbliche Einstufung der Tätigkeit durch die Finanzverwaltung steht der Annahme einer freiberuflichen Tätigkeit im städtebaulichen Sinne nicht entgegen.*)
7. Die Verfahrensrüge (§ 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO) dient nicht einer Überprüfung der inhaltlichen Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung.*)
8. Es ist Sache des Bauherrn, mit der Einleitung eines bauaufsichtlichen Genehmigungsverfahrens den Umfang und die Modalitäten seines Vorhabens festzulegen. An diesen Angaben muss er sich festhalten lassen. Es gehört nicht zu den Aufgaben der Gerichte, das Vorhaben inhaltlich so zu modifizieren, um dieses durch das vom Kläger vermisste Nachfordern von Unterlagen am Maßstab der einschlägigen materiellen Vorschriften insgesamt oder auch nur in Teilen genehmigungsfähig zu machen.*)
VolltextOnline seit 19. Juni
IBRRS 2024, 1882VGH Bayern, Beschluss vom 08.05.2024 - 9 ZB 22.2207
1. Hundesportplätze, die der Erholung und Freizeitgestaltung eines bestimmten Personenkreises dienen, sind nicht im Außenbereich bevorzugt zuzulassen.
2. Eine Privilegierung muss als Bevorzugung zu rechtfertigen sein. Daran fehlt es, wenn gegenüber dem allgemeinen Bedürfnis nach Erholung in der freien Natur, das dem Außenbereich zugeordnet ist, individuelle Erholungs- und Freizeitwünsche bevorzugt werden sollen.
VolltextOnline seit 18. Juni
IBRRS 2024, 1874OVG Saarland, Beschluss vom 28.05.2024 - 2 A 39/23
1. Die fehlende Verpflichtung eines Satzungsgebers, eine bestimmte Festsetzung im Bebauungsplan (hier: Errichtung einer Lärmschutzwand) vorzunehmen, besagt nichts darüber, ob ein Drittschutz durch die betreffende Festsetzung gewollt war.*)
2. Maßgeblich ist der in der Begründung des Bebauungsplans zum Ausdruck kommende Wille des Satzungsgebers, den Anwohnern Drittschutz zu vermitteln.*)
3. Durch den Abriss einer im Bebauungsplan festgesetzten Lärmschutzwand versetzt sich die Gemeinde nicht in das Stadium einer Neuplanung des Gebiets mit der Eröffnung eines ihr im Rahmen der Planungshoheit zukommenden Ermessens, sondern sie ist an die vorbehaltlose Festsetzung einer Lärmschutzwand in einem Bebauungsplan gebunden, solange dieser unverändert fortbesteht.*)
4. Ist eine drittschützende Festsetzung einer Lärmschutzwand im Bebauungsplan vorbehaltlos enthalten, besteht der Anspruch auf Durchsetzung des Lärmschutzes unter Umständen selbst dann, wenn die Lärmschutzmaßnahme nach einem späteren Schallschutzgutachten für entbehrlich gehalten wird. Die Verbindlichkeit des Bebauungsplans kann nicht unter Hinweis auf ein neues Schallschutzgutachten in Frage gestellt werden, solange die ursprüngliche Festsetzung nicht durch eine Änderung des Bebauungsplans aufgehoben wurde.*)
5. Die Argumentation, die Klägerin könne nicht verlangen, dass die gesamte Lärmschutzwand also auch entlang der Nachbargrundstücke zu deren Schutz neu errichtet werde, weil sie sich sonst zur Sachwalterin von Rechten Dritter mache, verkennt, dass die Lärmschutzwand als aktive Schallschutzmaßnahme nur in Gänze ihre Wirkung entfalten kann; ein ausreichender Schallschutz ist mit einer auf ihr Grundstück begrenzten Teilerrichtung der Lärmschutzwand nicht gewährleistet.*)
VolltextIBRRS 2024, 1875
OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 29.05.2024 - 10 B 368/24
Die Frage, ob Einrichtungen und Anlagen für die Tierhaltung als Nebenanlagen i.S.v. § 14 Abs. 1 Satz 1 BauNVO der Eigenart des Baugebiets nicht widersprechen, beurteilt sich nach der örtlichen Situation im jeweiligen Einzelfall (hier: Haltung eines Hahns im allgemeinen Wohngebiet).*)
VolltextOnline seit 17. Juni
IBRRS 2024, 1792VGH Bayern, Beschluss vom 03.06.2024 - 1 ZB 23.1762
1. Einem Nachbarn kann auch in einem faktischen allgemeinen Wohngebiet ein Abwehranspruch gegen erhebliche Verletzungen des Gebietscharakters zustehen. Sind die genehmigten Wohngebäude sowohl in einem faktischen allgemeinen Wohngebiet als auch in einem reinen Wohngebiet allgemein zulässig und stehen sie nicht in Widerspruch zur Gebietsart, ist ein solcher Anspruch ausgeschlossen.
2. Ob ein Vorhaben, das im konkreten Baugebiet hinsichtlich der Nutzungsart an sich entweder allgemein oder ausnahmsweise zulässig ist, gleichwohl als gebietsunverträglich vom Nachbarn im (auch faktischen) Plangebiet abgewehrt werden kann, wenn es der allgemeinen Zweckbestimmung des maßgeblichen Baugebietstyps widerspricht (sog. Gebietsprägungserhaltungsanspruch), kann offen bleiben.
VolltextOnline seit 14. Juni
IBRRS 2024, 1797OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 07.03.2024 - 10 A 2791/21
1. Die Erteilung einer Abweichung nach § 69 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 BauO-NW 2018 ist weder auf die Schaffung neuen Wohnraums im Sinne eigenständiger Wohnungen noch auf besondere Arten von Wohnungen beschränkt.*)
2. Weder der Vorschrift selbst noch der Gesetzesbegründung lässt sich entnehmen, dass das Sonderinteresse im Falle von § 69 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 BauO-NW 2018 nur dann gegeben sein soll, wenn die Angleichung der Bestandsgebäude an heutige Bauvorschriften ohne die begehrte Abweichung technisch unmöglich oder wirtschaftlich unzumutbar ist.*)
3. Die Vereinbarkeit mit den öffentlichen Belangen i.S.v. § 69 Abs. 1 Satz 1 BauO-NW 2018 ist auch in den Fällen von Satz 2 der Vorschrift zu prüfen.*)
4. Zur Frage, ob über den gesetzlichen Wortlaut hinaus zusätzlich eine atypische Grundstückssituation gefordert werden kann (offen gelassen).*)
VolltextOnline seit 13. Juni
IBRRS 2024, 1788OVG Niedersachsen, Beschluss vom 23.05.2024 - 1 LA 154/23
1. Die nach Aufstellung einer Sanierungssatzung erforderliche Konkretisierung der Sanierungsziele erfolgt durch Beschluss des zuständigen Gemeindeorgans, beispielsweise durch Satzungsbeschluss über einen Bebauungsplan oder eine örtliche Bauvorschrift (Gestaltungssatzung). Erweist sich der Bebauungsplan oder die örtliche Bauvorschrift als unwirksam, lässt das die Zielkonkretisierung unberührt, wenn eine Heilung des zur Unwirksamkeit führenden Fehlers möglich ist und die Gemeinde an dem Ziel festhält.*)
2. Der Ausschluss von Fremdwerbeanlagen kann sowohl auf § 1 Abs. 5 und 9 BauNVO als auch die Ermächtigung zum Erlass örtlicher Bauvorschriften (in Niedersachsen § 84 Abs. 3 Nr. 2 NBauO) gestützt werden.*)
VolltextOnline seit 12. Juni
IBRRS 2024, 1802OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 04.04.2024 - 1 A 10247/23
1. Bei der Errichtung und dem Betrieb einer Kleinwindenergieanlage handelt es sich auch dann um ein der Nutzung der Windenergie dienendes privilegiertes Vorhaben im Sinne des § 35 Abs. 1 Nr. 5 BauGB, wenn die Anlage nicht der öffentlichen Energieversorgung, sondern allein der Deckung eines privaten Verbrauchs dient.*)
2. Die Errichtung einer Kleinwindenergieanlage im Außenbereich lässt bereits deshalb keinen Wildwuchs derartiger Anlagen zu Lasten der Landschaft befürchten, weil derartige Vorhaben unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten nur in Betracht kommen, wenn der erzeugte Strom entweder durch einen dort in der Nähe der Anlage vorhandenen Verbraucher abgenommen oder in das Stromnetz eingespeist wird. Dies ist regelmäßig nicht der Fall, da ein Endabnehmer im Außenbereich nur in Ausnahmefällen vorhanden ist und der Bau einer Leitung allein zum Zweck der Einspeisung des mit der Kleinanlage erzeugten Stroms in ein öffentliches Netz unter Rentabilitätsaspekten ausscheidet.*)
VolltextOnline seit 11. Juni
IBRRS 2024, 1803OVG Niedersachsen, Urteil vom 15.05.2024 - 1 KN 101/23
1. Überplant eine Gemeinde mittels eines Angebotsbebauungsplans ein Grundstück, das mit privatrechtlichen Baubeschränkungen und Grunddienstbarkeiten belegt ist, muss sie diese auch dann nicht in ihre Abwägung einstellen, wenn der Plan eine über die Beschränkungen hinausgehende Bebauung ermöglicht (Bestätigung des Senatsurteil vom 12.5.2022 - 1 KN 14/20, IBRRS 2022, 1694).*)
2. Überplant eine Gemeinde mit einem Angebotsbebauungsplan ein bereits bebautes größeres Gebiet, um eine Nachverdichtung zu ermöglichen, muss sie grundsätzlich nicht von Amts wegen ermitteln, ob alle Grundeigentümer von den gebotenen Möglichkeiten Gebrauch machen oder die Realisierung unter Nutzung privater Rechte verhindern wollen.*)
VolltextIBRRS 2024, 1772
VG Minden, Urteil vom 27.07.2023 - 1 K 6952/21
1. Begrünt i.S.d. § 8 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BauO-NW ist eine nicht überbaute Grundstücksfläche, wenn ihr Charakter sich als eine durch Bewuchs geprägte nichtbauliche Nutzung darstellt. Dabei muss der Bewuchs so dicht sein, dass der Eindruck einer durchgehenden Bepflanzung entsteht.*)
2. Die Begrünung muss auf den nicht überbaubaren Flächen unmittelbar wachsen, eine flächenhafte Ausdehnung von Baumkronen und sonstigem Blattgrün im Luftraum, etwa von Wein auf erhöhten Rankhilfen, ist nicht ausreichend.*)
3. Das Auslegen von Kunstrasen stellt keine Begrünung i.S.d. § 8 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BauO-NW dar.*)
4. Der Charakter einer durch Bewuchs geprägten nichtbaulichen Nutzung fehlt jedenfalls dann, wenn sich eine substanzielle Fläche, etwa der überwiegende Teil eines Vorgartens, als sog. Schottergarten darstellt, der fast ausschließlich aus Steinschüttungen besteht, hinter deren Massivität der - so überhaupt vorhandene - Bewuchs zurücktritt.*)
5. Der Begriff "Pflanzperiode" ist hinreichend bestimmt.*)
VolltextOnline seit 10. Juni
IBRRS 2024, 1778OVG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 23.04.2024 - 2 K 73/22
Eine Höhenbegrenzung auf 100 m Gesamthöhe führt dazu, dass die Errichtung von Windenergieanlagen im Plangebiet faktisch ausgeschlossen wird.*)
VolltextIBRRS 2024, 1795
VG Berlin, Beschluss vom 28.05.2024 - 6 L 125.24
An der erforderlichen Ernsthaftigkeit von Vermietungsbemühungen zur Beendigung von Leerstand fehlt es, wenn der Wohnraum zu einem offensichtlich überdurchschnittlichen Mietzins angeboten wird.*)
Volltext