Bau-, Architekten- und Immobilienrecht.

Volltexturteile nach Sachgebieten
16161 Entscheidungen insgesamt
Online seit 2022
IBRRS 2022, 1193
KG, Beschluss vom 01.04.2022 - 2 U 14/19
1. Erhebt ein Verfahrensbeteiligter gegen eine verfahrensabschließende Entscheidung eine von vornherein unzulässige Anhörungsrüge, kann ein zugleich gestelltes Ablehnungsgesuch mangels Rechtsschutzbedürfnis ohne weitere Sachprüfung durch die abgelehnten Richter selbst als unzulässig verworfen werden (Anschluss an BGH, Beschluss vom 14.10.2021 - LwZB 2/20, NJW-RR 2022, 138).*)
2. Die Wiederholung einer verworfenen oder zurückgewiesenen Anhörungsrüge ist selbst dann nicht statthaft und die erneute Rüge somit ohne weitere inhaltliche Prüfung als unzulässig zu verwerfen, wenn originäre Gehörsverletzungen im Rügeverfahren geltend gemacht werden (Anschluss an BGH, Beschluss vom 13.09.2017 - IV ZR 391/16, FamRZ 2017, 1947 = IBRRS 2017, 4401).*)

IBRRS 2022, 1144

BVerwG, Beschluss vom 04.02.2022 - 4 B 24.21
1. Die Veräußerung oder Abtretung der in Streit befangenen Sache auf den Prozess keinen Einfluss. Der Rechtsnachfolger ist nicht berechtigt, ohne Zustimmung des Gegners den Prozess als Hauptpartei an Stelle des Rechtsvorgängers zu übernehmen.
2. Ist allerdings über das Bestehen oder Nichtbestehen einer Verpflichtung, die auf einem Grundstück ruhen soll, zwischen dem Besitzer und einem Dritten ein Rechtsstreit anhängig, so ist im Falle der Veräußerung des Grundstücks der Rechtsnachfolger berechtigt und auf Antrag des Gegners verpflichtet, den Rechtsstreit in der Lage, in der er sich befindet, als Hauptpartei zu übernehmen (§ 266 Abs. 1 ZPO). Diese Sonderregelung für die Veräußerung von Grundstücken während eines anhängigen Rechtsstreits geht der Bestimmung in § 265 Abs. 2 Satz 2 ZPO vor.
3. Macht aber der Rechtsnachfolger des veräußernden Grundstückseigentümers von seiner Berechtigung, den Rechtsstreit zu übernehmen, keinen Gebrauch und ist er mangels Antrags des Prozessgegners auch nicht zur Übernahme verpflichtet, führt der Rechtsvorgänger den Rechtsstreit weiter. Er handelt dann in gesetzlicher Prozessstandschaft für den Rechtsnachfolger, der an das Urteil gebunden ist. Das gilt auch, wenn der Eigentümer für die Beseitigung einer illegalen baulichen Anlage auf seinem Grundstück als Zustandsstörer in Anspruch genommen und das Grundstück im Verlauf des Verwaltungsprozesses auf einen Dritten übertragen wird.

IBRRS 2022, 1132

OLG Brandenburg, Beschluss vom 10.02.2022 - 1 W 3/22
1. Das Recht einer Partei, einen Richter wegen Besorgnis der Befangenheit abzulehnen, ist darauf gerichtet, die weitere Mitwirkung einer befangenen Richterin zu verhindern. Daher besteht für die Ablehnung eines Richters grundsätzlich kein Rechtsschutzbedürfnis, wenn dieser mit der Sache nicht, nicht mehr oder nicht wieder befasst werden kann.
2. Das Rechtsschutzbedürfnis für ein Ablehnungsgesuch besteht insbesondere dann nicht, wenn es sich gegen einen Richter richtet, dessen weitere Mitwirkung nicht mehr in Betracht kommt, weil er aus dem Spruchkörper ausgeschieden ist.
3. Eine Ausnahme kommt nur dann in Betracht, wenn es tragfähige Anhaltspunkte dafür gibt, dass nach einem absehbaren Ende der Abordnung die ursprüngliche Geschäftsverteilung wiederhergestellt und der als befangen abgelehnte Richter erneut gerade für die betreffende Sache zuständig werden wird.
4. Ein Ablehnungsgesuch ist unverzüglich anzubringen. Unverzüglich heißt ohne prozessordnungswidrige Verzögerung nach Kenntniserlangung.
5. An die Auslegung des Begriffes "unverzüglich" ein strenger Maßstab anzulegen. Unter Einbeziehung eines subjektives Moments bei den Verfahrensbeteiligten ist das Ablehnungsgesuch nicht mehr unverzüglich, wenn der Beteiligte nach Ablauf einer ihm zuzubilligenden Überlegungsfrist mit dem Gesuch zuwartet, obwohl bei verspäteter Antragstellung eine unnötige Verfahrensverzögerung für ihn erkennbar und vermeidbar war.
6. Die Dauer der zuzubilligenden Überlegungsfrist hängt von den Umständen des Einzelfalls ab und kann sich bei komplexeren Sachlagen im Einzelfall auf mehrere Tage erstrecken. In der Regel ist der Partei eine Zeit von höchstens drei bis vier Tagen für die Überlegung zuzubilligen, welche prozessualen Konsequenzen sie aus dem ihr bekannten Geschehen ziehen will.

IBRRS 2022, 1162

BVerfG, Beschluss vom 18.02.2022 - 1 BvR 305/21
1. Eine Prüfung der wirksamen Erteilung einer anwaltlichen Prozessvollmacht kommt nur dann in Betracht, wenn die Art und Weise der Prozessführung bzw. sonstige besondere Umstände dem Gericht dazu berechtigten Anlass geben (etwa wenn der Anwalt die Vollmacht nicht fristgemäß einreicht und dabei auch noch die Parteien falsch bezeichnet).
2. In jedem Fall ist eine gesetzte Frist zur Nachreichung der Vollmacht von einer Woche zu kurz, um den Rechtsschutz zu gewährleisten.

IBRRS 2022, 1157

BGH, Beschluss vom 08.03.2022 - VIII ZB 96/20
Zu den Pflichten des Rechtsmittelgerichts bei Zweifeln am rechtzeitigen Eingang einer per Telefax übermittelten Berufungsbegründung.*)

IBRRS 2022, 1146

OLG Frankfurt, Beschluss vom 21.02.2022 - 2 W 42/21
Im Falle der Doppelvermietung kann jeder Mieter zur Sicherung seines Anspruchs gegen den Vermieter auf Gewährung des Gebrauchs an dem Mietobjekt eine einstweilige Verfügung gerichtet auf Unterlassung der Besitzverschaffung an einen Dritten erwirken. Hierdurch werden weder die Privatautonomie des Vermieters noch die schuldrechtlichen Rechte des anderen Mieters verletzt. Die Regelung für den Doppelkauf ist hingegen nicht anwendbar. Die Rechtslage duldet außerhalb des Insolvenzverfahrens den Wettbewerb der Gläubiger.*)
IBRRS 2022, 1135

OLG Köln, Beschluss vom 28.01.2022 - 17 W 180/21
Eine prozessuale Kostenerstattung von zuvor auf materiell-rechtlicher Grundlage erfolglos eingeklagten Kosten eines Privatgutachters scheidet jedenfalls dann aus, wenn der materiell-rechtliche Kostenerstattungsanspruch mit einer Begründung abgewiesen worden ist, mit der er nun im Kostenfestsetzungsverfahren geltend gemacht wird (Anschluss an BGH, IBR 2012, 1267 - nur online).

IBRRS 2022, 1131

OLG Bremen, Beschluss vom 16.03.2022 - 1 W 3/22
1. Für Rechtsbehelfe gegen vorzeitige Besitzeinweisungen gem. § 18f FStrG ist nach § 40 Abs. 1 Satz 1 VwGO der Rechtsweg zu den Verwaltungsgerichten eröffnet.*)
2. Die Verweisung des § 18f Abs. 8 FStrG auf die Enteignungsgesetze der Länder begründet keine abdrängende Sonderzuweisung zu den ordentlichen Gerichten für Rechtsbehelfe gegen vorzeitige Besitzeinweisungen.*)

IBRRS 2022, 1118

OLG Stuttgart, Urteil vom 27.01.2022 - 2 U 288/21
1. Der Antrag des ungesicherten Verfügungsklägers auf Berufungsfristverlängerung ist dringlichkeitsschädlich. Dasselbe gilt für seinen Terminverlegungsantrag, der nicht auf eine Vorverlegung des Verhandlungstermins beschränkt ist. Darauf, ob eine Verzögerung tatsächlich eintritt, kommt es dafür nicht an.*)
2. Durch die schnelle Einreichung des Verfügungsantrags bei Gericht und eine zunächst zügige Verfahrensführung erwirbt der Verfügungskläger kein Zeitguthaben, das er später dringlichkeitserhaltend einsetzen könnte.*)
3. Zur Widerlegung der Dringlichkeitsvermutung in Fällen der objektiven Klagehäufung.*)

IBRRS 2022, 1102

OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 28.02.2022 - 4 N 64/20
Stellt der Kläger in der mündlichen Verhandlung nach einem Befangenheitsantrag keinen Sachantrag mehr trotz Hinweises auf § 47 Abs. 2 ZPO, kann auch ohne weitere Hinweise die Klage später als unzulässig abgewiesen werden.*)

IBRRS 2022, 1089

BGH, Beschluss vom 15.03.2022 - X ZR 16/22
Wenn der Beschwerdeführer eine beim Berufungsgericht eingelegte, nach § 544 Abs. 2 ZPO nicht statthafte Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision vor Abgabe der Sache an den Bundesgerichtshof zurückgenommen hat, ist für die entsprechend § 516 Abs. 3 ZPO zu treffende Kostenentscheidung das Berufungsgericht zuständig (Bestätigung von BGH, Beschluss vom 18.06.1953 - IV ZB 51/53, NJW 1953, 1263).*)

IBRRS 2022, 1041

OLG Celle, Beschluss vom 22.12.2021 - 18 AR 27/21
1. Dass die Wohnungseigentümergemeinschaft teilrechtsfähig ist, steht außer Frage, lässt jedoch ihre Einordnung als Kaufmann unberührt. Wer i.S.d. § 38 Abs. 1 ZPO Kaufmann ist, bestimmt das Handelsrecht.
2. Demnach ist eine Wohnungseigentümergemeinschaft nicht zwangsläufig als Kaufmann gem. § 38 Abs. 1 ZPO einzuordnen.

IBRRS 2022, 1038

BGH, Urteil vom 22.02.2022 - VI ZR 265/20
1. Die Bestimmung des Streitgegenstands ist Sache des Klägers. Will er einen weiteren Streitgegenstand in den Prozess einführen, muss er zweifelsfrei deutlich machen, dass er einen neuen prozessualen Anspruch verfolgt.*)
2. Leitet ein Fahrzeugkäufer sein Schadensersatzbegehren in einem sog. Dieselfall zusätzlich aus einer vertraglichen Vereinbarung im Zusammenhang mit dem Aufspielen des Software-Updates ab, handelt es sich gegenüber dem ursprünglichen Fahrzeugerwerb um einen anderen Klagegrund und damit um einen anderen Streitgegenstand.*)

IBRRS 2022, 1068

BGH, Beschluss vom 25.01.2022 - II ZB 15/21
Die einer Firma vorangestellten Sonderzeichen "//" sind nicht zu ihrer Kennzeichnung geeignet.*)

IBRRS 2022, 1059

BSG, Beschluss vom 16.02.2022 - B 5 R 198/21 B
1. Rechtsanwälte und Behörden sind seit dem 01.01.2022 zur Übermittlung eines elektronischen Dokuments verpflichtet, sodass die Einreichung als Schriftstück oder Telefax von da an nicht mehr wirksam ist.
2. Ein elektronisches Dokument, das einem Gericht übermittelt wird, muss von der verantwortenden Person entweder mit einer qualifizierten elektronischen Signatur versehen sein oder von der verantwortenden Person (einfach) signiert und auf einem sicheren Übermittlungsweg, bei dem eine elektronische Signatur entbehrlich ist, eingereicht werden.
3. Ein elektronisches Dokument, das über ein elektronisches Anwaltspostfach versandt wird und nicht mit einer qualifizierten elektronischen Signatur versehen ist, ist nur dann auf einem sicheren Übermittlungsweg eingereicht, wenn die das Dokument einfach signierende und somit verantwortende Person mit der des tatsächlichen Versenders übereinstimmt.
4. Eine eingescannte Unterschrift kann nur dann als einfache Signatur anzusehen sein, wenn die Unterschrift entzifferbar ist und damit von den Empfängern des Dokuments ohne Sonderwissen oder Beweisaufnahme einer bestimmten Person zugeordnet werden kann, die auch die inhaltliche Verantwortung für das Dokument übernimmt.

IBRRS 2022, 1034

OLG Hamm, Beschluss vom 24.03.2022 - 30 W 8/22
1. Bei einer Klage auf künftige Leistung, der der mietrechtliche Nutzungsentschädigungsanspruch gem. § 546a Abs 1 BGB wegen nicht rechtzeitiger Räumung und Herausgabe zu Grunde liegt, bestimmt sich der Gebührenstreitwert nach § 3 ZPO.
2. Maßgeblich für die Bemessung des Gebührenstreitwerts ist danach der unter Berücksichtigung der voraussichtlichen Prozess- und Vollstreckungsdauer zu schätzende Zeitraum bis zum Vollzug der Räumung nach den jeweiligen örtlichen Verhältnissen.
3. Der Ansatz des Jahresbetrags der begehrten Nutzungsentschädigung ist in der Regel nicht zu beanstanden.

IBRRS 2022, 1052

OLG Frankfurt, Beschluss vom 17.03.2022 - 5 UF 184/21
1. Fällt das Fristende auf Heiligabend, endet die Frist nicht erst mit dem Ablauf des nächsten Werktags. Denn bei Heiligabend handelt es sich nicht um einen allgemeinen Feiertag.
2. Die in vielen Branchen verbreitete Praxis, Heiligabend als arbeitsfrei zu behandeln, führt nicht zu einer Gleichstellung mit einem gesetzlichen Feiertag oder einem Samstag. Auch für eine Analogie ist kein Raum.

IBRRS 2022, 0625

BGH, Beschluss vom 20.01.2022 - V ZR 78/21
1. Die Beschwer aus der Abweisung einer Klage auf Bewilligung einer Grunddienstbarkeit in Form eines Geh- und Fahrrechts bemisst sich nicht nach den Herstellungskosten einer anderweitigen Zuwegung, vielmehr kommt es auf die Differenz aus einem Vergleich des Werts des Grundstücks mit der Grunddienstbarkeit gegenüber demjenigen ohne diese Dienstbarkeit an.
2. Es ist einer Partei verwehrt, sich im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren auf der Grundlage neuen Vorbringens auf einen höheren, die erforderliche Rechtsmittelbeschwer erreichenden Streitwert der Klage zu berufen, wenn sie die Streitwertfestsetzung in den Vorinstanzen nicht beanstandet und auch nicht glaubhaft gemacht hat, dass bereits in den Vorinstanzen vorgebrachte Umstände, die die Festsetzung eines höheren Streitwerts - und einer damit einhergehenden entsprechenden Beschwer - rechtfertigen, nicht ausreichend berücksichtigt worden sind.
3. Bemessen sich Streitwert und Beschwer nach der Wertsteigerung, die ein herrschendes Grundstück durch eine Dienstbarkeit erfährt, muss sich deshalb die klagende Partei im Grundsatz an der von ihr als Streitwert angegebenen Wertsteigerung festhalten lassen.

IBRRS 2022, 1039

BGH, Beschluss vom 26.01.2022 - VII ZR 635/21
(Ohne amtlichen Leitsatz)

IBRRS 2022, 1022

OLG Hamm, Urteil vom 04.02.2022 - 9 U 21/21
Sieht das Gericht Risiken als offenkundig an bzw. beurteilt es ohne Darlegung hinreichender eigener Sachkunde das Verhalten einer Partei, ist dies jedenfalls dann verfahrensfehlerhaft und verstößt gegen den Grundsatz der Gewährung rechtlichen Gehörs, wenn beide Parteien sich für ihren Standpunkt jeweils auf die Einholung eines Sachverständigengutachtens berufen.

IBRRS 2022, 0798

LG Karlsruhe, Urteil vom 01.10.2021 - 11 S 129/19
Beschließt die Eigentümergemeinschaft auf Antrag eines Miteigentümers ein Flächenaufmaß mit der Maßgabe, dass der Antragsteller die Kosten trägt, so stellt die Anfechtung des Kostenvorbehalts eine unzulässige Teilanfechtung dar.

IBRRS 2022, 1023

OLG Nürnberg, Beschluss vom 24.02.2022 - 8 W 457/22
1. Die Niederschlagung der Gerichtskosten ist nicht allein an Billigkeitserwägungen orientiert. Sie setzt gem. § 21 Abs. 1 Satz 1 GKG vielmehr eine unrichtige Sachbehandlung durch das Landgericht voraus und bezieht sich auf solche Kosten, die ohne den in der Sphäre der Gerichte aufgetretenen Fehler nicht entstanden wären.
2. Eine unrichtige Sachbehandlung in diesem Sinne liegt vor, wenn das Gericht offensichtlich und eindeutig gegen gesetzliche Vorschriften verstoßen bzw. diese grob verkannt hat. Im Umkehrschluss führt nicht jeder Verfahrensfehler oder sonstige Fehler des Gerichts zur Anwendung des § 21 GKG.
3. Eine unrichtige Sachbehandlung ist zu verneinen, wenn das Gericht wegen seiner geänderten tatsächlichen oder rechtlichen Beurteilung das Ergebnis einer Beweisaufnahme nicht verwertet hat.

IBRRS 2022, 1019

OLG Braunschweig, Beschluss vom 08.03.2022 - 4 W 9/22
1. Eine Korrektur des erstinstanzlichen Streitwerts von Amts wegen gem. § 68 Abs. 3 GKG durch das Rechtsmittelgericht scheidet bei unzulässiger Streitwertbeschwerde aus.*)
2. Erhebt ein Darlehensnehmer bei einem Streit um den Widerruf von Verbraucherdarlehen im Fall verbundener Verträge eine isolierte negative Feststellungsklage, bemisst sich der Streitwert nach dem Nettodarlehensbetrag. Eine gegebenenfalls geleistete Anzahlung wird nur insoweit streitwerterhöhend berücksichtigt, als der Kläger daneben einen Leistungsantrag auf Rückzahlung stellt.*)

IBRRS 2022, 1006

OLG Düsseldorf, Beschluss vom 10.02.2022 - 15 U 16/21
Die Vorschrift des § 513 Abs. 2 ZPO, wonach die Berufung nicht darauf gestützt werden, dass das Gericht des ersten Rechtszugs seine Zuständigkeit zu Unrecht angenommen hat, findet auch im einstweiligen Verfügungsverfahren Anwendung; dem steht § 937 Abs. 1 ZPO nicht entgegen.

IBRRS 2022, 0986

AG Hamburg, Beschluss vom 18.09.2020 - 49 C 89/20
ohne amtlichen Leitsatz

IBRRS 2022, 0981

OLG Stuttgart, Beschluss vom 12.01.2022 - 2 W 44/21
1. Die Aussetzung nach § 246 ZPO erfasst auch das Befangenheitsverfahren nach §§ 42 ff. ZPO.*)
2. Entscheidet das Ausgangsgericht gleichwohl über das Befangenheitsgesuch, so ist seine Entscheidung im Beschwerdeverfahren aufzuheben, und die Sache ist zurückzugeben.*)

IBRRS 2022, 0950

VGH Bayern, Urteil vom 09.03.2022 - 15 N 21.1756
Für die Geltendmachung einer Vernässung von Grundstücken im Eigentum des Antragstellers bei Realisierung eines Bebauungsplans genügt die bloße Befürchtung unkontrolliert abfließenden Niederschlagswassers ohne Anhaltspunkte aus der Topographie und entgegen dem festgesetzten Entwässerungskonzept nicht zur Begründung der Antragsbefugnis.*)

IBRRS 2022, 0936

BGH, Urteil vom 22.02.2022 - VI ZR 934/20
1. Die Bestimmung des Streitgegenstands ist Sache des Klägers. Will er einen weiteren Streitgegenstand in den Prozess einführen, muss er zweifelsfrei deutlich machen, dass er einen neuen prozessualen Anspruch verfolgt.*)
2. Leitet ein Fahrzeugkäufer sein Schadensersatzbegehren in einem sog. Dieselfall zusätzlich aus einer vertraglichen Vereinbarung im Zusammenhang mit dem Aufspielen des Software-Updates ab, handelt es sich gegenüber dem ursprünglichen Fahrzeugerwerb um einen anderen Klagegrund und damit um einen anderen Streitgegenstand.*)

IBRRS 2022, 0908

OLG Braunschweig, Beschluss vom 13.01.2022 - 4 U 279/21
Eine in der Berufungsinstanz vorgenommene Klageerweiterung verliert entsprechend § 524 Abs. 4 ZPO ihre Wirkung, wenn die Berufung durch einstimmigen Beschluss nach § 522 Abs. 2 ZPO zurückgewiesen wird (vgl. BGH, IBR 2019, 1179 - nur online; BGH, Urteil vom 03.11.2016 - III ZR 84/15, IBRRS 2016, 3082).*)

IBRRS 2022, 0870

BGH, Beschluss vom 08.02.2022 - VIII ZR 37/21
1. Nach einer einseitigen Erledigungserklärung richtet sich die Beschwer des Rechtsmittelführers regelmäßig nach der Summe der bis zum Zeitpunkt der Erledigungserklärung entstandenen Kosten; an die Stelle des Sachinteresses tritt das Kosteninteresse (im Anschluss an BGH, Urteil vom 09.03.1993 - VI ZR 249/92, unter II 2 b aa, IBRRS 1993, 0588 = NJW-RR 1993, 765; Beschlüsse vom 01.03.2011 - VIII ZR 19/10, Rz. 3, IBRRS 2011, 1055 = WuM 2011, 247; vom 18.06.2015 - V ZR 224/14, Rz. 3, IBRRS 2015, 3569 = NJW 2015, 3173; vom 29.06.2017 - III ZR 540/16, Rz. 8, IBRRS 2017, 2473; vom 10.04.2018 - II ZR 149/17, Rz. 4, IBRRS 2018, 1790).
2. Eine andere Beurteilung kommt unter anderem dann in Betracht, wenn aus der angegriffenen Entscheidung rechtskräftige Feststellungen zu Ansprüchen hergeleitet werden, die noch zwischen den Parteien streitig sind (im Anschluss an BGH, Beschlüsse vom 29.06.2017 - III ZR 540/16, Rz. 8, IBRRS 2017, 2473; vom 10.04.2018 - II ZR 149/17, Rz. 4, IBRRS 2018, 1790). Grundsätzlich bestimmt in solchen Fällen allein der Umfang dieser Ansprüche die Beschwer.
3. Beruft sich ein Beschwerdeführer auf diese Ausnahme, hat er - innerhalb der Frist zur Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde - Tatsachen vorzutragen und glaubhaft zu machen, die es dem Revisionsgericht ermöglichen, die Höhe solcher Ansprüche zu bestimmen.*)

IBRRS 2022, 0869

BGH, Beschluss vom 25.01.2022 - VIII ZR 359/20
In die versäumte Frist zur Einlegung der Anschlussberufung gem. § 524 Abs. 2 Satz 2 ZPO findet eine Wiedereinsetzung nach den Vorschriften der §§ 233 ff. ZPO nicht statt.*)

IBRRS 2022, 0861

OLG München, Beschluss vom 07.03.2022 - 34 AR 132/21
1. Bei gegen den Hersteller gerichteten Individualklagen aus Anlass des sogenannten Abgasskandals richtet sich auch die örtliche Zuständigkeit nach Art. 7 Nr. 2 EuGVVO, wenn der Hersteller seinen Sitz in einem EU-Mitgliedsstaat hat.*)
2. Es ist jedenfalls nicht als willkürlich anzusehen, wenn das Gericht am Wohnsitz des Klägers das Verfahren an das Gericht, in dessen Bezirk der Kaufvertrag geschlossen wurde, verweist.*)

IBRRS 2022, 0845

OVG Saarland, Beschluss vom 21.02.2022 - 1 B 287/21
Eine bloße Wiederholung des erstinstanzlichen Vorbringens ohne Eingehen auf die dieses Vorbringen würdigende Argumentation des Verwaltungsgerichts genügt den Anforderungen des § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO nicht.*)

IBRRS 2022, 0846

OLG Karlsruhe, Beschluss vom 16.02.2022 - 14 U 142/21
1. § 43 ZPO begründet als gegenüber § 295 ZPO speziellerer Heilungstatbestand eine Zeitschranke für ein Ablehnungsgesuch wegen Befangenheit. Die unterlassene Geltendmachung des Ablehnungsgrundes führt nach § 43 ZPO zum Verlust des Ablehnungsrechts und damit zur Unbegründetheit eines später gleichwohl gestellten Befangenheitsantrags.*)
2. Die Heilungswirkung des § 43 ZPO greift verfahrensübergreifend auch auf ein nachfolgendes Verfahren ein. Dies gilt jedenfalls dann, wenn zwischen beiden Verfahren ein tatsächlicher und rechtlicher Zusammenhang besteht. Dem Wortlaut des § 43 ZPO lässt sich nicht entnehmen, dass die Partei nur in demjenigen Verfahren mit der Geltendmachung des Ablehnungsgrundes ausgeschlossen ist, in welchem sie ihr Ablehnungsrecht erstmalig ausüben konnte. Der Normzweck des § 43 ZPO besteht darin, eine an der Unparteilichkeit des Richters zweifelnde Partei dazu anzuhalten, ihre Zweifel alsbald in der gebotenen Form vorzubringen, um im Interesse der Rechtssicherheit und Prozessökonomie prozesstaktischen Manipulationen auszuschließen.*)

IBRRS 2022, 0842

ArbG Stuttgart, Beschluss vom 25.02.2022 - 4 Ca 688/22
1. Der Versand auf einem sicheren Übermittlungsweg mit einfacher Signatur gem. § 46c Abs. 3 Satz 1 Var. 2 ArbGG (bzw. § 130a Abs. 3 Satz 1 Var. 2 ZPO) wahrt - anders als die qualifizierte elektronische Signatur - die elektronische Form gem. § 126a BGB als Ersatz der Schriftform gem. § 126 BGB nicht.*)
2. § 278 Abs. 6 Satz 1 Var. 1 ZPO enthält kein materielles Schriftformerfordernis i.S.v. §§ 126, 126a BGB. Vielmehr ist die prozessuale Schriftsatzform ausreichend.*)
3. Auch ohne qualifizierte elektronische Signatur können Vergleichsvorschläge deshalb gemäß § 278 Abs. 6 Satz 1 Var. 1 ZPO durch die Parteien bzw. ihre Vertreter als elektronisches Dokument auf dem Wege des § 46c Abs. 3 Satz 1 Var. 2 ArbGG (bzw. § 130a Abs. 3 Satz 1 Var. 2 ZPO) - d.h. mit einfacher Signatur auf einem sicheren Übermittlungsweg - unterbreitet werden.*)

IBRRS 2022, 0833

LG Köln, Urteil vom 22.02.2022 - 14 O 395/21
Seit dem 01.01.2022 ist die Erhebung eines Einspruchs gegen ein Versäumnisurteil nur per Fax nicht mehr wirksam. Ein auf diese Weise eingereichter Einspruch ist nach § 341 ZPO zu verwerfen.*)

IBRRS 2021, 3806

OLG Brandenburg, Beschluss vom 23.09.2021 - 4 W 33/21
1. Ob ein Vorabentscheidungsersuchen in einem anderen Rechtsstreit einen Aussetzungsgrund darstellt, wenn die Entscheidung im Rechtsstreit von der Beantwortung derselben Fragen abhängt, die im anderen Rechtsstreit dem Gerichtshof der Europäischen Union zur Vorabentscheidung gem. Art. 267 AEUV vorgelegt wurde (hier: Mindestsätze der HOAI), steht im pflichtgemäßen Ermessen des Gerichts.
2. Die Gefahr widersprechender Entscheidungen reduziert das Ermessen nicht auf die Pflicht zur Aussetzung.

IBRRS 2022, 0804

BGH, Beschluss vom 25.01.2022 - VIII ZR 233/20
1. Hat das Berufungsgericht die Zulassung der Revision in der Urschrift seiner Entscheidung ausdrücklich abgelehnt, kann diese Entscheidung durch Fehler bei der anschließenden Erstellung der zur Zustellung an die Prozessbeteiligten dienenden Ausfertigungen oder Abschriften durch den Urkundsbeamten der Geschäftsstelle (hier: Abschrift eines Urteils, in dem die Revision ausdrücklich zugelassen worden ist) nicht inhaltlich abgeändert werden. Maßgeblich ist allein die richterliche Entscheidung (im Anschluss an BGH, Beschluss vom 13.10.2016 - IX ZB 57/14, IBR 2017, 111 = NJW-RR 2016, 1463 [zur Rechtsbeschwerde]).*)
2. Wird die Entscheidung des Berufungsgerichts über die Zulassung der Revision nachträglich in eine Nichtzulassung berichtigt, läuft die Frist zur Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde erst ab Zustellung des Berichtigungsbeschlusses (im Anschluss an BGH, Beschluss vom 12. Februar 2004 - V ZR 125/03, IBRRS 2004, 0740 = IMRRS 2004, 0364 = NJW-RR 2004, 712 unter II 1) beziehungsweise der entsprechend berichtigten Abschrift des Berufungsurteils.*)
3. Die Zustellung einer berichtigten Abschrift des Berufungsurteils hat auch dann gemäß § 172 Abs. 1 Satz 1 ZPO an den für den Berufungsrechtszug bestellten.*)
4. Prozessbevollmächtigten der Partei zu erfolgen, wenn für die Partei bereits ein bei dem Bundesgerichtshof zugelassener Rechtsanwalt Revision eingelegt hat.*)
5. Wird der bei dem Bundesgerichtshof zugelassene Rechtsanwalt der Partei nach Einlegung der Revision von dem Revisionsgericht darüber in Kenntnis gesetzt, dass die diesem vorliegenden Urteilsabschriften unterschiedliche Aussprüche zur Zulassung der Revision enthalten, nach Aktenlage somit Zweifel an einer Zulassung der Revision durch das Berufungsgericht bestehen und deshalb die Verfahrensakten zur weiteren Veranlassung an das Berufungsgericht zurückgegeben werden, entspricht es nicht der nach den Umständen gebotenen anwaltlichen Sorgfalt, über einen Zeitraum von mehreren Monaten weitere Mitteilungen abzuwarten. Vielmehr hat sich der Rechtsanwalt in einem solchen Fall bei dem zweitinstanzlichen Prozessbevollmächtigten, zu dem die Partei aufgrund der bekannten Mandatsniederlegung keinen Kontakt hat, bei dem Berufungsgericht oder bei dem Revisionsgericht über etwaige für die weitere Prozessführung bedeutsame Maßnahmen des Berufungsgerichts, wie die Zustellung einer berichtigten Urteilsabschrift oder eines Berichtigungsbeschlusses, zu erkundigen.*)

IBRRS 2022, 0681

AG Karlsruhe-Durlach, Beschluss vom 07.02.2022 - 1 M 288/21
1. Der Gläubiger muss die Zwangsvollstreckung, auch die Sicherungsvollstreckung nach § 720a ZPO, dem Schuldner nicht ankündigen. Der Schuldner ist durch die zweiwöchige Wartefrist des § 750 Abs. 3 ZPO ausreichend geschützt. Damit, dass der Gläubiger sofort nach Ablauf der Wartefrist Vollstreckungsmaßnahmen unternimmt, muss der Schuldner rechnen. Kosten für solche Vollstreckungsmaßnahmen muss der Schuldner tragen (§ 788 ZPO).
2. Schon vor Ablauf der Wartefrist des § 750 Abs. 3 ZPO darf der Gläubiger Vorpfändungen (§ 845 ZPO) vornehmen, weil für sie die Wartefrist nicht gilt. Auch die Kosten von Vorpfändungen muss der Schuldner tragen, wenn die Sorge des Gläubigers, ohne Vorpfändungen könne der Schuldner Vermögen beiseiteschaffen, nachvollziehbar ist (§ 788 ZPO). Nachvollziehbar ist diese Sorge schon dann, wenn die zu vollstreckende Forderung sehr hoch ist (hier: über EUR 2 Mio.).
3. Droht die Monatsfrist des § 845 Abs. 2 ZPO aus Gründen, die nicht der Gläubiger zu vertreten hat, abzulaufen, kann die Vorpfändung beliebig oft wiederholt werden; auch die Kosten der zweiten und dritten Vorpfändung hat dann der Schuldner zu tragen (§ 788 ZPO). Die Gründe für den Ablauf der Monatsfrist hat der Gläubiger nicht zu vertreten, wenn er die vollstreckbare Ausfertigung bei einem anderen Vollstreckungsorgan (hier: dem Grundbuchamt) vorlegen musste und eine zweite vollstreckbare Ausfertigung (§ 733 ZPO) nicht beantragen möchte, weil der Schuldner durch ihre Erteilung gewarnt würde und dann Vermögen beiseiteschaffen könnte.

IBRRS 2022, 0789

LG Frankfurt/Main, Beschluss vom 08.03.2022 - 2-09 S 45/21
Auch nach der WEG-Reform 2020 berechnet sich der Streitwert für die Anfechtung des Beschlusses über die Jahresabrechnung nach dem Gesamtbetrag der abgerechneten Kosten.

IBRRS 2022, 0780

BGH, Beschluss vom 09.02.2022 - XII ZB 474/21
Dem Beschwerdeführer ist keine Wiedereinsetzung wegen der Versäumung der Frist zur Begründung der Beschwerde zu gewähren, wenn er vor Fristablauf keinen ordnungsgemäßen Antrag auf Fristverlängerung - etwa unter Hinweis auf eine nicht gewährte Akteneinsicht - gestellt hat, mit dem diese ohne Einwilligung des Gegners gem. § 117 Abs. 1 Satz 4 FamFG i.V.m. § 520 Abs. 2 Satz 3 ZPO hätte erfolgen können (im Anschluss an BGHZ 217, 199 = NJW 2018, 952 = IBR 2018, 239).*)

IBRRS 2022, 0747

BGH, Beschluss vom 16.12.2021 - V ZB 34/21
Weist das Berufungsgericht die Partei darauf hin, dass zwar nicht der in dem Wiedereinsetzungsantrag innerhalb der Frist des § 234 Abs. 1 ZPO geltend gemachte Wiedereinsetzungsgrund vorliegt, sich aus dem Antrag aber ein anderer Wiedereinsetzungsgrund ergibt, und stützt die Partei sich nach Ablauf der Antragsfrist, jedoch innerhalb der gewährten Stellungnahmefrist auf diesen anderen Wiedereinsetzungsgrund, kann die Wiedereinsetzung nicht mit der Begründung versagt werden, es handle sich um ein unzulässiges Nachschieben eines neuen Wiedereinsetzungsgrunds.*)

IBRRS 2022, 0748

BGH, Beschluss vom 27.01.2022 - III ZR 195/20
Möchte ein Gericht von ihm dem Internet entnommene Tatsachen als offenkundig i.S.d. § 291 ZPO seinem Urteil zu Grunde legen, muss es den Parteien durch einen Hinweis die Möglichkeit zur Stellungnahme geben. Ein Hinweis kann nur dann unterbleiben, wenn es sich um Umstände handelt, die den Parteien ohne Weiteres gegenwärtig sind und von deren Entscheidungserheblichkeit sie wissen (Fortführung von BGH, Urteil vom 08.10.1959 - VII ZR 87/58, BGHZ 31, 43, 45, und vom 06.05.1993 - I ZR 84/91, IBRRS 1993, 0522 = NJW-RR 1993, 1122, 1123; Beschluss vom 07.05.2020 - IX ZB 84/19, Rz. 15, IBRRS 2020, 1521 = NJW-RR 2020, 868).*)

IBRRS 2022, 0735

BGH, Beschluss vom 28.01.2022 - VI ZB 13/20
Bejaht das Beschwerdegericht mit seiner Entscheidung, die Rechtsbeschwerde zuzulassen, die - im Sinne aller in § 574 Abs. 2 ZPO genannten Zulassungsgründe zu verstehende (BGH, Beschluss vom 22.11.2011 - VIII ZB 81/11, Rz. 9, IBRRS 2011, 5230 = IMRRS 2011, 3823 = NJW-RR 2012, 125, m.w.N.) - grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache, entscheidet es aber zugleich in der Sache durch den Einzelrichter, so ist seine Entscheidung objektiv willkürlich und verstößt gegen das Verfassungsgebot des gesetzlichen Richters, was vom Rechtsbeschwerdegericht von Amts wegen zu beachten ist (st. Rspr., vgl. nur Senatsbeschlüsse vom 18.12.2018 - VI ZB 2/18, Rz. 6, IBRRS 2019, 0473 = NJW-RR 2019, 381; vom 18.09.2018 - VI ZB 34/17, Rz. 5, IBRRS 2018, 3621 = IMRRS 2018, 1313 = NJW-RR 2018, 1460; vom 29.11.2019 - IX ZB 56/19, Rz. 12, IBRRS 2019, 4074 = ZInsO 2020, 85; vom 22.11.2011 - VIII ZB 81/11, Rz. 12, IBRRS 2011, 5230 = IMRRS 2011, 3823 = NJW-RR 2012, 125; teilweise m.w.N).*)

IBRRS 2022, 0154

LG Karlsruhe, Urteil vom 30.06.2020 - 11 S 56/18
Beschließt die Eigentümergemeinschaft in einem laufenden Beschlussanfechtungsverfahren auf einer Folgeversammlung einen weiteren (bestandskräftigen) Beschluss zur selben Sanierungsmaßnahme, so entfällt nachträglich das Rechtsschutzinteresse des Anfechtungsklägers.

IBRRS 2022, 0716

VGH Bayern, Beschluss vom 01.02.2022 - 22 C 21.2470
1. Wählt eine Gemeinde für einen Grundstücksverkauf freiwillig den Weg einer öffentlichen Ausschreibung, entsteht zwischen ihr und den Teilnehmern ein vorvertragliches Vertrauensverhältnis, das sie zu Gleichbehandlung der Teilnehmer, Transparenz und Rücksichtnahme verpflichtet.
2. Das vorvertragliche Rechtsverhältnis dient der Anbahnung eines möglichen Kaufvertragsabschlusses, der sich nach Privatrecht richtet. Das vorvertragliche Rechtsverhältnis ist daher ebenso wie etwaige daraus abzuleitende Pflichten und Rechte grundsätzlich dem bürgerlichen Recht zuzuordnen.
3. Ausnahmen von diesem Grundsatz kommen dann in Betracht, wenn dem "Vergabeverfahren" trotz der per se privatrechtlichen Abwicklung eine nach öffentlichem Recht zu beurteilende Entscheidungsstufe vorgeschaltet ist oder das Rechtsverhältnis aus anderen Gründen öffentlich-rechtlich überlagert wird.

IBRRS 2022, 0685

OLG Brandenburg, Urteil vom 15.12.2021 - 4 U 13/21
1. Für die Bewilligung der öffentlichen Zustellung bedarf es keines Antrags (mehr), wenn die Zustellung von Amts wegen zu erfolgen hat, wie dies bei einem Versäumnisurteil der Fall ist.
2. Eine öffentliche Zustellung kann erst erfolgen, wenn sich eine Zustellung an eine im Handelsregister eingetragene Geschäftsanschrift als nicht möglich erweist.
3. Auch in dem Fall, in dem eine öffentliche Zustellung unwirksam ist, kann es dem dadurch Begünstigten verwehrt sein, die Unwirksamkeit der Zustellung im Prozess geltend zu machen. Als rechtsmissbräuchlich ist das Berufen auf eine unwirksame öffentliche Zustellung anzusehen, wenn der Zustellungsempfänger zielgerichtet versucht hat, eine Zustellung, mit der er sicher rechnen musste, zu verhindern.
4. Die Angabe einer c/o-Adresse ist keine ladungsfähige Anschrift.

IBRRS 2022, 0674

BGH, Beschluss vom 11.01.2022 - VIII ZB 44/21
1. Die Vorschrift des § 269 Abs. 3 Satz 2 Halbs. 2 Alt. 2 ZPO lässt die Berücksichtigung materiell-rechtlicher Kostenerstattungsansprüche - soweit diese nicht auf einer Einigung zwischen den Parteien über die Tragung der prozessualen Kostenlast (Vergleich oder Kostenverzicht) beruhen - nicht zu (Bestätigung von Senatsurteil vom 16.02.2011 - VIII ZR 80/10, NJW 2011, 2368 Rn. 12 = IBR 2011, 1475 - nur online; BGH, Beschlüsse vom 06.07.2005 - IV ZB 6/05, NJW-RR 2005, 1662 unter II 2 b; vom 14.06.2010 - II ZB 15/09, NJW-RR 2010, 1476 Rn. 10; jeweils mwN).*)
2. Ein weiter reichendes Verständnis dieser Vorschrift ist auch unter Beachtung der gemäß der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs bestehenden Schranken für die nachfolgende Geltendmachung eines - der zuvor ergangenen prozessualen Kostenentscheidung nach § 269 Abs. 3 Satz 2 ZPO entgegengerichteten - materiell-rechtlichen Kostenerstattungsanspruchs des (ehemaligen) Klägers gegen den (ehemaligen) Beklagten nicht geboten. Denn eine prozessuale Kostenentscheidung lässt grundsätzlich noch Raum für die Durchsetzung materiell-rechtlicher Ansprüche auf Kostenerstattung etwa aus Vertrag, wegen Verzugs oder aus unerlaubter Handlung (Bestätigung von Senatsurteil vom 16. Februar 2011 - VIII ZR 80/10, aaO Rn. 10 mwN).*)

IBRRS 2022, 0665

LAG Schleswig-Holstein, Urteil vom 18.01.2022 - 1 Sa 159/21
Wird ein Kündigungseinschreiben per Einwurf-Einschreiben übersendet und legt der Absender den Einlieferungsbeleg und die Reproduktion des Auslieferungsbelegs mit der Unterschrift des Zustellers vor, spricht der Beweis des ersten Anscheins für den Zugang des Schreibens beim Empfänger (wie BGH, Urteil vom 27.09.2016 - II ZR 299/15, IBRRS 2016, 3005; LAG Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 12.03.2019 - 2 Sa 139/18, BeckRS 2019, 18247; LAG Baden-Württemberg, IBR 2021, 605; gegen: LAG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 17.09.2019 - 5 Sa 18/13, BeckRS 2014, 65241; ArbG Düsseldorf, Urteil vom 22.02.2019 - 14 Ca 465/19, BeckRS 2019, 17926).*)

IBRRS 2022, 0647

AG Ludwigsburg, Beschluss vom 16.11.2021 - 1 M 3387/21
ohne amtlichen Leitsatz
