Bau-, Architekten- und Immobilienrecht.
Aktuelle Urteile in allen Sachgebieten
Online seit 13. Januar
IBRRS 2025, 0079VK Bund, Beschluss vom 06.11.2024 - VK 2-87/24
1. Ungenaue Angaben im Angebot des Bieters stellen eine Abweichung von Vergabeunterlagen dar und führen jedenfalls dann zum Angebotsausschluss, wenn es sich um individuelle Formulierungen des Bieters handelt und nicht um dessen Allgemeine Geschäftsbedingungen (Anschluss an OLG Düsseldorf, IBR 2020, 255).
2. Ein Bieter kann sein Angebot auch von einem anderen als seinem eigenen E-Mail-Account hochladen und den Nutzer dieses Accounts als Boten einsetzen. Etwas anderes gilt, wenn die Bieter nach den Vergabeunterlagen dazu verpflichtet sind, einen eigenen E-Mail-Account zu nutzen.
VolltextIBRRS 2025, 0054
OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 06.11.2024 - 7 A 75/23
1. Ob Festsetzungen über das Maß der baulichen Nutzung auch darauf gerichtet sind, dem Schutz des Nachbarn zu dienen, hängt vom Willen der Gemeinde als Plangeber ab.
2. Gestaltungsvorschriften besitzen regelmäßig keine nachbarschützende Wirkung.
VolltextIBRRS 2024, 3691
AG Hamburg, Beschluss vom 20.12.2024 - 49 C 154/24
1. Soweit eine Eigenbedarfskündigung damit begründet wird, die Bedarfsperson (hier Tochter) plane nach Abschluss ihrer Ausbildung, ihren Lebensmittelpunkt aus dem Ausland nach Hamburg zu verlegen, handelt es sich um eine unzulässige Vorratskündigung.
2. Wird in der Kündigung angegeben, die Tochter habe sich auf verschiedene Jobangebote in Hamburg beworben und möchte in Hamburg ihren zukünftigen Lebensmittelpunkt begründen, ergibt sich bereits aus der Kündigung, dass völlig unklar ist, ob der angedachte Eigenbedarf letztlich umsetzbar ist.
2. Die unterbliebene Besichtigung der Wohnung ist ein gewichtiges Indiz gegen eine hinreichende Verfestigung des Eigenbedarfs. Gleiches gilt für den Nichteinzug bis zum Zeitpunkt der übereinstimmenden Erledigungserklärung.
VolltextIBRRS 2025, 0100
BGH, Urteil vom 06.12.2024 - V ZR 159/23
Wird in einem Grundstücksüberlassungsvertrag der Anspruch des Veräußerers auf Rückübertragung des Grundstücks als "höchstpersönlich" bezeichnet, hindert dies regelmäßig nicht die Stellvertretung bei der Geltendmachung des Anspruchs.*)
VolltextIBRRS 2025, 0093
BGH, Urteil vom 19.11.2024 - XI ZR 139/23
Ein Bankkunde kann sich auch dann noch auf die Unwirksamkeit einer Zustimmungsfiktionsklausel nach Maßgabe des Senatsurteils vom 27.04.2021 (XI ZR 26/20, IBRRS 2021, 1769 = BGHZ 229, 344) berufen und rechtsgrundlos gezahlte Kontoführungsentgelte gem. § 812 Abs. 1 Satz 1 Fall 1 BGB zurückverlangen, wenn er die von der Bank rechtsgrundlos vereinnahmten Entgelte länger als drei Jahre widerspruchslos gezahlt hat. Die im Rahmen der ergänzenden Vertragsauslegung von Energielieferverträgen geltende sog. Dreijahreslösung (BGH, IBR 2012, 1128 - nur online; vom 01.07.2022 - VIII ZR 287/20, Rz. 42, IBRRS 2022, 2136 = IMRRS 2022, 1249 = BGHZ 233, 339, und vom 25.09.2024 - VIII ZR 176/21, Rz. 44, IBRRS 2024, 3147 = IMRRS 2024, 1323) findet im Zusammenhang mit der Rückforderung rechtsgrundlos erhobener Kontoführungsentgelte keine Anwendung.*)
VolltextIBRRS 2025, 0011
OLG Düsseldorf, Urteil vom 26.05.2023 - 22 U 162/22
1. Das Empfangsbekenntnis beweist das angegebene Zustellungsdatum. Dadurch ist der Beweis, dass das zuzustellende Schriftstück den Adressaten tatsächlich zu einem anderen Zeitpunkt erreicht hat, allerdings nicht ausgeschlossen.
2. Nicht ausreichend ist eine bloße Erschütterung der Richtigkeit der Angaben im Empfangsbekenntnis. Vielmehr muss die Beweiswirkung vollständig entkräftet, mit anderen Worten jede Möglichkeit der Richtigkeit der Empfangsbestätigung ausgeschlossen werden, wobei allerdings an den Gegenbeweis keine überspannten Anforderungen gestellt werden dürfen.
VolltextIBRRS 2025, 0080
LG Ellwangen, Beschluss vom 02.12.2024 - 1 S 60/24
1. Persönliche Beziehungen des Richters zum Prozessbevollmächtigten einer Partei sind zwar grundsätzlich geeignet, die Besorgnis der Befangenheit zu begründen. An ihre Intensität und Qualität sind jedoch höhere Anforderungen zu stellen als bei persönlichen Beziehungen zur Partei selbst.
2. Eine Besorgnis der Befangenheit ist allenfalls bei Ehegatten, Verwandten ersten Grades oder besonders engen Freunden zu bejahen.
3. Eine vier Jahre zurückliegende Tätigkeit des Richters als Rechtsanwalt in der Kanzlei des Prozessbevollmächtigten einer Partei genügt für eine Besorgnis der Befangenheit nicht. Gleiches gilt für bloßes Duzen als Zeichen zwischenmenschlichen Umgangs aufgrund früherer gemeinsamer Tätigkeit, sofern keine enge Freundschaft besteht.
VolltextOnline seit 10. Januar
IBRRS 2025, 0092BGH, Urteil vom 27.11.2024 - VIII ZR 155/23
1. Bei einer empfangsbedürftigen Willenserklärung ist es auch für die elektronische Form zur Wahrung der Form nicht ausreichend, dass die Willenserklärung formgerecht abgegeben wurde; diese muss dem Erklärungsgegner vielmehr auch in der entsprechenden Form zugehen. Für den Zugang einer in einem qualifiziert elektronisch signierten elektronischen Dokument enthaltenen Willenserklärung ist es daher erforderlich, dass dieses Dokument so in den Machtbereich des Empfängers gelangt, dass dieser die qualifizierte elektronische Signatur des Erklärenden und damit die Echtheit des Dokuments prüfen kann.*)
2. Diese Voraussetzungen sind in dem Zeitraum vor dem Inkrafttreten der Vorschrift des § 130e ZPO am 17.07.2024 erfüllt, wenn in einem Zivilprozess ein elektronischer Schriftsatz mit einer gültigen qualifizierten elektronischen Signatur, der eine empfangsbedürftige Willenserklärung enthält, vom Gericht unter Aufrechterhaltung der elektronischen Signatur elektronisch an den Empfänger der Willenserklärung weitergeleitet wird.*)
VolltextIBRRS 2025, 0091
BGH, Urteil vom 15.11.2024 - V ZR 239/23
1. Ist die Kostenverteilung durch gültigen Beschluss geändert worden, muss der geänderte Kostenverteilungsschlüssel in nachfolgenden Wirtschaftsplänen bzw. Jahresabrechnungen sowie bei der Erhebung von Sonderumlagen angewendet werden; die Anfechtungsklage gegen den auf der Grundlage des Wirtschaftsplans bzw. der Jahresabrechnung oder zur Erhebung einer Sonderumlage gefassten Beschluss kann nicht darauf gestützt werden, dass der vorangegangene Beschluss über die Änderung der Kostenverteilung ordnungsmäßiger Verwaltung widerspricht (im Anschluss an Senat, Urteil vom 16.06.2023 - V ZR 251/21, Rz. 11, IMRRS 2023, 1139 = ZWE 2023, 416).*)
2. Beschlüsse über die Änderung der Kostenverteilung nach § 16 Abs. 2 Satz 2 WEG unterliegen - vorbehaltlich einer Nichtigkeit etwa nach den §§ 134, 138 BGB - einer materiellen Kontrolle nur im Rahmen der Anfechtungsklage (Abgrenzung zu Senat, Urteil vom 10.10.2014 - V ZR 315/13, Rz. 13 ff., IMRRS 2014, 1718 = BGHZ 202, 346; Urteil vom 12.04.2019 - V ZR 112/18,Rz. 7 f., 26, IMRRS 2019, 0549 = BGHZ 221, 373.*)
VolltextIBRRS 2025, 0065
LG Berlin II, Urteil vom 05.12.2024 - 32 O 217/23
1. Öffentlicher Auftraggeber sind berechtigt, den als Sicherheit einbehaltenen Betrag auf ein eigenes Verwahrgeldkonto zu nehmen. Eine Verpflichtung zur Einzahlung auf ein Sperrkonto bei einem Geldinstitut besteht nicht. Das Konto kann im Rahmen der eigenen Verwaltung der Haushaltsmittel geführt werden. Es muss sich nur um ein verwaltungssintern gebildetes Eigenkonto handeln.
2. Gegen eine formularmäßige Sicherheitsvereinbarung, wonach für die vertragsgemäße Ausführung der Leistung (Vertragserfüllungssicherheit) in Höhe von insgesamt 5 % der vereinbarten Auftragssumme (inkl. Umsatzsteuer ohne Nachträge) und für die Mängelansprüche des Auftraggebers (Mängelhaftungssicherheit) in Höhe von 3 % der Netto-Schlussrechnungssumme eine Sicherheit zu leisten sei und im Übrigen § 17 VOB/B gelte, bestehen keine AGB-rechtlichen Wirksamkeitsbedenken.
VolltextIBRRS 2025, 0039
OLG Brandenburg, Beschluss vom 12.11.2024 - 19 Verg 2/24
1. Abzugrenzen ist die Dienstleistungskonzession vom Dienstleistungsauftrag danach, dass bei der Konzession das Betriebsrisiko für die Verwertung der Dienstleistungen auf den Konzessionsnehmer übergeht (hier bejaht für Betrieb eines Reha-Zentrums).
2. Für das Merkmal der Aufsicht über die Leitung nach § 99 Nr. 2 b GWB kommt es darauf an, ob eine Verbindung der Vergabestelle mit der öffentlichen Hand besteht, die Letzterer eine Einflussnahme auf Entscheidungen der Vergabestelle in Bezug auf öffentliche Aufträge ermöglicht, und ob diese Verbindung der Verbindung gleichwertig ist, die besteht, wenn eines der beiden anderen alternativen Merkmale erfüllt ist, nämlich die Finanzierung überwiegend durch die öffentliche Hand erfolgt oder mehr als die Hälfte der Mitglieder des Leitungsorgans der Vergabestelle durch die öffentliche Hand ernannt wird (hier bejaht für Betreiber eines Reha-Zentrums).
VolltextIBRRS 2025, 0081
BVerwG, Urteil vom 22.10.2024 - 4 CN 1.24
Bei einem auf § 9 Abs. 2a BauGB gestützten sektoralen Bebauungsplan wird die an die planerischen Vorstellungen der Gemeinde anknüpfende städtebauliche Erforderlichkeit nach § 1 Abs. 3 Satz 1 BauGB durch § 9 Abs. 2a Satz 1 BauGB konkretisiert und inhaltlich ausgeformt.*)
VolltextIBRRS 2024, 3664
BGH, Urteil vom 27.11.2024 - VIII ZR 159/23
1. Bei einer empfangsbedürftigen Willenserklärung ist es auch für die elektronische Form zur Wahrung der Form nicht ausreichend, dass die Willenserklärung formgerecht abgegeben wurde; diese muss dem Erklärungsgegner vielmehr auch in der entsprechenden Form zugehen. Für den Zugang einer in einem qualifiziert elektronisch signierten elektronischen Dokument enthaltenen Willenserklärung ist es daher erforderlich, dass dieses Dokument so in den Machtbereich des Empfängers gelangt, dass dieser die qualifizierte elektronische Signatur des Erklärenden und damit die Echtheit des Dokuments prüfen kann.*)
2. Diese Voraussetzungen sind in dem Zeitraum vor dem Inkrafttreten der Vorschrift des § 130e ZPO am 17.07.2024 erfüllt, wenn in einem Zivilprozess ein elektronischer Schriftsatz mit einer gültigen qualifizierten elektronischen Signatur, der eine empfangsbedürftige Willenserklärung enthält, vom Gericht unter Aufrechterhaltung der elektronischen Signatur elektronisch an den Empfänger der Willenserklärung weitergeleitet wird.*)
3. In dem Zeitraum vor dem Inkrafttreten des § 130e ZPO bewirkt die Übermittlung eines Ausdrucks eines mit einer gültigen qualifizierten elektronischen Signatur versehenen, bei Gericht im Rahmen eines Zivilprozesses eingegangenen elektronischen Dokuments unter Beifügung eines Transfervermerks im Sinne des § 298 Abs. 3 ZPO keinen wirksamen Zugang der in dem Dokument enthaltenen empfangsbedürftigen Willenserklärung beim Erklärungsgegner.*)
VolltextIBRRS 2025, 0036
LG Wiesbaden, Urteil vom 04.09.2024 - 3 S 13/24
Zu den Voraussetzungen der Verwirkung im Rahmen eines Wohnraummietverhältnisses.*)
VolltextIBRRS 2025, 0031
AG München, Urteil vom 14.08.2023 - 1291 C 10214/22 WEG
Wenn formelle Beschlussmängel nicht geltend gemacht werden, ist die Anfechtung eines Negativbeschlusses nur begründet, wenn die Wohnungseigentümer dem Beschlussantrag zwingend hätten zustimmen müssen, die Beschlussfassung also alternativlos war und das Entscheidungsermessen sich hinsichtlich dieses Beschlussinhalts auf null reduziert hatte.
VolltextIBRRS 2025, 0083
BGH, Urteil vom 03.12.2024 - XI ZR 75/23
Zur Ordnungsgemäßheit der Angabe über die Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung in einem Immobiliar-Verbraucherdarlehensvertrag.*)
VolltextIBRRS 2025, 0069
BAG, Beschluss vom 05.12.2024 - 8 AZR 21/24
1. Ein Ablehnungsgesuch kann bis zum vollständigen Abschluss der Instanz angebracht werden und damit gegebenenfalls auch noch nach Verkündung des Urteils. Es kann sich dann aber nur auf noch zu treffende Entscheidungen beziehen.
2. Ein bereits verkündete Urteil kann außerhalb eines statthaften Abhilfeverfahrens nicht mehr abgeändert werden.
3. Wurde das Urteil bereits verkündet, ist in auf den Erlass eines neuen Urteils gerichtetes Ablehnungsgesuch mangels Rechtsschutzbedürfnisses unzulässig. Dies gilt auch, wenn das Urteil bereits verkündet, die Entscheidungsgründe jedoch noch nicht schriftlich niedergelegt sind.
4. Sitzungspolizeiliche Maßnahmen können nur in eng begrenzten Ausnahmefällen geeignet sein, die Besorgnis der Befangenheit zu begründen.
VolltextIBRRS 2025, 0070
OLG Düsseldorf, Beschluss vom 08.04.2024 - 7 W 20/24
1. Während eines zwischen den Parteien anhängigen Hauptsacheverfahren kann eine Beweiserhebung im Rahmen eines selbständigen Beweisverfahrens nur erfolgen, wenn der Antragsgegner dem Antrag auf Beweiserhebung zugestimmt hat oder wenn zu besorgen ist, dass das Beweismittel verloren geht oder seine Benutzung erschwert wird.
2. Bei einer Wohnimmobilie, die nicht nur bei einem potenziellen Verkauf, sondern auch bei einer Renovierung/Sanierung entscheidenden Veränderungen unterliegen kann, kann die Besorgnis der Beweiserschwernis bestehen. Anders ist es bei einem unbebauten Grundstück.
VolltextOnline seit 9. Januar
IBRRS 2025, 0072OLG Schleswig, Urteil vom 20.12.2024 - 1 U 85/22
1. Ein bei einem Werkvertrag vor der Abnahme nach dem allgemeinen Schuldrecht entstandener Anspruch auf Ersatz des Mangelfolgeschadens verjährt nach den allgemeinen Vorschriften jedenfalls dann, wenn der Mangel vor der Abnahme beseitigt worden ist. § 634a BGB ist nicht anwendbar.*)
2. Ein Bauunternehmer ist von der Obliegenheit, auf Mängel der Bauplanung hinzuweisen, nicht deswegen befreit, weil für den Bauherrn der bauplanende und Bauaufsicht führende Architekt tätig ist. Gerade, wenn die Planung dieses Architekten mangelhaft ist, muss der Hinweis direkt an den Bauherrn gerichtet werden.*)
IBRRS 2025, 0046
OLG Düsseldorf, Beschluss vom 15.02.2023 - Verg 6/22
1. Der öffentliche Auftraggeber ist bei der Beschaffungsentscheidung für ein bestimmtes Produkt, eine Herkunft, ein Verfahren oder dergleichen im rechtlichen Ansatz ungebunden und weitestgehend frei. Dabei kann der öffentliche Auftraggeber eine seinen Bedürfnissen entsprechende Qualität bestimmen, die die abgegebenen Angebote gewährleisten müssen, und eine Untergrenze festlegen, die diese einhalten müssen.
2. Zuschlagskriterien müssen mit dem Auftragsgegenstand in Verbindung stehen. Der Gegenstand des Auftrags bildet die äußere Grenze für die Wahl und die Heranziehung der Kriterien für die wirtschaftliche Bewertung der Angebote.
3. Über die Grenzen des Inhalts eines an dem eindeutig bestimmten und bekanntgemachten Gegenstand des Auftrags orientierten Angebots darf ein Zuschlagskriterium nicht hinausgehen. Auch soweit der Auftragnehmer nicht zu einem bestimmten Leistungserfolg verpflichtet werden soll, sondern nur zu einer Tätigkeit in bestimmter Qualität, darf der öffentliche Auftraggeber daher keine Konzepte verlangen und bewerten, die auf vom konkreten Auftrag losgelöste "Fähigkeiten" des Unternehmens zielen.
VolltextIBRRS 2024, 3674
VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 28.11.2024 - 3 S 231/23
1. Allein die fehlende Umsetzungsbereitschaft des Eigentümers an den getroffenen Festsetzungen vermag die Erforderlichkeit eines Bebauungsplans für sich genommen regelmäßig nicht in Frage zu stellen. Dies bedeutet jedoch nicht, dass die Absichten und Planungen der Grundstückseigentümer stets irrelevant wären, vielmehr kommt es maßgeblich auf die Umstände des Einzelfalls an.*)
2. Ein Bebauungsplan bietet nicht erst dann auf unabsehbare Zeit keine Aussicht auf Verwirklichung, wenn objektive Anhaltspunkte dafür bestehen, dass der Eigentümer dauerhaft an einer plankonformen Bebauung gehindert ist (a.A. OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 11.05.2022 - 8 C 10646/21, BeckRS 2022, 18221, und vom 23.11.2016 - 8 C 10662/16, IBR 2017, 280).*)
VolltextIBRRS 2025, 0056
LG München I, Beschluss vom 17.07.2023 - 14 S 4563/23
Allein darin, dass der Mieter dem Vermieter die Räume in verwahrlostem oder einem sonst nicht vertragsgemäßen Zustand überlässt, kann noch keine Vorenthaltung gesehen werden.
VolltextIBRRS 2025, 0055
LG Darmstadt, Urteil vom 16.12.2024 - 18 O 6/23
1. Schadensersatz wegen der Verletzung der Räumungs- und Rückgabepflicht steht dem Vermieter grundsätzlich nur unter den zusätzlichen Voraussetzungen des § 281 BGB zu, wobei regelmäßig erforderlich ist, dass dem Mieter eine Frist zur Erfüllung der Räumungs- und Rückgabepflicht gesetzt wurde.*)
2. §§ 535 Abs. 1, 280 Abs. 1 und 3, 281 BGB enthalten für Leistungsstörungen im Mietvertrag eine spezielle und erschöpfende Regelung.*)
3. § 548 BGB kann auch dann anwendbar sein, wenn der Vermieter anstelle des Mieters das Mietobjekt räumt.*)
VolltextIBRRS 2025, 0077
OLG Brandenburg, Urteil vom 10.07.2024 - 4 U 125/23
1. Eine unangemessene Benachteiligung des Vertragspartners wird widerleglich vermutet, wenn durch Allgemeine Geschäftsbedingungen von der zu den wesentlichen Grundgedanken des Verjährungsrechts gehörenden Regelverjährung des § 195 BGB abgewichen wird.
2. Diese Vermutung ist widerlegt, wenn die Klausel auf Grundlage einer umfassenden Interessenabwägung in ihrer Gesamtheit den Vertragspartner nicht unangemessen benachteiligt. Bei formularmäßigen Verlängerungen der Verjährungsfrist ist dies der Fall, wenn diese sachlich gerechtfertigt sind und maßvoll erfolgen. Für die inhaltliche Ausgewogenheit einer solchen Klausel spricht, wenn die Begünstigung des Verwenders durch Vorteile für dessen Vertragspartner kompensiert werden.
3. Die formularvertragliche Verlängerung der Verjährung des Bürgschaftsanspruchs auf (kenntnisunabhängige) fünf Jahre hält der Inhaltskontrolle stand. Denn die Verlängerung begünstigt nicht nur den Gläubiger, sondern mit Blick auf zusätzlich mögliche Durchsetzungsversuche gegenüber dem Hauptschuldner auch den Bürgen.
4. ...
VolltextIBRRS 2025, 0078
EuGH, Urteil vom 19.12.2024 - Rs. C-392/23
Art. 65, 67 und 69 der Verordnung (EU) Nr. 1303/2013 (...) sind dahin auszulegen, dass eine Sachleistung, die ein Begünstigter in Form der Bereitstellung von Grundstücken und auf diesen belegenen Bauwerken für ein Projekt zur Modernisierung einer Aquakulturanlage beiträgt, das nur im Erwerb von spezieller Ausrüstung, spezieller technischer Maschinen und speziellen Materials für eine vorhandene Fischzuchtanlage besteht, nicht unter den Begriff "förderfähige Ausgabe" im Sinne dieser Bestimmungen fällt.*)
VolltextIBRRS 2025, 0076
BGH, Beschluss vom 11.07.2024 - V ZR 164/23
1. Neue Angriffs- und Verteidigungsmittel sind im Berufungsverfahren zuzulassen, wenn sie einen Gesichtspunkt betreffen, der vom Gericht des ersten Rechtszuges erkennbar übersehen oder für unerheblich gehalten worden ist. Voraussetzung ist, dass die Rechtsansicht des Gerichts den erstinstanzlichen Sachvortrag der Partei beeinflusst hat und daher, ohne dass deswegen ein Verfahrensfehler gegeben wäre, (mit-)ursächlich dafür geworden ist, dass sich Parteivorbringen in das Berufungsverfahren verlagert hat.
2. Die Rechtsansicht des Gerichts hat den erstinstanzlichen Sachvortrag beeinflusst, wenn das Gericht die Partei durch seine Prozessleitung oder seine erkennbare rechtliche Beurteilung des Streitverhältnisses davon abgehalten hat, zu bestimmten Gesichtspunkten vorzutragen.
3. Das erstinstanzliche Gericht kann auch durch das Unterlassen von Hinweisen den Eindruck erwecken, der bisherige Parteivortrag sei ausreichend.
VolltextIBRRS 2025, 0067
OLG Braunschweig, Beschluss vom 21.11.2024 - 8 U 116/17
Schließen die Parteien ohne Beteiligung des Nebenintervenienten einen Vergleich, führt der Grundsatz der Kostenparallelität dazu, dass der Kostenerstattungsanspruch des Nebenintervenienten inhaltlich dem Kostenerstattungsanspruch entspricht, den die von ihm unterstützte Hauptpartei gegen den Gegner hat. Die Regelung in § 101 Abs. 1 ZPO i.V.m. § 98 Abs. 1 ZPO ist zwingend.*)
VolltextOnline seit 8. Januar
IBRRS 2025, 0058LG Frankfurt/Main, Urteil vom 20.12.2024 - 2-31 O 156/24
1. Ein Entschädigungsanspruch aus § 642 BGB ist konkret bauablaufbezogen darzulegen. Das gilt nur dann nicht, wenn der Anspruch anders nachvollzogen werden kann.
2. Bei der konkreten bauablaufbezogenen Darstellung sind die tatsächlichen Ist- und geplanten Soll-Abläufe gegenüberzustellen. Dabei ist jede Veränderung vom ursprünglichen bis zum letzten endgültigen Ablaufplan zu betrachten und auszuwerten. Jede konkrete Behinderung bzw. zeitliche Veränderung ist separat im Hinblick auf die Ursache und die jeweils konkreten Auswirkungen zu beurteilen und darzulegen. Der jeweils gewonnene Ist-Plan ist als neuer Soll-Plan für die Betrachtung der nächsten Veränderungen zugrunde zu legen.
3. Darzulegen ist, wie der Auftragnehmer den Bauablauf tatsächlich geplant hatte, das heißt, welche Teilleistungen er in welcher Zeit herstellen wollte und wie der Arbeitskräfteeinsatz erfolgen sollte. Dem ist der tatsächliche Bauablauf gegenüberzustellen und die einzelnen Behinderungstatbestände aufzuführen sowie deren tatsächliche Auswirkungen auf den Bauablauf zu erläutern.
4. Einer Feststellungsklage fehlt grundsätzlich das Feststellungsinteresse, wenn die Klägerin dasselbe Ziel mit einer Klage auf Leistung erreichen kann (hier bejaht für einen Feststellungsantrag, wonach ein vom Auftraggeber geltend gemachter Rückzahlungsanspruch nicht bestehe).
VolltextIBRRS 2025, 0071
LSG Bayern, Urteil vom 18.09.2024 - L 3 U 86/22
1. Ein Unternehmer des Baugewerbes, der einen anderen Unternehmer mit der Erbringung von Bauleistungen beauftragt, haftet gegenüber der Berufsgenossenschaft der Bauwirtschaft für die Erfüllung der Zahlungspflicht des Nachunternehmers oder eines von dem Nachunternehmer beauftragten Verleihers wie ein selbstschuldnerischer Bürge.
2. Der Unternehmer kann die Zahlung verweigern, solange die Einzugsstelle den Nachunternehmer nicht gemahnt hat und die Mahnfrist nicht abgelaufen ist.
3. Ein aus fehlender Mahnung resultierendes Leistungsverweigerungsrecht des Unternehmers kann zur Rechtswidrigkeit des Haftungsbescheids führen.*)
4. Im Rahmen der Beitragshaftung ist eine Mahnung kein Verwaltungsakt, sondern eine einseitige empfangsbedürftige Willenserklärung. Die Mahnung muss, damit sie ihre Warnfunktion erfüllen kann, dem Empfänger nach allgemeinen zivilrechtlichen Grundsätzen zugehen.
5. Es besteht weder eine Vermutung für den Zugang eines mit einfachem Brief übersandten behördlichen Schreibens noch gelten insoweit die Grundsätze des Anscheinsbeweises.
VolltextIBRRS 2025, 0047
OLG Düsseldorf, Beschluss vom 28.09.2022 - Verg 16/22
1. An Rügen ist zwar ein großzügiger Maßstab anzulegen. Reine Vermutungen zu eventuellen Vergabeverstößen reichen indes nicht aus. Auch bei Vergabeverstößen, die sich ausschließlich in der Sphäre der Vergabestelle abspielen, ist ein Mindestmaß an Substanziierung einzuhalten. Eine willkürliche, aufs Geratewohl oder ins Blaue hinein aufgestellte Behauptung ist unzulässig und unbeachtlich.
2. Werden dem Antragsteller während des Nachprüfungsverfahrens weitere mögliche Vergaberechtsverstöße bekannt, kann er diese zum Gegenstand des Nachprüfungsverfahrens machen, sofern die Rüge des erst im Vergabenachprüfungsverfahren bekannt gewordenen Vergaberechtsverstoßes im Übrigen zulässig, insbesondere nicht präkludiert ist. Das gilt auch dann, wenn das Nachprüfungsverfahren zunächst unzulässig war, weil es aufgrund eines nicht, nicht unverzüglich oder inhaltlich unzureichend gerügten Verstoßes eingeleitet worden ist.
3. Ist das Angebot des Bieters nicht das zweit-, sondern das dritt- oder schlechter platzierte, bedarf die Feststellung einer Verschlechterung der Zuschlagschancen demzufolge einer über die Vergaberechtswidrigkeit der Auswahl des erstplatzierten Bieters hinausgehender Darlegung.
4. Im Rahmen des geltenden Amtsermittlungsgrundsatzes ist die Vergabekammer grundsätzlich auch zum Aufgreifen nicht geltend gemachter, sich aufdrängender Vergaberechtsfehler befugt, soweit der Nachprüfungsantrag zulässig ist. Insbesondere muss der Antragsteller seine Rügeobliegenheit erfüllt haben. Präkludierte Verstöße dürfen von Amts wegen nicht aufgegriffen werden.
5. Der Anspruch auf Akteneinsicht im Nachprüfungsverfahren hat eine rein dienende, zum zulässigen Verfahrensgegenstand akzessorische Funktion. Von daher besteht er dann nicht, wenn der Nachprüfungsantrag zweifelsfrei unzulässig ist oder wenn der Bieter ins Blaue hinein Fehler oder mögliche Verstöße in der Hoffnung rügt, mithilfe von Akteneinsicht zusätzliche Informationen zur Untermauerung substanzloser Mutmaßungen zu erhalten.
VolltextIBRRS 2025, 0020
OVG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 24.10.2024 - 2 L 54/24
1. Ist die Verschattung von rückwärtigen Grundstücksteilen durch die dichte Bebauung im vorderen Bereich der benachbarten Grundstücke mitbedingt, kann der Nachbar nicht schutzwürdig erwarten, der rückwärtige Grundstücksbereich bleibe ab dem Nachmittag bis zum Sonnenuntergang vollständig besonnt.*)
2. Dem Nachbarn ist es - insbesondere in Innerortslagen mit typischerweise dichter Bebauung - grundsätzlich zuzumuten, sich gegen Einsichtsmöglichkeiten in Wohnräume - insbesondere auch in Schlafzimmerbereiche oder Badezimmer - im Wege architektonischer Selbsthilfe durch entsprechende Vorkehrungen wie Gardinen, Vorhänge, Rollläden oder Ähnlichem zu schützen.*)
VolltextIBRRS 2024, 3682
BGH, Urteil vom 27.11.2024 - VIII ZR 36/23
Erteilt der Vermieter dem Mieter vor Abgabe von dessen Vertragserklärung die Auskunft, es handele sich um die erste Vermietung nach umfassender Modernisierung, stellt sich jedoch heraus, dass keine umfassende, sondern lediglich eine einfache Modernisierung durchgeführt worden ist, ist der Vermieter nicht gem. § 556g Abs. 1a Satz 2 BGB gehindert, sich jedenfalls auf die nach Maßgabe des § 556e Abs. 2 BGB zulässige Miete zu berufen (Bestätigung von Senatsurteil vom 18.05.2022 - VIII ZR 9/22, Rz. 54, IMRRS 2022, 0902 = WuM 2022). *)
VolltextIBRRS 2025, 0040
BGH, Urteil vom 18.12.2024 - VIII ZR 16/23
Die Verordnung des Landes Berlin vom 19.05.2020 zur zulässigen Miethöhe bei Mietbeginn (Zweite Berliner Mietenbegrenzungsverordnung) ist rechtmäßig und beruht insbesondere auf einer verfassungsgemäßen Ermächtigungsgrundlage.
VolltextIBRRS 2025, 0057
BGH, Urteil vom 20.12.2024 - V ZR 243/23
1. Grundsätzlich kann jeder Wohnungseigentümer von der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer die erstmalige Errichtung des Gemeinschaftseigentums verlangen. Bei einem sog. steckengebliebenen Bau werden wohnungseigentumsrechtliche Ansprüche dieser Art allerdings erst begründet, wenn mindestens ein Erwerber die Stellung eines (werdenden) Wohnungseigentümers erlangt hat.*)
2. § 22 WEG ist auf den Anspruch auf erstmalige Errichtung des Gemeinschaftseigentums nicht analog anwendbar.*)
3. Begrenzt wird der Anspruch auf erstmalige Errichtung des Gemeinschaftseigentums auch im Fall des sog. steckengebliebenen Baus durch den Grundsatz von Treu und Glauben. Danach entfällt der Anspruch, wenn seine Erfüllung den übrigen Wohnungseigentümern nach den Umständen des Einzelfalls nicht zuzumuten ist.*)
4. In einem von einem bauwilligen Wohnungseigentümer gegen die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer angestrengten Beschlussersetzungsverfahren ist es Sache des Tatgerichts, unter umfassender Würdigung der Umstände des Einzelfalls im Rahmen einer Gesamtabwägung über die Unzumutbarkeit der erstmaligen Errichtung zu entscheiden.*)
VolltextIBRRS 2024, 3669
VG Potsdam, Beschluss vom 04.03.2024 - 1 L 908/23
1. Anspruch auf Einrichtung eines beBPo haben Behörden und Körperschaften des öffentlichen Rechts.
2. Zum Behördenbegriff gehören sowohl die unmittelbare wie auch mittelbare Landesverwaltung. Auf den Grad der Eingliederung und Einflussrechte auf die jeweilige Behörde kommt es nicht an.
3. Beliehene, wie z. B. Öffentlich bestellte Vermessungsingenieure, haben als Teil der mittelbaren Landesverwaltung Anspruch auf Zugang zum beBPo.
VolltextIBRRS 2025, 0068
LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 07.11.2024 - L 10 KO 2896/24 B
1. Eine dem (...) Sachverständigen zustehende Vergütung überschreitet den (...) eingezahlten Vorschuss erheblich, wenn sie mindestens 20% des Vorschusses beträgt. Für die Erheblichkeit der Überschreitung kommt es darauf an, was dem (...) Sachverständigen als Vergütung objektiv zustehen würde, nicht darauf, was er als Vergütung geltend gemacht hat.*)
2. Stellt der Sachverständige im Laufe der Vorbereitung oder der Gutachtenerstellung fest, dass der Vorschuss nicht ausreichen wird, darf er dann nicht weiterarbeiten, sondern muss sofort das Gericht informieren und dessen Antwort abwarten.*)
3. § 8a Abs. 4 JVEG ist nicht dahin einschränkend auszulegen, dass die Kürzung der Vergütung des Sachverständigen unterbleibt, wenn davon auszugehen ist, dass es auch bei pflichtgemäßer Anzeige gem. § 407a Abs. 4 Satz 2 Var. 2 ZPO zu einer Fortsetzung seiner Tätigkeit gekommen wäre.*)
4. Bei einer erheblichen Überschreitung des Vorschusses ist die Vergütung des Sachverständigen auf den Betrag des Vorschusses zu kappen ohne einen Aufschlag bis zur Erheblichkeitsgrenze.*)
VolltextIBRRS 2024, 3683
BGH, Urteil vom 27.11.2024 - VIII ZR 278/23
Zur Bemessung des Gegenstandswerts eines Anspruchs auf Abgabe einer Erklärung, dass die Miete künftig herabgesetzt wird, bei einer zwischen den Mietvertragsparteien vereinbarten Staffelmiete i.S.v. § 557a Abs. 1 BGB (im Anschluss an Senatsurteil vom 15.05.2024 - VIII ZR 52/23, Rz. 46 f. m.w.N., IMRRS 2024, 0973 = NZM 2024, 755).*)
VolltextIBRRS 2025, 0061
BGH, Beschluss vom 30.10.2024 - XII ZB 173/24
Die Beschwer eines zur Herausgabe von Urkunden verpflichteten Rechtsmittelführers bemisst sich, sofern nicht der Besitz der Urkunden unmittelbar den Wert eines Rechts verkörpert, an dessen Interesse, eine Zwangsvollstreckung nach § 883 ZPO zu verhindern und entspricht daher betragsmäßig den mit einer solchen Vollstreckung verbundenen Kosten (Fortführung des Senatsbeschlusses vom 27.03.2019 - XII ZB 564/18, FamRZ 2019, 1078 = IBRRS 2019, 1578, und von BGH, Beschlüsse vom 29.06.2023 - III ZR 30/23, FamRZ 2023, 1567 = IBRRS 2023, 2019, und vom 14.07.1999 - VIII ZR 29/99, NJW 1999, 3049 = IBRRS 1999, 0533).*)
VolltextIBRRS 2025, 0059
OLG Stuttgart, Beschluss vom 19.12.2024 - 6 UH 4/24
1. Eine Verweisung ist nicht deswegen als willkürlich anzusehen, weil sich das verweisende Gericht mit einer seine Zuständigkeit möglicherweise begründenden Norm nicht befasst hat, wenn sich keine Prozesspartei zuvor auf diese Norm berufen hat und zudem bislang weder in Literatur noch veröffentlichter Rechtsprechung die Auffassung vertreten wurde, in der vorliegenden Konstellation könne sich die gerichtliche Zuständigkeit aus dieser Norm ergeben.*)
2. Rückabwicklungsansprüche nach Widerruf eines Kaufvertrags aus § 357 BGB sind am (Wohn-)Sitz des jeweiligen Rückgewährschuldners zu erfüllen. Daneben begründet der Wohnsitz des Verbrauchers keinen Leistungsort für die vom Verkäufer zu erfüllende Geldschuld, weswegen ein Gerichtsstand nach § 29 ZPO für diese Schuld am Wohnsitz des Verbrauchers nicht besteht.*)
3. Ein Verstoß gegen die Belehrungspflichten zum Widerruf dürfte wohl keine Verletzung eines Schutzgesetzes i.S.d. § 823 Abs. 2 BGB darstellen; jedenfalls setzt aber die Annahme eines Gerichtsstandes nach § 32 ZPO voraus, dass der Kläger Tatsachen schlüssig behauptet, aus denen sich ein Anspruch einer unerlaubten Handlung ergeben kann.*)
VolltextOnline seit 7. Januar
IBRRS 2024, 3688BAG, Urteil vom 18.10.2023 - 10 AZR 71/23
1. Zusammenhangstätigkeiten im Sinne des VTV sind Vor-, Neben-, Nach- und Hilfsarbeiten, die den eigenen baulichen Haupttätigkeiten dienen, zu ihrer sachgerechten Ausführung notwendig sind und nach der Verkehrssitte üblicherweise von den Betrieben des Baugewerbes miterledigt werden. Sind diese Voraussetzungen erfüllt, sind sie arbeitszeitlich den baulichen Tätigkeiten hinzuzurechnen. Dabei kommt es nicht darauf an, dass die bauliche Haupttätigkeit die Zusammenhangstätigkeit arbeitszeitlich überwiegt.*).
2. Auch typische Vertriebstätigkeiten wie die Kundenakquise und Kundenberatung können als Zusammenhangstätigkeiten im Sinne des VTV gewertet werden, wenn sie auf die Durchführung eigener baugewerblicher Leistungen gerichtet sind. Für die Einordnung derartiger Tätigkeiten kommt es nicht darauf an, ob die Kundenakquise im Ergebnis erfolgreich war und zu einer Beauftragung des Baubetriebs mit den entsprechenden baulichen Leistungen geführt hat.*)
VolltextIBRRS 2025, 0038
VK Südbayern, Beschluss vom 06.08.2024 - 3194.Z3-3_01-24-26
1. Gibt ein öffentlicher Auftraggeber im Rahmen der Erstellung von Konzepten vor, dass das einzureichende Konzept bestimmten Formvorgaben zu entsprechen habe (Seitenanzahl, Schriftart, Schriftgröße und Zeilenabstand), hat er sich im Rahmen der Konzeptbewertung auch damit auseinanderzusetzen, ob die Ausführungen in den eingereichten Konzepten den formellen Vorgaben entsprechen oder nicht und dies entsprechend zu dokumentieren.*)
2. Hat der öffentliche Auftraggeber bei der Konzepterstellung Formvorgaben zu Seitenanzahl, Schriftgröße, Zeilenabstand und Schriftart aufgestellt, kann sowohl eine Überschreitung der Seitenvorgabe als auch eine Nichtbeachtung der Vorgaben zur Schriftgröße, Zeilenabstand und Schriftart dazu führen, dass die Bieter mehr Informationen in ihrem Konzept unterbringen, als wenn sie sich an die Vorgaben gehalten hätten. Daher hat sich der öffentliche Auftraggeber im Rahmen der Konzeptbewertung damit auseinanderzusetzen, wie er derartige Verstöße im Rahmen der Konzeptbewertung berücksichtigt, um eine transparente und gleichbehandelnde Bewertung der Konzepte sicherstellen zu können.*)
3. Wenn formelle Vorgaben, die bei der Konzepterstellung zu beachten sind und daran angeknüpfte Sanktionsmöglichkeiten unklar sind, leidet die Ausschreibung an einem schwer wiegenden Mangel, der eine Rückversetzung des Vergabeverfahrens in den Stand vor Bekanntmachung der Ausschreibung bedingen kann.*)
IBRRS 2024, 3697
OVG Schleswig-Holstein, Beschluss vom 11.11.2024 - 1 MB 19/24
In aller Regel rechtfertigt bereits die sich aus dem Fehlen einer im Einzelfall notwendigen Baugenehmigung für die konkrete Nutzung einer baulichen Anlage ergebende formelle Illegalität den Erlass einer Untersagung der Nutzung. Da diese in erster Linie die Funktion hat, den Bauherrn auf das Genehmigungsverfahren zu verweisen, muss grundsätzlich nicht geprüft werden, ob das Vorhaben auch gegen materielles Recht verstößt. Allerdings darf eine formell rechtswidrige Nutzung aus Gründen der Verhältnismäßigkeit regelmäßig dann nicht untersagt werden, wenn sie offensichtlich genehmigungsfähig bzw. bei verfahrensfreien Vorhaben offensichtlich zulässig ist.*)
VolltextIBRRS 2024, 3671
AG Kreuzberg, Urteil vom 15.03.2024 - 14 C 336/23
1. Für die Bewertung, ob es sich um eine Vermietung zum vorübergehenden Gebrauch handelt, ist neben dem zeitlichen Moment der vereinbarte Vertragszweck maßgeblich. Der bloße Wunsch des Vermieters, ein Mietverhältnis kurz zu begrenzen, kann nur in den Grenzen des § 575 BGB verwirklicht werden.
2. Voraussetzung ist zum einen, dass bei dem Mieter der Bedarf für die Anmietung des Wohnraums aus besonderem Anlass entsteht, der sachlich die Kurzfristigkeit der Gebrauchsüberlassung begründet, und dass zum anderen das baldige Ende des Mietverhältnisses für beide Parteien von vornherein feststeht.
3. Eine Anmietung zu Studienzwecken stellt keinen Anlass dar, der per se die Kurzfristigkeit der Gebrauchsüberlassung begründet. Denn ein Studium kann sich durchaus über mehrere Jahre erstrecken. Für eine vorübergehende Gebrauchsüberlassung könnte es sprechen, wenn die Anmietung etwa nur semesterweise erfolgen würde.
4. Der Mieter hat auch bei der zulässigen Vereinbarung einer Bruttokaltmiete als Inklusivmiete grundsätzlich das Recht zu erfahren, wie sich die Miete zusammensetzt.
VolltextIBRRS 2025, 0027
OLG Schleswig, Beschluss vom 28.05.2024 - 12 U 14/24
1. Eine in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen enthaltene Klausel eines Gewerbemietvertrags, in der die Verjährungsfrist für die Geltendmachung von Schäden von sechs Monaten (§ 548 Abs. 1 BGB) auf 12 Monate verlängert und somit verdoppelt wird, ist unwirksam, da sie den Mieter unangemessen benachteiligt (§ 307 Abs. 1 Satz 1, § 307 Abs. 2 BGB).*)
2. Eine unangemessene Benachteiligung ist im Zweifel anzunehmen, wenn eine Bestimmung mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen werden soll, nicht zu vereinbaren ist. Dies ist danach zu beurteilen, ob die gesetzliche Regelung auf Interessen beider Parteien berücksichtigenden Gerechtigkeitserwägungen beruht oder reinen Zweckmäßigkeitserwägungen folgt. Ersteres ist hier der Fall, so dass auch die formularmäßige Verlängerung nur dann zu billigen ist, wenn sie sachlich gerechtfertigt ist und maßvoll erfolgt.*)
3. Eine sachliche Rechtfertigung der Verlängerung der Verjährungsfrist für Ansprüche des Vermieters hat der BGH jedenfalls im Wohnraummietrecht nicht gesehen. Der Vermieter wird mit Rückgabe der Mietsache in die Lage versetzt, sich Klarheit darüber zu verschaffen, inwieweit ihm Ansprüche wegen Veränderung bzw. Verschlechterung der Mietsache zustehen. Es ist nicht ersichtlich, dass dies innerhalb der gesetzlichen Verjährungsfrist nicht vorgenommen werden könnte. Darüber hinaus betrifft die Regelung in § 548 BGB auch die berechtigten Interessen des Mieters, da dieser nach Rückgabe der Sache keinen Einfluss mehr auf die Mietsache hat und keine beweissichernden Feststellungen mehr treffen kann. Auch der Regelungszweck einer zeitnahen Rechtssicherheit und Rechtsklarheit spricht gegen die Zulässigkeit einer formularvertraglichen Verlängerung der Verjährungsfrist, so dass nach alledem die Verjährungsverlängerung unzulässig ist (so für eine entsprechende Vereinbarung beim Wohnraummietverhältnis BGH, Urteil vom 08.11.2017 - VIII ZR 13/17, Rz. 27 ff., IMRRS 2017, 1615 = BGHZ 217, 1 bis 13).*)
4. Auch wenn man dies wegen der höher einzuschätzenden Privatautonomie der Parteien, der größeren Professionalität der Mietvertragsparteien und der möglicherweise komplexeren Beweissicherung in größeren Mieträumlichkeiten für das Gewerbemietrecht grundsätzlich anders sehen könnte, gilt dies jedenfalls nicht für eine wie hier vorgenommene asymmetrische Verlängerung, bei der lediglich für den Vermieter die Verjährungsfrist verlängert wird, nicht hingegen für mögliche Gegenansprüche des Mieters. In einem solchen Fall liegt jedenfalls auch im Bereich der Gewerbemiete eine unangemessene Benachteiligung vor, weil einseitig zu Lasten des Mieters von der gesetzlichen Regelung abgewichen wird. Es könnte sich die Situation ergeben, dass der Vermieter noch Ansprüche gegen den Mieter zu einem Zeitpunkt geltend machen könnte, wo dessen Gegenansprüche nach sechs Monaten bereits verjährt wären. Unter Berücksichtigung dieses Gesichtspunkts stellt sich die Verlängerung der Verjährungsfrist jedenfalls im vorliegenden Fall als unangemessen benachteiligend für den Mieter und deshalb unwirksam dar.*)
VolltextIBRRS 2024, 3681
BGH, Beschluss vom 19.11.2024 - VI ZR 35/23
Art. 103 Abs. 1 GG ist dann verletzt, wenn der Tatrichter Angriffs- oder Verteidigungsmittel einer Partei in offenkundig fehlerhafter Anwendung einer Präklusionsvorschrift zu Unrecht für ausgeschlossen erachtet.*)
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