Bau-, Architekten- und Immobilienrecht.

Volltexturteile nach Sachgebieten
16162 Entscheidungen insgesamt
Online seit 2021
IBRRS 2021, 2592
OLG Nürnberg, Urteil vom 09.08.2021 - 8 U 1139/21
Im Unfallversicherungsprozess ist es dem Gericht nicht gestattet, die Einholung eines vom Versicherungsnehmer beantragten Sachverständigengutachtens mit der Begründung abzulehnen, aufgrund zweier vom Versicherer beauftragten Privatgutachten sei erwiesen, dass die auf medizinischem Gebiet zu beurteilenden Anspruchsvoraussetzungen nicht gegeben seien. Eine solche Verfahrensweise verletzt den Anspruch des Klägers auf rechtliches Gehör und stellt einen wesentlichen Mangel i.S.d. § 538 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO dar.*)

IBRRS 2021, 2588

BGH, Beschluss vom 24.06.2021 - V ZB 22/20
Die Kosten der anwaltlichen Vertretung in einem nach § 15a EGZPO obligatorischen Güteverfahren sind keine erstattungsfähigen (Vorbereitungs-)Kosten des späteren Rechtsstreits.*)

IBRRS 2021, 2566

OLG Hamm, Beschluss vom 06.08.2021 - 25 W 103/21
1. Zu den Kosten eines außergerichtlichen Vergleichs zählt regelmäßig nur die Einigungsgebühr; diese Kosten zählen nur dann zu den gegebenenfalls zu erstattenden Kosten des Rechtsstreits, wenn die Parteien dies vereinbart haben. Anderenfalls gilt § 98 Satz 1 ZPO.*)
2. Anderes gilt für eine in diesem Zusammenhang entstandene Terminsgebühr. Diese ist in der Regel den Rechtsmittelkosten zuzuordnen.*)

IBRRS 2021, 2560

BAG, Urteil vom 16.06.2021 - 10 AZR 208/20
1. Zur ordnungsgemäßen Begründung der Revision müssen die Revisionsgründe angegeben werden. Bei Sachrügen sind diejenigen Umstände bestimmt zu bezeichnen, aus denen sich die Rechtsverletzung ergibt.
2. Die Revisionsbegründung muss den angenommenen Rechtsfehler so aufzeigen, dass Gegenstand und Richtung des Revisionsangriffs erkennbar sind. Das erfordert eine Auseinandersetzung mit den tragenden Gründen der angefochtenen Entscheidung.
3. Der Revisionskläger muss darlegen, weshalb er die Begründung des Berufungsgerichts für unrichtig hält. Allein die Darstellung anderer Rechtsansichten ohne jede Auseinandersetzung mit den Gründen des Berufungsurteils genügt den Anforderungen an eine ordnungsgemäße Revisionsbegründung ebenso wenig wie die Wiedergabe des bisherigen Vorbringens.
4. Es reicht auch nicht aus, wenn der Revisionskläger die tatsächlichen und/oder rechtlichen Würdigungen des Berufungsgerichts lediglich mit formelhaften Wendungen rügt. Verfahrensrügen müssen die genaue Bezeichnung der Tatsachen enthalten, die den Mangel ergeben, auf den sich die Revision stützen will.

IBRRS 2021, 2535

BGH, Beschluss vom 01.07.2021 - V ZB 71/20
1. Ein Prozessbevollmächtigter, der aufgrund einer fehlerhaften Rechtsmittelbelehrung die Berufung bei einem unzuständigen Gericht einlegt, muss die Wiedereinsetzung sofort nach Kenntniserlangung bei dem zuständigen Gericht beantragen.
2. Es genügt nicht, wenn er im Vertrauen auf die zügige Weiterleitung den Antrag über das "falsche" Gericht stellt.

IBRRS 2021, 2539

LAG Mecklenburg-Vorpommern, Beschluss vom 30.07.2021 - 2 Sa 153/20
1. Eine Berichtigung nach § 319 Abs. 1 ZPO kommt in Betracht, wenn das Urteil Schreibfehler, Rechenfehler und ähnliche offenbare Unrichtigkeiten aufweist. Diese können von dem Gericht auch von Amts wegen berichtigt werden.
2. Ein offensichtlicher Schreibfehler liegt vor, wenn dem Rechtsmittelgerichts bei der Abfassung des begründeten Urteils ein Übertragungsfehler unterlaufen und im Tenor das Urteil eines anderen Gerichts genannt wird.

IBRRS 2021, 2533

AG Wiesbaden, Beschluss vom 03.08.2021 - 91 C 2087/21
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zur Unterlassung der Einberufung einer Eigentümerversammlung ist gegen die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer (Verband) und nicht gegen den Verwalter zu richten.*)

IBRRS 2021, 2527

BGH, Beschluss vom 23.06.2021 - VII ZB 15/18
1. Um die gerichtliche Zuständigkeit der Kammer nach § 568 Satz 2 ZPO zu begründen, genügt es, wenn der Einzelrichter einen aktenkundigen Beschluss zur Übertragung des Verfahrens auf die Kammer vor Erlass des Beschlusses der Kammer getroffen hat (Anschluss an BGH, Beschluss vom 12.09.2019 - IX ZB 2/19, MDR 2019, 1536).*)
2. Die Möglichkeit, ein in einem Pensionsvertrag vorgesehenes, etwaiges künftiges Angebot des Arbeitgebers auf Vertragsänderung (hier: Kapitalabfindung statt monatliche Rentenzahlung) anzunehmen, ist als bloße rechtsgeschäftliche Handlungsmöglichkeit nicht pfändbar.*)

IBRRS 2021, 2448

KG, Beschluss vom 21.11.2018 - 21 U 3/16
ohne amtliche Leitsätze

IBRRS 2021, 2519

OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 29.07.2021 - 11 A 731/21
1. Eine mündliche Verhandlung kann „aus erheblichen Gründen“ verlegt oder vertagt werden.
2. Eine Vertagung rechtfertigende „erhebliche" Gründe sind nur solche Umstände, die auch und gerade zur Gewährleistung des rechtlichen Gehörs eine Zurückstellung des Beschleunigungs- und Konzentrationsgebots erfordern.
3. Wird eine Partei durch einen Rechtsanwalt vertreten, ist ihre Anwesenheit im Termin zur mündlichen Verhandlung grundsätzlich nicht erforderlich, weil ihre Rechte in dem erforderlichen Umfang durch den Prozessbevollmächtigten wahrgenommen werden können
4. Hält eine Partei ihr persönliches Erscheinen vor Gericht trotz anwaltlicher Vertretung für unerlässlich, muss sie unter substantiierter Darlegung der für die Notwendigkeit ihrer Anwesenheit sprechenden Gründe die Verlegung des Termins zur mündlichen Verhandlung oder die Anordnung ihres persönlichen Erscheinens vor Gericht.

IBRRS 2021, 2497

LG Berlin, Beschluss vom 13.07.2021 - 67 S 101/21
Eine Berufung, die ausschließliche offensichtliche Rechenfehler des angefochtenen Urteils rügt, ist mangels Rechtsschutzbedürfnisses unzulässig.*)

IBRRS 2021, 2494

BGH, Urteil vom 06.07.2021 - VI ZR 370/19
Zu den inhaltlichen Anforderungen an die Berufungsbegründung (hier: gegen Abweisung einer Klage wegen Inverkehrbringens eines Kraftfahrzeugs mit unzulässiger Abschalteinrichtung).*)

IBRRS 2021, 2470

BGH, Beschluss vom 08.06.2021 - VI ZB 47/20
Zu den inhaltlichen Anforderungen an die Berufungsbegründung (hier: Abweisung einer Klage wegen Inverkehrbringens eines Kraftfahrzeugs mit unzulässiger Abschalteinrichtung). *)

IBRRS 2021, 2461

BVerwG, Beschluss vom 02.06.2021 - 5 BN 1.21
In Normenkontrollverfahren betreffend eine wohnungsrechtliche Zweckentfremdungssatzung kann von einer mündlichen Verhandlung regelmäßig nicht gem. § 47 Abs. 5 Satz 1 Alt. 2 VwGO abgesehen werden.*)

IBRRS 2021, 2424

OLG Brandenburg, Beschluss vom 23.06.2021 - 13 UF 62/21
1. Eine vor Verkündung eines Beschlusses eingelegte Beschwerde ist unzulässig. Sie bleibt auch unzulässig, wenn der Beschluss später noch wirksam erlassen wird.
2. Die Wiedereinsetzungsfrist beginnt spätestens mit dem Zeitpunkt, in dem der verantwortliche Anwalt bei Anwendung der unter den gegebenen Umständen von ihm zu erwartenden Sorgfalt die eingetretene Säumnis hätte erkennen können und müssen (Anschluss an BGH, Beschluss vom 06.07.2011 - XII ZB 88/11, IBRRS 2011, 3302 = IMRRS 2011, 2375).
3. Von einem sorgfältig arbeitenden Rechtsanwalt ist zu erwarten, dass er sich, gerade wenn er ein Rechtsmittel erst Minuten oder Sekunden vor Fristablauf - oder gar danach - übermittelt, vergewissert, ob sein Rechtsmittel noch fristgemäß beim Empfänger eingeht.

IBRRS 2021, 2429

BayObLG, Beschluss vom 24.06.2021 - 101 AR 53/21
1. Für eine Klage des im Forumstaat wohnhaften Verbrauchers gegen den in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union ansässigen Unternehmer wegen Ansprüchen aus einem Verbrauchervertrag stehen der Gerichtsstand am Wohnort des Verbrauchers und daneben, sofern die übrigen Voraussetzungen des Niederlassungsgerichtsstands erfüllt sind, der Gerichtsstand an der im Inland belegenen Niederlassung des Unternehmers zur Verfügung; zwischen beiden Gerichtsständen hat der klagende Verbraucher die Wahl.*)
2. Beabsichtigt der Verbraucher, eine Klage auf Schadensersatz gegen den in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union ansässigen Unternehmer (hier: Hersteller von Fertighäusern) und einen Streitgenossen mit Wohnsitz im Forumstaat (hier: einen Architekten) zu erheben, kommt die Bestimmung des für den Rechtsstreit einheitlich zuständigen Gerichts im Verfahren nach § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO in Betracht.*)

IBRRS 2021, 2205

AG Wiesbaden, Urteil vom 12.03.2021 - 92 C 3284/20
1. Auch bei wohlwollender Auslegung kann die Erklärung einer anwaltlich vertretenen Partei, man klage nicht mehr gegen die übrigen Wohnungseigentümer, sondern nun gegen die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer, nur als Parteiwechsel auf Beklagtenseite verstanden werden. Somit ist der Wechsel von einer Klage gegen die übrigen Wohnungseigentümer zu einer Klage gegen die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer kein Fall der Rubrumsberichtigung, sondern ein Parteiwechsel.
2. Ein solcher Parteiwechsel auf Beklagtenseite bedeutet, dass der bisherige Beklagte ausscheidet und die Rechtshängigkeit gegenüber dem neuen Beklagten mit der Zustellung des Änderungsschriftsatzes an ihn ex nunc begründet wird.
3. Ein gewillkürter Parteiwechsel kann die Anfechtungsfrist nur wahren, wenn er - unter Beachtung des § 167 ZPO - innerhalb der Anfechtungsfrist erfolgt.

IBRRS 2021, 1757

BGH, Beschluss vom 21.04.2021 - VII ZR 81/20
1. Ein Gericht darf ohne vorherigen Hinweis nicht auf einen rechtlichen Gesichtspunkt abstellen, mit dem auch ein gewissenhafter und kundiger Prozessbeteiligter nach dem bisherigen Prozessverlauf nicht zu rechnen brauchte.
2. Weist das Gericht bei einer Klage auf Ersatz von Mehrkosten nach einem gekündigten Bauvertrag zunächst darauf hin, dass im Hinblick auf eine vereinbarte Stahlpreisgleitklausel für den Stahlpreis auf den Zeitpunkt abzustellen sei, zu dem die Arbeiten von Bauunternehmer hätten vorgenommen werden können, darf es die Klagestattgabe dann aber ohne vorherigen Hinweis nicht damit begründen, dass es allein auf die Berechtigung der Kosten des Nachunternehmers ankomme und der Stahlpreisgleitklausel keine rechtliche Bedeutung zukommt.

IBRRS 2021, 2414

KG, Beschluss vom 22.12.2020 - 7 W 4/20
1. Nach den übereinstimmenden Erledigungserklärungen der Parteien ist über die Kosten des Verfahrens unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstands nach billigem Ermessen zu entscheiden.
2. Anders als im Falle der einseitigen Erledigungserklärung ist Grundlage der Kostenentscheidung aber nicht nur der ohne die Erledigung zu erwartende Verfahrensausgang, sondern auch die Erwägung, ob der Beklagte/Antragsgegner dem Kläger/Antragsteller ohne sachliche Rechtfertigung Veranlassung zur Klage gegeben hat.
3. Unterbreitet der Auftragnehmer dem Auftraggeber Nachtragsangebote und fordert er ihn zu einer entsprechenden Beauftragung auf, gibt er aus Sicht des Auftraggebers Veranlassung zur Beantragung einer einstweiligen Verfügung, mit der die Feststellung begehrt wird, dass er keine verbindliche Anordnung getroffen hat.

IBRRS 2021, 2391

AG Hamburg, Urteil vom 16.06.2021 - 49 C 336/20
1. Die Frage, ob ein Wohnraum- oder ein Mietverhältnis über andere Räume vorliegt, ist nicht nur für die sachliche Zuständigkeit, sondern auch für die Begründetheit der Klage bedeutsam (sog. doppelrelevante Tatsachen).
2. Unerheblich ist für die Beurteilung der sachlichen Zuständigkeit, ob die für die Einordnung des Mietverhältnisses maßgebenden Tatsachen unstreitig oder bewiesen sind. Entscheidend ist allein, ob sich die sachliche Zuständigkeit des Gerichts aus den zur Begründung des Anspruchs vom Kläger vorgebrachten Tatsachen ergibt.
3. Tatsachen, die sowohl für die Zulässigkeit als auch die Begründetheit einer Klage notwendigerweise erheblich sind, werden erst bei der Prüfung der Begründetheit festgestellt. Für die Zulässigkeit reicht die einseitige Behauptung aller erforderlichen Tatsachen durch den Kläger aus.
4. Die Vereinbarung einer Endrenovierungsverpflichtung führt sowohl im Wohn- als auch im Gewerbemietrecht zur summierten Unwirksamkeit der mietvertraglichen Abwälzung von Schönheitsreparaturen auf den Mieter.

IBRRS 2021, 2380

LG Frankfurt/Main, Urteil vom 15.07.2021 - 2-13 S 88/20
1. Auch nach der WEG-Reform 2021 kann ein Eigentümer Beeinträchtigungen seines Sondereigentums - die durch Geräusche - die von anderen Sondereigentümern ausgehen, selbständig abwehren.*)
2. Zum hinzunehmenden Maß von Geräuschemissionen einer psychisch kranken Miteigentümerin.*)

IBRRS 2021, 2285

OVG Nordrhein-Westfahlen, Urteil vom 22.03.2021 - 14 A 1131/18
1. Es ist unter Gleichheitsgesichtspunkten zulässig, den Bau von Mietwohnungen, die mit Fernwärme beliefert werden, mit der Maßgabe einer geringeren Bewilligungsmiete zu fördern als den Bau von Mietwohnungen mit einer vom Vermieter betriebenen Zentralheizung.*)
2. Das Land darf die in sein Ermessen gestellten Bedingungen der Wohnraumförderung für die Zukunft ändern, ohne abgeschlossene Förderungen an diese Änderungen anzupassen.*)
3. Zum Vertrauensschutz und zum Ermessen bei der Rücknahme gemischter Verwaltungsakte.*)
4. Zur Rücknahmefrist des § 48 Abs. 4 Satz 1 VwVfG-NW.*)

IBRRS 2021, 2382

OLG Stuttgart, Beschluss vom 07.07.2021 - 6 U 529/20
1. Die Berufung des Klägers ist unzulässig, wenn sie den in der Vorinstanz erhobenen und abgewiesenen Klageanspruch nicht wenigstens teilweise weiter verfolgt, sondern lediglich im Wege der Klageänderung einen neuen Anspruch zur Entscheidung stellt, über den in erster Instanz nicht entschieden wurde.*)
2. Eine negative Feststellungsklage (Leugnung der primären Erfüllungsansprüche der Beklagten aus einem Darlehensvertrag) und eine Leistungsklage (Geltendmachung von Ansprüchen des Klägers aus einem behaupteten Rückabwicklungsschuldverhältnis) betreffen auch dann nicht denselben Streitgegenstand, wenn sie von derselben Vorfrage abhängen.*)

IBRRS 2021, 2375

OVG Saarland, Beschluss vom 28.07.2021 - 2 E 150/21
1. Das – hier angebliche – Fehlen einer Nichtabhilfeentscheidung des Verwaltungsgerichts (§ 148 Abs. 1 VwGO) spielt für die Frage der Verletzung des rechtlichen Gehörs durch das Beschwerdegericht keine Rolle.*)
2, Bei der im § 151 Satz 3 VwGO für entsprechend anwendbar erklärten Bestimmung des § 148 Abs. 2 VwGO handelt es sich zu einen nicht um eine zwingende Vorgabe für eine Abgabenachricht und zum anderen wird dieser Informationsaufforderung („soll“) hinsichtlich der Vorlage des Rechtsmittels in der Praxis auch durch die mit der Angabe des Aktenzeichens versehene zeitnahe Eingangsbestätigung des Beschwerdegerichts genüge getan.
3. Formelle Fehler eines Abhilfeverfahrens führen weder zur Rechtswidrigkeit des mit der Beschwerde angefochtenen Beschlusses des Verwaltungsgerichts noch geben sie Veranlassung zu einer Rückgabe der Sache an das Verwaltungsgericht.*)
4. Dass den Mitgliedern des Beschwerdegerichts viele regelmäßig in Verfahren vor den Verwaltungsgerichten des Saarlandes auftretende Rechtsanwältinnen oder Rechtsanwälte „bekannt“ sind, hat keinen Einfluss auf seine „Neutralität“ oder gar den Ausgang konkreter Rechtsstreitigkeiten.*)

IBRRS 2021, 2373

BGH, Beschluss vom 22.06.2021 - VIII ZB 56/20
1. Zu den Anforderungen an das Fristenwesen des Rechtsanwalts für den Fall eines Fristverlängerungsantrags (im Anschluss an Senatsbeschluss vom 04.09.2018 - VIII ZB 70/17, Rz. 15 m.w.N., IBRRS 2018, 3094 = NJW-RR 2018, 1325).*)
2. Die Fristensicherung verlangt von dem Rechtsanwalt bei einem Antrag auf erstmalige Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist - auf deren Bewilligung er bei Vorliegen erheblicher Gründe (§ 520 Abs. 2 Satz 3 ZPO) im Allgemeinen vertrauen darf - nicht, dass er sich bereits innerhalb der noch laufenden Berufungsbegründungsfrist durch Nachfrage beim Berufungsgericht über den Eingang des Fristverlängerungsantrags und über eine Verlängerung dieser Frist erkundigt (Anschluss an BGH, Beschlüsse vom 09.05.2017 - VIII ZB 69/16, Rz. 19, IBRRS 2017, 1985 = NJW 2017, 2041; vom 30.05.2017 - VI ZB 54/16, Rz. 14, IBRRS 2017, 2145 = NJW-RR 2017, 1532; vom 18.01.2018 - V ZB 166/17, Rz. 7, IBRRS 2018, 0779; IBR 2021, 161; st. Rspr.).*)

IBRRS 2021, 2358

BGH, Urteil vom 08.07.2021 - III ZR 344/20
Bei der Prozessfähigkeit handelt es sich um eine Sachurteilsvoraussetzung, die von Amts wegen in jeder Lage des Verfahrens zu klären ist. Bestehen begründete Zweifel an der Prozessfähigkeit einer Partei beziehungsweise sind die zur Verfügung stehenden Aufklärungsmöglichkeiten noch nicht erschöpft, darf deshalb ein gegen sie gerichtetes Versäumnisurteil nicht ergehen (Fortführung von BGH, Urteil vom 10.10.1985 - IX ZR 73/85, IBRRS 1985, 0411 = NJW-RR 1986, 157).*)

IBRRS 2021, 2334

OLG Koblenz, Urteil vom 15.06.2021 - 3 U 183/21
1. Erklärt der Schuldner im erstinstanzlichen Verfahren, dass er die Einrede der Verjährung "fallen lässt" und erhebt er sie in zweiter Instanz erneut, ist nach den allgemein geltenden Regeln der Auslegung gem. §§ 133, 157 BGB festzustellen, ob mit dem "Fallenlassen" ein materiell-rechtlicher Verzicht auf die Einrede verbunden ist. In der Regel wird dem "Fallenlassen" die Bedeutung beizumessen sein, dass der Schuldner lediglich den prozessualen Zustand herstellen will, der vor Erhebung der Einrede bestand (vgl. BGH, Urteil vom 29.11.1956 - II ZR 121/55, NJW 1956, 1793). Zur Feststellung eines materiell-rechtlichen Verzichts bedarf es konkreter Anhaltspunkte.*)
2. Die erneute Erhebung der Einrede der Verjährung in zweiter Instanz stellt ein neues Verteidigungsmittel dar, dessen Zulassung sich grundsätzlich nach § 531 Abs. 2 ZPO bestimmt. Sind die Erhebung der Verjährungseinrede und die den Verjährungseintritt begründenden tatsächlichen Umständen unstreitig, ist die Einrede ohne Weiteres zu berücksichtigen (Anschluss BGH, IBR 2008, 775, und OLG Oldenburg, Urteil vom 02.03.2021 - 12 U 161/20, BeckRS 2021, 3326).*)

IBRRS 2021, 2350

LG Frankfurt/Main, Urteil vom 15.07.2021 - 2-13 S 5/21
1. Klagt eine verwalterlose WEG Hausgeldansprüche gegen einen Miteigentümer ein, wird sie hierbei nur von den Eigentümern vertreten, die der Gemeinschaft nicht als Partei im Prozess gegenüberstehen (Anschluss an Kammer, Urteil vom 11.02.2021 - 2-13 S 46/20).*)
2. Für die Wirksamkeit der Klageerhebung kommt es nicht darauf an, ob insoweit ein Beschluss der Eigentümerversammlung vorliegt, denn die Vertretungsmacht im Außenverhältnis - auch gegenüber dem Gericht - ist nunmehr von der Berechtigung im Innenverhältnis unabhängig.*)

IBRRS 2021, 2344

BGH, Urteil vom 10.06.2021 - III ZR 38/20
Der Tatbestand erbringt nach § 314 ZPO Beweis nur für das mündliche Parteivorbringen in der jeweiligen Instanz, schließt aber abweichenden Vortrag in einer höheren Instanz - in den Grenzen der §§ 530, 531 ZPO - nicht aus (Fortführung von BGH, Urteile vom 20.05.1992 - IV ZR 105/91, IBRRS 1992, 0543 = NJW-RR 1992, 1214; vom 13.07.2000 - I ZR 49/98, IBRRS 2000, 1862 = NJW 2001, 448, 449 und vom 17.01.2012 - XI ZR 457/10, Rz. 18, IBRRS 2012, 0606 = NJW-RR 2012, 622).*)

IBRRS 2021, 2332

FG München, Beschluss vom 29.03.2021 - 12 K 3052/18
1. Eine Gegenvorstellung ist nur zulässig, wenn substantiiert dargelegt wird, dass die angegriffene Entscheidung auf schwerwiegenden Grundrechtsverstößen beruht oder unter keinem denkbaren Gesichtspunkt vertretbar erscheint und jeder gesetzlichen Grundlage entbehrt.*)
2. Die Gegenvorstellung ist kein gesetzlich geregelter Rechtsbehelf.*)

IBRRS 2021, 2330

VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 08.07.2021 - 5 S 1350/21
Für eine Klage, mit der Einsicht in eine Behördenakte durch Übersendung in die Kanzleiräume des Prozessbevollmächtigen begehrt wird, ist regelmäßig ein Streitwert von 5.000 Euro nach § 52 Abs. 2 GKG festzusetzen.*)

IBRRS 2021, 2322

OVG Sachsen, Beschluss vom 04.05.2021 - 3 C 43/21
1. Die Ablehnung eines gesamten Spruchkörpers als solchen ist grundsätzlich unzulässig, weil nur individuelle, auf die Person des einzelnen Richters bezogene Gründe für eine Besorgnis der Befangenheit erheblich sein können. Werden jedoch Befangenheitsgründe geltend gemacht, die für jeden dem Spruchkörper angehörigen Richter gleichermaßen gelten, ist diesem Erfordernis Genüge getan.
2. Ein Ablehnungsgrund kann regelmäßig nicht auf die Rechtsauffassung oder die Verfahrensweise des Richters gestützt werden. Im Ablehnungsverfahren geht es nur um die (Un-)Parteilichkeit des Richters und nicht um die Richtigkeit seiner Handlungen und Entscheidungen.
3. Ausnahmen sind nur dann geboten, wenn die Gestaltung des Verfahrens oder die Entscheidung des Richters sich so weit von den anerkannten - insbesondere verfassungsrechtlichen - Grundsätzen entfernt, dass die Auslegung des Rechts im Einzelfall willkürlich oder offensichtlich unhaltbar ist.

IBRRS 2021, 2315

BVerfG, Beschluss vom 02.06.2021 - 2 BvR 1054/19
Das Unterlassen der nach § 495a Satz 2 ZPO gebotenen mündlichen Verhandlung verletzt den Kläger in seinem Anspruch auf rechtliches Gehör. Legt er deshalb gegen ein klageabweisendes Urteil Verfassungsbeschwerde ein, hat er hinreichend substantiiert darzulegen, dass es bei Durchführung einer mündlichen Verhandlung nicht zu einer Klageabweisung gekommen wäre und die angegriffene Entscheidung daher auf dem Gehörsverstoß beruht.

IBRRS 2021, 2283

OLG Schleswig, Beschluss vom 23.06.2021 - 5 U 58/21
1. Es ist unverzichtbar, dass innerhalb der Fünfmonatsfrist des § 517 ZPO ein beweiskräftiges Protokoll über die Verkündung eines Urteils auf der Grundlage einer schriftlich fixierten Urteilsformel erstellt wird.*)
2. Die Verkündung eines Urteils ist wirksam, auch wenn das Urteil entgegen § 310 Abs. 1 Satz 2 ZPO nicht innerhalb der Regelfrist von drei Wochen nach Schluss der mündlichen Verhandlung verkündet worden ist.*)
3. Das Urteil ist auch dann wirksam verkündet worden, wenn das Urteil in dem zur Verkündung anberaumten Termin noch nicht in vollständiger Form abgefasst war. Tatbestand und Entscheidungsgründe sind nicht wesensmäßige Voraussetzungen eines Urteils.*)
4. Der Beginn der einmonatigen Berufungsfrist mit Ablauf von fünf Monaten seit Erlass der Entscheidung greift auch dann, wenn die Zustellung unterblieben ist oder die zugestellte Ausfertigung der gerichtlichen Entscheidung vom Original abweicht.*)
5. Es hat keinen Einfluss auf die Wirksamkeit der Verkündung, dass beim Ablauf der Fünfmonatsfrist noch nicht die vollständige Entscheidung vorgelegen hat. Der letzte Halbsatz des § 517 ZPO verhindert, dass deswegen nie Rechtskraft eintritt. Entsprechend der Ratio der Regelung, die an die Verkündung anknüpft, genügt es, dass diese wirksam war, mangelfrei muss sie nicht sein.*)
6. Muss eine Partei mit dem Erlass einer Entscheidung nicht rechnen und kann es ihr deshalb nicht zugemutet werden, sich danach zu erkundigen, ob und mit welchem Inhalt eine solche Entscheidung ergangen ist, kann ausnahmsweise die Fünfmonatsfrist nicht zu laufen beginnen, was etwa dann in Betracht kommt, wenn die beschwerte Partei im Verhandlungstermin nicht vertreten und zu diesem Termin auch nicht ordnungsgemäß geladen war.*)

IBRRS 2021, 2279

VG Frankfurt/Oder, Beschluss vom 17.05.2021 - 7 L 142/21
Die Vorschrift des § 7 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 WEG zur Erteilung der Abgeschlossenheitsbescheinigung durch die Baubehörde vermittelt den Grundstücksnachbarn keine subjektiven öffentlich-rechtlichen Rechte; Zweck der Bescheinigung ist es, dem Grundbuchamt die Prüfung bautechnischer Fragen zu erleichtern. Ein auf die (vorläufige) Kraftloserklärung der Abgeschlossenheitsbescheinigung gerichteter einstweiliger Rechtsschutzantrag des Nachbarn ist mangels Antragsbefugnis unzulässig.*)

IBRRS 2021, 2262

BGH, Beschluss vom 18.05.2021 - VI ZR 1106/20
Zum Vorliegen eines Gehörsverstoßes wegen unterbliebener Berücksichtigung von in der Berufungsbegründung gehaltenem Vortrag.*)

IBRRS 2021, 2256

OLG Celle, Beschluss vom 17.06.2021 - 13 W 36/20
Die Festsetzung des Gegenstandswerts für die einem Nebenintervenienten zu erstattenden Rechtsanwaltsgebühren gem. § 89a Abs. 3 GWB ist nicht anfechtbar. Es ist weder eine Beschwerde gem. § 33 Abs. 3 RVG noch eine sofortige Beschwerde gem. § 567 ZPO statthaft.*)

IBRRS 2021, 2228

OLG Hamm, Beschluss vom 09.07.2021 - 7 U 14/21
Ersichtlich querulatorische Befangenheitsanträge ohne sachlichen Kern können analog § 26a Abs. 1 Nr. 3 Alt. 2, Abs. 2 Satz 1 und Satz 2 StPO ohne Einholung einer dienstlichen Stellungnahme durch die abgelehnten Richter einstimmig als unzulässig verworfen werden.*)

IBRRS 2021, 2225

OLG Dresden, Beschluss vom 18.05.2021 - 4 W 283/21
1. Ein erheblicher Grund für die Vertagung einer mündlichen Verhandlung liegt nicht allein darin, dass der Prozessbevollmächtigte aufgrund der Entfernung seines Kanzleisitzes zum Gerichtsort am Vortag anreisen müsste.*)
2. Ein Richter, der einen hierauf gestützten Terminverlegungsantrag ablehnt, ist nicht befangen.*)

IBRRS 2021, 2202

BGH, Beschluss vom 02.06.2021 - XII ZB 126/21
1. Stützt sich das Beschwerdegericht für seine Entscheidung mit einem neuen oder ergänzenden Sachverständigengutachten auf eine neue Tatsachengrundlage, die nach der amtsgerichtlichen Entscheidung datiert, ist eine erneute Anhörung des Betroffenen grundsätzlich geboten (im Anschluss an Senatsbeschluss vom 97.12.2016 - XII ZB 32/16, FamRZ 2017, 477).*)
2. Dies gilt allerdings nicht, wenn der Sachverständige in seiner ergänzenden Stellungnahme nur seine bereits in dem ursprünglichen Gutachten niedergelegten Ausführungen wiederholt oder bestätigt.*)

IBRRS 2021, 2200

OLG Dresden, Beschluss vom 01.06.2021 - 4 U 351/21
1. Ein Berufungskläger, der sein Verlängerungsgesuch auf Erschwernisse infolge der Corona-Pandemie stützt, darf regelmäßig ohne Nachfrage bei dem Berufungsgericht davon ausgehen, dass seinem Antrag entsprochen wird.*)
2. Vor der Versendung eines fristgebundenen Schriftsatzes über das besondere elektronische Anwaltspostfach ist durch Organisationsanweisung sicherzustellen, dass der Schriftsatz mit einem die hinreichende Individualisierung ermöglichenden Dateinamen versehen und die Prüfung des Sendevorgangs auf den Ausschluss von Dateiverwechslungen erstreckt wird. Die bloße Kontrolle von Prüfprotokoll und Eingangsbestätigung auf technische Übermittlungsfehler reicht insofern nicht aus.*)

IBRRS 2021, 2194

EuGH, Urteil vom 11.11.2020 - Rs. C-433/19
1. Art. 24 Nr. 1 Verordnung (EU) Nr. 1215/2012 ist dahin auszulegen, dass die Klage eines Wohnungseigentümers, mit der einem anderen Wohnungseigentümer derselben Liegenschaft verboten werden soll, die in einem Wohnungseigentumsvertrag vereinbarte Widmung seines Wohnungseigentumsobjekts eigenmächtig und ohne Zustimmung der übrigen Wohnungseigentümer zu ändern, ein Verfahren ist, welches "dingliche Rechte an unbeweglichen Sachen" im Sinne dieser Bestimmung zum Gegenstand hat, sofern diese Widmung nicht nur den Miteigentümern dieser unbeweglichen Sache, sondern jedermann entgegengehalten werden kann, was zu prüfen Sache des vorlegenden Gerichts ist.*)
2. Art. 7 Nr. 1 a Verordnung (EU) Nr. 1215/2012 ist dahin auszulegen, dass dann, wenn die in einem Wohnungseigentumsvertrag vereinbarte Widmung eines Wohnungseigentumsobjekts nicht jedermann entgegengehalten werden kann, die Klage eines Wohnungseigentümers, mit der einem anderen Wohnungseigentümer derselben Liegenschaft verboten werden soll, die Widmung seines Wohnungseigentumsobjekts eigenmächtig und ohne Zustimmung der übrigen Wohnungseigentümer zu ändern, ein Verfahren ist, das "ein[en] Vertrag oder Ansprüche aus einem Vertrag" im Sinne dieser Bestimmung zum Gegenstand hat. Unter Vorbehalt einer Überprüfung durch das vorlegende Gericht ist der Erfüllungsort der Verpflichtung der Ort, an dem das Wohnungseigentumsobjekt belegen ist.

IBRRS 2021, 2185

OLG Bremen, Beschluss vom 25.05.2021 - 2 W 16/21
Die Verweigerung einer beantragten Terminsverlegung begründet zwar regelmäßig nicht die Besorgnis der Befangenheit, weil diese nur bei Vorliegen erheblicher Gründe in Betracht kommt. Anders ist dies aber, wenn erhebliche Gründe für eine Terminsverlegung offensichtlich vorliegen, die Zurückweisung des Antrags für die betreffende Partei schlechthin unzumutbar wäre und somit deren Grundrecht auf rechtliches Gehör verletzen würde oder sich aus der Ablehnung der Terminsverlegung der Eindruck einer sachwidrigen Benachteiligung einer Partei aufdrängt.

IBRRS 2021, 2176

OLG Stuttgart, Beschluss vom 18.06.2021 - 23 U 728/21
Verliert mit einer Zurückweisung der Berufung durch Beschluss nach § 522 Abs. 2 Satz 1 ZPO die Anschlussberufung der anderen Partei gem. § 524 Abs. 4 Var. 3 ZPO ihre Wirkung, fallen die Kosten des Berufungsverfahrens beiden Parteien im Verhältnis des Werts von Berufung und Anschlussberufung zur Last.*)

IBRRS 2021, 2128

BGH, Beschluss vom 15.06.2021 - II ZB 35/20
Art. 31 Abs. 2 EuGVVO ist auf einseitig ausschließliche Gerichtsstandsvereinbarungen anzuwenden, wenn durch die Vereinbarung eine ausschließliche Zuständigkeit des später angerufenen Gerichts zu Lasten der vor dem erstbefassten Gericht klagenden Partei vereinbart wurde.*)

IBRRS 2021, 2148

BGH, Urteil vom 15.06.2021 - VI ZR 1029/20
Zum notwendigen Inhalt eines Berufungsurteils.*)

IBRRS 2021, 2134

BGH, Beschluss vom 08.06.2021 - VI ZR 1232/20
Zur Kostentragungspflicht bei übereinstimmender Erledigungserklärung nach vollständiger Zahlung der Klageforderung.*)

IBRRS 2021, 2121

VGH Hessen, Beschluss vom 15.03.2021 - 4 A 629/20
Auch unter der Geltung der HBO 2018 ist eine Gemeinde gegen eine unter Verstoß gegen ihre gemäß § 91 Abs. 1 Nr. 4, § 52 Abs. 2 Satz 2 HBO 2018 erlassene Stellplatzsatzung erteilte Baugenehmigung klagebefugt. Sie kann geltend machen, durch eine rechtswidrig erteilte Abweichung gemäß § 63 HBO von Bestimmungen der Stellplatzsatzung in ihrem Selbstverwaltungsrecht verletzt zu sein.*)

IBRRS 2021, 2113

BGH, Beschluss vom 08.06.2021 - VI ZB 22/20
Zu den inhaltlichen Anforderungen an die Berufungsbegründung (hier: Abweisung einer Klage wegen Inverkehrbringens eines Kraftfahrzeugs mit unzulässiger Abschalteinrichtung).*)

IBRRS 2021, 2092

BGH, Urteil vom 26.05.2021 - VIII ZR 93/20
1. Unterliegt ein Berufungsurteil der Revision oder der Nichtzulassungsbeschwerde, müssen sich die tatsächlichen Grundlagen der Entscheidung aus dem Urteil oder - im Falle des § 540 Abs. 1 Satz 2 ZPO - aus dem Sitzungsprotokoll einschließlich der im Urteil oder im Sitzungsprotokoll enthaltenen Bezugnahmen so erschließen, dass eine revisionsrechtliche Nachprüfung stattfinden kann. Weiter muss das Berufungsurteil in diesem Fall erkennen lassen, von welchem Sach- und Streitstand das Gericht ausgegangen ist und welche Berufungsanträge die Parteien zumindest sinngemäß gestellt haben (im Anschluss an Senatsurteile vom 19.07.2017 - VIII ZR 3/17, Rz. 7 f., IMRRS 2017, 1154 = NZM 2017, 732; vom 18.10.2017 - VIII ZR 242/16, Rz. 4, IMRRS 2017, 1778 = DAR 2018, 78; jeweils m.w.N.).*)
2. Zur Ermittlung der ortsüblichen Vergleichsmiete durch Einholung eines Sachverständigengutachtens bei Vorliegen eines Mietspiegels (im Anschluss an Senatsurteile vom 18.11.2020, IMR 2021, 56; vom 28.04.2021 - VIII ZR 22/20, unter II 2 b aa, IMRRS 2021, 0668, zur Veröffentlichung bestimmt).*)
3. Dem sachverständig beratenen Tatrichter stehen, wenn sich nach der stets erforderlichen Berücksichtigung von Qualitätsunterschieden in den Wohnwertmerkmalen der zum Vergleich herangezogenen Wohnungen noch eine breite Marktstreuung der Vergleichsmieten ergibt, verschiedene Ansätze für die Ermittlung der Einzelvergleichsmiete zur Verfügung, deren Auswahl in seinem revisionsrechtlich nur eingeschränkt überprüfbaren Ermessen steht (im Anschluss an Senatsurteil vom 28.04.2021 - VIII ZR 22/20, unter II 2 b cc (2) (d) (aa), a.a.O., m.w.N.).*)
4. Maßgebend für die Ermittlung der ortsüblichen Vergleichsmiete ist der Zeitpunkt, zu dem das Erhöhungsverlangen dem Mieter zugeht und nicht der - hier vom Berufungsgericht zu Grunde gelegte Zeitpunkt, ab dem der Mieter die erhöhte Miete gegebenenfalls schuldet. Die nach § 558 Abs. 2 BGB a.F. maßgebliche Vierjahresfrist erstreckt sich demnach vom Zugang des Erhöhungsverlangens an vier Jahre zurück (Bestätigung der Senatsurteile vom 29.02.2012, IMR 2021, 177; und vom 28.04.2021 - VIII ZR 22/20, unter II 2 b bb, a.a.O.).*)
