Bau-, Architekten- und Immobilienrecht.
Volltexturteile nach Sachgebieten
15967 Entscheidungen insgesamt
Online seit März
IBRRS 2024, 0907BGH, Beschluss vom 28.02.2024 - IX ZB 30/23
Signiert ein Mitglied einer mandatierten Anwaltssozietät einen Schriftsatz, den ein anderes Mitglied der Anwaltssozietät verfasst und einfach elektronisch signiert hat, in qualifiziert elektronischer Form und reicht diesen Schriftsatz über sein besonderes elektronisches Anwaltspostfach bei Gericht ein, ist dies wirksam. Eines klarstellenden Zusatzes („für“) bei der einfachen Signatur des Schriftsatzverfassers bedarf es nicht.*)
VolltextIBRRS 2024, 0904
OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 06.03.2024 - 4 E 52/24
Die Angabe "Blatt" statt "Seite" bei der Nummerierung in einer elektronisch geführten Akte bedeutet nicht, dass das Gericht irgendwelche Informationen auf der Rückseite versteckt hat. Manipulationen an der elektronischen Akte sind nicht zu befürchten
VolltextIBRRS 2024, 0897
OLG Brandenburg, Urteil vom 21.02.2024 - 4 U 58/23
1. Klage und Widerklage, die sich auf einen Rückzahlungsanspruch bzw. Werklohnanspruch aus demselben Vertragsverhältnis beziehen, betreffen denselben Streitgegenstand.
2. Kann das streitige Urteil nur mit der Berufung und ein Teilversäumnisurteil mit dem Einspruch gem. § 338 ZPO angefochten werden, was zu einer Aufspaltung der Entscheidung über einen einheitlichen Streitgegenstand führt, ist der Erlass eines Teilversäumnis- und Teilurteils unzulässig.
VolltextIBRRS 2024, 0878
OLG Nürnberg, Urteil vom 05.03.2024 - 3 U 764/23
1. Für den Wegfall des Sicherungszwecks einer Prozessbürgschaft, die zur Vollstreckungsabwehr erbracht wird, ist darauf abzustellen, ob der Gläubiger der streitgegenständlichen Ansprüche durch die zeitweise Abwendung der Vollstreckung einen Schaden erlitten hat. Für einen derartigen, durch die Verzögerung bedingten Schadensersatzanspruch des Gläubigers trifft diesen eine sekundäre Darlegungslast und ist der Zeitraum zwischen der Anordnung der Abwendungsbefugnis und der Rechtskraft der Entscheidung maßgeblich.*)
2. Bei einem titulierten Auskunftsanspruch ist für das Bestehen eines Verzögerungsschadens darauf abzustellen, welchen Nachteil der Gläubiger infolge einer verspäteten Auskunft erleiden kann. Der Verzögerungsschaden bei einem Unterlassungstitel kann bei entsprechenden Darlegungen zum einen in der während des Vollstreckungsaufschubs zu zahlenden angemessenen und üblichen Lizenzgebühr und zum anderen in der - auf der (zeitweisen) Nichtvollstreckung des Unterlassungstitels beruhenden - Erhöhung eines Marktverwirrungsschadens bestehen.*)
VolltextIBRRS 2024, 0868
BGH, Beschluss vom 30.01.2024 - VIII ZB 47/23
Zu den Anforderungen an die Darlegung eines erheblichen Grunds i.S.v. § 227 Abs. 1 Satz 1 ZPO im Falle der Verhinderung des Prozessbevollmächtigten einer Partei wegen eines kollidierenden Verhandlungstermins (im Anschluss an BGH, IBR 2024, 1004 - nur online).*)
VolltextIBRRS 2024, 0863
BGH, Beschluss vom 23.01.2024 - VI ZR 213/22
Zur Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör durch Übergehen von Vortrag des Klägers, wie er auf einen richtigen ärztlichen Befund reagiert hätte.*)
VolltextIBRRS 2024, 0851
LG Berlin II, Urteil vom 29.02.2024 - 85 S 52/23 WEG
1. Weil der beitretende Wohnungseigentümer wie ein Streitgenosse der von ihm unterstützten Hauptpartei zu behandeln ist, kann er nach seinem Beitritt zur Wahrung eigener Interessen alle der Hauptpartei zustehenden Prozesshandlungen im eigenen Namen wirksam vornehmen und auch gegen den Willen der Hauptpartei Angriffs- und Verteidigungsmittel vorbringen und Prozesshandlungen vornehmen.
2. Schornsteine gehören regelmäßig zu den Gebäudeteilen, die für dessen Sicherheit erforderlich sind, weshalb sie zwingend im gemeinschaftlichen Eigentum stehen. Das gilt auch dann, wenn der Schornstein nur einem Wohneigentum dient.
3. Auch nach dem WEMoG kann eine verbessernde oder modernisierende Maßnahme, die sich nicht auf eine bloße Reparatur beschränkt, sondern den ursprünglichen Zustand verändert, eine ordnungsgemäße Erhaltung sein, wenn sie sich im Rahmen bewährter Techniken hält und bei Abwägung aller Umstände als die wirtschaftlich vernünftigere Lösung darstellt.
VolltextIBRRS 2024, 0782
KG, Beschluss vom 27.11.2023 - 12 W 40/23
Der Wert der Feststellung der die zulässige Höhe übersteigenden Miete ist gem. § 41 Abs. 5 GKG analog nach dem Jahreswert der streitigen Miete zu bestimmen.
VolltextIBRRS 2024, 0834
OLG Brandenburg, Beschluss vom 09.11.2023 - 12 W 26/23
1. Die Festsetzung des Streitwerts für die Gerichtsgebühren hat einheitlich zu erfolgen, wobei die Werte mehrerer Streitgegenstände grundsätzlich zusammengerechnet werden, wenn sie im selben Verfahren geltend gemacht werden.
2. Der Gegenstandswert für die anwaltliche Tätigkeit ist selbstständig festzusetzen, wenn sich die Rechtsanwaltsgebühren in einem gerichtlichen Verfahren nicht nach dem für die Gerichtsgebühren maßgebenden Wert errechnen, etwa weil gegen mehrere Beklagte Ansprüche in unterschiedlicher Höhe geltend gemacht werden.
VolltextIBRRS 2024, 0833
OLG Karlsruhe, Beschluss vom 04.10.2023 - 19 U 28/23
1. Unter "Anspruch auf rechtliches Gehör" i.S.v. § 321a Abs. 1 Nr. 2 ZPO ist ausschließlich das nach Art. 103 Abs. 1 GG gewährleistete rechtliche Gehör zu verstehen (BGH, Beschluss vom 13.12.2007 - I ZR 47/06 -, IBRRS 2008, 1562 = IMRRS 2008, 1061).
2. Der Anspruch auf rechtliches Gehör soll sichern, dass die Entscheidung frei von Verfahrensfehlern ergeht, die auf mangelnder Kenntnisnahme oder Erwägung des Sachvortrags der Prozessbeteiligten beruhen. Sein Schutzbereich ist auf das von dem Gericht einzuhaltende Verfahren, nicht aber auf die Kontrolle der Entscheidung in der Sache gerichtet.
3. Die Verletzung anderer Verfahrensgrundrechte kann nicht Gegenstand der auf Gehörsverstöße beschränkten Anhörungsrüge sein.
VolltextIBRRS 2024, 0825
BFH, Beschluss vom 02.02.2024 - IX B 26/23
Prozessleitende Verfügungen sind nicht mit der Beschwerde anfechtbar.
VolltextIBRRS 2024, 0810
OLG Hamburg, Urteil vom 05.02.2024 - 4 U 44/22
1. Übernimmt der Bauträger vertraglich Bauleistungen, die insgesamt nach Umfang und Bedeutung mit Neubauarbeiten vergleichbar sind, haftet er nicht nur für die ausgeführten Umbauarbeiten, sondern auch für die in diesem Bereich vorhandene Altbausubstanz nach den Gewährleistungsregeln des Werkvertragsrechts.
2. Der Bauträger darf Mängelbehauptungen des Erwerbers nicht mit Nichtwissen bestreiten, weil er vertraglich dazu verpflichtet ist, den Mängelrügen des Erwerbers nachzugehen.
3. Auch wenn der Bauträger im Prozess nicht angibt, dass er "mit Nichtwissen" bestreitet, sondern lediglich einfach bestreitet, ist dieses einfache Bestreiten als "ins Blaue hinein" und damit als unbeachtlich zu behandeln.
IBRRS 2024, 0815
BGH, Beschluss vom 30.01.2024 - VIII ZB 43/23
1. Gegen eine Kostenentscheidung nach § 91a ZPO darf die Rechtsbeschwerde nicht aus materiell-rechtlichen Gründen zugelassen werden, da es nicht Zweck des Kostenverfahrens ist, Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung zu klären oder das Recht fortzubilden, soweit es um Fragen des materiellen Rechts geht. Lässt das Beschwerdegericht unter Missachtung dieses Grundsatzes die Rechtsbeschwerde gleichwohl zu, ist das Rechtsbeschwerdegericht daran nach § 574 Abs. 3 Satz 1 ZPO gebunden (st. Rspr.; im Anschluss an BGH, Beschluss vom 27.04.2021 - VIII ZB 44/20, Rz. 10 m.w.N., IBRRS 2021, 1670 = IMRRS 2021 = NJW-RR 2021, 737).*)
2. Beruft der Mieter sich auf die Unwirksamkeit einer formularvertraglichen Überwälzung der Verpflichtung zur Vornahme laufender Schönheitsreparaturen unter dem Gesichtspunkt, dass ihm die Wohnung unrenoviert oder renovierungsbedürftig überlassen worden ist, trägt er für diesen Umstand die Darlegungs- und Beweislast (im Anschluss an BGH, IMR 2015, 220).*)
3. Die Unwirksamkeit einer formularvertraglichen Quotenabgeltungsklausel führt nicht zur Unwirksamkeit einer formularvertraglichen Vornahmeklausel (im Anschluss an BGH, Urteil vom 18.06.2008 - VIII ZR 224/07, Rz. 14, IBRRS 2008, 2211 = IMRRS 2008, 1307 = WuM 2008, 472; Beschluss vom 18.11.2008 - VIII ZR 73/08, Rz. 1, IBRRS 2009, 0166 = IMRRS 2009, 0104 = WuM 2009, 36).*)
IBRRS 2024, 0808
BGH, Beschluss vom 17.01.2024 - VII ZB 22/23
1. Für die Rücksendung des elektronischen Empfangsbekenntnisses in Form eines strukturierten Datensatzes per besonderem elektronischen Anwaltspostfach (beA) ist es erforderlich, dass auf Seiten des die Zustellung empfangenden Rechtsanwalts die Nachricht geöffnet sowie mit einer entsprechenden Eingabe ein Empfangsbekenntnis erstellt, das Datum des Erhalts des Dokuments eingegeben und das so generierte Empfangsbekenntnis versendet wird. Die Abgabe des elektronischen Empfangsbekenntnisses setzt mithin die Willensentscheidung des Empfängers voraus, das elektronische Dokument am einzutragenden Zustellungsdatum als zugestellt entgegenzunehmen; darin liegt die erforderliche Mitwirkung des Rechtsanwalts, ohne dessen aktives Zutun ein elektronisches Empfangsbekenntnis nicht ausgelöst wird.*)
2. Das von einem Rechtsanwalt elektronisch abgegebene Empfangsbekenntnis erbringt - wie das herkömmliche papiergebundene (analoge) Empfangsbekenntnis - gegenüber dem Gericht den vollen Beweis nicht nur für die Entgegennahme des Dokuments als zugestellt, sondern auch für den angegebenen Zeitpunkt der Entgegennahme und damit der Zustellung (Anschluss an BVerwG, IBR 2024, 1003 - nur online).*)
VolltextIBRRS 2024, 0805
OLG Saarbrücken, Beschluss vom 17.11.2023 - 4 W 23/23
1. Ein Ablehnungsgesuch gegen einen Richter ist zu begründen. Nicht ausreichend ist die ohne Begründung vorgebrachte bloße Erklärung einer Partei, sie lehne den Richter ab.
2. Der fehlenden Begründung steht eine völlig ungeeignete Begründung gleich. Völlig ungeeignet ist die Begründung eines Ablehnungsgesuchs, wenn sie die angebliche Befangenheit ohne nähere Prüfung und losgelöst von den konkreten Umständen des Einzelfalls von vornherein nicht belegen kann. Ein solches Ablehnungsgesuch ist rechtsmissbräuchlich und daher offensichtlich unzulässig.
3. Rechtsmissbräuchlich ist ein Befangenheitsgesuch auch, wenn es in Verschleppungsabsicht oder sonst zu verfahrensfremden Zwecken angebracht wird. Ein verfahrensfremder Zweck kann darin liegen, dass ein nicht genehmer Richter aus taktischen Gründen mittels eines unter einem Vorwand gestellten Ablehnungsgesuchs von der Entscheidung abgehalten werden soll.
VolltextIBRRS 2024, 0775
OLG Celle, Urteil vom 16.05.2023 - 2 U 37/23
§ 708 Nr. 7 ZPO ist im Wege richterlicher Rechtsfortbildung auch auf Pachtverhältnisse anzuwenden.*)
VolltextIBRRS 2024, 0377
BGH, Beschluss vom 03.01.2024 - I ZB 85/23
1. Die Rechtsbeschwerde zum Bundesgerichtshof ist nur statthaft, wenn dies entweder im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder wenn sie vom Beschwerdegericht in dem angegriffenen Beschluss zugelassen wurde.
2. Gegen die Zurückweisung eines Ablehnungsgesuchs ist in der ZPO nur das Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde vorgesehen. Die Rechtsbeschwerde zum Bundesgerichtshof ist deshalb nur zulässig, wenn sie vom Beschwerdegericht zugelassen wird.
VolltextIBRRS 2024, 0789
BGH, Beschluss vom 17.01.2024 - XII ZB 140/22
Zur nachträglichen Zulassung der Rechtsbeschwerde auf eine Gegenvorstellung.*)
VolltextIBRRS 2024, 0769
OVG Niedersachsen, Beschluss vom 12.02.2024 - 1 OA 67/23
Verweist eine Baugenehmigung zur Frage der Standsicherheit auf ein noch vorzulegendes Privatgutachten des Bauherrn, kommt die Erstattung der Kosten für ein weiteres Privatgutachten in Betracht, das der Nachbar im Rahmen einer Drittanfechtung der Baugenehmigung zur Überprüfung des ersten Gutachtens einholt.*)
VolltextIBRRS 2024, 0767
OLG Naumburg, Beschluss vom 17.08.2023 - 12 W 50/23
Zu den Anforderungen an die Zurückweisung eines Antrags auf Anordnung eines selbständigen Beweisverfahrens.*)
VolltextIBRRS 2024, 0764
OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 18.12.2023 - 4 B 1367/23
Die Anhörungsrüge ist kein Instrument, mit dem die Rechtskraft überspielt und eine neue inhaltliche Überprüfung in der Sache erreicht werden kann. Das Gebot des rechtlichen Gehörs vermittelt keinen Anspruch darauf, dass das zur Entscheidung berufene Gericht den Kläger „erhört“ und der von ihm vertretenen Rechtsauffassung folgt.
VolltextIBRRS 2024, 0751
OLG Hamburg, Urteil vom 11.01.2024 - 15 U 28/23
1. Es liegt keine gem. §§ 1149, 1192 BGB verbotene Verfallabrede vor, wenn der Darlehensgläubiger, zu dessen Absicherung ein Verkaufsangebot in Bezug auf die mit dem Darlehen finanzierte Immobilie abgebeben wird, nicht mit dem Grundpfandgläubiger, der das Darlehen refinanziert, identisch ist (Anschluss an BGH, Urteil vom 25.10.2002, V ZR 253/01, IBRRS 2003, 0061 = IMRRS 2003, 0019). Das gilt auch im Fall einer personalen Verflechtung dergestalt, dass die Abgabe des Kaufangebots gegenüber dem Darlehensgläubiger einerseits und die Bestellung des Grundpfandrechts zu Gunsten der das Darlehen refinanzierenden GmbH andererseits erfolgt, deren Prokurist bzw. Geschäftsführer der Darlehensgläubiger ist. Eine solche Gestaltung stellt auch keine rechtsmissbräuchliche Umgehung der §§ 1149, 1192 BGB dar.*)
2. Beruft sich der Darlehensnehmer (hier: mit Blick auf ein Verbraucherwiderrufsrecht) darauf, dass der Darlehensgeber Unternehmer i.S.v. § 14 BGB sei, ist er dafür darlegungs- und beweisbelastet. Wenn der Darlehensgeber eine natürliche Person und der objektive Zweck des Darlehens kein unternehmerischer ist, ist grundsätzlich von der Verbrauchereigenschaft des Darlehensgebers auszugehen. Etwas anderes kommt nur in Betracht, wenn der Darlehensnehmer darlegt und ggf. beweist, dass die ihm bei Vertragsschluss erkennbaren Umstände eindeutig und zweifelsfrei darauf hinweisen, dass die natürliche Person das Darlehen in Verfolgung ihrer gewerblichen oder selbstständigen beruflichen Tätigkeit gewährt hat. Bei verbleibenden Zweifeln ist zu Gunsten der Verbrauchereigenschaft des Darlehensgebers zu entscheiden (vgl. BGH, NJW 2021, 2281, sowie BGH, IBR 2009, 1382 - nur online).*)
3. Bei Beantwortung der Frage, ob die im Rahmen eines zweiseitigen notariellen Vertrags erteilte Durchführungsvollmacht zu Gunsten eines Notariatsmitarbeiters einseitig widerrufen werden kann (hier verneint), ist zu berücksichtigen, dass die Durchführungsvollmacht auch im Interesse der anderen Vertragspartei erteilt worden ist. Das der Vollmachtserteilung zu Grunde liegende Kausalverhältnis ist nicht nur der dem Notariatsmitarbeiter erteilte Auftrag, sondern in erster Linie der zweiseitige notarielle Vertrag.*)
4. Der Besitz an einem vermieteten Objekt ist kein Recht und keine Pflicht i.S.v. § 566 Abs. 1 BGB, so dass er nicht ipso iure vom alten auf den neuen Eigentümer übergeht.*)
5. Mitbesitzer sind zur Herausgabe gem. § 985 BGB nicht als Gesamtschuldner verpflichtet, denn jeder Mitbesitzer kann nur seinen Besitzanteil herausgeben und nicht auch den der anderen.*)
6. Soweit der Gegenstand einer Zwischenfeststellungswiderklage i.S.v. § 45 Abs. 1 Satz 1 und 3 GKG wirtschaftlich über den Gegenstand der Klage hinausreicht, führt dies zur Addition der Streitwerte.*)
VolltextIBRRS 2024, 0760
VGH Hessen, Beschluss vom 16.01.2024 - 2 A 360/23
Für eine ausreichende Darlegung einer Divergenzrüge besteht für den Rechtsmittelführer die Obliegenheit, die Entscheidung, von der das erstinstanzliche Urteil abgewichen sein soll, dem Zulassungsantrag als Anlage beizufügen, wenn diese Entscheidung nicht veröffentlicht wurde und die maßgebliche Aufbewahrungsfrist von 10 Jahren abgelaufen ist.*)
VolltextIBRRS 2024, 0752
BayObLG, Beschluss vom 22.02.2024 - 102 AR 247/23
Der Gerichtsstand aus unerlaubter Handlung i. S. des § 32 ZPO umfasst nicht eine Klage des Gebäudeversicherers gegen den Haftpflichtversicherer des Mieters/Pächters des versicherten Gebäudes, mit der wegen stillschweigend erklärten Regressverzichts des Gebäudeversicherers zu Gunsten des Mieters/Pächters der direkte Rückgriffsanspruch des Gebäudeversicherers gem. § 78 Abs. 2 Satz 1 VVG analog gegen den Haftpflichtversicherer des Mieters/Pächters geltend gemacht wird.*)
VolltextIBRRS 2024, 0742
OLG Brandenburg, Beschluss vom 23.01.2024 - 6 W 124/23
1. Der Gebührenstreitwert eines Rechtsstreits, in dem ein Unterlassungsanspruch verfolgt wird, ist nach dem Ermessen des Gerichts ausgehend von der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache zu bestimmen.
2. Wesentlicher Anknüpfungspunkt für die Ermessensausübung ist das wirtschaftliche Interesse des Klägers an der Anspruchsverwirklichung, dass objektiv und nicht nach seinen subjektiven Vorstellungen zu bestimmen ist.
3. Streitwertangaben der Parteien zu Beginn des Verfahrens haben indizielle Bedeutung, sie sind vom Gericht anhand der objektiven Gegebenheiten und üblicher Wertfestsetzungen in gleichartigen oder ähnlichen Fällen zu überprüfen.
VolltextIBRRS 2024, 0669
BGH, Beschluss vom 27.09.2023 - VII ZR 12/23
1. Der Zulassungsgrund der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung ist in den Fällen einer Divergenz gegeben, wenn die anzufechtende Entscheidung von der Entscheidung eines höher- oder gleichrangigen Gerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht.
2. Das (abweichende) Urteil eines Amtsgerichts ist aus der Perspektive eines Landgerichts als Berufungsgericht keine Entscheidung eines höher- oder gleichrangigen Gerichts.
VolltextIBRRS 2024, 0736
OLG München, Beschluss vom 13.12.2023 - 25 U 2494/22
Es erübrigt sich, in den Entscheidungsgründen eine kritische Auseinandersetzung mit den eingeholten Gutachten darzustellen, wenn das Ergebnis der Begutachtung klar und eindeutig ist und nur eine Abweisung der Klage zulässt.
VolltextIBRRS 2024, 0729
BGH, Beschluss vom 24.01.2024 - XII ZB 171/23
1. Ein Verfahrensbevollmächtigter, der kurzfristig und unvorhersehbar an der Wahrnehmung eines Termins gehindert ist, hat alles ihm Mögliche und Zumutbare zu tun, um dem Gericht rechtzeitig seine Verhinderung mitzuteilen und hierdurch eine Verlegung oder Vertagung des Termins zu ermöglichen (im Anschluss an BGH, Urteile vom 24.09.2015 - IX ZR 207/14 -, FamRZ 2016, 42, IBRRS 2015, 2810 = IMRRS 2015, 1239, und vom 25.11.2008 - VI ZR 317/07 -, FamRZ 2009, 498, IBRRS 2009, 0253 = IMRRS 2009, 0127).*)
2. Zu den Anforderungen an den nach § 117 Abs. 2 Satz 1 FamFG i.V.m. § 514 Abs. 2 Satz 1 ZPO erforderlichen Beteiligtenvortrag dazu, dass ein Fall der schuldhaften Terminsversäumung nicht vorgelegen habe.*)
VolltextIBRRS 2024, 0722
LG Berlin II, Beschluss vom 17.02.2024 - 67 T 108/23
1. Die Darlegungs- und Beweislast für die tatsächlichen Voraussetzungen einer Verlängerung der Räumungsfrist nach § 721 Abs. 3 ZPO trägt der Mieter.*)
2. Der pauschale tatrichterliche Verweis auf eine angeblich gerichtsbekannte Lage am Wohnungsmarkt reicht zur verfahrensfehlerfreien Begründung einer Verlängerung der Räumungsfrist nicht aus.*)
3. Die bloße Einreichung von Bewerbungsunterlagen erbringt ohne Weiteres keinen hinreichenden Beweis dafür, dass sich der Mieter tatsächlich um Ersatzwohnraum bemüht hat.*)
VolltextOnline seit Februar
IBRRS 2024, 0711OLG Brandenburg, Urteil vom 27.09.2023 - 4 U 76/23
1. Gegenstand einer Feststellungsklage kann - abgesehen von der Feststellung der Echtheit oder Unechtheit einer Urkunde - nur die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses sein.
2. Der Annahmeverzug ist - wie auch der Schuldnerverzug - lediglich eine gesetzlich definierte Voraussetzung unterschiedlicher Rechtsfolgen, also lediglich eine Vorfrage für die Beurteilung dieser Rechtsfolgen. Er ist selbst kein Rechtsverhältnis, das festgestellt werden kann.
VolltextIBRRS 2024, 0706
BGH, Beschluss vom 17.01.2024 - XII ZB 88/23
1. Die Glaubhaftmachung der vorübergehenden Unmöglichkeit der Einreichung eines Schriftsatzes als elektronisches Dokument bedarf einer aus sich heraus verständlichen, geschlossenen Schilderung der tatsächlichen Abläufe oder Umstände. Hieran fehlt es, wenn die glaubhaft gemachten Tatsachen jedenfalls auch den Schluss zulassen, dass die Unmöglichkeit nicht auf technischen, sondern auf in der Person des Beteiligten liegenden Gründen beruht (im Anschluss an Senatsbeschlüsse vom 01.03.2023 - XII ZB 228/22, IBRRS 2023, 0997 = FamRZ 2023, 879, und vom 21.09.2022 - XII ZB 264/22, IMR 2023, 83 = FamRZ 2022, 1957).*)
2. Zur Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bei unzureichender Glaubhaftmachung einer vorübergehenden technischen Unmöglichkeit gem. § 130d Satz 2 und 3 ZPO.*)
IBRRS 2024, 0694
OLG Dresden, Beschluss vom 02.01.2024 - 4 W 94/22
Für die Entscheidung über einen Kostenwiderspruch gegen eine vom Beschwerdegericht erlassene einstweilige Verfügung ist nicht das Ausgangs-, sondern das Beschwerdegericht zuständig (Anschluss an KG, Urteil vom 08.07.2004 - 12 W 21/04, IBRRS 2004, 3117 = IMRRS 2004, 1918).*)
VolltextIBRRS 2024, 0704
OLG Köln, Beschluss vom 21.02.2024 - 17 W 13/24
1. In einem zwischen anderen Personen anhängigen Rechtsstreit kann einer Partei zum Zwecke der Unterstützung beitreten, wer ein rechtliches Interesse daran hat, dass diese Partei obsiegt. Das gilt auch im selbständigen Beweisverfahren.
2. Der Begriff des rechtlichen Interesses ist weit auszulegen. Aus dem Erfordernis eines rechtlichen Interesses folgt jedoch, dass ein rein wirtschaftliches oder tatsächliches Interesse für die Zulässigkeit einer Nebenintervention nicht ausreicht.
3. Verkündet ein Bauträger (= Antragsgegner) in einem selbständigen Beweisverfahren wegen (planungsbedingter) Baumängel dem planenden Architekten den Streit, hat der Architekt kein berechtigtes Interesse für einen Streitbeitritt auf Erwerberseite (= Antragsteller).
VolltextIBRRS 2024, 0692
LG Traunstein, Beschluss vom 09.02.2024 - 9 OH 609/22
1. Der beauftragte Richter muss nicht in jedem Fall für die Änderung eines Beweisbeschlusses die Beweisaufnahme abbrechen und einen Kammerbeschluss herbeiführen. Er kann kleinere Anpassungen selbst vornehmen.
2. Die grundlegende Entscheidung, ob ein Mitarbeiter des Sachverständigen entgegen des Willens einer Partei zum weiteren Sachverständigen ernannt wird, ist geeignet, bei dieser den Eindruck zu erwecken, dass der beauftragte Richter dem Verfahren nicht völlig unvoreingenommen gegenübersteht.
3. Die Frage, was als "Bau-Soll" vertraglich geschuldet ist, ist eine Rechtsfrage. Sie kann nicht Gegenstand eines selbständigen Beweisverfahrens sein.
VolltextIBRRS 2024, 0685
BGH, Beschluss vom 25.01.2024 - I ZB 51/23
1. Vorbereitende Schriftsätze und deren Anlagen sowie schriftlich einzureichende Anträge und Erklärungen, die durch einen Rechtsanwalt eingereicht werden, sind als elektronisches Dokument zu übermitteln. Ist dies aus technischen Gründen vorübergehend nicht möglich, ist die Übermittlung nach den allgemeinen Vorschriften zulässig.
2. Gibt der Rechtsanwalt in einem per Telefax übermittelten Schriftsatz an, das beA sei gestört gewesen, lag aber tatsächliche eine Störung des EGVP im Justizbereich, ist dies unschädlich.
VolltextIBRRS 2024, 0677
OLG Brandenburg, Beschluss vom 26.01.2024 - 9 WF 18/24
1. Die Richterablehnung wegen der Besorgnis der Befangenheit kann grundsätzlich nicht auf die Verfahrensweise eines Richters gestützt werden.
2. Eine Ausnahme von diesem Grundsatz ist nur dann geboten, wenn die Gestaltung des Verfahrens oder die Entscheidungen des Richters sich so weit von den anerkannten rechtlichen – insbesondere verfassungsrechtlichen – Grundsätzen entfernen, dass sie aus der Sicht der Partei nicht mehr verständlich und offensichtlich unhaltbar erscheinen und dadurch den Eindruck einer willkürlichen oder doch jedenfalls sachfremden Einstellung des Richters erwecken.
3. Die unterlassene Zuleitung von Schriftsätzen bzw. Stellungnahmen vor Erlass einer Entscheidung mag zwar einen Verfahrensverstoß darstellen, begründet aber für sich betrachtet objektiv nicht die Besorgnis der Befangenheit.
VolltextIBRRS 2024, 0662
BAG, Beschluss vom 15.12.2023 - 9 AZB 13/23
1. Maßstab für die Notwendigkeit von Kosten zur Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung i. S. des § 91 Abs. 2 Satz 1 ZPO ist, ob eine verständige und wirtschaftlich vernünftige Partei die Kosten auslösende Maßnahme im damaligen Zeitpunkt als sachdienlich ansehen durfte. Die Notwendigkeit bestimmt sich daher aus der "verobjektivierten" ex-ante-Sicht der jeweiligen Prozesspartei und nicht nach einem rein objektiven Maßstab.
2. Ist der Berufungskläger einem Hinweis des Berufungsgerichts, wegen Nichtwahrung der Frist zur Berufungsbegründung sei beabsichtigt, die Berufung ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss als unzulässig zu verwerfen, schriftsätzlich entgegengetreten, sind die durch einen Antrag auf Berufungszurückweisung entstandenen Kosten auch dann erstattungsfähig i.S.v. § 91 Abs. 2 Satz 1 ZPO, wenn der Berufungskläger seine Berufung später zurücknimmt.
VolltextIBRRS 2024, 0658
BAG, Beschluss vom 25.01.2024 - 10 AZN 677/23
1. Die Beteiligten eines gerichtlichen Verfahrens haben Anspruch auf den gesetzlichen Richter, der sich aus dem Gerichtsverfassungsgesetz, den Prozessordnungen sowie den Geschäftsverteilungs- und Besetzungsregelungen des Gerichts ergibt.
2. Geschäftsverteilungspläne der Gerichte müssen im Voraus abstrakt-generell die Zuständigkeit der Spruchkörper regeln. Es gehört zum Begriff des gesetzlichen Richters, dass die einzelne Sache „blindlings“ aufgrund allgemeiner, vorab festgelter Merkmale an den entscheidenden Richter gelangt.
3. Nicht schon jede bloß fehlerhafte Anwendung einfachgesetzlicher Zuständigkeitsvorschriften führt jedoch zu einer verfassungswidrigen Entziehung des gesetzlichen Richters. Durch einen schlichten Verfahrensverstoß wird niemand seinem gesetzlichen Richter entzogen.
4. Die Grenze zur Verfassungswidrigkeit ist erst überschritten, wenn die Entscheidung eines Gerichts von willkürlichen Erwägungen bestimmt ist oder bei verständiger Würdigung der das Grundgesetz beherrschenden Gedanken nicht mehr verständlich erscheint und offensichtlich unhaltbar ist.
5. Wird mit einer Nichtzulassungsbeschwerde das Vorliegen eines absoluten Revisionsgrunds geltend gemacht, muss die Beschwerdebegründung die Darlegung eines solchen absoluten Revisionsgrunds enthalten. Die bloße Benennung des Zulassungsgrunds genügt nicht. Es sind vielmehr die Tatsachen substantiiert vorzutragen, aus denen sich der Verfahrensfehler des Berufungsgerichts ergeben soll.
VolltextIBRRS 2024, 0654
BGH, Beschluss vom 02.01.2024 - II ZR 86/22
Haben die Parteien und ihre Streithelfer selbständig Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt, handelt es sich gleichwohl um ein einheitliches Rechtsmittel, das der Streithelfer nicht fortführen kann, wenn es von der Partei zurückgenommen worden ist, weil sie sich mit dem Gegner - ohne Beteiligung des Streithelfers - außergerichtlich verglichen hat.
VolltextIBRRS 2024, 0628
OLG Rostock, Beschluss vom 13.02.2024 - 8 U 449/22
Zur Klage eines Kaufmanns "unter seiner Firma" i. S. des § 17 Abs. 2 HGB (Abgrenzung zum Recht der Stellvertretung).*)
VolltextIBRRS 2024, 0449
LG Dortmund, Urteil vom 13.01.2023 - 17 S 89/22
1. Die Anwesenheit eines Dritten kann im Einzelfall zulässig sein, wenn das Interesse des Eigentümers an der Begleitung durch einen Dritten etwa aufgrund hohen Lebensalters oder Krankheit die Interessen der übrigen Eigentümer an der Beschränkung des Teilnehmerkreises auf die Eigentümer überwiegt.
2. Die Kausalität des Verstoßes gegen den Grundsatz der Nichtöffentlichkeit der Versammlung an dem getroffenen Beschluss wird widerlegbar vermutet.
3. Ein Anspruch auf Abberufung des Verwalters besteht dann, wenn die Ablehnung der Abberufung aus objektiver Sicht nicht mehr vertretbar erscheint. Das ist der Fall, wenn in der Gesamtschau allein die Abberufung dem Interesse der Gesamtheit der Wohnungseigentümer nach billigem Ermessen entspricht, was unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und aller gegen den Verwalter erhobenen Vorwürfe zu prüfen ist.
4. Ein Anspruch auf Abberufung ist zu bejahen, wenn der Verwalter einen Eigentümer bewusst benachteiligt.
5. Ein Entzug des Teilnahmerechts kann zwar dann rechtmäßig sein, wenn ein Wohnungseigentümer - oder dessen Vertreter - nachhaltig und trotz Androhung des Ausschlusses die Versammlung weiterhin in erheblicher Weise stört. Indes ist der Ausschluss auf die aktuelle Versammlung zu beschränken und kann nicht auf zukünftige Versammlungen erstreckt werden, schon gar nicht dann, wenn das störende Verhalten bislang nur in einer Versammlung aufgetreten ist.
6. Sind nach der Teilungserklärung Art und Nutzung des Sondereigentums nicht von der Gestattung der jeweiligen anderen Miteigentümer abhängig, so kann ein Eigentümer sein Teileigentum unabhängig von der Mitwirkung der übrigen Eigentümer in Wohnungseigentum umwandeln.
7. Das Merkmal "demnächst" i.S.v. § 167 ZPO ist in der Regel erfüllt, wenn der Partei eine Zustellungsverzögerung von mehr als 14 Tagen zuzurechnen ist. Bei der Berechnung ist darauf abzustellen, um wie viele Tage sich der für die Zustellung der Klage hinnehmbare Zeitraum infolge der Nachlässigkeit des Klägers verzögert hat.
8. Der Kläger hat die Pflicht, sich bei ausbleibender Vorschussanforderung innerhalb angemessener Frist beim Gericht zu erkundigen und auf eine Beschleunigung der Zustellung hinzuwirken. Eine Nachfrage muss bereits drei Wochen nach Ablauf der Klagefrist erfolgen.
VolltextIBRRS 2024, 0406
OLG München, Urteil vom 24.05.2022 - 9 U 5858/21 Bau
1. Die Frage des Bestehens eines Leistungsverweigerungsrechts der Verjährung oder auch des Einwands der Verwirkung stellt grundsätzlich ein feststellungsfähiges Rechtsverhältnis dar.
2. Für eine Zwischenfeststellungsklage ist kein Raum, wenn mit dem Urteil über die Hauptklage die Rechtsbeziehungen der Parteien erschöpfend geregelt werden.
3. Im Rahmen einer auf die Feststellung gerichteten Klage, dass der Kläger nicht verpflichtet ist, die von der Beklagten außergerichtlich geltend gemachten Mängelansprüche zu erfüllen, wird erschöpfend und der Rechtskraft fähig auch über die zugleich zum Gegenstand der Zwischenfeststellungsklage gemachte Frage der Verjährung oder Verwirkung jedweder Ansprüche der Beklagten wegen der streitgegenständlichen Mängel entschieden.
VolltextIBRRS 2024, 0606
BFH, Beschluss vom 10.01.2024 - IX B 9/23
Eine Überraschungsentscheidung liegt vor, wenn das Finanzgericht sein Urteil auf einen bis dahin nicht erörterten rechtlichen oder tatsächlichen Gesichtspunkt stützt und damit dem Rechtsstreit eine Wendung gibt, mit der auch ein gewissenhafter und kundiger Prozessbeteiligter selbst unter Berücksichtigung der Vielzahl vertretbarer Auffassungen nach dem bisherigen Verlauf der Verhandlung nicht rechnen musste.*)
VolltextIBRRS 2024, 0574
BGH, Beschluss vom 09.01.2024 - VIII ZB 8/23
1. Die Kosten eines Unterbevollmächtigten stellen dann notwendige Kosten der Rechtsverfolgung oder -verteidigung dar, wenn durch die Tätigkeit des Unterbevollmächtigten erstattungsfähige Reisekosten des Hauptbevollmächtigten in vergleichbarer Höhe erspart werden, die ansonsten bei der Wahrnehmung des Termins durch den Hauptbevollmächtigten entstanden wären.
2. Reisekosten eines Rechtsanwalts der obsiegenden Partei, der nicht in dem Bezirk des Prozessgerichts niedergelassen ist und am Ort des Prozessgerichts auch nicht wohnt, sind nur insoweit zu erstatten, als dessen Zuziehung zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder -verteidigung notwendig war.
3. Bei einer Sache, deren - unternehmensintern oder -extern in Auftrag gegebene - Bearbeitung an einem Ort stattgefunden hat, an dem das Unternehmen weder seinen Hauptsitz noch eine Zweigniederlassung unterhält, sind die Reisekosten, die dem Unternehmen durch die Beauftragung eines am Bearbeitungsort ansässigen Rechtsanwalts entstanden sind, nach denselben Grundsätzen zu erstatten wie sonst im Fall der Beauftragung eines am Sitz des Unternehmens ansässigen Rechtsanwalts.
VolltextIBRRS 2024, 0609
AG Neustadt/Weinstraße, Urteil vom 28.09.2022 - 4 C 201/21
1. Für Zustellungen ist in den Fällen von § 9b Abs. 2 WEG der Beiratsvorsitzende oder der ermächtigte Eigentümer der richtige Adressat i.S.v. § 170 Abs. 1 Satz 1 ZPO.
2. Die einem Eigentümer erteilte Vollmacht wird ab der Bestellung eines neuen Verwalters überlagert mit der Folge, dass der Rechtsstreit von dem neuen Verwalter übernommen werden muss.
3. Erfolgt keine Übernahme, ist die Klage als unzulässig abzuweisen.
VolltextIBRRS 2024, 0588
OLG Brandenburg, Beschluss vom 22.01.2024 - 1 W 32/23
1. Auch wenn nicht jede (abgeschlossene) geschäftliche oder berufliche Beziehung einer Richterin zu einem Prozessbeteiligten einen Befangenheitsgrund darstellt, stellt ein früheres Anstellungsverhältnis des Richters in der Kanzlei eines Prozessbevollmächtigten einen Umstand dar, der geeignet ist, Zweifel an der Unparteilichkeit und Unvoreingenommenheit des Richters.
2. Das gilt jedenfalls dann, wenn das Anstellungsverhältnis erst kurze Zeit und weniger als sechs Monate vor der Befassung mit dem Rechtsstreit beendet worden ist, und ungeachtet des Umstands, dass der Richter durch sein konkretes Verhalten im Verfahren unmittelbar keinen Anlass zu solcher Besorgnis gegeben hat.
VolltextIBRRS 2024, 0569
OLG Zweibrücken, Beschluss vom 04.12.2023 - 9 U 141/23
Eine über das besondere elektronische Anwaltspostfach (beA) eingereichte Berufungsschrift, die weder einfach noch qualifiziert elektronisch signiert wurde, ist als unzulässig zu verwerfen.
VolltextIBRRS 2024, 0531
BGH, Beschluss vom 29.11.2023 - XII ZB 141/22
Ein Bankinstitut kann nicht unter Berufung auf das Bankgeheimnis gem. § 383 Abs. 1 Nr. 6 ZPO die Vorlage von Original-Urkunden verweigern, wenn im Einzelfall das Interesse des Beweisführers an ihrer Vorlage höher zu gewichten ist (hier: zum Beweis der Unechtheit der Urkunden).*)
VolltextIBRRS 2024, 0527
VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 24.01.2024 - 12 S 1787/23
1. Sind an einem ohne mündliche Verhandlung ergangenen Beschluss zwei qualifizierte elektronische Signaturen der beschließenden Richter angebracht, ist aber die Verhinderung des dritten Richters, seine Unterschrift beizufügen, nicht nach § 117 Abs. 1 Satz 3 VwGO rechtswirksam vermerkt, ist die Entscheidung rechtlich so anzusehen, als hätte sie überhaupt keinen Verhinderungsvermerk enthalten, sondern wäre ohne einen derartigen Vermerk lediglich von zwei der drei mitwirkenden Richter unterschrieben worden. In einem solchen Fall handelt es sich um den Entwurf einer Entscheidung und um eine Scheinentscheidung, die die Instanz nicht beendet.*)
2. Lässt sich einem Verhinderungsvermerk nach § 117 Abs. 1 Satz 3 VwGO nicht entnehmen, welcher der unterzeichnenden Richter ihn verantwortet, kommt eine Berichtigung regelmäßig nicht in Betracht, weil die Unrichtigkeit nicht offenbar im Sinne des § 118 Abs. 1 Satz 1 VwGO ist.*)
3. Im Falle eines Rechtsmittels gegen einen Scheinbeschluss ist der Antrag eines Beteiligten für die Zurückverweisung des Verfahrens an das Verwaltungsgericht nach § 130 Abs. 2 Nr. 2 VwGO keine notwendige Voraussetzung.*)
VolltextIBRRS 2024, 0564
BGH, Urteil vom 05.12.2023 - VI ZR 34/22
1. Gemäß § 412 Abs. 2 ZPO kann das Gericht die Begutachtung durch einen anderen Sachverständigen anordnen, wenn ein Sachverständiger nach Erstattung des Gutachtens mit Erfolg abgelehnt ist. In diesem Fall darf ungeachtet des Wortlauts des § 412 Abs. 2 ZPO ("kann") das Gutachten des abgelehnten Sachverständigen grundsätzlich nicht mehr verwertet werden.*)
2. Die erfolgreiche Ablehnung des Sachverständigen steht der Verwertbarkeit seines Gutachtens jedenfalls dann nicht entgegen, wenn die Partei, die sich auf die Befangenheit des Sachverständigen beruft, den Ablehnungsgrund in rechtsmissbräuchlicher Weise provoziert hat und gleichzeitig kein Anlass zu der Besorgnis besteht, dass die Unvoreingenommenheit des Sachverständigen schon bei Erstellung seiner bisherigen Gutachten beeinträchtigt gewesen ist (Anschluss an BGH, IBR 2007, 530).*)
Volltext