Bau-, Architekten- und Immobilienrecht.
Volltexturteile nach Sachgebieten
1255 Entscheidungen insgesamt
Online seit 2014
IBRRS 2014, 0484BGH, Beschluss vom 10.12.2013 - X ZR 74/11
Dem anrechnungsfähigen Zeitaufwand eines Sachverständigengutachtens im Patentnichtigkeitsverfahren ist lediglich dadurch eine Obergrenze gesetzt, dass ein gerichtlicher Sachverständiger fachliche Kompetenz gerade auf dem technischen Gebiet besitzt und besitzen muss, auf das sich die Begutachtung bezieht und für das er seine Kompetenz aufgrund der entsprechenden Anfrage des Gerichts vor der Beauftragung mit dem Gutachten bestätigt hat. Zwischen Fachkunde und zeitlichem Aufwand muss daher eine plausible Proportionalität gewahrt sein.
VolltextIBRRS 2014, 0444
LG Wiesbaden, Urteil vom 27.09.2013 - 2 O 12/12
Die mit dem gerichtlichen Gutachten nicht einverstandene Partei muss, will sie die Möglichkeit der Regress-Inanspruchnahme dieses Sachverständigen nicht von vorneherein verlieren, bereits im Ursprungsprozess schlüssig auch die Voraussetzungen für die Einholung eines neuen Gutachtens im Sinne des § 412 ZPO liefern.
VolltextIBRRS 2014, 0420
LG Hamburg, Beschluss vom 04.12.2013 - 313 O 310/10
(Ohne amtlichen Leitsatz)
VolltextIBRRS 2014, 0419
OLG Hamburg, Beschluss vom 15.01.2014 - 15 W 1/14
Wenn das Bauwerk, an dem die streitgegenständlichen Mängel vorhanden sein sollen, Eigentum einer dritten, nicht am Verfahren beteiligten Person ist, kann der Antrag der beweisbelasteten Partei gemäß § 144 ZPO, den Eigentümer zur Duldung der Begutachtung zu verpflichten, im Falle von Wohnungen abgelehnt werden.
IBRRS 2014, 0387
OLG Stuttgart, Beschluss vom 10.10.2013 - 3 W 48/13
1. Die Leitung des Sachverständigen obliegt dem Gericht. Daher ist ein persönlicher Kontakt der Partei mit dem Sachverständigen unzulässig.
2. Der Sachverständige als professionell tätiger Gutachter ist ohne Weiteres in der Lage, eine persönliche Verärgerung aufgrund eventueller Beleidigungen der Prozessparteien von der fachlichen Beantwortung der Beweisfragen zu trennen.
3. Die Zusammenarbeit des Sachverständigen in anderen Angelegenheiten mit Verwandten der anderen Partei kann nicht ohne Weiteres die Besorgnis der Befangenheit begründen.
VolltextIBRRS 2014, 0310
OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 20.12.2013 - 4 B 543/13
Die Festsetzung einer Altersgrenze von 68 Jahren für staatlich anerkannte Sachverständige für die Prüfung der Standsicherheit ist zur Gewährleistung der Sicherheit von Bauten, der am Bau Beteiligten, der Gebäudenutzer sowie der Allgemeinheit zulässig.
VolltextIBRRS 2014, 0206
OLG München, Urteil vom 25.07.2013 - 1 U 615/13
Unterlässt es eine Partei im vorausgegangenen Haftungsprozess gegen den Unfallgegner schuldhaft, den vom Gericht geladenen Sachverständigen die Fragen und Einwendungen, die sie gegen die Richtigkeit der bisherigen Begutachtung erhebt, vorzulegen, kann sie den Sachverständigen später nicht auf Schadensersatz in Anspruch nehmen.*)
VolltextIBRRS 2014, 0093
OLG Koblenz, Beschluss vom 27.12.2013 - 5 W 704/13
War die erste Frist, die das Gericht dem Sachverständigen zur Erstattung des Gutachtens gesetzt hatte, bereits verstrichen, als ihm endgültig aufgetragen wurde, mit seiner Arbeit am Gutachten zu beginnen, kann auf die Nichtbeachtung einer späteren "Nachfrist" kein Ordnungsgeld gestützt werden.
VolltextOnline seit 2013
IBRRS 2013, 5101OLG Düsseldorf, Beschluss vom 24.10.2013 - 23 U 20/13
1. Bestellt ein Schiedsgericht im Namen der Parteien einen Sachverständigen, wird ein Vertrag des Sachverständigen mit allen Schiedsparteien begründet, und nicht nur mit der beweisbelasteten Partei. Daher können die Parteien nur einheitlich über die Minderung entscheiden.
2. Ist der für die Beantwortung der Beweisfrage zugrunde zu legende Sachverhalt umstritten, ist es nicht Sache des Sachverständigen, die Anknüpfungstatsachen zu ermitteln, sondern des Gerichts. Es stellt kein Mangel des Gutachtens dar, wenn der Gutachter umstrittene, vom Schiedsgericht nicht vorgegebene Anknüpfungstatsachen nicht berücksichtigt hat.
VolltextIBRRS 2013, 5079
OLG Brandenburg, Beschluss vom 18.11.2013 - 11 W 47/13
Der auf eine Auseinandersetzung mit dem sachlichen Inhalt einer schriftlichen Darlegung des Sachverständigen gestützte Vorwurf fehlerhafter Gutachtenserstattung infolge mangelnder Sorgfalt, unzureichender Sachkunde oder sonstiger Unzulänglichkeiten begründet im Allgemeinen nicht die Besorgnis der Befangenheit, weil diese Rüge lediglich die Qualität des Gutachtens und nicht die Unparteilichkeit des Sachverständigen betrifft.
VolltextIBRRS 2013, 4808
OLG Naumburg, Beschluss vom 11.06.2013 - 10 W 29/13
1. Meint eine Partei aus Äußerungen des Sachverständigen während seiner Untersuchung auf dessen Befangenheit schließen zu können, so hat sie dies unverzüglich geltend zu machen. Wartet sie ab, ob das Gutachten für sie negativ ausgeht und lehnt dann erst den Sachverständigen als befangen ab, so ist sie mit dieser Begründung ausgeschlossen.*)
2. Die Tätigkeit eines Sachverständigen erschöpft sich nicht in der Wiedergabe der Erkenntnisse Dritter aus der Fachliteratur. Seine Aufgabe besteht vielmehr darin, aufgrund besonderer eigener Sachkunde das Gericht darin zu unterstützen, aus einem Sachverhalt zutreffende Rückschlüsse zu ziehen. Das schließt subjektive Wertungen, Schlussfolgerungen und Hypothesen ein.*)
VolltextIBRRS 2013, 4789
OLG Koblenz, Beschluss vom 12.11.2013 - 14 W 621/13
Beauftragt ein Versicherer lange vor Prozessbeginn einen Privatgutachter, dient das in der Regel nur der Prüfung der Einstandspflicht. Ausnahmsweise kann etwas anderes gelten, wenn ein Anhalt für versuchten Versicherungsbetrug besteht. Die einen derartigen Verdacht rechtfertigenden Umstände zum Zeitpunkt der Auftragserteilung muss der Versicherer jedoch im Kostenfestsetzungsverfahren konkret vortragen und glaubhaft machen, um die Prozessbezogenheit darzutun. Ein nicht erläuterter subjektiver Argwohn ist unzureichend.
VolltextIBRRS 2013, 4638
OLG München, Urteil vom 17.10.2013 - 1 U 3816/12
Ein Schadensersatzanspruch wegen eines unrichtigen Gerichtsgutachtens setzt voraus, dass dem Sachverständigen ein grob fahrlässiger Pflichtenverstoß vorgeworfen werden kann. Grobe Fahrlässigkeit nach § 839a BGB verlangt einen objektiv schweren und subjektiv nicht entschuldbaren Verstoß gegen die Anforderungen der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt.
VolltextIBRRS 2013, 4570
OLG Naumburg, Beschluss vom 25.06.2013 - 10 W 6/13 (Abl)
Eine Nähe, die eine Besorgnis der Befangenheit rechtfertigt, kann darin liegen, dass der Sachverständige zur Zeit der Erbringung eines Teils seiner gutachterlichen Leistungen in einer Klinik derselben Unternehmensgruppe abhängig beschäftigt gewesen ist, zu der auch die Streitverkündete zu 1) gehört und bei der auch die Streitverkündeten zu 2) und 3), abhängig beschäftigt sind, welche sämtlich dem Rechtsstreit auf Seiten der Klägerin beigetreten sind. Dabei kommt es nicht darauf an, dass diese Sorge möglicherweise beim Beklagten näher als bei der Klägerin läge. Wie ein Richter kann grundsätzlich auch ein Sachverständiger von beiden Seiten wegen einer persönlichen oder geschäftlichen Nähe zu einer der Parteien abgelehnt werden (§ 406 Abs. 1, § 42 Abs. 3 ZPO).*)
VolltextIBRRS 2013, 4519
BGH, Urteil vom 10.10.2013 - III ZR 345/12
1. Bei der Haftung des Sachverständigen für ein unrichtiges Verkehrswertgutachten im Zwangsversteigerungsverfahren ist zu berücksichtigen, dass dieses der Feststellung des Verkehrswerts des Versteigerungsobjekts dient und gerade auch in dieser Hinsicht, also bezüglich des festgestellten Verkehrswerts, "unrichtig" sein muss.*)
2. Baumängel und Bauschäden haben in diesem Zusammenhang insoweit Bedeutung, als sie sich auf den Verkehrswert auswirken. Anders als der speziell mit der Feststellung von Baumängeln beauftragte - und diesbezüglich besonders sachkundige - Gutachter darf sich der Verkehrswertgutachter im Allgemeinen mit der Inaugenscheinnahme des Versteigerungsobjekts begnügen und muss erst dann weitere Ermittlungen zu etwaigen Mängeln anstellen oder entsprechende Hinweise geben, wenn hierzu nach den Umständen des konkreten Falls Anlass besteht.*)
3. Bei der Ermittlung des Verkehrswerts eines (bebauten) Grundstücks sind kleinere Diskrepanzen zwischen dem vom Regressgericht festgestellten und dem vom Sachverständigen ermittelten Verkehrswert unvermeidbar; sie dürfen nicht ohne weiteres zu Lasten des Sachverständigen gehen.*)
4. Grobe Fahrlässigkeit erfordert, dass der Gutachter unbeachtet gelassen hat, was jedem Sachkundigen einleuchten muss, und dass seine Pflichtverletzung schlechthin unentschuldbar ist. Maßgebend ist hierbei nicht der Sorgfaltsmaßstab eines Bauschadenssachverständigen, sondern der Sorgfaltsmaßstab eines Verkehrswertgutachters.*)
VolltextIBRRS 2013, 4467
OLG Naumburg, Beschluss vom 12.06.2013 - 10 W 66/12
Es reicht für die Annahme der Befangenheit eines weltweit tätigen Sachverständigen für die Bewertung von Anlagen nicht aus, dass er von einer Partei, die selbständige Konzerngesellschaft einer großen Aktiengesellschaft ist, vorgeschlagen wurde und vorher für eine andere Konzerngesellschaft in den letzten 14 Monaten zweimal Beweissicherungsgutachten erstattet hatte.*)
VolltextIBRRS 2013, 4287
BGH, Beschluss vom 24.09.2013 - VI ZB 12/13
Ein rechtliches Interesse an einer vorprozessualen Klärung der haftungsrechtlich maßgeblichen Gründe für einen Gesundheitsschaden durch einen Sachverständigen kann im selbständigen Beweisverfahren auch dann gegeben sein, wenn zwar die Feststellung der Vermeidung eines Rechtsstreits dienen kann, jedoch für eine abschließende Klärung weitere Aufklärungen erforderlich erscheinen.*)
VolltextIBRRS 2013, 4264
OLG Düsseldorf, Urteil vom 07.05.2013 - 21 U 3/12
1. Wurde gegen einen Gesellschafter einer GbR vor Änderung der Rechtsprechung zur Teilrechtsfähigkeit und Prozessfähigkeit der GbR ein selbständiges Beweisverfahren eingeleitet, tritt die verjährungshemmende bzw. verjährungsunterbrechende Wirkung der Durchführung eines solchen Verfahrens nicht automatisch im Sinne einer gedachten Rubrumsberichtigung bei der Gesellschaft ein. Dies gilt, wenn auch im Wege der Auslegung der Antragsschrift nicht festgestellt werden kann, dass neben dem Gesellschafter auch die GbR Rechtssubjekt des selbständigen Beweisverfahrens sein sollte.*)
2. Soll durch die Einleitung des selbständigen Beweisverfahrens die Verjährung eines gegen eine Partnerschaftsgesellschaft gerichteten Anspruchs gehemmt bzw. unterbrochen werden, so muss die Partnerschaftsgesellschaft vom Antragsteller in das selbständigen Beweisverfahren einbezogen werden, was jedenfalls im Wege der Auslegung festgestellt werden kann.*)
3. Die subjektive bzw. objektive Klageerweiterung ist nicht durch einen nach Schluss der mündlichen Verhandlung eingereichten Schriftsatz möglich.*)
4. Die Verweigerung der Zustimmung zur Erweiterung der Klage in der Berufungsinstanz auf eine bisher am Prozess nicht beteiligte Partei ist rechtsmissbräuchlich, wenn ein schutzwürdiges Interesse des neuen Beklagten an der Weigerung nicht zu erkennen und ihm zuzumuten ist, in den Prozess einzutreten.*)
5. Zum Ende der Hemmungswirkung gemäß § 204 Abs. 2 S. 1 BGB und der Feststellung der Beendigung des selbständigen Beweisverfahrens.*)
6. Zur Einordnung des Sachverständigen-/Gutachtensauftrages als Werkvertrag im Sinne des § 631 BGB und zur Haftung des Privatsachverständigen.*)
VolltextIBRRS 2013, 4259
OLG Frankfurt, Urteil vom 11.12.2012 - 6 U 43/12
1. Stellt eine Versicherung die unzutreffende Behauptung auf, ein Sachverständiger vereinbare ein "Überprüfungsverbot", wird dadurch selbst dann kein konkretes Wettbewerbsverhältnis zwischen den Beteiligten begründet, wenn die Versicherung eigene, für sie tätige Hausgutachter beschäftigt.*)
2. In der unter Ziffer 1. genannten Äußerung kann jedoch eine kreditschädigende Äußerung im Sinne von § 824 BGB liegen.*)
VolltextIBRRS 2013, 4246
VerfGH Bayern, Entscheidung vom 05.03.2013 - Vf. 123-VI-11
1. Überprüfung verwaltungsgerichtlicher Entscheidungen, mit denen das Begehren des Beschwerdeführers abgelehnt wurde, über die in einer Rechtsverordnung geregelte Höchstaltersgrenze von 68 Jahren hinaus als Prüfingenieur im Freistaat Bayern anerkannt zu bleiben, am Maßstab des Rechts auf den gesetzlichen Richter (Art. 86 Abs. 1 Satz 2 BV), der allgemeinen Handlungsfreiheit (Art. 101 BV) und des Gleichheitssatzes (Art. 118 Abs. 1 BV).*)
2. Die Höchstaltersgrenze von 68 Jahren für Prüfingenieure im Bauwesen (Standsicherheit) gem. § 7 Abs. 1 Nr. 4 BayPrüfVBau ist mit der bayerischen Verfassung vereinbar.
VolltextIBRRS 2013, 4221
AG Bad Segeberg, Urteil vom 30.11.2012 - 9 C 350/12
1. Der Geschädigte kann die Kosten für die Einholung eines sog. Ergänzungs- oder Nachtragsgutachtens aufgrund eines von dem Schädiger eingeholten Gegengutachtens nur dann erstattet verlangen, wenn er dies im Zeitpunkt der Beauftragung des zweiten Gutachtens zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung für erforderlich halten durfte.*)
2. Dies ist der Fall, wenn das Gegengutachten des Geschädigten technische Einwendungen enthält, die eine ergänzende Stellungnahme durch einen technischen Sachverständigen erfordern. In diesem Fall ist unerheblich, ob der Geschädigte damit rechnen darf, dass der Schädiger aufgrund des Ergänzungsgutachtens seine Auffassung ändern und den Schaden nunmehr vollständig regulieren wird.*)
3. Erfordert demgegenüber der Inhalt des Gegengutachtens keine sachverständige Beurteilung, weil der Schädiger bestimmte in dem Schadensgutachten des Geschädigten enthaltene Schadenspositionen allein aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen für unbegründet erachtet, ist für den Geschädigten ohne Weiteres erkennbar, dass eine ergänzende Stellungnahme durch einen technischen Sachverständigen nicht geeignet ist, eine zweckentsprechende Verfolgung seiner Ansprüche zu ermöglichen.*)
VolltextIBRRS 2013, 4108
OLG Koblenz, Beschluss vom 07.10.2013 - 14 W 533/13
1. Ein schwerer gerichtlicher Verfahrensverstoß, der die Nichterhebung der dadurch verursachten Kosten rechtfertigt, ist in einer Beweiserhebung zu einer Frage zu sehen, die zwischen den Parteien unstreitig ist (hier: Sachverständigengutachten zur Echtheit einer Unterschrift).*)
2. Verhält sich das insoweit überflüssige Sachverständigengutachten daneben auch über entscheidungserhebliches streitiges Parteivorbringen (hier: inhaltliche Verfälschung der ursprünglich echten Urkunde), können die auf die überflüssige Beweiserhebung entfallenen anteiligen Kosten geschätzt werden.*)
VolltextIBRRS 2013, 3963
OLG Rostock, Beschluss vom 03.09.2013 - 7 W 6/13
1. Wird das Gutachten eines Sachverständigen infolge eines erfolgreich begründeten Ablehnungsgesuchs durch gerichtliche Entscheidung unverwertbar, so verliert der Sachverständige seinen Entschädigungsanspruch nur dann, wenn er dem Ablehnungsgrund selbst verschuldet hat.*)
2. Liegt der Ablehnungsgrund erst nach Beauftragung des Sachverständigen vor, entfällt der Entschädigungsanspruch nur, soweit der Sachverständige den Ablehnungsgrund vorsätzlich oder grob fahrlässig herbeigeführt hat.*)
VolltextIBRRS 2013, 3724
OLG Saarbrücken, Beschluss vom 23.07.2013 - 6 UF 126/13
Das Gericht darf in der Endentscheidung ein Gutachten eines mit substantiierten Gründen und nicht rechtsmissbräuchlich abgelehnten Sachverständigen nicht verwerten, ohne zuvor die Befangenheitsablehnung beschieden zu haben.*)
VolltextIBRRS 2013, 3675
OVG Sachsen, Urteil vom 07.05.2013 - 3 A 834/11
1. Zu den Voraussetzungen des Eintritts der Bindungswirkung eines nicht vollständig abgefassten, zuzustellenden Urteils, wenn die Entscheidungsformel auf der Geschäftsstelle hinterlegt wird.*)
2. Die in § 36 Abs. 1 Satz 1 GewO in Verbindung mit der Sachverständigenordnung der Industrie- und Handelskammer geregelten subjektiven Zulassungsvoraussetzungen genügen dem bei Eingriffen in die Freiheit der Berufsausübung anzuwendenden allgemeinen Gesetzesvorbehalt des Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG.*)
3. Für den Nachweis der besonderen Sachkunde i. S. v. § 36 Abs. 1 Satz 1 GewO bedarf es keiner weitergehenden Regelungen über die maßgeblichen Leistungsanforderungen und Bewertungskriterien.*)
4. Das Regelungsziel des § 36 GewO besteht darin, im Interesse eines reibungslosen Rechtsverkehrs und einer funktionierenden Rechtspflege allen Behörden, Gerichten und privaten Interessenten für komplizierte Sachverhaltsfeststellungen und Prüfungen kompetente und glaubwürdige Fachleute anzubieten.*)
5. An die Qualität von Gutachten eines öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen sind in Anbetracht dieses Regelungsziels erhöhte Anforderungen zu stellen.*)
6. Schriftliche Gutachten eines öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen müssen so erstellt sein, dass die zur Entscheidung berufenen Richter das Gutachten jedenfalls nach einer angemessenen Einarbeitungszeit nachvollziehen können.*)
7. Dies setzt voraus, dass der Sachverständige die ausschlaggebenden Befundtatsachen vollständig angibt. Das Gericht muss zudem nachvollziehen können, wie der Sachverständige methodisch vorgegangen ist und warum er bestimmte Schlussfolgerungen gezogen hat.*)
8. Die Überprüfung der besonderen Sachkunde nach § 36 Abs. 1 Satz 1 GewO kann durch die zuständige Kammer auf Grundlage einer Satzung nach § 36 Abs. 4 GewO (Sachverständigenordnung) erfolgen, sofern die Bestellung nicht durch eine Rechtsverordnung nach § 36 Abs. 3 GewO geregelt wurde.
9. Die Sachverständigenordnung muss keine konkreten Regelungen zum Prüfungsstoff, zur Ausgestaltung der Prüfung, zu den Grundsätzen der Bewertung, zur Ermittlung des Prüfungsergebnisses, zum Bestehen der Prüfung oder zu einem verwaltungsinternen Kontrollverfahren enthalten.
10. Auch bei Vorlage von Zertifikaten akkreditierter privater Zertifizierungsinstitute ist vor einer öffentlichen Bestellung als Sachverständiger die besondere Sachkunde im Einzelfall zu prüfen.
11. Das europäische System der Akkreditierung und Zertifizierung führt nicht zur automatischen Gleichstellung von zertifizierten Sachverständigen mit öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen.
IBRRS 2013, 3623
VGH Hessen, Beschluss vom 26.02.2013 - 7 A 1644/12
1. Die für Prüfberechtigte und Prüfsachverständige nach der Hessischen Bauordnung geltende Altersgrenze von 70 Jahren nach § 7 Abs. 1 Nr. 2 der Hessischen Prüfberechtigten- und Prüfsachverständigenverordnung ist mit höherrangigem Recht vereinbar.*)
2. Die Altersgrenze ist eine Benachteiligung wegen des Alters im Sinne des § 3 Abs. 1 Satz 1 AGG.*)
3. Diese Benachteiligung ist gerechtfertigt, da der Mitgliedstaat Deutschland mit der Festlegung einer Altersgrenze zur Gewährleistung der Bausicherheit auf subnationaler Ebene (Bundesland) vom Sicherheitsvorbehalt des Art. 2 Abs. 5 der RL 2000/78/EG in zulässiger Weise Gebrauch gemacht hat.*)
VolltextIBRRS 2013, 3605
OLG Saarbrücken, Beschluss vom 08.07.2013 - 5 W 64/13
Ein Sachverständiger, der einen Ortstermin durchführt, obwohl eine Partei der Gegenseite den Zutritt zum Terminsort verweigert, kann mit Erfolg abgelehnt werden.*)
VolltextIBRRS 2013, 3523
VG Düsseldorf, Urteil vom 10.04.2013 - 20 K 440/12
Die in § 5 Abs. 1 b SV-VO NRW geregelte generelle Höchstaltersgrenze für staatlich anerkannte Sachverständige für die Prüfung der Standsicherheit verstößt gegen höherrangiges Recht. Sie ist mit Regelungen des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) und der Richtlinie 2000/78/EG des Europäischen Rates (Gleichbehandlungsrichtlinie) nicht vereinbar, weil sie eine unzulässige Diskriminierung wegen des Alters darstellt.*)
VolltextIBRRS 2013, 3471
OLG Zweibrücken, Beschluss vom 02.08.2013 - 4 W 53/13
Ein Sachverständiger darf sich gegen Angriffe eines Rechtsanwalts oder einer Partei auch mit deutlichen Worten zur Wehr setzen.*)
VolltextIBRRS 2013, 3333
AG Detmold, Beschluss vom 21.05.2013 - 8 C 272/11
Bei der Ermittlung von Ursachen und Abgrenzung von Verantwortlichkeiten für einen Wildschaden sind als Vergleichsgruppen die "Feststellung von Schäden an Gebäuden" und "Feststellung einer Brandursache" heranzuziehen, nicht die Vergleichsgruppe "Garten- und Landschaftsbau".*)
VolltextIBRRS 2013, 3253
AG Köln, Urteil vom 28.08.2012 - 267 C 242/11
1. Der Versicherer hat die Kosten, die dem Versicherungsnehmer durch die Zuziehung eines Sachverständigen oder eines Beistandes entstehen, nicht zu erstatten, es sei denn, der Versicherungsnehmer ist zur Zuziehung vertraglich verpflichtet oder vom Versicherer aufgefordert worden.
2. Der Passus „Sollte ich nicht bis zum xxx entsprechende Entlastungsbeweise Ihrerseits vorgelegt bekommen, werde ich in die Regulierung eintreten und bitte um Verständnis“ kann nicht als Aufforderung zur Einholung eines Sachverständigengutachtens ausgelegt werden.
VolltextIBRRS 2013, 3174
OLG Koblenz, Beschluss vom 08.07.2013 - 14 W 372/13
Ist ein Graphologe erfolgreich wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt worden, führt das nicht zum Verlust des Vergütungsanspruchs, wenn ihm allenfalls eine Ungeschicklichkeit, nicht jedoch ein grobes Fehlverhalten anzulasten ist (hier: Einholung von Schriftproben ohne Ladung der Gegenseite).*)
VolltextIBRRS 2013, 3139
OLG Koblenz, Beschluss vom 10.07.2013 - 14 W 380/13
1. Anwaltskosten eines Gerichtssachverständigen können erstattungsfähige Auslagen im Sinne von § 7 Abs. 1 Satz 1 JVEG sein.*)
2. Die Sachverständigenvergütung ist alsbald nach der Rechnungsstellung und Eingang eines weiteren Auslagenvorschusses zu zahlen. Liegt der verzögerten Zahlung die offenkundige gerichtliche Fehlvorstellung zugrunde, ein Gutachten sei gar nicht erstellt worden, ist es nicht notwendig, für ein klarstellendes Mahnschreiben anwaltliche Hilfe in Anspruch zu nehmen.*)
VolltextIBRRS 2013, 3112
OLG Köln, Urteil vom 12.03.2013 - 24 U 142/12
1. Ein Gutachter, der ein fehlerhaftes Gutachten erstattet, ist dem Auftraggeber sowie jedem in den Schutzbereich des Gutachtens einbezogenen Dritten zum Schadensersatz verpflichtet.
2. Gutachter, die über eine besondere, vom Staat anerkannte Sachkunde verfügen und in dieser Eigenschaft gutachterliche Stellungnahmen abgeben, haften nach den Grundsätzen des Vertrags mit Schutzwirkung zugunsten Dritter gegenüber Personen, denen gegenüber der Auftraggeber von dem Gutachten bestimmungsgemäß Gebrauch macht. Dabei ist entscheidend, ob der Sachverständige nach dem Inhalt des Auftrags damit rechnen musste, sein Gutachten werde gegenüber Dritten verwendet und von diesen zur Grundlage einer Entscheidung über Vermögensdispositionen gemacht.
3. Ein Schadensersatzanspruch aufgrund der Erstattung eines fehlerhaften Gutachtens setzt voraus, dass das Gutachten ursächlich für die zum Schaden führende Entscheidung des Auftraggebers bzw. des Dritten ist.
VolltextIBRRS 2013, 2655
BGH, Beschluss vom 28.05.2013 - X ZR 137/09
1. Die Parteien können sich auch nach Heranziehung eines Sachverständigen mit einer abweichend von der gesetzlichen Regelung zu bemessenden Vergütung wirksam einverstanden erklären, wenn ein ausreichender Betrag für die sich daraus ergebende Vergütung an die Staatskasse gezahlt ist.*)
2. Insoweit genügt die Erklärung nur einer Partei, soweit sie sich auf den Stundensatz nach § 9 JVEG bezieht und das Gericht zustimmt, wobei über die Zustimmung unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls nach pflichtgemäßem Ermessen zu entscheiden ist und hierbei insbesondere auch die Interessen der kostentragungspflichtigen Partei zu berücksichtigen sind.*)
VolltextIBRRS 2013, 2567
OLG Naumburg, Beschluss vom 21.02.2013 - 10 W 12/12
Einem gerichtlich bestellten Sachverständigen kann der Entschädigungsanspruch nur dann entzogen werden, wenn seine Tätigkeit nicht verwertbar ist und dies auf einem groben Pflichtverstoß des Sachverständigen beruht. Das kann nicht angenommen werden, wenn das in der Hauptsache zuständige Gericht das Gutachten verwertet und seiner Entscheidung zugrunde gelegt hat. Die Kosteninstanzen sind dann daran gehindert, die Verwertbarkeit neu zu prüfen.*)
VolltextIBRRS 2013, 2166
OLG Bremen, Beschluss vom 21.03.2013 - 5 W 4/13
1. Die dreimonatige Frist für die Geltendmachung der Vergütung eines Sachverständigen gemäß § 2 Abs. 1 JVEG errechnet sich für jede selbstständige Leistung des Sachverständigen (schriftliches Gutachten, mündliche Erläuterung) gesondert (im Anschluss an OLG Oldenburg, Beschluss vom 29.04.2010 - 6 W 47/10, ibr-online).*)
2. Der Fristbeginn setzt allerdings voraus, dass dem Sachverständigen deutlich ist oder durch das Gericht deutlich gemacht wird, dass die (Teil-) Leistung als abgeschlossen anzusehen ist.*)
VolltextIBRRS 2013, 2159
OLG Oldenburg, Beschluss vom 29.04.2010 - 6 W 47/10
(ohne amtlichen Leitsatz)
VolltextIBRRS 2013, 2107
OLG Schleswig, Beschluss vom 29.04.2013 - 9 W 34/13
Ein Sachverständiger muss seinen Vergütungsanspruch nach Grund und Höhe innerhalb der Drei-Monats-Frist des § 2 Abs. 1 Satz 1 JVEG vollständig beziffern. Eine Nachforderung, etwa Umsatzsteuer, kann er nur unter der Voraussetzung einer Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach § 2 Abs. 2 JVEG beanspruchen.*)
VolltextIBRRS 2013, 5365
LG Osnabrück, Beschluss vom 13.02.2013 - 3 OH 72/11
1. Verletzt ein Sachverständiger schuldhaft die ihm obliegende Anzeigepflicht der erheblichen Überschreitung des Vorschusses nach § 407 a Abs. 3 Satz 2 ZPO, so kann die Vergütung des Sachverständigen gekürzt werden.*)
2. Die Vergütung beschränkt sich in diesen Fällen jedoch nicht auf den eingezahlten Vorschuss; vielmehr ist eine Überschreitung des Kostenvorschusses in Höhe von 20% (zzgl. MwSt.) noch tolerabel.*)
VolltextIBRRS 2013, 2099
OLG Köln, Beschluss vom 29.08.2012 - 5 U 104/12
Unmittelbare Folgen eines unrichtigen Gutachtens werden von der Vorschrift des § 839a BGB grundsätzlich nicht erfasst.
VolltextIBRRS 2013, 2076
OLG Koblenz, Beschluss vom 24.01.2013 - 4 W 645/12
1. Zweifel an der Unparteilichkeit des Sachverständigen können begründet sein, wenn seine Feststellungen über die durch den Beweisbeschluss vorgegebenen Beweisfragen hinausgehen und vom Auftrag nicht erfasste Fragen beantworten. Maßgeblich ist insoweit, ob der Sachverständige sich aus der Sicht der ablehnenden Partei quasi an die Stelle des Gerichts setzt und seine Neutralitätspflicht verletzt, indem er dem Gericht oder den Parteien den aus seiner Sicht für richtig gehaltenen Weg der Entscheidungsfindung weist.
2. Anmerkungen auf der Homepage des Sachverständigen, auf der er ausdrücklich und mehrfach seine Patientennähe hervorhebt, sind geeignet, Zweifel an seiner Unvoreingenommenheit gegenüber den Betreibern von Kliniken zu dokumentieren.
VolltextIBRRS 2013, 2061
LG Oldenburg, Urteil vom 07.11.2012 - 5 S 443/12
1. Ein Unfallgeschädigter braucht keine genaueren Erkundigungen darüber einzuziehen, ob der KFZ-Sachverständige kostengünstige Gutachten erstattet, da es dort keine "Unfallersatztarife" gibt.*)
2. Wenn sich der vom Geschädigten beauftragte KFZ-Sachverständige an die Werte der BSVK-Honorarbefragung (dortiger Korridor) hält, sind dessen Kosten der Höhe nach erstattungsfähig [Über eine Überschreitung der Korridorwerte hatte die Kammer nicht zu befinden].*)
VolltextIBRRS 2013, 1999
OLG Hamburg, Beschluss vom 11.04.2013 - 6 W 73/12
1. Ein Sachverständiger kann befangen sein, wenn er zu einem Ortstermin nicht alle Parteien lädt. Hiervon ist der Fall zu unterscheiden, dass der Sachverständige die Unterrichtung aller Parteien vom Ortstermin veranlasst hat, diese Unterrichtung aber tatsächlich nicht bei den Parteien angekommen ist.
2. Der Umstand, dass ein Sachverständiger den Termin für eine Ortsbesichtigung zunächst mit dem am Rechtsstreit beteiligten Grundstückseigentümer vereinbart hat, ist nicht geeignet, Bedenken gegen die Unparteilichkeit des Sachverständigen zu rechtfertigen.
VolltextIBRRS 2013, 1973
OLG Brandenburg, Beschluss vom 20.03.2013 - 12 W 1/13
Ein Sachverständigengutachten, das Rechtsausführungen enthält, begründet keinen durchgreifenden Verdacht der Befangenheit.
VolltextIBRRS 2013, 1934
LG Frankfurt/Oder, Beschluss vom 09.11.2012 - 11 O 48/10
(Ohne amtlichen Leitsatz)
VolltextIBRRS 2013, 1916
OLG Nürnberg, Beschluss vom 11.04.2013 - 13 W 616/13
Die Äußerung eines Sachverständigen gegenüber dem Beklagtenvertreter: "Ihre wiederholte Fragerei geht mir auf die Nerven. Ich kann auch gehen." gibt Anlass zu der Annahme der Parteilichkeit des Sachverständigen, auch wenn diese Äußerung von dem Beklagtenvertreter provoziert wurde.
VolltextIBRRS 2013, 1897
BGH, Beschluss vom 11.04.2013 - VII ZB 32/12
Ob die Überschreitung eines Gutachterauftrags geeignet ist, bei einer Partei bei vernünftiger Betrachtung die Besorgnis der Befangenheit des Sachverständigen hervorzurufen, ist einer schematischen Betrachtungsweise nicht zugänglich, sondern kann nur aufgrund des jeweiligen Einzelfalls entschieden werden.*)
VolltextIBRRS 2013, 1856
LG Nürnberg-Fürth, Beschluss vom 08.03.2013 - 9 O 5061/11
(Ohne amtlichen Leitsatz)
VolltextIBRRS 2013, 1782
OLG Celle, Beschluss vom 11.09.2012 - 11 W 43/12
Die Wortwahl "überheblich und ignorant" in einem Gutachten beinhaltet eine abfällige und abwertende Kritik des Sachverständigen an der Verteidigung der Partei, die verständliche Zweifel an seiner Unparteilichkeit wecken kann.
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