Bau-, Architekten- und Immobilienrecht.

Volltexturteile nach Sachgebieten
16160 Entscheidungen insgesamt
Online seit 2023
IBRRS 2023, 1166
AG Schwetzingen, Beschluss vom 23.01.2023 - 1 F 228/22
Ein bestehendes Arzt-Patient-Verhältnis zwischen dem Richter und einem Verfahrensbeteiligten begründet die Besorgnis der Befangenheit in der Regel auch dann, wenn nicht die ärztliche Tätigkeit des Arztes Gegenstand des Verfahrens ist.*)

IBRRS 2023, 1151

BVerwG, Beschluss vom 06.12.2022 - 4 C 7.21
Im Berufungsverfahren ist eine mündliche Verhandlung grundsätzlich geboten, wenn für die Entscheidung des Berufungsgerichts neue, im erstinstanzlichen Verfahren noch nicht angesprochene Rechtsfragen oder Tatsachen entscheidungserheblich werden.*)

IBRRS 2023, 1140

BGH, Beschluss vom 09.03.2023 - I ZB 33/22
1. Die abweisende Entscheidung in einem Aufhebungsverfahren im Ursprungsstaat des Schiedsspruchs entfaltet für das Vollstreckbarerklärungsverfahren im Inland keine Bindungswirkung.*)
2. Die Reichweite einer Schiedsklausel ist in subjektiver Hinsicht grundsätzlich beschränkt auf die Vertragsparteien und ihre Rechtsnachfolger. Auch bei einer geltend gemachten Durchgriffshaftung im (faktischen) Konzernverbund ist der in Anspruch genommene Dritte nicht an die für die Vertragsparteien geltende Schiedsklausel gebunden.*)
3. Dem zukünftigen Antragsgegner eines Vollstreckbarerklärungsverfahrens nach § 1061 Abs. 1 ZPO steht bis zur Einleitung dieses Verfahrens ein Antrag auf Feststellung der Nichtanerkennung des ausländischen Schiedsspruchs in entsprechender Anwendung von § 1062 Abs. 1 Nr. 4 Fall 2, § 1061 Abs. 2 ZPO zu.*)
4. Dieser Antrag auf Feststellung der Nichtanerkennung des ausländischen Schiedsspruchs ist nicht fristgebunden. Die Drei-Monats-Frist gem. § 1059 Abs. 3 Satz 1 bis 3 ZPO sowie die Präklusionsnorm des § 1060 Abs. 2 Satz 2 ZPO finden auf ausländische Schiedssprüche keine, auch keine entsprechende Anwendung.*)

IBRRS 2023, 1138

BGH, Urteil vom 17.02.2023 - V ZR 212/21
Die rechtskräftige Verurteilung zur Zahlung restlichen Kaufpreises in einem Vorprozess stellt nicht das Bestehen des Kaufvertrags mit Bindungswirkung für einen Folgeprozess fest; es handelt sich insoweit nur um die Feststellung einer Vorfrage, die nicht in Rechtskraft erwächst.*)

IBRRS 2023, 1134

BayObLG, Beschluss vom 06.04.2023 - 102 AR 152/22
1. Eine Zuständigkeitsbestimmung nach § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO kommt nicht in Betracht, wenn im Rahmen eines selbständigen Beweisverfahrens mehrere Antragsgegner jeweils für unterschiedliche Mängel an verschiedenen Gewerken in Anspruch genommen werden sollen. Eine Gleichartigkeit der Ansprüche i. S. des § 60 ZPO lässt sich nicht allein daraus ableiten, dass die Gewerke dasselbe Bauvorhaben betreffen.*)
2. Die Zulässigkeit der Streitgenossenschaft zwischen einzelnen Antragsgegnern rechtfertigt eine Gerichtsstandsbestimmung unter Einbeziehung sämtlicher Antragsgegner nicht.*)

IBRRS 2023, 1129

OLG Schleswig, Beschluss vom 06.02.2023 - 16 W 8/23
1. Die enge Zusammenarbeit von Richterinnen und Richtern in einem Kollegialgericht führt regelmäßig zu einer persönlichen Beziehung zwischen ihnen, die ihre Unbefangenheit in Frage stellt, wenn eine oder einer von ihnen selbst als Partei am Rechtsstreit beteiligt ist. Das gilt auch dann, wenn das Mitglied des Spruchkörpers nicht persönlich, sondern als Organ einer Gesellschaft am Rechtsstreit beteiligt ist.*)
2. Die Besorgnis der Befangenheit ist unabhängig davon zu bejahen, ob einzelne der abgelehnten Handelsrichterinnen und Handelsrichter in der Vergangenheit noch nicht mit dem als Partei an dem Rechtsstreit beteiligten Kammermitglied eine gemeinsame Spruchgruppe gebildet haben. Entscheidend ist die nicht auszuräumende berechtigte Besorgnis der gegnerischen Partei, auch diese ehrenamtlichen Richterinnen und Richter könnten ihr gegenüber nicht unbefangen sein.*)

IBRRS 2023, 1128

BAG, Urteil vom 17.01.2023 - 3 AZR 158/22
Bestimmende Schriftsätze können formwirksam im sog. E-Mail-to-Fax-Verfahren an das Gericht gem. § 130 Nr. 6 ZPO übermittelt werden, selbst wenn die Unterschrift des Bevollmächtigten in der übermittelten PDF-Datei nur eingescannt ist.*)

IBRRS 2023, 1109

BFH, Beschluss vom 22.03.2023 - X B 135/21
1. Ein Antrag auf Vernehmung des Postzustellers ist nicht schon deshalb unsubstantiiert, weil der Kläger nicht genau den Zeitraum der üblichen Geschäfts- und Postzustellzeiten bezeichnet, wenn er gleichzeitig Beweis dafür anbietet, dass sein Büro in diesem Zeitraum besetzt war und sich der genaue Zeitpunkt des Zustellungsversuchs auch nicht aus der Zustellungsurkunde ergibt.*)
2. Auch ohne Vorliegen eines substantiierten Beweisantrags des Klägers können sich im Einzelfall vorliegende Zweifel am Wahrheitsgehalt der Zustellungsurkunde zu einer Aufklärungspflicht des Gerichts verdichten.*)

IBRRS 2023, 1108

BVerfG, Beschluss vom 16.02.2023 - 1 BvR 1881/21
1. Das Gericht ist verpflichtet, die Ausführungen der an einem gerichtlichen Verfahren Beteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen. Dazu gehört, dass ein ordnungsgemäß eingereichter Schriftsatz nicht unberücksichtigt bleiben darf.
2. Erfüllt ein Schriftsatz die geltenden technischen Voraussetzungen für einen Versand über das besondere anwaltliche Postfach (beA), ist er ordnungsgemäß eingereicht, auch wenn das Gericht ihn aufgrund technischer Probleme nicht der Gerichtsakte beifügt. In diesem Fall muss das Gericht mit seiner Entscheidung so lange warten, bis es den Schriftsatz zur Kenntnis nehmen kann.
IBRRS 2023, 1099

BGH, Beschluss vom 07.03.2023 - VI ZB 74/22
Zu den Anforderungen an die Bezeichnung des Rechtsmittelgegners nach § 519 Abs. 2 ZPO.*)

IBRRS 2023, 1080

OLG Schleswig, Beschluss vom 27.03.2023 - 2 AR 4/23
1. Das an sich zuständige Landgericht ist an einer Ausübung des Richteramts rechtlich verhindert (§ 36 Abs. 1 Nr. 1 ZPO), wenn alle Handelsrichter sämtlicher Kammern für Handelssachen erfolgreich abgelehnt wurden beziehungsweise nach § 41 ZPO von der Ausübung des Richteramts ausgeschlossen sind, weil dann eine ordnungsgemäße Besetzung einer Kammer für Handelssachen bei diesem Landgericht nicht mehr möglich ist.*)
2. Im Rahmen der (zuständigkeitsbegründenden) Bestimmung eines (an sich unzuständigen) Gerichts gem. § 36 Abs. 1 Nr. 1 ZPO ist - entsprechend dem Vorgehen bei § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO - nach Zweckmäßigkeitsgesichtspunkten und unter Berücksichtigung der Prozesswirtschaftlichkeit auszuwählen. Die Lage bei § 36 Abs. 1 Nr. 1 ZPO ist mit der bei § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO vergleichbar. Auch bei Anwendung des § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO wird ein Gericht für ein Verfahren zuständig, für das es zumindest mit Blick auf einen Beteiligten nicht von vorneherein zuständig war.*)

IBRRS 2023, 1074

OLG Dresden, Beschluss vom 09.03.2023 - 4 U 2496/22
Eine Divergenz, die die Zulassung der Revision erfordert und einer Zurückweisung der Berufung durch Beschluss entgegensteht, fordert die Abweichung zu dem von einem anderen Obergericht aufgestellten Rechtssatz. Bei einer unterschiedlichen Würdigung des Sachverhalts in tatsächlicher Hinsicht liegt sie hingegen nicht vor; … (Festhaltung Senat, Beschluss vom 12.10.2022 - 4 U 405/22, IBRRS 2022, 3247 = IMRRS 2022, 1412).*)

IBRRS 2023, 1073

OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 06.04.2023 - 1 B 1215/22
1. Ein (elektronisches) Empfangsbekenntnis erbringt grundsätzlich Beweis nicht nur für die Entgegennahme des darin bezeichneten Schriftstücks als zugestellt, sondern auch für den Zeitpunkt der Entgegennahme durch den Unterzeichner und damit der Zustellung.
2. Dadurch ist der Beweis, dass das zuzustellende Schriftstück (elektronische Dokument) den Adressaten tatsächlich zu einem anderen Zeitpunkt erreicht hat, nicht ausgeschlossen.
3. Nicht ausreichend ist aber eine bloße Erschütterung der Richtigkeit der Angaben im Empfangsbekenntnis. Vielmehr muss die Beweiswirkung vollständig entkräftet, mit anderen Worten der Gegenbeweis geführt und jede Möglichkeit der Richtigkeit der Empfangsbestätigung ausgeschlossen werden.

IBRRS 2023, 0804

BGH, Beschluss vom 15.02.2023 - VII ZR 13/22
Die Prozessführungsbefugnis einer Wohnungseigentümergemeinschaft, die sich aus einem vor dem 01.12.2020 erlassenen Vergemeinschaftungsbeschluss ergibt, besteht auch nach der Neuregelung der Ausübungsbefugnis der Wohnungseigentümergemeinschaft in § 9a Abs. 2 WEG fort. Das gilt sowohl, wenn ein entsprechender Anspruch des Erwerbers auf eine kaufvertragliche Nachbesserungspflicht gestützt wird, als auch, wenn ein werkvertraglicher Anspruch auf Kostenvorschuss in Rede steht.
IBRRS 2023, 1045

BGH, Urteil vom 24.02.2023 - V ZR 152/22
Wird ein nach Inkrafttreten des Wohnungseigentumsmodernisierungsgesetzes gefasster Abrechnungsbeschluss gem. § 28 Abs. 2 WEG mit dem Ziel angefochten, den Beschluss insgesamt für ungültig erklären zu lassen, bemisst sich der Streitwert grundsätzlich nach dem Nennbetrag der Jahresabrechnung. Das für die Berechnung der Grenzen des § 49 Satz 2 GKG maßgebliche Individualinteresse des Klägers entspricht seinem Anteil am Nennbetrag der Abrechnung (Fortführung von Senat, Beschluss vom 09.02.2017 - V ZR 188/16, Rz. 8 ff., IMRRS 2017, 0787 = ZWE 2017, 331 ).*)

IBRRS 2023, 1027

BGH, Beschluss vom 28.02.2023 - VI ZR 98/22
Zum Vorliegen eines Gehörsverstoßes wegen abweichender Würdigung einer Zeugenaussage durch das Berufungsgericht gegenüber der Vorinstanz, ohne den Zeugen erneut zu vernehmen.*)

IBRRS 2023, 1016

OLG Stuttgart, Beschluss vom 28.03.2023 - 6 U 18/23
Das Gericht verkennt die Reichweite seiner Hinweispflichten und verletzt das rechtliche Gehör des Klägers, wenn es dem Kläger zwar im Termin zur mündlichen Verhandlung auf nach seiner Beurteilung fehlenden Vortrag hinweist, dem Kläger jedoch - trotz seines Antrags auf Gewährung eines Schriftsatzrechts - keine Gelegenheit zur sachgerechten Reaktion auf diesen Hinweis gibt.

IBRRS 2023, 0955

BGH, Urteil vom 07.02.2023 - VI ZR 137/22
Die nachträgliche Zulassung der Berufung aufgrund einer Anhörungsrüge gemäß § 321a ZPO ist ausnahmsweise zulässig, wenn das Verfahren aufgrund eines Gehörsverstoßes gemäß § 321a Abs. 5 ZPO fortgesetzt wird und sich erst aus dem anschließend gewährten rechtlichen Gehör ein Grund für die Zulassung ergibt, oder wenn das Erstgericht bei seiner ursprünglichen Entscheidung über die Nichtzulassung der Berufung bezogen auf die Zulassungsentscheidung das rechtliche Gehör des späteren Berufungsklägers verletzt hat.*)

IBRRS 2023, 1014

BVerwG, Urteil vom 01.03.2023 - 9 C 25.21
Ein Prozessbevollmächtigter darf sich bezüglich des Zeitpunkts der Zustellung eines Widerspruchsbescheids nicht auf die Angaben seines Mandanten verlassen, sondern muss deren Richtigkeit eigenverantwortlich überprüfen (im Anschluss an BGH, IBR 2019, 289).*)

IBRRS 2023, 0995

BGH, Beschluss vom 21.02.2023 - VIII ZB 75/22
Zur Einheitlichkeit eines Rechtsmittels trotz Einreichung von Berufungsschriften bei verschiedenen Gerichten (im Anschluss an BGH, Urteil vom 29.06.1966 - IV ZR 86/65, BGHZ 45, 380, 382 f.; Beschluss vom 26.11.2020 - V ZB 151/19, Rz. 9 ff., IBRRS 2021, 0009).*)

IBRRS 2023, 0966

LG München I, Beschluss vom 09.11.2022 - 8 O 7010/20
1. Zu den Kosten des Rechtsstreits gehören grundsätzlich die im selbstständigen Beweisverfahren entstandenen Kosten, wenn die Parteien und der Streitgegenstand des Beweisverfahrens und des Hauptprozesses identisch sind.
2 ...

IBRRS 2023, 0950

OLG Brandenburg, Beschluss vom 02.03.2023 - 10 W 2/23
Eine Beschwerde gegen einen ablehnenden Beschluss auf Aufhebung des Beweisbeschlusses im selbständigen Beweisverfahren ist nicht statthaft. Die Ablehnung der Aufhebung des Beweisbeschlusses ist inhaltlich eine Bestätigung des Beweisbeschlusses und daher ebenso wie der Beweisbeschluss selbst der Anfechtung durch die Beschwerde entzogen.

IBRRS 2023, 0997

BGH, Beschluss vom 01.03.2023 - XII ZB 228/22
1. Wird ein Wiedereinsetzungsantrag auf einen vorübergehenden Funktionsausfall eines Computers gestützt, bedarf es näherer Darlegungen zur Art des Defekts und seiner Behebung (im Anschluss an BGH, Beschluss vom 17.05.2004 - II ZB 22/03, IBRRS 2004, 1501 = NJW 2004, 2525).*)
2. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand kann nicht gewährt werden, wenn nach den glaubhaft gemachten Tatsachen zumindest die Möglichkeit offenbleibt, dass die Fristversäumung von dem Beteiligten bzw. seinem Verfahrensbevollmächtigten verschuldet war (im Anschluss an Senatsbeschluss vom 06.04.2011 - XII ZB 701/10, IBRRS 2011, 1989 = NJW 2011, 1972).*)

IBRRS 2023, 0992

BGH, Beschluss vom 09.02.2023 - I ZB 62/22
1. Ein nicht-ständiges Schiedsgericht ist i.S.d. § 1032 Abs. 2 ZPO gebildet, wenn alle Schiedsrichter bestellt sind. Es kommt nicht darauf an, ob der Antragsteller des Verfahrens nach § 1032 Abs. 2 ZPO hiervon Kenntnis hat.*)
2. Der Antrag nach § 1032 Abs. 2 ZPO kann ab der vollständigen erstmaligen Konstituierung des Schiedsgerichts nicht mehr in zulässiger Weise gestellt werden. Spätere Wechsel in der Zusammensetzung desselben Schiedsgerichts, etwa durch Ernennung eines Ersatzschiedsrichters nach § 1039 Abs. 1 ZPO, führen nicht dazu, dass ein solcher Antrag erneut zulässig wird.*)

IBRRS 2022, 2830

AG Neustadt/Rübenberge, Urteil vom 11.07.2022 - 20 C 685/21
"Explosion" der Streitwerte nach Anfechtungsklage gegen alle (13) Tagesordnungspunkte.

IBRRS 2023, 0984

BVerwG, Urteil vom 24.01.2023 - 4 CN 8.21
Das Rechtsschutzbedürfnis für einen Normenkontrollantrag nach § 47 Abs. 1 Nr. 1 VwGO eines nach § 2 Abs. 1 UmwRG antragsbefugten Umweltverbandes entfällt nicht deshalb, weil der angegriffene Bebauungsplan bereits vollständig umgesetzt ist.*)

IBRRS 2023, 0977

BGH, Beschluss vom 07.02.2023 - VIII ZB 55/21
Nach § 520 Abs. 2 Satz 3 ZPO kann auch einem wiederholten Antrag auf Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist ohne Einwilligung des Gegners stattgegeben werden, solange dadurch die in dieser Vorschrift genannte Monatsfrist insgesamt nicht überschritten wird.*)

IBRRS 2023, 0939

KG, Beschluss vom 22.03.2023 - 10 W 113/22
1. Die Art und Weise der Verfahrensführung kann, da sie dem Kernbereich der richterlichen Unabhängigkeit zuzuordnen ist, grundsätzlich nicht die Besorgnis einer Befangenheit begründen.*)
2. Im Ablehnungsverfahren geht es allein um die mögliche Parteilichkeit des Richters/der Richterin und nicht um die Richtigkeit ihrer Handlungen und Entscheidungen. Deren Überprüfung ist den Rechtsmittelgerichten vorbehalten.*)

IBRRS 2023, 0935

VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 06.03.2023 - 12 S 2487/22
Zu den Sorgfaltsanforderungen einer Behörde bei der Einreichung fristgebundener Schriftsätze (hier: Berufungsbegründungsfrist des § 124a Abs. 6 Satz 1 VwGO).*)

IBRRS 2023, 0934

OLG Frankfurt, Beschluss vom 10.11.2022 - 11 W 30/22
Gegen eine Verweisung nach § 281 ZPO ist die sofortige Beschwerde nicht statthaft.*)

IBRRS 2023, 0920

OLG Koblenz, Beschluss vom 08.12.2022 - 8 W 416/22
1. Beruht das Nichterscheinen eines Zeugen, dem die Teilnahme an der Beweisaufnahme im Wege einer Videokonferenz gestattet worden war, auf einem Fehler im Umgang mit IT-Systemen, ist dieser Fehler ggf. nicht so gravierend, dass er ein Ordnungsgeld rechtfertigen würde.*)
2. Außergerichtliche Kosten des Beschwerdeführers werden als notwendige Auslagen nach § 19 JVEG ersetzt, die die später unterliegende Partei als Teil der Prozesskosten zu tragen hat (vgl. BGH, Beschluss vom 12.06.2007, VI ZB 4/07, NJW-RR 2007, 1364 = IBRRS 2007, 3611 = IMRRS 2007, 1585).*)

IBRRS 2023, 0878

AG Donaueschingen, Urteil vom 27.01.2023 - 1 C 54/22
Die Zustellung eines Versäumnisurteils ist nicht deshalb unwirksam, weil der Zusteller auf dem Umschlag weder Datum noch Uhrzeit der Zustellung vermerkt. Dem Zustellungsadressaten obliegt es bei Zweifeln die Frist gegebenenfalls bei Gericht zu erfragen. Berechnet der Adressat die Frist anhand seiner Briefkastenleerung zu seinen Ungunsten falsch, begeht er ein Verschulden gegen sich selbst, weshalb auch eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht zu gewähren ist.

IBRRS 2023, 0916

OLG Saarbrücken, Beschluss vom 27.02.2023 - 5 W 15/23
Ein Ablehnungsgesuch kann rechtsmissbräuchlich sein, wenn dessen Begründung ausnahmslos auf schon länger bekannte (vermeintliche) Verfahrensfehler abstellt und auch das weitere prozessuale Verhalten der Partei - hier: Anbringen des Gesuchs erst am Morgen des seit langem bestimmten Verhandlungstermins über den Einspruch gegen ein Versäumnisurteil, keinerlei inhaltliche Förderung des Verfahrens und mehrfache, nach Aktenlage nicht nachvollziehbare Verweigerung der Entgegennahme von Zustellungen - auf die mangelnde Ernsthaftigkeit des Gesuchs schließen lässt.*)

IBRRS 2023, 0621

LG Berlin, Beschluss vom 15.02.2023 - 65 T 15/23
1. Der Gebührenstreitwert einer auf Feststellung der nach § 556d BGB höchst zulässigen Miete bei Mietbeginn gerichteten Klage bestimmt sich nach § 48 Abs. 1 GKG, §§ 3, 9 ZPO.
2. § 41 Abs. 5 Satz 1 GKG ist auf diesen Fall weder unmittelbar noch analog anwendbar.

IBRRS 2023, 0542

LG Berlin, Beschluss vom 20.12.2022 - 67 T 77/22
Der Gebührenstreitwert einer auf die Feststellung der preisrechtlich zulässigen Miete gerichteten Klage bemisst sich auch im Falle einer nach dem 31.12.2020 erfolgten Klageerhebung nach dem 3-1/2-fachen Jahresbetrag des zwischen den Mietvertragsparteien streitigen Differenzbetrags.*)

IBRRS 2023, 0074

BGH, Beschluss vom 14.12.2022 - VII ZR 271/19
1. Das Gericht ist verpflichtet, die Ausführungen der Prozessbeteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen. Dazu gehört es, den wesentlichen Kern des Vorbringens der Partei zu erfassen und - soweit er eine zentrale Frage des Verfahrens betrifft - zu bescheiden.
2. Von einer Verletzung dieser Pflicht ist auszugehen, wenn das Gericht die Substantiierungsanforderungen offenkundig überspannt und es dadurch versäumt, den Sachvortrag der Parteien zur Kenntnis zu nehmen und die angebotenen Beweise zu erheben.
3. Zur Schlüssigkeit der Höhe eines Vergütungsanspruchs für geänderte Leistungen aus § 2 Abs. 5 VOB/B.

IBRRS 2023, 0895

LG Karlsruhe, Beschluss vom 17.03.2023 - 11 T 59/23
1. Der Streitwert einer Klage auf Zustimmung der Änderung der Teilungserklärung dahingehend, dass die Teileigentumseinheit des Klägers auch zu Wohnzwecken genutzt werden darf, bestimmt sich nach dem Angreiferinteresse und berechnet sich nach § 9 Satz 1 ZPO nach dem dreieinhalbfachen Wert der jährlichen Mieteinnahmen bei einer Nutzung als Wohnung.
2. Der Streitwert ist im Hinblick auf das Additionsverbot nicht mit der Anzahl der Beklagten zu multiplizieren.

IBRRS 2023, 0891

OLG Bamberg, Beschluss vom 20.03.2023 - 2 W 13/23
1. Zur Verhängung eines Ordnungsgeldes wegen Ausbleiben eines geladenen Zeugen im Termin trotz Vorlage eines ärztlichen Attestes mit Bescheinigung einer Reiseunfähigkeit.*)
2. Ein ärztliches Attest, das einem Zeugen aus Gesundheitsgründen die Fähigkeit abspricht, den Vernehmungstermin wahrzunehmen, erfordert, dass das Gericht aus der vorgelegten ärztlichen Bescheinigung Art, Schwere und voraussichtliche Dauer der Erkrankung entnehmen und so die Frage einer etwaigen Reise- oder Verhandlungsunfähigkeit selbst beurteilen kann.*)
3. Die Diagnose einer „chronischen Erkrankung“ ist vollkommen unbestimmt und hierfür nicht geeignet.*)
4. Die attestierte Angabe, dass der Patient „nicht lange sitzen“ könne, kann eine Reiseunfähigkeit bei geplanter Anreise mit der Bahn nicht begründen, zumal wenn der Zeuge fortwährend mit zeitaufwändigen Notariatsvertretungen betraut ist und diese auch wahrnimmt.*)
5. Die Anordnung der persönlichen Zeugeneinvernahme nach einer vorausgegangenen schriftlichen Aussage steht im Ermessen des Gerichts und ist vom Beschwerdegericht im Ordnungsgeldverfahren nicht zu überprüfen.*)

IBRRS 2023, 0876

OLG Stuttgart, Beschluss vom 14.03.2023 - 2 W 3/23
1. Die Festsetzung des Gegenstandswerts für die einem Nebenintervenienten zu erstattenden Rechtsanwaltsgebühren gem. § 89a Abs. 3 GWB ist mit der Beschwerde anfechtbar.*)
2. Die formlose Bekanntgabe eines Beschlusses zur Festsetzung des Gegenstandswertes gem. § 33 Abs. 1 RVG setzt die Beschwerdefrist nicht in Gang.*)
3. Wirkt § 89a Abs. 3 Satz 2 GWB bei der Festsetzung der Gegenstandswerte der Nebeninterventionen begrenzend, muss die Summe der festgesetzten Gegenstandswerte den gesetzlich zulässigen Höchstwert auch tatsächlich erreichen.*)

IBRRS 2023, 0865

OLG Frankfurt, Beschluss vom 09.02.2023 - 11 SV 1/23
Die Bindungswirkung nach § 281 Abs. 2 Nr. 4 ZPO greift nicht ein, wenn ein nach geltendem Recht unzweifelhaft zuständiges Gericht den Rechtsstreit verweist, ohne die seine Zuständigkeit begründende Gesetzesnorm - hier § 44 BDSG - beachtet oder zur Kenntnis genommen zu haben, vorausgesetzt, diese Vorschrift ist seit geraumer Zeit in Kraft (Anschluss an BayObLG, NJW-RR 2002, 1295).*)

IBRRS 2023, 0864

OLG Frankfurt, Beschluss vom 09.02.2023 - 11 UH 1/23
Die Bindungswirkung nach § 281 Abs. 2 Nr. 4 ZPO greift nicht ein, wenn ein nach geltendem Recht unzweifelhaft zuständiges Gericht den Rechtsstreit verweist, ohne die seine Zuständigkeit begründende Gesetzesnorm - hier § 44 BDSG - beachtet oder zur Kenntnis genommen zu haben, vorausgesetzt, diese Vorschrift ist seit geraumer Zeit in Kraft (Anschluss an BayObLG, NJW-RR 2002, 1295).*)

IBRRS 2023, 0800

OLG Zweibrücken, Beschluss vom 03.02.2023 - 4 W 4/23
Die 6-Monatsfrist für die Änderung der Streitwertfestsetzung wird im selbstständigen Beweisverfahren nicht erst durch Eintritt der Rechtskraft einer Entscheidung im Hauptsachenprozess in Lauf gesetzt, sondern durch die Beendigung des selbständigen Beweisverfahrens.*)

IBRRS 2023, 0815

LG Frankfurt/Main, Beschluss vom 17.02.2023 - 2-04 O 81/23
§ 940a Abs. 2 ZPO setzt voraus, dass der titulierte Anspruch ein Wohnraummietverhältnis i.S.v. § 549 BGB betrifft. Die Norm ist auf einen Gewerberaummietvertrag, der Wohnraum zum Gegenstand hat, nicht anwendbar.*)

IBRRS 2023, 0814

KG, Urteil vom 23.02.2023 - 8 U 39/21
1. Ein Bestreiten mit Nichtwissen kann erfolglose Nachforschungen bei einem früheren gesetzlichen Vertreter voraussetzen (wie BGH, Urteil vom 19.04.2001 - I ZR 238/98, IBRRS 2001, 0205 = IMRRS 2001, 0141).*)
2. Eine zweitinstanzlich vorgetragene Tatsache, die zur Überzeugung des Berufungsgerichts urkundlich belegt ist, ist ebenso wie eine unstreitige Tatsache über die Fallgruppen des § 531 Abs. 2 Satz 1 ZPO hinaus zu berücksichtigen.*)
3. § 9 Abs. 1 Nr. 4 BKleingG berechtigt nicht zu Vorratskündigungen.*)

IBRRS 2023, 0834

BGH, Beschluss vom 15.12.2022 - I ZB 35/22
ohne amtlichen Leitsatz

IBRRS 2023, 0824

OLG Dresden, Beschluss vom 13.02.2023 - 4 U 146/23
Handelt im Anwaltsprozess die nicht postulationsfähige Partei selbst, ist ihre Prozesshandlung unwirksam.*)

IBRRS 2023, 0812

OLG Nürnberg, Beschluss vom 30.01.2023 - 8 W 3449/22
1. Ein Antrag nach § 78b Abs. 1 ZPO setzt voraus, dass der Antragsteller einen hinreichend substantiierten Sachverhalt geordnet vorträgt, der es dem Gericht erlaubt, die Erfolgsaussichten in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht summarisch zu beurteilen.*)
2. Die konkrete Anzahl der darüber hinaus anzugebenden erfolglos kontaktierenden Rechtsanwälte richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls. In einem großstädtischen Gerichtsbezirk und ohne Vorliegen besonderer Eilbedürftigkeit erscheint es unbedenklich, die Benennung von mindestens zehn Rechtsanwälten zu verlangen.*)

IBRRS 2023, 0796

OLG Zweibrücken, Beschluss vom 22.02.2023 - 4 U 125/22
1. Die Berufungsbegründung muss die Umstände bezeichnen, aus denen sich nach Ansicht des Berufungsklägers die Rechtsverletzung und deren Erheblichkeit für die angefochtene Entscheidung ergibt. Dazu gehört eine aus sich heraus verständliche Angabe, welche bestimmten Punkte des angefochtenen Urteils der Berufungskläger bekämpft und welche tatsächlichen oder rechtlichen Gründe er ihnen im Einzelnen entgegensetzt.
2. Die Berufung muss die tragenden Erwägungen des Erstgerichts aufgreifen und darlegen, warum diese aus Sicht des Berufungsklägers nicht zutreffen.
3. Hat das Erstgericht die Abweisung der Klage auf mehrere voneinander unabhängige, selbständig tragende rechtliche Erwägungen gestützt, muss die Berufungsbegründung jede tragende Erwägung angreifen; andernfalls ist das Rechtsmittel, weil nicht ordnungsgemäß begründet, unzulässig.

IBRRS 2023, 0783

OLG Frankfurt, Beschluss vom 17.03.2022 - 3 UF 215/21
1. Ein abgelehnter Richter hat vor der Erledigung des Ablehnungsgesuchs nur solche Handlungen vorzunehmen, die wegen ihrer Dringlichkeit keinen Aufschub gestatten. Hierzu gehören Terminsaufhebungen, nicht hingegen Terminsbestimmungen.
2. Eilentscheidungen im Wege einstweiliger Verfügung können unaufschiebbar sein, allerdings nur unter der - grundsätzlich im Rahmen des § 47 ZPO erforderlichen - zusätzlichen Voraussetzung, dass die gerichtliche Handlung einer Partei/einem Beteiligten wesentliche Nachteile erspart oder dass bei ihrer Unterlassung Gefahr im Verzug ist.
3. Es kann die Besorgnis der Befangenheit begründen, wenn das Gericht nach seiner Ablehnung wegen Besorgnis der Befangenheit gegen die aus § 47 Abs. 1 ZPO folgende Wartepflicht verstößt und dadurch zu erkennen gibt, dass es die Ablehnung für unbeachtlich hält.

IBRRS 2022, 1838

LG Berlin, Urteil vom 18.06.2021 - 65 S 340/20
Die Zustellung einer nicht ordnungsgemäß beglaubigten Abschrift kann nach § 189 ZPO geheilt werden, sofern die zugestellte Abschrift mit der Urschrift übereinstimmt.
