Bau-, Architekten- und Immobilienrecht.
Volltexturteile nach Sachgebieten
10831 Entscheidungen insgesamt
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IBRRS 2024, 3390VK Nordbayern, Beschluss vom 11.09.2024 - RMF-SG21-3194-9-18
1. Aus dem Transparenz- und Gleichbehandlungsgebot resultiert grundsätzlich die Verpflichtung, Antworten auf Bieterfragen allen Bietern zur Verfügung zu stellen.
2. Mitteilungsbedürftig sind damit insbesondere Bieterfragen, die zu einer Änderung der Vergabeunterlagen führen oder solche Antworten, die Auswirkungen auf die Kalkulation der Angebote haben. Das Absehen von der Übermittlung der Antworten an die anderen Bieter stellt vor dem Hintergrund des vergaberechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes eine Ausnahme dar, die nur unter bestimmten Umständen angenommen werden kann.
3. Die ausschließlich private Beantwortung der Fragen des rügenden Bieters verletzt diesen in seinen Rechten, da es ist nicht auszuschließen ist, dass die anderen Bieter bei Erhalt dieser Informationen ihre Angebote so verändert hätten, dass sich dies zugunsten des rügenden Bieters ausgewirkt hätte.
4. Eine ursprünglich eindeutige Leistungsbeschreibung kann nachträglich intransparent werden, wenn die Antworten auf gestellte Bieterfragen der Leistungsbeschreibung widersprechen.
VolltextOnline seit gestern
IBRRS 2024, 3376VK Bund, Beschluss vom 29.05.2024 - VK 1-42/24
1. Solange nicht rechts- oder bestandskräftig festgestellt wurde oder unstreitig ist, dass ein Bieter wesentliche Anforderung eines Auftrags fortdauernd mangelhaft erfüllt hat, kann dem Bieter regelmäßig nicht vorgeworfen werden, dass für ihn seine eigene Beurteilung der Sachlage maßgeblich bleibt, so dass er keine positive Kenntnis über eigene Schlechtleistungen hat.
2. Auch wenn der Auftraggeber Kenntnis von Schlechtleistungen eines Bieters in früheren Reinigungsaufträgen für andere Auftraggeber hat, kann sich dafür entscheiden, den Bieter nicht vom Vergabeverfahren auszuschließen.
3. Ein Bieter muss nicht deshalb vom Vergabeverfahren ausgeschlossen werden, weil er keine Selbstreinigungsmaßnahmen i. S. des § 125 GWB nachgewiesen hat.
VolltextOnline seit 19. November
IBRRS 2024, 3364VK Bund, Beschluss vom 23.07.2024 - VK 1-64/24
1. Eignungskriterien müssen mit dem Auftragsgegenstand in Verbindung und zu diesem in einem angemessenen Verhältnis stehen. Der Auftraggeber kann insoweit auch Mindestanforderungen festlegen.
2. Als Beleg der erforderlichen technischen und beruflichen Leistungsfähigkeit des Bewerbers kann der öffentliche Auftraggeber Angaben über die Ausführung von Leistungen in den letzten bis zu fünf abgeschlossenen Kalenderjahren, die mit der zu vergebenden Leistung vergleichbar sind, verlangen.
3. Der öffentliche Auftraggeber kann einen Bieter unter Einhaltung der Grundsätze der Transparenz und Gleichbehandlung auffordern, fehlende, unvollständige oder fehlerhafte unternehmensbezogene Unterlagen, die mit dem Angebot vorzulegen waren, nachzureichen, zu vervollständigen oder zu korrigieren, es sei denn, er hat eine Nachforderung ganz oder teilweise ausgeschlossen.
4. Unternehmensbezogene Unterlagen wie Referenzen "fehlen", wenn sie (körperlich) nicht im Angebot enthalten sind, nicht rechtzeitig vorgelegt wurden oder in formaler Hinsicht mangelhaft sind.
5. Ein inhaltlicher Mangel der Referenzen stellt kein physisches Fehlen von Unterlagen dar.
VolltextOnline seit 18. November
IBRRS 2024, 3354EuGH, Urteil vom 07.11.2024 - Rs. C-683/22
1. Art. 43 der Richtlinie 2014/23/EU (…) ist dahin auszulegen, dass er einer nationalen Regelung nicht entgegensteht, wonach der öffentliche Auftraggeber eine Konzession während ihrer Laufzeit in Bezug auf die Person des Konzessionsnehmers und den Konzessionsgegenstand ändern kann, ohne ein neues Konzessionsvergabeverfahren durchzuführen, sofern diese Änderung nicht unter Art. 43 Abs. 5 dieser Richtlinie fällt und der öffentliche Auftraggeber die Gründe dargelegt hat, aus denen er der Auffassung war, dass er zur Durchführung eines solchen Verfahrens nicht verpflichtet sei.*)
2. Art. 43 der Richtlinie 2014/23 ist dahin auszulegen, dass er einer nationalen Regelung nicht entgegensteht, wonach der öffentliche Auftraggeber eine Konzession während ihrer Laufzeit ändern kann, ohne die Zuverlässigkeit des Konzessionsnehmers beurteilt zu haben, wenn diese Änderung weder unter Art. 43 Abs. 1 Unterabs. 1 Buchst. d Ziff. ii noch unter Art. 43 Abs. 5 dieser Richtlinie fällt. Es ist Sache jedes Mitgliedstaats, die Regeln festzulegen, die es dem öffentlichen Auftraggeber ermöglichen, einzuschreiten, wenn der Konzessionsnehmer während der Durchführung des Konzessionsvertrags eine schwerwiegende Vertragsverletzung begangen hat oder begangen haben soll, die seine Zuverlässigkeit in Frage stellt.*)
VolltextOnline seit 15. November
IBRRS 2024, 3274VK Berlin, Beschluss vom 11.06.2024 - VK B 1-16/22
1. Der Nachprüfungsantrag steht zur freien Disposition des Bieters, der sich in dem Anspruch darauf verletzt fühlt, dass der öffentliche Auftraggeber die Bestimmungen über das Vergabeverfahren einhält. Das schließt als selbstverständliche Folge ein, dass der Antragsteller seinen Antrag jederzeit wieder zurücknehmen kann, solange und soweit noch eine formell bestandskräftige sachliche Entscheidung über diesen Antrag aussteht.
2. Die Entscheidung über das Tragen der Verfahrenskosten und notwendigen Aufwendungen der Beteiligten bei einer Erledigung des Antrags vor Entscheidung der Vergabekammer erfolgt nach billigem Ermessen.
3. Es entspricht billigem Ermessen, dem Antragsteller die Kosten des Verfahrens und die Aufwendungen des Antragsgegners aufzuerlegen, wenn sich der Antragstellerdurch die Rücknahme des Nachprüfungsantrags freiwillig in die Rolle des Unterlegenen begeben hat und er im Nachprüfungsverfahren voraussichtlich unterlegen wäre.
VolltextOnline seit 14. November
IBRRS 2024, 3318VK Niedersachsen, Beschluss vom 25.09.2024 - VgK-19/2024
1. Ein Vergabenachprüfungsantrag ist unzulässig, wenn der Antragsteller (hier: durch seine unterlassene Registrierung auf der Vergabeplattform und den damit verbundenen Verzicht auf kalkulationsrelevante Informationen) deutlich gemacht hat, an der Abgabe eines Angebots nicht ernsthaft interessiert zu sein.
2. Entscheidet sich der öffentliche Auftraggeber für ein enges Marktsegment oder ausnahmsweise sogar für ein Produkt, muss er das nachvollziehbar begründen können. Die inhaltlichen Kriterien der Erläuterung gliedern sich in objektive und auftragsbezogene Gründe, Willkür- und Diskriminierungsfreiheit.
VolltextOnline seit 13. November
IBRRS 2024, 3239VK Nordbayern, Beschluss vom 07.06.2024 - RMF-SG21-3194-9-10
1. Grundsätzlich wird ein Vertrauenstatbestand angenommen, wenn in einem Verhandlungsverfahren mit vorgeschalteten Teilnahmewettbewerb der öffentliche Auftraggeber die Eignung der Teilnehmer geprüft und die Eignung bejaht hat.
2. Bieter können sich jedoch nicht auf einen solchen Vertrauensschutz berufen, wenn nachträgliche Erkenntnisse zu einer neuen Tatsachengrundlage für die Bewertung der Eignung führen (hier: unrichtige Angaben in einer Referenz). Das gilt auch dann, wenn der öffentliche Auftraggeber bereits in einem vorherigen Teilnahmewettbewerb die Unrichtigkeit durch eine sorgfältigere Prüfung hätte erkennen können.
3. Ein entsprechender Vertrauenstatbestand entsteht überdies nur dann, wenn der Bewerber im Teilnahmewettbewerb alle erforderlichen Unterlagen rechtzeitig übermittelt und wahre Angaben getätigt hat. Bei fahrlässig getätigten Falschangaben und erst recht bei arglistigem Handeln bzw. vorsätzlicher Täuschung ist der Bewerber jedoch nicht schutzwürdig.
VolltextOnline seit 12. November
IBRRS 2024, 3257VK Niedersachsen, Beschluss vom 04.07.2024 - VgK-13/2024
1. Die Eignungskriterien und -nachweise sind in der Auftragsbekanntmachung aufzuführen. Maßgeblich für die Eignungsprüfung sind allein die in der Auftragsbekanntmachung festgelegten Eignungskriterien und die dort für ihren Beleg geforderten Nachweise.
2. Die Eignungskriterien müssen eindeutig und abschließend beschrieben sein.
3. Der öffentliche Auftraggeber ist an die von ihm wirksam geforderten Eignungsnachweise gebunden. Er darf weder zusätzliche Nachweise fordern noch darf er auf einmal wirksam bekannt gegebene Nachweise verzichten.
4. Sind an sich zulässige und auftragsangemessene Eignungsanforderungen wirksam gefordert worden, wird ein Bieter, wenn er diese Anforderungen nicht erfüllt, wegen fehlender Eignung ausgeschlossen.
VolltextOnline seit 11. November
IBRRS 2024, 3275EuGH, Urteil vom 24.10.2024 - Rs. C-513/23
Art. 42 Abs. 3 b der Richtlinie 2014/24/EU (…) über die öffentliche Auftragsvergabe (…) ist dahin auszulegen, dass er einer nationalen Regelung nicht entgegensteht, die von öffentlichen Auftraggebern in allen Fällen, in denen die in den Auftragsunterlagen dargelegten technischen Spezifikationen unter Bezugnahme auf nationale Normen formuliert sind, mit denen europäische Normen (…) umgesetzt werden, den Zusatz „oder gleichwertig“ verlangt.*)
VolltextOnline seit 8. November
IBRRS 2024, 3238VK Bund, Beschluss vom 12.09.2024 - VK 2-77/24
Ein Angebot, das Zweifel an der Erfüllbarkeit des Leistungsversprechens begründet, ist entweder selbst nicht frei von Zweifeln oder es genügt dem mit dem abzugebenden Angebot abgeforderten, allen Vergabeunterlagen per se zugrunde liegenden Leistungsversprechen nicht und ändert diese mithin ab. Ein solches Angebot ist auszuschließen.
VolltextOnline seit 7. November
IBRRS 2024, 3234VK Bund, Beschluss vom 27.09.2024 - VK 2-69/24
1. Der öffentliche Auftraggeber darf nur solche Zuschlagskriterien berücksichtigen, die in der Bekanntmachung oder den Vergabeunterlagen genannt sind.
2. Der Katalog der zulässigen Zuschlagskriterien in § 16d EU Abs. 2 VOB/A 2019 ist nicht abschließend. Entscheidend ist, ob das Zuschlagskriterium mit dem Auftragsgegenstand in Verbindung steht.
3. Verbindung zwischen Zuschlagskriterium und Auftragsgegenstand besteht auch dann, wenn sich ein Zuschlagskriterium auf Prozesse im Zusammenhang mit der Herstellung, Bereitstellung oder Entsorgung der Leistung, auf den Handel mit der Leistung oder auf ein anderes Stadium im Lebenszyklus der Leistung bezieht.
4. Längere als die in § 13 Abs. 4 VOB/B genannten Gewährleistungsfristen für Mängel können ein zulässiges Zuschlagskriterium sein. Durch eine Verlängerung der Gewährleistungsfristen wird den Bietern kein ungewöhnliches Wagnis aufgebürdet.
5. Der Preis hat stets ein gewichtiges Merkmal darzustellen, das beim Zuschlagskriterium des wirtschaftlichsten Angebots nicht am Rande der Wertung stehen darf, sondern das vom Auftraggeber in ein angemessenes Verhältnis zu den übrigen Wertungskriterien zu bringen ist.
6. Geht der Preis mit einer Gewichtung von 80% und die Qualität der Leistung mit einer Gewichtung von 20% in die Wertung ein, kann nicht angenommen werden, der Zuschlag könne losgelöst von der Qualität der Leistung erteilt werden.
VolltextOnline seit 6. November
IBRRS 2024, 3219VK Nordbayern, Beschluss vom 12.09.2024 - RMF-SG21-3194-9-24
1. Die Entscheidung, welcher Gegenstand mit welcher Beschaffenheit und welchen Eigenschaften beschafft werden soll, obliegt dem öffentlichen Auftraggeber. Begrenzt wird das Bestimmungsrecht aber durch die Verpflichtung zur produktneutralen Ausschreibung, von der nur unter bestimmten Voraussetzungen abgewichen werden darf.
2. In der Leistungsbeschreibung darf nicht auf eine bestimmte Produktion oder Herkunft oder ein besonderes Verfahren, das die Erzeugnisse oder Dienstleistungen eines bestimmten Unternehmens kennzeichnet, oder auf gewerbliche Schutzrechte, Typen oder einen bestimmten Ursprung verwiesen werden, wenn dadurch bestimmte Unternehmen oder bestimmte Produkte begünstigt oder ausgeschlossen werden, es sei denn, dieser Verweis ist durch den Auftragsgegenstand gerechtfertigt.
3. Gegen die Verpflichtung zur produktneutralen Ausschreibung wird nicht nur dann verstoßen, wenn ein Leitfabrikat offen in der Leistungsbeschreibung genannt wird, sondern auch dann, wenn durch die Vielzahl der Vorgaben verdeckt ein bestimmtes Produkt vorgegeben wird und nur mit diesem die Anforderungen der Leistungsbeschreibung erfüllt werden können.
4. Die vergaberechtlichen Grenzen der Bestimmungsfreiheit des öffentlichen Auftraggebers sind eingehalten, sofern die Bestimmung durch den Auftragsgegenstand sachlich gerechtfertigt ist, vom Auftraggeber dafür nachvollziehbare objektive und auftragsbezogene Gründe angegeben worden sind und die Bestimmung folglich willkürfrei getroffen worden ist, solche Gründe tatsächlich vorhanden sind und die Bestimmung andere Wirtschaftsteilnehmer nicht diskriminiert.
5. An das Vorliegen eines Sachgrunds dürfen auch keine unverhältnismäßigen Anforderungen gestellt werden. Die Entscheidung des öffentlichen Auftraggebers muss „lediglich“ plausibel sein.
VolltextOnline seit 5. November
IBRRS 2024, 3200EuGH, Urteil vom 17.10.2024 - Rs. C-28/23
1. Art. 1 Abs. 2 Buchst. b der Richtlinie 2004/18/EG (...) ist dahin auszulegen, dass ein Vertragswerk zwischen einem Mitgliedstaat und einem Wirtschaftsteilnehmer, das aus einer Finanzhilfevereinbarung und einem Kaufvorvertrag besteht, die im Hinblick auf die Errichtung eines Fußballstadions geschlossen wurden, einen "öffentlichen Bauauftrag" im Sinne dieser Bestimmung darstellt, sofern mit dem Vertragswerk gegenseitige Verpflichtungen zwischen dem Mitgliedstaat und dem Wirtschaftsteilnehmer begründet werden, darunter die Verpflichtung zum Bau des Stadions gemäß den vom Mitgliedstaat genannten Bedingungen und eine einseitige Option des Wirtschaftsteilnehmers, die der Verpflichtung des Mitgliedstaats entspricht, das Stadion zu erwerben, und sofern dem Wirtschaftsteilnehmer mit dem Vertragswerk eine staatliche Beihilfe gewährt wird, die von der Kommission als mit dem Binnenmarkt vereinbar anerkannt wurde.*)
2. Die Richtlinie 89/665/EWG (...) und die Richtlinie 2014/24/EU (...) sind dahin auszulegen, dass sie der Anwendung nationaler Rechtsvorschriften, wonach ein unter Verstoß gegen das Vergaberecht geschlossener Vertrag ex tunc absolut nichtig ist, im Rahmen einer Nichtigkeitseinrede des öffentlichen Auftraggebers nicht entgegenstehen, sofern die eine solche Nichtigkeit vorsehenden Rechtsvorschriften im Fall eines öffentlichen Auftrags, der in den sachlichen Anwendungsbereich der Richtlinie 2014/24 fällt, das Unionsrecht einschließlich der allgemeinen unionsrechtlichen Grundsätze beachten.*)
VolltextOnline seit 4. November
IBRRS 2024, 3196OLG Karlsruhe, Beschluss vom 20.09.2024 - 15 Verg 9/24
1. Im Verhandlungsverfahren mit vorgeschaltetem Teilnahmewettbewerb prüft der öffentliche Auftraggeber die Eignung der am vorgeschalteten Wettbewerb teilnehmenden Unternehmen, bevor er sie zum Verhandlungsverfahren zulässt. Mit der positiven Eignungsprüfung wird - anders als im offenen Verfahren - ein Vertrauenstatbestand für die zum Verhandlungsverfahren zugelassenen Unternehmen begründet.
2. Die zum Verhandlungsverfahren zugelassenen Unternehmen müssen nicht damit rechnen, der ihnen durch die Erstellung der Angebote und Teilnahme am Wettbewerb entstandene Aufwand könnte dadurch nachträglich nutzlos werden, dass der Auftraggeber ihre Eignung auf gleichbleibender tatsächlicher Grundlage später nochmals abweichend beurteilt.
3. Der öffentliche Auftraggeber ist berechtigt, die Vergabeunterlagen im laufenden Vergabeverfahren zu ändern, sei es zur Korrektur von Vergaberechtsverstößen oder aus Gründen der Zweckmäßigkeit, sofern dies nur in einem transparenten Verfahren und diskriminierungsfrei geschieht. Die Änderungsbefugnis des Auftraggebers bezieht sich auf alle Bestandteile der Vergabeunterlagen, so die Leistungsbeschreibung, Zuschlagskriterien, Unterkriterien und Gewichtungen.
4. Die maßgeblichen Stufen des Vergabeverfahrens sind fortlaufend zu dokumentieren. Insbesondere ist die Wertungsentscheidung des Auftraggebers so zu dokumentieren, dass sie inhaltlich nachzuvollziehen ist.
5. Ein Bieter kann sich nur dann auf eine fehlende oder unzureichende Dokumentation stützen, wenn sich die diesbezüglichen Mängel auf seine Rechtsstellung im Vergabeverfahren nachteilig ausgewirkt haben. Die Dokumentation ist kein Selbstzweck.
VolltextOnline seit 31. Oktober
IBRRS 2024, 3144VK Bund, Beschluss vom 03.07.2024 - VK 2-47/24
1. Der Auftraggeber hat für die Entscheidung der Frage, ob der Preis eines Angebotes ungewöhnlich niedrig erscheint, grundsätzlich einen Einschätzungs- bzw. Beurteilungsspielraum, der von ihm pflichtgemäß und damit fehlerfrei auszuüben ist.
2. Die Aufgreifschwelle für die Einleitung einer Preisprüfung ist erreicht, wenn sich einzelne Angebote erheblich von anderen Angeboten oder von der Kostenschätzung des Auftraggebers absetzen. Das ist im Regelfall bei einem Abstand von mindestens 20% des betroffenen zum nächstgünstigeren Angebot gegeben.
3. Ein Auftraggeber darf auch unabhängig vom Vorliegen eines ungewöhnlich niedrigen Preises jederzeit in eine Preisaufklärung eintreten, wenn wegen des Preisabstands Anlass hierfür gegeben ist. Somit kann er auch das teuerste Angebot in die Aufklärung einbeziehen, um eine plausible Einschätzung der Marktüblichkeit der eingegangenen Angebote vornehmen zu können.
Online seit 30. Oktober
IBRRS 2024, 3142VK Nordbayern, Beschluss vom 08.08.2024 - RMF-SG21-3194-9-19
Setzt der Bieter im VHB-Formblatt 213.H kein Kreuz unter "Vertragsformular für Instandhaltung [...]" und trägt er unter Ziffer 2.1 keine Gesamtsumme für den Instandhaltungsvergütung ein, führt das nicht zum Angebotsausschluss wegen Unvollständigkeit, wenn der Wartungsvertrag dem Angebot als Anlage beigefügt ist und die geforderte Gesamtsumme enthält.
Online seit 29. Oktober
IBRRS 2024, 3134VK Berlin, Beschluss vom 05.05.2023 - VK B 1-19/22
1. Die Bestimmung des Hauptgegenstandes des Vertrages erfolgt nach den Umständen des Einzelfalles. Dabei ist auf die wesentlichen, vorrangigen Verpflichtungen abzustellen, die den Auftrag als solchen prägen, und nicht auf die Verpflichtungen bloß untergeordneter oder ergänzender Art die zwingend aus dem eigentlichen Gegenstand des Vertrages folgen. Der jeweilige Wert der dabei erbrachten Einzelleistungen ist insoweit nur ein Kriterium unter anderen, die bei der Ermittlung des Hauptgegenstandes zu berücksichtigen sind.
2. Die Erkennbarkeit von Verstößen gegen Vergabevorschriften hat zwei Komponenten. Erkennbarkeit ist auf die einen Rechtsverstoß begründenden Tatsachen und deren rechtliche Bewertung als Vergaberechtsverstoß zu beziehen. Eine Rügepräklusion kommt in der Regel nur bei auf allgemeiner Überzeugung der Vergabepraxis beruhenden und ins Auge fallenden Rechtsverstößen in Betracht. Der Verstoß muss so offensichtlich sein, dass er einem verständigen Bieter bei der Vorbereitung seines Angebots bzw. seiner Bewerbung auffallen muss.
3. Bei dem Begriff "vergleichbare Leistung" handelt es sich um einen unbestimmten Rechtsbegriff, der anhand des Wortlauts der Vergabeunterlagen und von Sinn und Zweck der geforderten Angaben unter Berücksichtigung des Wettbewerbs- und Gleichbehandlungsgrundsatzes auszulegen ist. Dabei bedeutet die Formulierung "vergleichbar" nicht "gleich" oder gar "identisch", sondern, dass die Leistungen im technischen oder organisatorischen Bereich einen gleich hohen oder höheren Schwierigkeitsgrad hatten.
4. Die Eröffnung der sog. "zweiten Chance" durch eine Zurückversetzung des Vergabeverfahrens, kommt nur in Betracht, wenn aufgrund der Sach- und Rechtslage am Schluss der (letzten) mündlichen Verhandlung feststeht, dass ein vergaberechtskonformer Zuschlag unmöglich ist und sich daran auch durch bloße Fortsetzung des Vergabeverfahrens nichts mehr ändern kann. Es genügt nicht, wenn lediglich diese Möglichkeit im Raum steht, etwa weil noch die ergebnisoffene Prüfung konkurrierender Angebote durch den Auftraggeber auf Ausschlussgründe aussteht, die diesem einen Beurteilungsspielraum auf der Tatbestandsebene und/oder einen Ermessensspielraum bei der Rechtsfolge einräumen.
VolltextOnline seit 28. Oktober
IBRRS 2024, 3061VK Mecklenburg-Vorpommern, Beschluss vom 18.01.2024 - 1 VK 6/23
Industrie- und Handelskammern sind mangels Staatsnähe keine öffentlichen Auftraggeber i. S. des § 99 Nr. 2 GWB (Anschluss an VK Mecklenburg-Vorpommern, Beschluss vom 08.05.2007 - 3 VK 4/07, IBRRS 2010, 0506 = VPRRS 2010, 0068).
VolltextOnline seit 25. Oktober
IBRRS 2024, 3113EuGH, Urteil vom 22.10.2024 - Rs. C-652/22
Unternehmen, die aus Drittstaaten kommen, die keine internationalen Übereinkünfte mit der Europäischen Union im Bereich des öffentlichen Auftragswesens geschlossen haben, haben in Vergabeverfahren keinen Anspruch auf Gleichbehandlung mit in der Europäischen Union ansässigen Unternehmen.
VolltextOnline seit 24. Oktober
IBRRS 2024, 3064VK Mecklenburg-Vorpommern, Beschluss vom 26.04.2023 - 3 VK 1/23
1. Die positive Kenntnis des Bieters wird zwar, insbesondere hinsichtlich der rechtlichen Wertung, häufig erst nach anwaltlicher Beratung zu bejahen sein. Allerdings ist dann eine Grenze erreicht und von einer Rügeobliegenheit auszugehen, wenn der Kenntnisstand des Bieters in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht einen solchen Grad erreicht hat, dass seine Unkenntnis vom Vergaberechtsverstoß nur als ein mutwilliges Sich-Verschließen vor der Erkenntnis dieses Rechtsverstoßes verstanden werden kann (hier bejaht).
2. Eignungskriterien sind in der Auftragsbekanntmachung aufzuführen, wobei eine Verlinkung mit der Auftragsbekanntmachung ausreicht.
3. Kann sicher ausgeschlossen werden, dass sich ein festgestellter Vergaberechtsverstoß auf die Auftragschancen des Antragstellers ursächlich ausgewirkt haben kann, fehlt die Antragsbefugnis.
4. Auf eine Verletzung der Dokumentationspflicht, die grundsätzlich bieterschützend ist, kann sich ein Bieter nur insoweit stützen, wie sich die Versäumnisse des Auftraggebers auf seine Rechtsstellung und die Auftragschancen im Vergabeverfahren negativ ausgewirkt haben können.
VolltextOnline seit 23. Oktober
IBRRS 2024, 3060VK Niedersachsen, Beschluss vom 19.06.2024 - VgK-11/2024
1. Für die Eigenschaft als öffentlicher Auftraggeber kommt es (nur) darauf an, ob die Tatbestandsvoraussetzungen der jeweils einschlägigen Tatbestandsvariante für die betreffende Einrichtung bei objektiver Betrachtung erfüllt sind. Subjektive Vorstellungen sind insoweit unerheblich.
2. Unter dem Begriff der Finanzierung in § 99 Nr. 2 GWB ist ein Transfer von Finanzmitteln zu verstehen, der ohne spezifische Gegenleistung mit dem Ziel vorgenommen werde, die Tätigkeit der betreffenden Einrichtung zu unterstützen. Da dieser Begriff funktional auszulegen ist, schließt das Kriterium der überwiegenden Finanzierung durch öffentliche Stellen auch eine mittelbare Finanzierungsweise ein. Zahlungen, die im Rahmen eines Leistungsaustausches gewährt werden, stellen hingegen keine öffentliche Finanzierung dar.
3. Von einer "Verbindung" i.S.v. § 99 Nr. 4 GWB kann nur gesprochen werden, wenn nach einer Gesamtbewertung aller Umstände Bau- und Dienstleistungsauftrag in einem funktionalen Verhältnis zueinanderstehen. Dabei ist zu fordern, dass die Beschaffungsmaßnahme insoweit auf das Bauvorhaben als solches ausgerichtet und zugeschnitten ist, d.h. die zu beschaffenden Gegenstände speziell auf die Situation im Gebäude angepasst werden müssen und es sich nicht um standardisierte Geräte oder in bestimmten Zyklen zu ersetzende Geräte handelt, sondern auf dauerhaften Einsatz in dem Gebäude bzw. Krankenhaus abgestellt sind (hier verneint).
4. Die Eigenschaft als öffentlicher Auftraggeber kann nicht durch die Nebenbestimmungen des Fördermittelbescheids begründet werden. Die Regelungen des § 99 GWB sind abschließend.
VolltextOnline seit 22. Oktober
IBRRS 2024, 3059VK Niedersachsen, Beschluss vom 25.06.2024 - VgK-12/2024
1. Ein Vertrag über den Betrieb einer Gemeinschaftsunterkunft für Geflüchtete ist kein Bauauftrag, sondern ein Dienstleistungsauftrag.
2. Nicht die Vergabekammer, sondern nur die Vergabestelle ist Herrin des Vergabeverfahrens. Es ist nicht Aufgabe der Vergabekammer, dem Bieter hier vor oder anstelle der Antragsgegnerin die Eignung abzusprechen. Die Vergabekammer würde mit einer solchen Entscheidung in den Beurteilungsspielraum der öffentlichen Auftraggeberin eingreifen.
3. Weicht der öffentliche Auftraggeber von der gesetzlichen Zielvorstellung einer Kombination aus Eignungs- und Zuschlagskriterien ab, weil es ihm vor allem auf ein besonders wirtschaftlich ausgerichtetes Angebot ankommt, indem er § 122 Abs. 1 GWB nur schwach inhaltlich abarbeitet, führt das nicht zu einer Verletzung der Rechte des Konkurrenten.
4. Eine Vergabe im Verhandlungsverfahren ohne Teilnahmewettbewerb ist bei für die Allgemeinheit unverzichtbaren Leistungen auch dann möglich, wenn die Dringlichkeit auf Versäumnisse der Vergabestelle zurückzuführen sind. Der Aspekt der Zurechenbarkeit und Vorhersehbarkeit tritt hinter die Notwendigkeit der Kontinuität der Leistungserbringung zurück, wenn bedeutende Rechtsgüter, wie etwa Leib und Leben oder hohe Vermögenswerte, unmittelbar gefährdet sind.
5. Der Zeitraum für die Dringlichkeitsbeauftragung darf als ultima ratio nur soweit bemessen werden, wie es erforderlich ist, die von der Antragsgegnerin beabsichtigte Vergabe in einem ordnungsgemäßen, förmlichen Vergabeverfahren durchführen (im Regelfall maximal 12 Monate).
6. Die Unwirksamkeit der Vertrags muss nicht zwingend rückwirkend erklärt werden. Das gilt insbesondere dann, wenn eine Unwirksamkeit von Anfang an unverhältnismäßig wäre.
VolltextOnline seit 21. Oktober
IBRRS 2024, 3063VK Mecklenburg-Vorpommern, Beschluss vom 15.03.2023 - 1 VK 1/23
1. Anders als in der VOB/A besteht bei der Vergabe von Liefer- und Dienstleistungen kein Anspruch auf die Nachforderung fehlender Unterlagen. Bieter bzw. Bewerber haben jedoch Anspruch darauf, dass die Vergabestellen das ihnen zustehende Ermessen ordnungsgemäß ausüben.
2. Sofern für die elektronische Übermittlung der Unterlagen die Verwendung einer Vergabeplattform vorgesehen ist, muss diese auch verwendet werden. Eine Übersendung der Unterlagen in anderer Form (z.B. per E-Mail) ist in diesem Fall grundsätzlich nicht zulässig, führt aber regelmäßig nur zum Ausschluss der formwidrig abgegebenen Unterlagen.
3. Grundsätzlich trägt der Bieter das Risiko der Übermittlung und des rechtzeitigen und vollständigen Eingangs seines Angebotes. Er muss sein Angebot so rechtzeitig auf den Weg bringen und den Übermittlungsvorgang beginnen, dass sein Angebot vor Fristablauf an der vorgesehenen Stelle eingegangen ist. Treten technische Schwierigkeiten beim Betrieb der verwendeten elektronischen Mittel auf, so sind die Folgen danach zu beurteilen, wessen Sphäre sie zuzuordnen sind. Bieter haben also dafür Sorge zu treffen, dass stets die neueste Version des Bieter-Cockpits auf ihrem PC oder Netzwerk installiert ist.
4. Entscheidet sich der öffentliche Auftraggeber dazu, keine Unterlagen nachzufordern, dann ist er auch nicht verpflichtet, dem Bieter Gelegenheit zur Nachreichung fehlender Unterlagen zu geben, bevor er ihn ausschließt.
5. Ist der öffentliche Auftraggeber zum Angebotsausschluss verpflichtet, kann ein rechtlich schützenswertes Vertrauen des betreffenden Bieters, sein Angebot werde nicht von der Wertung ausgeschlossen werden, nicht entstehen (hier: wegen vorheriger Bindefristverlängerung).
6. Die Installationsbedürftigkeit und potenzielle Schädlichkeit einer Software (hier: Java-Script) stellt keinen Verstoß gegen die §§ 11, 12 VgV dar.
VolltextOnline seit 18. Oktober
IBRRS 2024, 3051EuGH, Urteil vom 04.10.2024 - Rs. C-175/23
Art. 143 Abs. 2 der Verordnung (EU) Nr. 1303/2013 ist dahin auszulegen, dass er einer nationalen Regelung entgegensteht, nach der jeder Verstoß gegen die Vorschriften über die Vergabe öffentlicher Aufträge eine "Unregelmäßigkeit" i.S.v. Art. 2 Nr. 36 dieser Verordnung darstellt, die automatisch zur Anwendung einer finanziellen Berichtigung führt, deren Höhe auf der Grundlage einer zuvor festgelegten Skala der Pauschalsätze für die Berichtigung bestimmt wird.
VolltextOnline seit 17. Oktober
IBRRS 2024, 3039VK Berlin, Beschluss vom 09.09.2024 - VK B 1-39/23
1. Ein öffentlicher Auftraggeber ist aufgrund eines einmal eingeleiteten Vergabeverfahrens grundsätzlich nicht zur Zuschlagserteilung verpflichtet. Auch dann, wenn kein in den Vergabe- und Vertragsordnungen anerkannter Aufhebungsgrund vorliegt, kann ein öffentlicher Auftraggeber von einem Vergabeverfahren Abstand nehmen.
2. Nur in Ausnahmefällen kann ein Anspruch auf Fortsetzung des Vergabeverfahrens angenommen werden. Das ist der Fall, wenn der öffentliche Auftraggeber für seine Aufhebungsentscheidung keinen sachlichen Grund vorweisen kann und sie deshalb willkürlich ist oder wenn die Aufhebung bei fortbestehender Beschaffungsabsicht nur zu dem Zweck erfolgt, Bieter zu diskriminieren.
3. Stellt ein öffentlicher Auftraggeber vor Zuschlagserteilung einen erheblichen Fehler in den Vergabeunterlagen fest, ist er zu einer Fehlerkorrektur grundsätzlich berechtigt. Eine bereits erfolgte Submission schließt eine solche Fehlerkorrektur nicht aus.
4. Bei der rechtlichen Überprüfung einer vollständigen oder auch nur teilweisen Aufhebung eines Vergabeverfahrens ist zwischen der Wirksamkeit und der Rechtmäßigkeit der (Teil-)Aufhebungsentscheidung öffentlicher Auftraggeber zu unterscheiden.
5. Das Nichtvorliegen eines in den Vergabe- und Vertragsordnungen anerkannten Aufhebungsgrunds führt zu auf das negative Interesse gerichteten Schadensersatzansprüchen der Bieter, die möglicherweise infolge der Aufhebung oder Zurückversetzung vergeblich ein Angebot erstellt haben oder ein vollständig neues und erneut kostenaufwändiges Angebot erstellen müssen.
IBRRS 2024, 3038
OLG Köln, Urteil vom 19.07.2024 - 6 U 101/23
1. Die Klausel in einem Open-House-Vertrag zur Lieferung von Corona-Schutzausrüstung mit Vereinbarung eines "spätesten Liefertermins", bei dessen Nichteinhaltung die gegenseitigen Pflichten der Vertragsparteien entfallen und eine verspätete Lieferung keine Erfüllung des Vertrags darstellt ("absolutes Fixgeschäft"), benachteiligt die Lieferanten unangemessen im Sinne des § 307 Abs. 2, Nr. 1 BGB.*)
2. Die Vereinbarung eines relativen Fixgeschäfts außerhalb der vorgegebenen Vertragsklauseln kommt in Betracht; insoweit kann aber nicht nach dem Grundsatz "falsa demonstratio non nocet" auf eine unwirksame Vereinbarung eines absoluten Fixgeschäfts zurückgegriffen werden.*)
3. Die Notwendigkeit einer zügigen Beschaffung von Schutzausrüstung unter den Bedingungen einer sich entwickelnden Pandemielage mit einer erheblichen Gefährdung für die Bevölkerung, die zeitlich begrenzte Verkehrsfähigkeit bestimmter Schutzmasken oder die Deckelung des Einkaufsvolumens sind keine hinreichenden Gründe für die Annahme eines relativen Fixgeschäfts; die Fristsetzung zur Nacherfüllung war danach nicht gem. § 323 Abs. 2, Nr. 2 BGB entbehrlich.*)
4. Die vertraglich vereinbarte Vorleistungspflicht entfällt, wenn der andere Teil zu Unrecht den Rücktritt erklärt und unmissverständlich zum Ausdruck bringt, er wolle die ihm obliegende Leistung nicht mehr erbringen.*)
VolltextOnline seit 16. Oktober
IBRRS 2024, 3016VK Niedersachsen, Beschluss vom 08.08.2024 - VgK-14/2024
1. Ein öffentlicher Auftraggeber, der eine Sektorentätigkeit ausübt, kann bei der Vergabe eines öffentlichen Auftrags zwischen dem offenem Verfahren, dem nicht offenem Verfahren mit Bekanntmachung und dem Verhandlungsverfahren mit Bekanntmachung wählen.
2. Entscheidend für die Anwendbarkeit der SektVO ist allein, ob der verfahrensgegenständliche Auftrag dem Bereich der Sektorentätigkeit des Auftraggebers zuzuordnen ist.
3. Zum Sektorenbereich Verkehr gehört u. a. das Erbringen von Verkehrsleistungen, die Bereitstellung oder das Betreiben von Infrastruktureinrichtungen zur Versorgung der Allgemeinheit per Eisenbahn-, automatischen Systemen, Straßenbahn, Bus oder Seilbahn.
4. ...
VolltextOnline seit 15. Oktober
IBRRS 2024, 3002VK Bund, Beschluss vom 30.08.2024 - VK 1-72/24
1. Angebote, die Änderungen der Vergabeunterlagen beinhalten, sind auszuschließen. Das gilt auch im Verhandlungsverfahren, wenn sich der Auftraggeber die Zuschlagerteilung ohne weitere Verhandlungen vorbehält.
2. Eine unzulässige Änderung der Vergabeunterlagen liegt vor, wenn der Bieter den unbedingt anzubietenden Nachlass unter verschiedene Bedingungen stellt (hier: HOAI-konforme Ermittlung verschiedener Honorarparameter, obwohl der Vertrag von der HOAI abweichende Regelungen enthält).
3. Eine Aufklärung des von den Vergabeunterlagen abweichenden Angebots ist unzulässig, wenn sich der Auftraggeber die Zuschlagerteilung ohne weitere Verhandlungen vorbehalten hat und das Hinwegdenken der Abweichungen zu einer Änderung des Angebots führen würde.
VolltextOnline seit 14. Oktober
IBRRS 2024, 2844VK Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 16.09.2024 - 3 VK LSA 25/24
1. Nach § 1 Abs. 1 Satz 1 TVergG-SA gilt dieses Gesetz für öffentliche Aufträge i.S.d. §§ 103 bis 105 GWB, deren geschätzter Auftragswert die Schwellenwerte nach § 106 Abs. 2 GWB nicht erreicht, so dass grundsätzlich auch Konzessionen in den Anwendungsbereich des Tariftreue- und Vergabegesetz Sachsen-Anhalt fallen.
2. Mangels konkreter Anwendungsvorschrift in der UVgO ist jedoch hinsichtlich der Vergabe von Dienstleistungskonzessionen kein Nachprüfungsverfahren eröffnet.
3. Auch im Unterschwellennachprüfungsverfahren gilt: Ohne rechtzeitige Rüge ist der Antragsteller mit Einwendungen, die er bis zur Angebotsabgabe hätte geltend machen können, ausgeschlossen.
VolltextOnline seit 11. Oktober
IBRRS 2024, 2962OLG Düsseldorf, Beschluss vom 27.04.2022 - Verg 47/21
1. Hat der Bieter ein vorheriges Nachprüfungsverfahren insgesamt für erledigt erklärt, spricht viel für die Begründung eines schützenswerten Vertrauenstatbestands zu Gunsten des Auftraggebers dergestalt, dass der Bieter die nach Einschätzung der Vergabekammer für unbegründet gehaltene Beanstandung bezüglich der Eignungsleihe endgültig fallen gelassen hat. Der erneuten Rüge der Unzulässigkeit der Eignungsleihe in einem weiteren Nachprüfungsverfahren stünde dann der Einwand unzulässiger Rechtsausübung entgegen.
2. Im Verhandlungsverfahren mit vorgeschaltetem Teilnahmewettbewerb prüft der öffentliche Auftraggeber die Eignung der Unternehmen grundsätzlich, bevor er sie zum Verhandlungsverfahren zulässt. Dadurch wird mit der positiven Eignungsprüfung - anders als im offenen Verfahren - ein Vertrauenstatbestand für die zum Verhandlungsverfahren zugelassenen Unternehmen begründet. Etwas anderes gilt, wenn der Bieter bis zum Abschluss des Teilnahmewettbewerbs nicht alle zur abschließenden Prüfung seiner Eignung erforderlichen Unterlagen eingereicht hat (hier: Verpflichtungserklärung des Eignungsleihgebers).
3. Öffentliche Auftraggeber trifft die Pflicht, die Vergabeunterlagen klar und eindeutig zu formulieren und Widersprüchlichkeiten zu vermeiden. Bei der Frage, welcher Erklärungswert den maßgeblichen Teilen der Vergabeunterlagen zukommt, ist im Rahmen einer normativen Auslegung auf den objektiven Empfängerhorizont der potenziellen Bieter bzw. Bewerber, also einen abstrakten Adressatenkreis, abzustellen.
4. Vor diesem Hintergrund wird der durchschnittliche Bieter von einem Ausschluss der üblicherweise zulässigen Eignungsleihe nur dann ausgehen, wenn dies klar und unmissverständlich so in den Vergabeunterlagen erklärt bzw. eine Selbstausführung vorgeschrieben wird. Schweigen die Vergabeunterlagen zur Eignungsleihe, so ist diese zulässig, da nicht auf das Übliche - ihre Zulässigkeit -, sondern auf das Ungewöhnliche - ihren Ausschluss - hingewiesen werden muss.
5. Der Auftraggeber ist verpflichtet, die Gründe für seine Auswahlentscheidung eingehend zu dokumentieren. Die Bewertungsentscheidungen ist daraufhin überprüfbar, ob die jeweilige Bewertung im Vergleich ohne Benachteiligung des einen oder anderen Bieters plausibel vergeben wurde. Es muss nachvollziehbar sein, weshalb ein Mitbewerber besser bewertet wurde; die Wertungen müssen im Quervergleich mit den besser bewerteten Angeboten stimmig sein, insbesondere demjenigen des Zuschlagsprätendenten. Dabei dürfen aber im Interesse der Handhabbarkeit keine allzu hohen Anforderungen an die Bewertungsbegründung gestellt werden, eine Nachvollziehbarkeit genügt.
VolltextOnline seit 9. Oktober
IBRRS 2024, 2949EuGH, Urteil vom 26.09.2024 - Rs. C-403/23
1. Art. 47 Abs. 3 und Art. 48 Abs. 4 der Richtlinie 2004/18/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 31.03.2004 über die Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Bauaufträge, Lieferaufträge und Dienstleistungsaufträge in Verbindung mit dem allgemeinen Grundsatz der Verhältnismäßigkeit sind dahin auszulegen, dass sie einer nationalen Regelung entgegenstehen, die es den ursprünglichen Mitgliedern einer Bietergemeinschaft verwehrt, aus dieser Bietergemeinschaft auszutreten, wenn die Gültigkeitsdauer des von dieser Bietergemeinschaft eingereichten Angebots abgelaufen ist und der öffentliche Auftraggeber um die Verlängerung der Gültigkeit der bei ihm eingereichten Angebote ersucht, sofern zum einen erwiesen ist, dass die übrigen Mitglieder dieser Bietergemeinschaft die von dem Auftraggeber festgelegten Anforderungen erfüllen, und zum anderen, dass ihre weitere Teilnahme an diesem Verfahren nicht zu einer Beeinträchtigung der Wettbewerbssituation der übrigen Bieter führt.*)
2. Die Grundsätze der Verhältnismäßigkeit und der Gleichbehandlung sowie das Transparenzgebot, wie sie in Art. 2 und im zweiten Erwägungsgrund der Richtlinie 2004/18 niedergelegt sind, sind dahin auszulegen, dass sie einer nationalen Regelung entgegenstehen, die die automatische Einbehaltung der von einem Bieter gestellten vorläufigen Kaution als Folge seines Ausschlusses von einem Verfahren zur Vergabe eines öffentlichen Dienstleistungsvertrags vorsieht, auch wenn er den betreffenden Zuschlag nicht erhalten hat.*)
Online seit 7. Oktober
IBRRS 2024, 2931OLG Köln, Urteil vom 07.02.2024 - 11 U 118/20
1. Ein Angebot ist als nicht formgerecht auszuschließen, wenn das Leistungsverzeichnis nur als pdf-Dokument eingereicht wird, obwohl der öffentliche Auftraggeber in den Vergabeunterlagen festgelegt hat, dass das Leistungsverzeichnis unter Verwendung des dort genannten Softwareprogramms als GAEB-Datei im Format d.84 oder x.84 einzureichen ist.
2. Sowohl GAEB-Programme als auch Windows PCs oder das XML-Format sind allgemein verfügbar und mit allgemein verbreiteten Geräten kompatibel im Sinne von § 11a Abs. 1 Satz 1 VOB/A 2016.
VolltextOnline seit 4. Oktober
IBRRS 2024, 2920Generalwalt beim EuGH, Schlussanträge vom 26.09.2024 - Rs. C-578/23
1. Der öffentliche Auftraggeber darf nicht durch sein eigenes Handeln eine Ausschließlichkeitssituation herbeiführen, um mit dieser die Anwendung eines Verhandlungsverfahrens ohne vorherige Veröffentlichung einer Bekanntmachung zu rechtfertigen.*)
2. Schließt der öffentliche Auftraggeber einen neuen Vertrag ab, auf den die Richtlinie 2004/18 Anwendung findet, ist unerheblich, dass die Ausschließlichkeitssituation von einem ursprünglichen Vertrag herrührt, den die Behörden eines Mitgliedstaats vor seinem Beitritt zur Europäischen Union abgeschlossen haben. Um das Verhalten des öffentlichen Auftraggebers im Zusammenhang mit dem neuen Vertrag zu bewerten, ist auf den tatsächlichen und rechtlichen Kontext zum Zeitpunkt des Abschlusses dieses neuen Vertrags abzustellen.*)
VolltextOnline seit 2. Oktober
IBRRS 2024, 2907OLG Düsseldorf, Beschluss vom 12.06.2024 - Verg 36/23
1. Welche Anforderungen an die Eignung gestellt werden, bestimmt der Auftraggeber durch entsprechende Vorgaben in der Ausschreibung. Dort legt er auch die Nachweise fest, anhand derer er die Prüfung vornehmen will.
2. In der Auftragsbekanntmachung, der Vorinformation oder der Aufforderung zur Interessensbestätigung sind sämtliche Eignungskriterien aufzuführen, wobei ein Link auf das Formblatt Eigenerklärung zur Eignung, aus dem sich die Eignungsanforderungen ergeben, ausreichend ist, wenn das am Auftrag interessierte Unternehmen durch bloßes Anklicken zu dem Formblatt gelangen kann.
3. Grundsätzlich darf ein öffentlicher Auftraggeber darauf vertrauen, dass die Bieter ihre vertraglichen Zusagen auch erfüllen werden.
4. Ergeben sich allerdings konkrete Anhaltspunkte dafür, dass dies zweifelhaft ist (hier bejaht), ist der öffentliche Auftraggeber – bevor er das Angebot ausschließt – gehalten, durch Einholung ergänzender Informationen die Erfüllbarkeit des Leistungsversprechens beziehungsweise die hinreichende Leistungsfähigkeit des Bieters zu verifizieren.
VolltextOnline seit 1. Oktober
IBRRS 2024, 2889Generalanwalt beim EuGH, Schlussanträge vom 12.09.2024 - Rs. C-424/23
Art. 42 Abs. 2, 3 und 4 der Richtlinie 2014/24/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26.02.2014 über die öffentliche Auftragsvergabe und zur Aufhebung der Richtlinie 2004/18/EG ist dahin auszulegen, dass
1. die Aufzählung der Arten der Formulierung technischer Spezifikationen in Art. 42 Abs. 3 der Richtlinie 2014/24 bindend und abschließend ist;*)
2. nach Art. 42 Abs. 4 der Richtlinie 2014/24 die Anforderung, dass die Abwasserrohre für die Ableitung von Regenwasser aus Beton und für die Ableitung von Abwasser aus Steinzeug bestehen müssen, einen Verweis auf bestimmte Typen oder bestimmte Produktionen darstellt. Dieser Verweis
- hat für sich genommen die Wirkung, bestimmte Unternehmen oder bestimmte Waren zu begünstigen oder auszuschließen, ohne dass zwingend erforderlich wäre, dass es nur einen einzigen Hersteller dieser Ware auf dem Markt gibt;
- kann zulässig sein, wenn er durch den Auftragsgegenstand gerechtfertigt ist, was vom öffentlichen Auftraggeber in den Auftragsunterlagen darzulegen ist;
- kann gemäß Art. 42 Abs. 3 der Richtlinie 2014/24 auch zulässig sein, wenn eine hinreichend genaue und verständliche Beschreibung des Auftragsgegenstands nicht möglich ist;
- muss mit dem Zusatz "oder gleichwertig" versehen sein, es sei denn, der Auftragsgegenstand setzt objektiv betrachtet zwingend die Verwendung eines Bauteils voraus, das sich nicht durch ein gleichwertiges Bauteil ersetzen lässt.*)
3. Ein Verstoß gegen die Anforderungen von Art. 42 Abs. 3 oder 4 der Richtlinie 2014/24 impliziert zugleich einen Verstoß gegen Art. 42 Abs. 2 und Art. 18 Abs. 1 dieser Richtlinie.*)
VolltextOnline seit 30. September
IBRRS 2024, 2860VK Bund, Beschluss vom 06.02.2024 - VK 1-101/23
1. Dem Auftraggeber steht bei der Angebotswertung ein Beurteilungsspielraum zu, der von den Nachprüfungsinstanzen nur dahin überprüfbar ist, ob das vorgeschriebene Verfahren eingehalten wurde, von einem zutreffenden und vollständig ermittelten Sachverhalt ausgegangen wurde, keine sachwidrigen Erwägungen für die Entscheidung herangezogen wurden und nicht gegen allgemein gültige Bewertungsgrundsätze verstoßen wurde.
2. Wie die Wertungskriterien zu verstehen sind, ist im Rahmen einer normativen Auslegung nach den für die Auslegung von Willenserklärungen geltenden Grundsätzen zu ermitteln. Abzustellen ist auf den objektiven Empfängerhorizont der potentiellen Bieter. Entscheidend ist die Verständnismöglichkeit aus der Perspektive eines verständigen und mit der ausgeschriebenen Leistung vertrauten Unternehmens, das über das für eine Angebotsabgabe erforderliche Fachwissen verfügt.
3. Legt der Auftraggeber der Wertung einen veränderten und dadurch intransparenter Erwartungshorizont zugrunde, kann das zu einer sach- und damit vergaberechtswidrigen Wertungsentscheidung führen.
VolltextOnline seit 27. September
IBRRS 2024, 2813VK Bund, Beschluss vom 18.07.2024 - VK 1-50/24
1. Der Auftraggeber hat den Auftragsgegenstand so eindeutig und erschöpfend zu beschreiben, dass die Beschreibung für alle Unternehmen im gleichen Sinne verständlich ist und die Angebote miteinander verglichen werden kann.
2. Änderungen der Vergabeunterlagen führen in Verhandlungsverfahren jedenfalls dann zum Ausschluss, wenn der Auftraggeber in den Vergabeunterlagen zum Ausdruck gebracht hat, dass die jeweiligen Konditionen nicht verhandelbar sind.
3. Ob das Angebot des Bieters auszuschließen gewesen wäre, ist für den Erfolg eines Antrags auf Feststellung einer Rechtsverletzung irrelevant, wenn er aufgrund der vergaberechtswidrigen Leistungsbeschreibung zweite Chance erhalten musste, ein neues Angebot abzugeben.
4. Ein isolierter Antrag auf Feststellung der Rechtswidrigkeit einer Aufhebung ist unstatthaft, wenn der Bieter ausdrücklich die Wirksamkeit der Aufhebung anerkennt und nicht die Fortsetzung des aufgehobenen Vergabeverfahrens begehrt.
VolltextOnline seit 26. September
IBRRS 2024, 2836VK Bund, Beschluss vom 26.03.2024 - VK 1-24/24
1. Eine vergaberechtswidrige Mehrdeutigkeit der Vergabeunterlagen liegt vor, wenn fachkundigen Unternehmen auch nach Auslegungsbemühungen mehrere Auslegungsmöglichkeiten verbleiben oder das zutreffende Verständnis der Vergabeunterlagen eine besondere Gesamtschau erfordert, die von den Bietern oder Bewerbern im Vergabewettbewerb erfahrungsgemäß nicht geleistet wird oder nicht geleistet werden kann.
2. Von einem Angebotsausschluss wegen eines möglicherweise nicht gravierenden formalen Mangels kann im Interesse der Erhaltung eines möglichst umfassenden Wettbewerbs abzusehen sein, wenn sich der formale Mangel eines fehlenden Formblatts insofern nicht auswirken würde, als das Angebot anderweitig alle im Angebotsschreiben geforderten Angaben und Erklärungen enthielte.
3. Es gibt keinen allgemeinen Erfahrungssatz, wonach ein Bieter stets das anbietet, was in der Ausschreibung gefordert ist.
4. Eine Nachforderung hat zu unterbleiben, wenn der Auftraggeber sie in den Vergabeunterlagen wirksam ausgeschlossen hat. Bei der normativen Auslegung der Nachforderungsregelung ist auf den objektiven Empfängerhorizont der potentiellen Bieter, also einen abstrakten Adressatenkreis, abzustellen.
VolltextOnline seit 25. September
IBRRS 2024, 2835VK Bund, Beschluss vom 31.07.2024 - VK 1-56/24
1. Damit die Wertung angebotener Lösungsansätze nachvollziehbar und nachprüfbar ist, muss gerade dann, wenn und soweit ein Wertungsergebnis sich nicht gleichsam zwangsläufig aus dem alleinigen "Abhaken" der ausgeschriebenen Vorgaben erschöpft, die Wertungsbegründung umso ausführlicher und konkreter sein. Je offener ein Wertungsschema ist, desto eingehender sind die Wertungsentscheidung und die wertungsrelevanten Überlegungen vom Auftraggeber zu dokumentieren.
2. Ein öffentlicher Auftraggeber ist weitestgehend darin frei, anhand welcher Methode er das für ihn wirtschaftlichste Angebot ermittelt (sog. Leistungsbestimmungsrecht). Die rechtlichen Grenzen hat ein Aufraggeber erst dann überschritten, wenn seine Wertungsmethode keine wettbewerbsoffene, willkürfreie und nachprüfbare Zuschlagserteilung ermöglicht.
3. Der Antrag auf weitere Akteneinsicht in die für den Bieter bisher geschwärzten Inhalte der Dokumentation der Wertungsentscheidung ist mangels Entscheidungserheblichkeit abzulehnen, wenn bereits aufgrund der bekannten Akteninhalte feststeht, dass diese Dokumentation nicht vergaberechtskonform erfolgt ist. Gleiches gilt für den Antrag auf Durchführung eines "in-camera"-Verfahrens.
Online seit 24. September
IBRRS 2024, 2799VK Berlin, Beschluss vom 16.11.2023 - VK B 1-7/22
1. Eignungskriterien dürfen ausschließlich die Befähigung und Erlaubnis zur Berufsausübung, die wirtschaftliche und finanzielle Leistungsfähigkeit sowie die technische und berufliche Leistungsfähigkeit betreffen, wobei die Eignungskriterien vom öffentlichen Auftraggeber im Einzelnen festzulegen und in der Auftragsbekanntmachung aufzuführen sind. Für ungeschriebene Eignungskriterien (hier: "Fachkunde") ist neben den normierten Ausschlusstatbeständen der §§ 123, 124 GWB kein Raum.
2. Der öffentliche Auftraggeber verstößt gegen allgemeine Bewertungsgrundsätze, indem er die Eignungsprüfung des Bieters mit der Prüfung der Angebotskalkulation vermengt und Kalkulationsfehler im Angebot des Antragstellers zur Grundlage der Entscheidung über die Eignung des Antragstellers im selben Verfahren macht.
3. ...
VolltextOnline seit 23. September
IBRRS 2024, 2808VK Bund, Beschluss vom 07.08.2024 - VK 2-63/24
1. In der Leistungsbeschreibung darf grundsätzlich nicht auf bestimmte Produkte eines Herstellers verwiesen werden. Die Bezugnahme auf ein Referenzprodukt ist nur ausnahmsweise zulässig, wenn der Auftragsgegenstand andernfalls nicht hinreichend genau und allgemeinverständlich beschrieben werden kann, wobei in diesem Ausnahmefall der Zusatz "oder gleichwertig" erforderlich ist (hier verneint).
2. Maßstab für die Zulässigkeit der Benennung eines Leitfabrikats ist nicht, welches Produkt der Auftraggeber für vorzugswürdig hält. Die Vorschrift stellt vielmehr darauf ab, ob das gewünschte Produkt ohne Verweis auf das Leitfabrikat nicht hinreichend genau beschrieben werden kann.
3. Für eine produktspezifische Ausschreibung muss ein besonders belastbarer sachlicher Grund in dem Sinne gegeben sein, dass es keine vernünftige Alternative bzw. keine vernünftige Alternativlösung gibt.
4. Ein Verstoß gegen das Gebot der Produktneutralität liegt auch dann vor, wenn man die Vorgabe des Leitprodukts für zulässig hält, der Auftraggeber sich aber nicht hinreichend mit den wettbewerblichen Auswirkungen seiner Vorgaben beschäftigt.
Online seit 20. September
IBRRS 2024, 2779OLG Frankfurt, Beschluss vom 20.06.2024 - 11 Verg 2/24
1. Für die Frage der Notwendigkeit der Heranziehung eines Rechtsanwalts ist eine differenzierte Betrachtung des Einzelfalls erforderlich.*)
2. Sofern im Mittelpunkt des Nachprüfungsverfahrens auftragsbezogene Sach- und Rechtsfragen stehen, spricht im Allgemeinen mehr dafür, dass der öffentliche Auftraggeber die erforderlichen Kenntnisse in seinem originären Aufgabenkreis selbst organisieren muss und daher die Heranziehung eines Rechtsanwalts im Nachprüfungsverfahren nicht notwendig ist.*)
3. In diesem Sinne können auch dann auftragsbezogene Sach- und Rechtsfragen im Mittelpunkt des Nachprüfungsverfahrens stehen, wenn die auftragsbezogenen Fragen primär prozessual, insbesondere im Rahmen der Frage der Antragsbefugnis (§ 160 Abs. 2 GWB) und der Erkennbarkeit des gerügten Sachverhalts (§ 160 Abs. 3 GWB), erörtert werden.*)
VolltextOnline seit 19. September
IBRRS 2024, 2764VK Berlin, Beschluss vom 19.07.2024 - VK B 1-19/23
1. Voraussetzung für einen Ausschluss gem. § 124 Abs. 1 Nr. 7 GWB sind (kumulativ) eine erhebliche oder fortdauernde mangelhafte Erfüllung einer wesentlichen Anforderung bei der Ausführung eines früheren öffentlichen Auftrags, die zu einer vorzeitigen Beendigung, zu Schadensersatz oder zu einer vergleichbaren Rechtsfolge geführt hat.
2. Nach dem Wortlaut der Norm genügt es nicht, dass der Auftraggeber gekündigt, einen Schadensersatzanspruch geltend gemacht oder eine Maßnahme ergriffen hat, die eine vergleichbare Rechtsfolge nach sich zieht. Die Konsequenzen müssen auch zu Recht gezogen worden sein. Da es sich dabei um eine Tatbestandsvoraussetzung handelt, müssen Auftraggeber eine entsprechende Rechtsprüfung (eingehend) dokumentieren, wozu neben der rechtlichen Würdigung auch der zu Grunde gelegte Sachverhalt gehört.
3. Der Ausschlusstatbestand erfasst zwar auch Leistungsstörungen bei öffentlichen Aufträgen anderer Auftraggeber. Dies entbindet aber nicht von der Dokumentation einer Prüfung der Rechtmäßigkeit der hieraus vom anderen Auftraggeber gezogenen Konsequenzen. Der Verweis auf eine erfolgte Kündigung oder auf vergleichbare Sanktionen Dritter genügt dem nicht.
4. Nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ist der Auftraggeber verpflichtet, dem Unternehmen vor seinem Ausschluss rechtliches Gehör zu verschaffen, damit es unter anderem die Möglichkeit erhält, die Vorwürfe zu widerlegen oder mögliche Selbstreinigungsmaßnahmen nach § 125 GWB darzulegen.
5. Der Antragsgegner hat eine Prognoseentscheidung dahingehend zu treffen und zu dokumentieren, ob von dem fraglichen Bieter unter Berücksichtigung der festgestellten früheren Schlechtleistung im Hinblick auf die Zukunft zu erwarten ist, dass er den nunmehr zu vergebenden Auftrag nicht gesetzestreu, ordnungsgemäß und sorgfältig ausführen werde
6. Auch bei Vertretung durch einen Rechtsanwalt ist eine eigene Entscheidung des Auftraggebers, die über ein bloßes "Abnicken" hinausgeht und entsprechend dokumentiert ist, erforderlich. Dabei kann sich der Auftraggeber die Ausführungen seiner Verfahrensbevollmächtigten zu eigen machen, indem er diese unter eigenverantwortlicher Abwägung einer eigenen Ermessensentscheidung zuführt.
Online seit 18. September
IBRRS 2024, 2754VG Magdeburg, Urteil vom 09.07.2024 - 3 A 159/22
1. Sind die Fördervoraussetzungen zulässigerweise in Förderrichtlinien geregelt, hat sich das Verwaltungsgericht bei der Rechtmäßigkeitsprüfung darauf zu beschränken, ob bei der Anwendung einer solchen Richtlinie im Einzelfall der Gleichheitssatz verletzt worden ist oder ggf. ein sonstiger Verstoß gegen einschlägige materielle Rechtsvorschriften vorliegt.
2. Entscheidend ist allein, wie die zuständige Behörde die Richtlinie im maßgeblichen Zeitpunkt in ständiger, zu einer Selbstbindung führenden Verwaltungspraxis gehandhabt hat und in welchem Umfang sie infolgedessen an den Gleichheitssatz gebunden ist.
3. Der öffentliche Auftraggeber verstößt gegen die Zuwendungsbedingungen, wenn er auch Angebote solcher Bieter wertet, die nicht sämtliche der geforderten Umsatzzahlen mitgeteilt oder keine vollständige Verpflichtungserklärung zur Beachtung der ILO-Kernarbeitsnormen abgegeben haben. Selbiges gilt für denjenigen, der sich nach Vorlage einer abgelaufenen Unbedenklichkeitsbescheinigung der Berufsgenossenschaft unter Verstoß gegen das Nachforderungsverbot eine aktuelle Bescheinigung nachreichen lässt.
4. Das bestehende Ermessen kann mit Rücksicht auf die haushaltsrechtlichen Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit der Haushaltsführung in der Regel nur durch die (teilweise) Aufhebung des Zuwendungsbescheides fehlerfrei ausgeübt werden kann (sog. intendiertes Ermessen).
VolltextOnline seit 17. September
IBRRS 2024, 2751VK Bund, Beschluss vom 25.04.2024 - VK 1-30/24
1. Bei der Eignungsprüfung trifft der öffentliche Auftraggeber die Prognoseentscheidung, ob der Bewerber in der Lage sein wird, den Auftrag ausschreibungskonform zu erbringen. Dabei steht ihm ein Beurteilungsspielraum zu, der im Nachprüfungsverfahren nur eingeschränkt überprüft werden kann.
2. Technische Planungsleistungen weisen eine personenbezogene Komponente auf, da deren erfolgreiche Ausführung von den Fähigkeiten der für die Planung eingesetzten Personen mitbestimmt wird.
3. Bei komplexen Planungsleistungen ist es nicht beurteilungsfehlerhaft, wenn der Auftraggeber zu dem Ergebnis kommt, dass die Übernahme einzelner Personen (hier: der vorgesehenen Projektleiter), die für ein anderes Unternehmen an vergleichbaren Projekten mitgearbeitet haben, nicht hinreichend die Eignung des Bieters für die ordnungsgemäße Ausführung des Auftrags belegt. Denn damit können die betriebsorganisatorischen Fähigkeiten und Kapazitäten eines Unternehmens, die für die Erfüllung komplexer Planungsaufgaben ebenfalls und unabhängig von einzelnen Personen erforderlich sind, nicht gleichgesetzt werden.
VolltextOnline seit 16. September
IBRRS 2024, 2741OLG Düsseldorf, Beschluss vom 22.03.2023 - Verg 24/22
1. Die Angebotswertung hat anhand der vom Auftraggeber bekannt gemachten Zuschlags- und Unterkriterien einschließlich deren Gewichtung zu erfolgen.
2. Es steht dem öffentlichen Auftraggeber frei, ein Ausschlusskriterium für den Fall zu formulieren, dass von den Bietern eine bestimmte Mindestpunktzahl nicht erreicht wird. Der Inhalt eines solchen Ausschlusskriteriums muss - ebenso wie die Vergabeunterlagen insgesamt - hinreichend klar und eindeutig formuliert sein.
3. Die Zuschlagsentscheidung muss im Vergabenachprüfungsverfahren überprüfbar sein. Die Nachprüfungsinstanzen müssen anhand der Dokumentation der Wertungsentscheidung die Einhaltung der Bewertungsgrundsätze nachvollziehen können und daraufhin kontrollieren, ob das vorgeschriebene Verfahren eingehalten, von einem zutreffenden und vollständig ermittelten Sachverhalt ausgegangen wurde, keine sachwidrigen Erwägungen in die Entscheidung eingeflossen sind und allgemeingültige Bewertungsmaßstäbe beachtet wurden.
4. Vor allem dann, wenn der Auftraggeber sich eines aus Preis und qualitativen Aspekten zusammengesetzten Kriterienkatalogs bedient, bei dem die Angebote hinsichtlich der Qualitätskriterien mittels eines Benotungssystems bewertet werden und die Bewertungsmethode des Preises nur enge Kompensationsmöglichkeiten für qualitative Abzüge erwarten lässt, muss der Auftraggeber seine für die Zuschlagserteilung maßgeblichen Erwägungen in allen Schritten so eingehend dokumentieren, dass nachvollziehbar ist, welche konkreten qualitativen Eigenschaften der Angebote mit welchem Gewicht in die Benotung eingegangen sind.
VolltextOnline seit 13. September
IBRRS 2024, 2740OLG Düsseldorf, Beschluss vom 10.07.2023 - Verg 46/22
1. Über die Notwendigkeit eines Verfahrensbeteiligten, einen Rechtsanwalt zuzuziehen, ist nicht schematisch, sondern auf der Grundlage einer differenzierenden Betrachtung des Einzelfalls zu entscheiden.
2. Entscheidend ist, ob der Beteiligte unter den Umständen des Falles auch selbst in der Lage gewesen wäre, aufgrund der bekannten oder erkennbaren Tatsachen den Sachverhalt zu erfassen und hieraus die für eine sinnvolle Rechtswahrung oder -verteidigung nötigen Schlüsse zu ziehen und das danach Gebotene gegenüber der Vergabekammer vorzubringen, wobei neben Gesichtspunkten wie der Einfachheit oder Komplexität des Sachverhalts, der Überschaubarkeit oder Schwierigkeit der zu beurteilenden Rechtsfragen auch rein persönliche Umstände bestimmend sein können. Anerkannt ist darüber hinaus, dass der Gesichtspunkt der so genannten prozessualen Waffengleichheit in die Prüfung einfließen kann.
VolltextOnline seit 12. September
IBRRS 2024, 2742BayObLG, Beschluss vom 01.08.2024 - Verg 19/23
1. Öffentliche Auftraggeber haben im Vergabeverfahren rechtzeitig gestellte, auftragsbezogene Fragen der Bieter zutreffend und unter Beachtung des Geheimnisschutzes zu beantworten (hier zu dem Umstand, dass die Abstimmungsvereinbarung zwischen öffentlich-rechtlichem Entsorgungsträger und den Betreibern dualer Systeme im Ausschreibungszeitpunkt bereits ausgelaufen und eine neue Vereinbarung noch nicht abgeschlossen war).*)
2. Nach Durchführung einer elektronischen Auktion sind die finalen Angebote unter den Voraussetzungen des § 60 VgV einer Auskömmlichkeitsprüfung zu unterziehen.*)
3. Nach den nationalen Bestimmungen über die Durchführung elektronischer Auktionen sind die öffentlichen Auftraggeber nicht verpflichtet, den an der Auktion teilnehmenden Bietern neben ihrem jeweiligen Rang auch die Gesamtanzahl der an der Auktion beteiligten Wettbewerber mitzuteilen.*)
4. Es hängt von den Umständen des Einzelfalls ab, ob die Zuweisung des Risikos schwankender Altpapiermengen an den Bieter ausnahmsweise eine kaufmännisch vernünftige Angebotskalkulation unzumutbar macht (hier verneint).*)
Online seit 11. September
IBRRS 2024, 2733VK Bund, Beschluss vom 25.07.2024 - VK 1-58/24
1. Der öffentliche Auftraggeber kann ein Unternehmen unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit von der Teilnahme an einem Vergabeverfahren ausschließen, wenn es versucht hat, die Entscheidungsfindung des öffentlichen Auftraggebers in unzulässiger Weise zu beeinflussen.
2. Als Versuch der unzulässigen Einflussnahme ist jede Kontaktaufnahme anzusehen, die nicht die in dem konkreten Vergabeverfahren vorgesehenen Wege und Mittel der Kommunikation einhält und in der ein Unternehmen versucht, Einfluss auf den Auftraggeber oder mit ihm zusammenhängende Stellen oder Personen in Bezug auf das Ergebnis des Vergabeverfahrens zu nehmen.
3. Nimmt ein Unternehmen zu einem potenziellen Wettbewerber im Vorfeld einer möglichen Ausschreibung Kontakt auf, um diesen unter Hinweis auf ein bestehendes Vertragsverhältnis unter der Androhung von Nachteilen (Schadensersatz) von der Teilnahme an einer öffentlichen Ausschreibung abzuhalten, liegt kein Versuch der unzulässigen Einflussnahme vor.
4. Eine kartellrechtswidrige Nachteilsandrohung kann eine unzulässige wettbewerbsbeschränkende Vereinbarung - die Verabredung einer Nichtbeteiligung eines Wettbewerbers an der Ausschreibung - darstellen.
5. ...
Online seit 10. September
IBRRS 2024, 2711VK Südbayern, Beschluss vom 11.10.2023 - 3194.Z3-3_01-23-16
1. Bieter müssen sich bei der Erstellung ihres Angebots mit den bekannt gemachten Wertungsmethoden auseinandersetzen. Ein sorgfältig handelnder Bieter wird verschiedene Angebotsstrategien durchdenken, um deren Erfolgsaussichten abzuschätzen. Damit sind bei konkreter Benennung aller relevanten Details zur Preis- und Qualitätswertung, die Auswirkung von verschiedenen Angebotsstrategien bei Preis und Qualität für einen durchschnittlichen fachkundigen Bieter erkennbar. Von einem Bieter kann insbesondere erwartet werden, dass er einfache mathematische Überlegungen anstellt.*)
2. Allein aus der Einstellung eines Strafverfahrens gegen Geldauflage gem. § 153a Abs. 2 StPO kann nicht geschlossen werden, dass keine hinreichenden Anhaltspunkte i.S.d. § 124 Abs. 1 Nr. 4 GWB vorliegen. Liegen dem öffentlichen Auftraggeber konkrete Hinweise auf Vereinbarungen oder Verhaltensweisen vor, welche zur Verhinderung, Einschränkung oder Verfälschung des Wettbewerbs führen können, dann ist er verpflichtet, diese Erkenntnisse bei seiner Ermessensentscheidung auch zu berücksichtigen und kann sich nicht allein auf die Einstellung des Strafverfahrens berufen.*)
3. Wurden Straf- oder Kartellverwaltungsverfahren auf eine Art und Weise eingestellt, dass keine Entscheidung darüber getroffen wurde, ob die vorgeworfene oder untersuchte Tat begangen wurde oder ein Verstoß gegen wettbewerbsrechtliche Vorschriften vorliegt, so ist für den Zeitraum des § 126 Nr. 2 GWB auf die konkrete Handlung selbst und nicht auf das Datum der Einstellung abzustellen.*)
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