Bau-, Architekten- und Immobilienrecht.
Volltexturteile nach Sachgebieten
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IBRRS 2022, 2018VK Sachsen, Beschluss vom 25.05.2022 - 1/SVK/005-22
1. Wann ein ungewöhnlich niedriger Angebotspreis und mithin eine Aufklärungspflicht des öffentlichen Auftraggebers vorliegt, bestimmt sich nach den Umständen des Einzelfalls. Der öffentliche Auftraggeber ist jedoch - unabhängig von anderen konkreten Umständen des Einzelfalls - jedenfalls dann verpflichtet, in die Prüfung der Preisbildung einzutreten, wenn der Abstand zwischen dem Angebot des bestplatzierten und dem Angebot des zweitplatzierten Bieters mindestens 20% beträgt.*)
2. Bezugspunkt für die Berechnung der prozentualen Abweichung der Angebote untereinander ist das nächsthöhere Angebot. Dieses wird mit 100% angesetzt und ausgehend davon der Abstand zum günstigsten Angebot berechnet.*)
3. Die Vergabekammer hat nicht zu bewerten, ob ein Angebot auskömmlich oder unauskömmlich ist, sondern ob die Entscheidung des Auftraggebers, das Angebot als auskömmlich oder unauskömmlich zu bewerten auf Basis eines zutreffend und hinreichend ermittelten Sachverhaltes und einer gesicherten Erkenntnisgrundlage getroffen wurde und im Ergebnis nachvollziehbar und vertretbar ist. Bei dieser Prognoseentscheidung steht dem Auftraggeber ein Beurteilungsspielraum zu, welcher nur einer eingeschränkten Nachprüfbarkeit durch die Vergabekammer unterliegt.*)
4. Der Umstand, dass ein Unternehmen einen anderen Auftrag eines komplexen Gesamtbauvorhabens erhalten hat, führt allein nicht zu einer Vorbefassung i.S.d. § 6 EU Abs. 3 Nr. 4 VOB/A 2019.*)
IBRRS 2022, 1942
OLG Karlsruhe, Beschluss vom 04.05.2022 - 15 Verg 1/22
1. Der Auftragswertschätzung der Verkehrs-oder Marktwert zum Zeitpunkt der Einleitung des Vergabeverfahrens zugrunde zu legen.
2. Die Angebote, die in einem ersten, dann aber aufgehobenen Vergabeverfahren eingegangen waren, können als Anhaltspunkte für eine Auftragswertschätzung herangezogen werden.
IBRRS 2022, 1993
VK Sachsen, Beschluss vom 24.11.2021 - 1/SVK/032-21
1. Die Vergabestelle muss im Informationsschreiben nach § 134 GWB alle ihr bekannten Gründe für die Nichtberücksichtigung des Angebots benennen, um den effektiven Rechtsschutz des Bieters nicht zu vereiteln. Anderenfalls hätte es die Vergabestelle in der Hand durch taktisches Vorgehen mehrere Rügen des Bieters erforderlich zu machen und zu erreichen, dass der Bieter durch das (versehentliche) Unterlassen einer weiteren Rüge mit seinem Antrag teilweise präkludiert ist.*)
2. Die Eignungsleihe nach § 6d EU VOB/A 2019 ist vom Nachunternehmereinsatz nach § 36 VgV zu unterscheiden. Im Rahmen der Eignungsleihe bedient sich ein Bieter der Kapazitäten dritter Unternehmen, um seine für die Ausschreibung geforderte Eignung nachzuweisen. Unterauftragsvergabe bedeutet, dass ein Unternehmen ein drittes Unternehmen mit der Ausführung des gesamten Auftrags oder von Teilen davon betraut.*)
3. Der Bieter hat im Angebot ausdrücklich oder zumindest konkludent, aber vom Empfängerhorizont her unmissverständlich geltend zu machen, dass er sich zum Nachweis der Eignung einer Eignungsleihe bedienen will. Hieran sind keine hohen Anforderungen zu stellen; der Bieter muss nur irgendwie kenntlich machen, dass er die Eignungsleihe zur Nachweisführung seiner Eignung beabsichtigt, damit der Auftraggeber diesem Aspekt im Rahmen seiner Aufklärungspflichten (hier § 15 EU VOB/A 2019) nachgehen kann.*)
4. Die Aufklärungsmöglichkeit des § 15 EU Abs. 1 VOB/A 2019 erfordert, dass ein klärungsbedürftiger Sachverhalt mit dem Angebot vorgelegt wird, da die Aufklärung anderenfalls zu einer unzulässigen Angebotsänderung führen würde. § 15 EU Abs. 1 VOB/A 2019 muss daher als eng auszulegende Ausnahmevorschrift angesehen werden, deren inhaltliche Reichweite folglich nur in einer klarstellenden Auslegung bzw. ergänzenden Information zum bereits vorgelegten Angebot gesehen werden darf.*)
IBRRS 2022, 1970
OLG Düsseldorf, Beschluss vom 08.06.2022 - Verg 19/22
1. Die Teilnahme am Präqualifikationssystem dient der Entlastung des Bieters von der Beibringung der Eignungsnachweise, nicht jedoch ihrer Ersetzung. Die Erleichterung in Bezug auf die Beibringung ändert nichts daran, dass die Erfüllung der Eignungskriterien grundsätzlich vom Bieter nachzuweisen ist.
2. Die inhaltlichen Anforderungen an die Eignung und ihre Nachweise müssen für jeden Bieter gleich sein, unabhängig davon, ob dieser präqualifiziert ist oder nicht. Auch bei einem präqualifizierten Bieter hat der öffentliche Auftraggeber daher zu prüfen, ob die im Präqualifikationsverzeichnis hinterlegten Nachweise, die im konkreten Verfahren geforderten Eignungsangaben und Nachweise abdecken.
3. Fordert der öffentliche Auftraggeber die Angabe dreier mit der zu vergebenden Leistung vergleichbarer Referenzen, kann nur der Bieter die verlangten Angaben allein mit Verweis auf seine Eintragung im Präqualifikationsverzeichnis leisten, für den dort drei Nachweise über mit der ausgeschriebenen Leistung vergleichbare Leistungen hinterlegt sind. Die Eintragung ersetzt insoweit lediglich die Eintragung in der Eigenerklärung Eignung.
IBRRS 2022, 1906
KG, Beschluss vom 18.05.2022 - Verg 7/21
Schriftsätze und sonstige Unterlagen, die Beteiligte im Vergabenachprüfungsverfahren mit der Maßgabe zu den Akten reichen, dass sie ganz oder teilweise den übrigen Beteiligten oder einem Teil von ihnen nicht zur Kenntnis gelangen sollen (sog. "geschwärzte" Unterlagen), werden insoweit weder Gegenstand der Akten der Vergabekammer noch Bestandteil der Gerichtsakten, welcher Entscheidung und Verhandlung zugrunde gelegt erklärten Willen des Beteiligten, der sie eingereicht hat, Einsicht in diese Unterlagen zu gewähren. Im Hinblick auf das Grundrecht auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) der übrigen Beteiligten bleiben diese Unterlagen bei der Verhandlung und Entscheidung der Nachprüfungsinstanzen unberücksichtigt (vgl. auch Senat, Beschluss vom 01.07.2020 - Verg 1001/20, IBRRS 2020, 3839 = VPRRS 2020, 0378).*)
IBRRS 2022, 1930
KG, Beschluss vom 10.05.2022 - Verg 2/22
1. Maßgeblich für die Eignungsprüfung nach § 57 Abs. 1 VgV sind alleine die in der Auftragsbekanntmachung festgelegten Eignungskriterien und die dort für ihren Beleg geforderten Nachweise (§ 122 Abs. 4 Satz 2 GWB, § 48 Abs. 1 VgV). Gefordert werden kann danach nur, was sich der Ausschreibung nach allgemeinen Auslegungsgrundsätzen (§§ 133, 157 BGB) nach dem Empfängerhorizont der angesprochenen Unternehmen entnehmen lässt.*)
2. Die vergaberechtswidrige Erteilung eines Interimsauftrag über Leistungen, die Gegenstand eines Vergabeverfahrens sind, zu dem ein Vergabenachprüfungsverfahren anhängig ist, stellt einen Verstoß gegen das Zuschlagsverbot aus § 169 Abs. 1 GWB dar und kann in dem laufenden Nachprüfungsverfahren gerügt werden. Erledigt sich das Vergabeverfahren, das Gegenstand dieses Nachprüfungsverfahrens war, ist die Verletzung des Zuschlagsverbotes durch die vergaberechtswidrige Interimsvergabe auf Antrag eines Beteiligten nach Maßgabe der § 168 Abs. 2 Satz 2, § 178 Satz 3 GWB festzustellen.*)
IBRRS 2022, 1905
KG, Beschluss vom 11.05.2022 - Verg 5/21
1. Die Festsetzung der Verfahrensgebühr durch die Vergabekammer nach § 182 Abs. 1, 2 GWB kann von den Beteiligten mit der sofortigen Beschwerde nach § 171 Abs. 1 Satz 1 GWB selbständig angefochten werden.*)
2. Die Festsetzung der Verfahrensgebühr ist im Beschwerdeverfahren auf ihre Vertretbarkeit zu überprüfen. Nicht vertretbar ist die Festsetzung, wenn die Vergabekammer nicht alle hierfür maßgeblichen Tatsachen berücksichtigt hat. Die Festsetzung ist dann vom Vergabesenat entsprechend abzuändern.*)
3. Geschwärztes und damit nicht ordnungsgemäß in das Vergabenachprüfungsverfahren eingeführtes Vorbringen ist im Hinblick auf das Verfahrensbeteiligten nicht bei der Entscheidung zu berücksichtigen.*)
4. Die auftragswertbezogene Festsetzung der Verfahrensgebühr unter Verwendung der von den Vergabekammern des Bundes entwickelten Gebührentabelle verstößt weder gegen § 182 Abs. 1, 2 GWB noch gegen unionsrechtliche Vorgaben.*)
VolltextIBRRS 2022, 1904
KG, Beschluss vom 10.05.2022 - Verg 2/21
1. "Technische Fachkräfte" i.S.d. § 46 Abs. 3 Nr. 2 VgV sind Fachkräfte, deren Leistungen eine durch Qualifikationen und Berufserfahrung belegbare besondere Fachkunde erfordern.*)
2. Maßgeblich für die Eignungsprüfung nach § 57 Abs. 1 VgV sind alleine die in der Auftragsbekanntmachung festgelegten Eignungskriterien und die dort für ihren Beleg geforderten Nachweise (§ 122 Abs. 4 Satz 2 GWB, § 48 Abs. 1 VgV). Gefordert werden kann danach nur, was sich der Ausschreibung nach allgemeinen Auslegungsgrundsätzen (§§ 133, 157 BGB) aus Sicht der angesprochenen Unternehmen entnehmen lässt.*)
3. Der im Vergabenachprüfungsverfahren gewährte Rechtsschutz ist rügebezogen. Es ist den Nachprüfungsinstanzen daher verwehrt, nicht gerügte Rechtsverletzungen von Amts wegen in das Verfahren einzuführen. Macht ein Beteiligter eine solche Rechtsverletzung zum Gegenstand seiner Rüge, ist sie aber, soweit zulässig und insbesondere nicht präkludiert (§ 160 Abs. 3 GWB), zu berücksichtigen.*)
IBRRS 2022, 1900
VK Bund, Beschluss vom 19.01.2022 - VK 1-138/21
1. Grundsätzlich entspricht es der normalen Rollen- und Risikoverteilung im Wettbewerb, wenn sich ein Vorauftragnehmer an der Ausschreibung eines Folgeauftrags beteiligt.
2. Wettbewerbsvorsprünge eines Bieters, der sich aufgrund der Ausführung eines Vorauftrags bereits auf die Besonderheiten des Auftraggebers eingestellt hat, bedürfen anders als die Mitwirkung eines sog. Projektanten an der Vorbereitung des Vergabeverfahrens keines Ausgleichs durch den Auftraggeber.
IBRRS 2022, 1855
VK Bund, Beschluss vom 25.03.2022 - VK 2-10/22
1. Die Herabsetzung bekannt gemachter formeller Eignungsanforderungen ist auch im laufenden Vergabeverfahren grundsätzlich zulässig.
2. Die Abschwächung von Eignungsanforderungen ist der Sache nach eine Teilaufhebung, die rechtlich nach den Grundsätzen der Aufhebung zu bewerten ist.
3. Für die Wirksamkeit der Teilaufhebung ist erforderlich, dass der Auftraggeber einen sachlichen Grund für die Zurückversetzung hat und dass diese nicht in diskriminierender Weise erfolgt.
4. Eine Teilaufhebung muss in verfahrenstechnischer Hinsicht gleichheitskonform durchgeführt werden. Alle am Vergabewettbewerb teilnehmenden Bieter müssen unter angemessener Verlängerung der Angebotsfrist über die Herabsetzung der Eignungsanforderungen informiert werden.
VolltextIBRRS 2022, 1854
VK Bund, Beschluss vom 13.06.2022 - VK 2-52/22
1. Unabhängig davon, ob ein Aufhebungsgrund vorliegt, kann ein öffentlicher Auftraggeber von einem Vergabeverfahren grundsätzlich Abstand nehmen.
2. Etwas anderes gilt ausnahmsweise dann, wenn die Aufhebung der Ausschreibung aufgrund Fehlens eines sachlich gerechtfertigten Grunds willkürlich ist oder wenn die Aufhebung bei fortbestehender Beschaffungsabsicht nur zum Schein und tatsächlich zu dem Zweck erfolgt, einen Bieter gezielt zu diskriminieren.
3. Die Korrektur von Vergaberechtsfehlern ist ein sachlicher Aufhebungsgrund, wenn eine Manipulation des Vergabeverfahrens hierdurch ausgeschlossen ist. Das gilt insbesondere auch für Aufhebungen, die nach unzureichender Bekanntmachung der Eignungskriterien eine regelrechte Eignungsprüfung der Bieter ermöglichen sollen.
VolltextIBRRS 2022, 1845
VK Bund, Beschluss vom 26.04.2022 - VK 2-34/22
1. Antragsbefugt im Vergabenachprüfungsverfahren ist jedes Unternehmen, das ein Interesse an dem öffentlichen Auftrag hat und eine Verletzung in seinen Rechten durch Nichtbeachtung von Vergabevorschriften geltend macht.
2. Die Antragsbefugnis setzt ein Interesse des jeweiligen Antragstellers am Auftrag voraus. Dieses Auftragsinteresse muss in Bezug auf den Antragsteller selbst gegeben sein.
3. Fallen Antragsteller und Teilnehmer am Wettbewerb auseinander, ist das für die Antragsbefugnis geforderte Auftragsinteresse des Antragstellers nicht gegeben.
4. Unterauftragnehmer haben zwar ein indirektes wirtschaftliches Interesse daran, dass der Teilnehmer am Wettbewerb, also der - im Fall der Auftragserteilung - zukünftige Auftraggeber und Vertragspartner der Unterauftragnehmer den Auftrag erhält. Dies begründet aber mangels eigenem Interesse an dem zur Vergabe anstehenden und im Nachprüfungsverfahren streitig gestellten Auftrag keine Antragsbefugnis.
VolltextIBRRS 2022, 1836
EuGH, Urteil vom 12.05.2022 - Rs. C-719/20
Die Richtlinie 2014/24/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26.02.2014 über die öffentliche Auftragsvergabe und zur Aufhebung der Richtlinie 2004/18/EG ist dahin auszulegen, dass sie einer nationalen Rechtsvorschrift oder Praxis entgegensteht, nach der die Ausführung eines öffentlichen Auftrags, der ursprünglich ohne Ausschreibung an eine Inhouse-Einrichtung vergeben wurde, über die der öffentliche Auftraggeber gemeinsam mit anderen eine ähnliche Kontrolle wie über seine eigenen Dienststellen ausübte, automatisch von dem Wirtschaftsteilnehmer fortgesetzt wird, der diese Einrichtung nach einer Ausschreibung übernommen hat, wenn der öffentliche Auftraggeber über diesen Wirtschaftsteilnehmer keine solche Kontrolle ausübt und auch nicht an dessen Kapital beteiligt ist.*)
VolltextIBRRS 2022, 1709
VK Baden-Württemberg, Beschluss vom 14.06.2021 - 1 VK 30/21
1. Angebote sind von der Wertung auszuschließen, wenn Änderungen oder Ergänzungen an den Vergabeunterlagen vorgenommen worden sind. Dies beinhaltet auch den Ausschluss von Angeboten, die etwas anderes als nach der Leistungsbeschreibung gefordert, anbieten.
2. Enthält die Leistungsbeschreibung die Anforderung, dass eine bestimmte Evaluierung zu berücksichtigen ist, genügt es nicht, dass das angebotene Produkt baugleich zu einem evaluierten Produkt ist.
VolltextIBRRS 2022, 1713
VK Baden-Württemberg, Beschluss vom 25.08.2021 - 1 VK 42/21
1. An die Bejahung der Eignung eines Bieters in einem früheren Stadium eines Offenen Vergabeverfahrens ist die Vergabestelle nicht gebunden. Eine Regelung für den Schutz des Vertrauens der Bieter auf den Bestand der Beurteilung ihrer Eignung durch die Vergabestelle ist gesetzlich nicht vorgesehen.
2. Revidiert sie ihre Eignungsbeurteilung zum Nachteil eines Bieters, insbesondere nachdem dieser einen Nachprüfungsantrag gestellt hat, kann dies lediglich Anlass geben, besonders kritisch zur prüfen, ob diese Entscheidung eine im Interesse eines verantwortungsvollen Einsatzes öffentlicher Mittel gebotene Korrektur einer Fehleinschätzung darstellt oder von sachfremden Erwägungen getragen sein könnte.
3. Dient die erneute Beurteilung der Eignung der eigenen Fehlerkorrektur des Auftraggebers, liegt kein sachfremder Grund vor.
4. Referenzen müssen sich stets auf eine eigene Leistung des Bieters beziehen.
5. War ein Bieter nicht Auftragnehmer und Vertragspartner des Referenzgebers, ist für jede Referenz die Offenlegung erforderlich, welche konkrete Tätigkeit über welchen Zeitraum in welcher Funktion erbracht wurde oder ob eine Eignungsleihe vorliegt.
6. Referenzen für Leistungen, die beispielsweise als Nachunternehmer für den Auftragnehmer erbracht worden sind, können die technische und berufliche Leistungsfähigkeit ausschließlich für die durch den Bieter selbst erbrachte Nachunternehmerleistung belegen.
VolltextIBRRS 2022, 1702
VK Baden-Württemberg, Beschluss vom 22.04.2021 - 1 VK 8/21
1. Auch wenn in der SektVO der Ausschluss von Angeboten, die nicht die erforderlichen Preisangaben enthalten, nicht ausdrücklich vorgesehen ist, sind bei Vergabeverfahren, die in den Anwendungsbereich der SektVO fallen, die grundlegenden Prinzipien des Vergaberechts zu beachten.
2. Ein transparentes, alle Bieter gleichbehandelndes Vergabeverfahren ist nur zu erreichen, wenn lediglich vergleichbare Angebote gewertet werden, was voraussetzt, dass die Angebote die erforderlichen Preisangaben enthalten.
3. Ein Angebot enthält die erforderlichen Preisangaben nicht, wenn eine Preisangabe fehlt oder der angegebene Preis unzutreffend ist.
4. Eine Preisangabe ist unzutreffend, wenn nicht der Betrag angegeben wird, der für die betreffende Leistung auf Grundlage der Urkalkulation tatsächlich beansprucht wird.
5. Eine (Preis-)Aufklärung darf nicht zur Änderung des Angebots führen.
VolltextIBRRS 2022, 1707
VK Baden-Württemberg, Beschluss vom 11.06.2021 - 1 VK 14/21
1. Lässt sich die Identität des Bieters bei einem elektronischen Angebot eindeutig feststellen, darf es nicht deshalb ausgeschlossen werden, weil es über ein fremdes Benutzerkonto hochgeladen wurde.
2. Von einer Vergabeplattform aufgestellte Nutzungsbedingungen, die die Nutzung eines fremden Accounts verbieten, sind keine Formvorgaben der Vergabestelle.
VolltextIBRRS 2022, 1706
VK Baden-Württemberg, Beschluss vom 31.05.2021 - 1 VK 11/21
1. Ausnahmsweise können öffentliche Aufträge zur Ausübung zentraler Beschaffungstätigkeiten an eine zentrale Beschaffungsstelle vergeben werden, ohne ein Vergabeverfahren durchzuführen.
2. Eine zentrale Beschaffungsstelle ist ein öffentlicher Auftraggeber, der für andere öffentliche Auftraggeber dauerhaft Liefer- und Dienstleistungen beschafft, öffentliche Aufträge vergibt oder Rahmenvereinbarungen abschließt (zentrale Beschaffungstätigkeit)
3. Ein Unternehmen, dass satzungsgemäß Einkaufsdienstleistungen für Universitätskliniken, Krankenhäuser und andere Einrichtungen im Gesundheitswesen unter Wettbewerbsbedingungen erbringt, ohne über eine marktbezogene Sonderstellung zu verfügen, handelt gewerblich und ist kein öffentlicher Auftraggeber.
VolltextIBRRS 2022, 1711
VK Bund, Beschluss vom 02.05.2022 - VK 2-30/22
1. Ein Angebot, das sämtliche Vorgaben aus Gesetz und Vergabeunterlagen einhält, kann mit 0 Punkten bewertet werden. Das schlichte Einhalten dieser Anforderungen kann keine Zusatzpunkte rechtfertigen.
2. Der Begriff der "Grundanforderungen" muss nicht definiert werden. "Grundanforderung" ist dasjenige, was aus Sicht eines fachkundigen Bieters als Mindestmaß an Leistung gefordert ist, um sämtliche in den Vergabeunterlagen von Gesetzes wegen zwingend geforderten Maßstäbe einzuhalten.
3. Haben die Bieter ein gefordertes auftragsbezogenes Konzept zur Einhaltung der Termine in zusammenhängender Form darzustellen, ist das nicht so zu verstehen, dass in jedem Fall eine umfassende textliche Beschreibung zu erfolgen hat.
IBRRS 2022, 1700
VK Baden-Württemberg, Beschluss vom 01.03.2021 - 1 VK 1/21
1. Ein öffentlicher Auftraggeber verfügt bei der Angebotswertung über einen Beurteilungsspielraum, da diese anhand der von ihm festgelegten und damit für ihn bindenden Zuschlagskriterien eine Gesamtschau zahlreicher Einzelumstände beinhaltet.
2. Die Bewertungsentscheidung eines öffentlichen Auftraggebers ist auch in Relation zu den übrigen Angeboten, insbesondere demjenigen des Zuschlagsprätendenten, daraufhin zu überprüfen, ob die jeweiligen Noten im Vergleich ohne Benachteiligung des einen oder anderen Bieters plausibel vergeben wurden.
3. Es steht einer transparenten und wettbewerbskonformen Auftragsvergabe regelmäßig nicht entgegen, wenn der öffentliche Auftraggeber für die Erfüllung qualitativer Wertungskriterien Noten mit zugeordneten Punktwerten vergibt, ohne dass die Vergabeunterlagen weitere konkretisierende Angaben dazu enthalten, wovon die jeweils zu erreichende Punktzahl konkret abhängen soll.
VolltextIBRRS 2022, 1689
OLG Düsseldorf, Beschluss vom 18.08.2021 - Verg 51/20
1. Die EU-Mitgliedstaaten haben einen weiten Ermessensspielraum bei der Entscheidung über die Maßnahmen, die sie für den Schutz ihrer wesentlichen Sicherheitsinteressen für erforderlich halten.
2. Für die Festlegung wesentlicher Sicherheitsinteressen genügt die begründete Annahme einer Gefahr der äußeren oder inneren Sicherheit.
3. Die EU-Mitgliedstaaten sind in ihrer Entscheidung, einen bestimmten Beschaffungsauftrag von den Regeln des Binnenmarkts auszunehmen, nicht uneingeschränkt frei. Vielmehr muss der Mitgliedstaat, der sich auf die Ausnahme des Art. 346 AEUV berufen will, nachweisen, welche Sicherheitsinteressen betroffen sind und welcher Zusammenhang zwischen diesen Sicherheitsinteressen und der konkreten Beschaffung besteht.
4. Eine pauschale oder floskelhafte Bezugnahme auf ein nicht näher spezifiziertes Sicherheitsinteresse reicht für den Nachweis nicht aus.
5. Die Bewahrung wehrtechnischer Kernfähigkeit im Inland stellt grundsätzlich ein von Art. 346 Abs. 1 b AEUV gedecktes Sicherheitsinteresse dar. Rein wirtschaftspolitisch motivierte Maßnahmen ohne Rückwirkungen auf die Verteidigungsfähigkeit der eigenen oder der verbündeten Streitkräfte erfahren indes keine Rechtfertigung.
VolltextIBRRS 2022, 1657
VK Bund, Beschluss vom 04.04.2022 - VK 2-24/22
1. Die Angebotswertung muss anhand der aufgestellten Zuschlagskriterien vertretbar, in sich konsistent und nachvollziehbar sein. Dies gilt insbesondere auch bei der Bewertung qualitativer Zuschlagskriterien im Rahmen eines Konzeptwettbewerbs.
2. Bei einem Konzeptwettbewerb wird den Bietern ein kreativer Freiraum zum Wettbewerb um bestmögliche Lösungsansätze eröffnet. Zur Gewährleistung vergleichbarer Angebote bedarf es hinreichend konkreter Zielsetzungen, die vom Auftraggeber im Rahmen einer funktionalen Leistungsbeschreibung vorzusehen sind und die bei der Angebotswertung im Rahmen einer Gesamtschau der Zuschlagskriterien und der übrigen Vergabeunterlagen zu berücksichtigen sind.
3. Der Auftraggeber kann nicht sämtliche denkbaren konzeptionellen Lösungsansätze der Bieter vorhersehen und abstrakt vorab bewerten. Entsprechend sind das Wertungssystem bzw. die Vorgaben, unter welchen konkreten Bedingungen ein Konzept mit welcher Note zu bewerten ist, systemimmanent nicht abschließend bestimmbar und daher kann ein Bieter auch seine Benotung nicht konkret vorhersagen.
4. Aufgrund dieser einem Konzeptwettbewerb immanenten Offenheit für die konzeptionellen Angebote der Bieter ist es auch nicht zu beanstanden, sondern geboten, dass eine relativ vergleichende Bewertung der von den Bietern eingereichten Konzepte nach den bekannt gemachten Bewertungsmaßstäben gleichmäßig vorgenommen wird.
5. Voraussetzung für einen Konzeptwettbewerb mit einer Bewertung anhand eines abstrakt formulierten, offenen Bewertungsmaßstab ähnlich Schulnoten ist, dass die Bieter anhand der Vorgaben der Vergabeunterlagen, insbesondere der Leistungsbeschreibung, erkennen können, worauf der Auftraggeber Wert legt.
IBRRS 2022, 1667
VK Baden-Württemberg, Beschluss vom 14.04.2021 - 1 VK 10/21
1. Angebote von Unternehmen, die nicht die geforderten oder nachgeforderten Unterlagen enthalten, sind von der Wertung auszuschließen.
2. Leistungsbezogene Unterlagen, die die Wirtschaftlichkeitsbewertung der Angebote anhand der Zuschlagskriterien betreffen, können nicht nachgefordert werden.
3. Das Recht auf Akteneinsicht ist durch den Verfahrensgegenstand des Nachprüfungsverfahrens beschränkt. Den entscheidungsrelevanten Sachverhalt bestimmt der Antragsteller durch die "Themen", die er in seiner Antragsschrift benennt.
4. Ist Verfahrensgegenstand der Ausschluss des Angebots des Antragstellers wegen der Nichtvorlage einer Eigenerklärung, bedarf es zur Durchsetzung seiner Rechte im Nachprüfungsverfahren keiner Akteneinsicht.
VolltextIBRRS 2022, 1646
VK Baden-Württemberg, Beschluss vom 30.07.2021 - 1 VK 31/21
1. Öffentliche Auftraggeber können ein Unternehmen von der Teilnahme an einem Vergabeverfahren ausschließen, wenn es bei der Ausführung öffentlicher Aufträge nachweislich gegen geltende umwelt-, sozial-, oder arbeitsrechtliche Verpflichtungen verstoßen hat.
2. Eine solche zum Ausschluss berechtigende Verfehlung liegt vor, wenn ein Unternehmen entgegen der gesetzlichen Verpflichtung Arbeiten an Flachdächern durch seine Beschäftigten trotz bekannter PAK-Belastung ohne vorherige Durchführung und Dokumentation einer Gefährdungsbeurteilung aufnehmen ließ.
3. Auch auf Baustellen, auf denen Beschäftigte mehrerer Arbeitgeber tätig werden, und nach der Baustellenverordnung ein Koordinator zu bestellen ist, der bei Ausführung besonders gefährlicher Arbeiten einen Sicherheitsplan auszuarbeiten hat, bleibt der einzelne Arbeitgeber für die Erfüllung seiner Arbeitsschutzpflichten - worunter die Durchführung und Dokumentation der Gefährdungsbeurteilung fällt - selbst verantwortlich.
VolltextIBRRS 2022, 1629
Generalanwalt beim EuGH, Schlussanträge vom 12.05.2022 - Rs. C-54/21
Art. 21 der Richtlinie 2014/24/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26.02.2014 über die öffentliche Auftragsvergabe und zur Aufhebung der Richtlinie 2004/18/EG ist wie folgt auszulegen:
1. Der öffentliche Auftraggeber ist an die bloße Behauptung eines Wirtschaftsteilnehmers, dass die mit seinem Angebot übermittelten Informationen vertraulich seien, nicht gebunden.*)
2. Ein Mitgliedstaat kann die Vertraulichkeit auf Geschäftsgeheimnisse beschränken, solange das Unionsrecht beachtet wird und die Informationen, die offengelegt werden, weil sie nicht unter diesen Begriff fallen, nicht verwendet werden können, um berechtigte Interessen eines bestimmten Wirtschaftsteilnehmers zu beeinträchtigen oder den lauteren Wettbewerb zwischen ihnen zu verfälschen.*)
3. Der öffentliche Auftraggeber, bei dem ein Wirtschaftsteilnehmer beantragt hat, Informationen als vertraulich zu behandeln, muss prüfen und eingehend begründen, ob es unerlässlich ist, dem Recht dieses Wirtschaftsteilnehmers auf Schutz seiner Informationen Vorrang vor dem Recht der Wettbewerber einzuräumen, von ihnen Kenntnis zu erlangen, um gegebenenfalls die Zuschlagsentscheidung anzufechten.*)
VolltextIBRRS 2022, 1487
VK Hessen, Beschluss vom 17.09.2021 - 69d-VK-11/2021
1. Der Begriff Sicherheitsdienstleistungen umfasst jegliche Dienstleistungen von Sicherheitsdiensten, insbesondere Bewachungsdienste sowie Überwachungsdienste.
2. Bewachungsdienste haben die Aufgabe, Objekte oder Personen vor Gefahren von außen zu schützen. Überwachungsdienste schützen Personen oder Sachen vor Gefahren von Personen innerhalb des Objekts.
3. Enthält die Aufgabenbeschreibung auch Verwaltungstätigkeiten und eine Reihe von Tätigkeiten zur Prävention von Gefahren, wie Maßnahmen zur Rettung oder Konfliktlösung, ist für die Einordnung als Wach- und Sicherheitsleistungen entscheidend, dass ein spezifischer Bedarf an der Gewährleistung innerer Sicherheit und Ordnung vorliegt, der über die Erbringung rein verwaltungstechnischer Tätigkeiten hinausgeht.
VolltextIBRRS 2022, 1587
OLG Karlsruhe, Beschluss vom 10.08.2021 - 15 Verg 10/21
1. Wettbewerbe sind keine Vergabeverfahren, sondern Auslobungsverfahren, die dem Auftraggeber aufgrund vergleichender Beurteilung durch ein Preisgericht mit oder ohne Verteilung von Preisen zu einem Plan oder einer Planung verhelfen sollen.
2. Allerdings unterliegen nicht nur Beschaffungsmaßnahmen eines förmlichen Vergabeverfahrens der Nachprüfung, sondern jedes materielle Beschaffungsverfahren des öffentlichen Auftraggebers.
3. Ist in einem Realisierungswettbewerb der Planungswettbewerb dem Verhandlungsverfahren vorgelagert, kann daher bereits im Rahmen des Planungswettbewerbs eine Nachprüfung erfolgen.
VolltextIBRRS 2022, 1504
VK Bund, Beschluss vom 06.04.2022 - VK 2-26/22
1. In der Auftragsbekanntmachung ist transparent anzugeben, welche Eignungsanforderungen ein Bieter zu erfüllen hat.
2. Wird mittels Direktlink auf ein Formular "Eigenerklärung Eignung" verwiesen, das unter dem Punkt "verpflichtende Eignungsnachweise" darauf hinweist, dass Angaben nur dann vorzunehmen sind, soweit das Unternehmen nicht präqualifiziert ist, folgt daraus, dass für präqualifizierte Bieter die Nachweise aus der Präqualifikation ausreichen.
VolltextIBRRS 2022, 1576
BVerwG, Beschluss vom 06.11.2020 - 6 B 32.20
1. Sind Tatsachen, die vorliegen müssten, damit die mit der Nichtzulassungsbeschwerde angesprochene Frage sich in einem Revisionsverfahren stellen könnte, von der Vorinstanz nicht festgestellt worden, so kann die Revision mangels Klärungsfähigkeit dieser Frage nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen werden.
2. Für die Darlegung der Entscheidungserheblichkeit ist aufzuzeigen, welche tatsächlichen Feststellungen im Falle der Beweiserhebung voraussichtlich getroffen worden wären und inwiefern diese unter Zugrundelegung der materiell-rechtlichen Auffassung der Vorinstanz zu einer für den Beschwerdeführer günstigeren Entscheidung hätten führen können; wird die Ablehnung eines Beweisantrags auf mehrere selbständig tragende Gründe gestützt, ist eine substantiierte Auseinandersetzung mit allen die Ablehnung des Beweisantrags tragenden Erwägungen geboten.
VolltextIBRRS 2022, 1573
OLG Naumburg, Beschluss vom 17.12.2021 - 7 Verg 3/21
Eine Aufhebung der Ausschreibung wegen grundlegender Änderung der Vergabeunterlagen nach § 17 EU Abs. 1 Nr. 2 VOB/A 2019 kann ausnahmsweise auch bei einer massiven Verschiebung der Ausführungszeit des Bauauftrags gerechtfertigt sein, wenn besondere Umstände hinzutreten.*)
IBRRS 2022, 1547
OVG Saarland, Beschluss vom 02.05.2022 - 2 B 69/22
1. Die Annahme einer Verletzung der Pflicht des Gerichts zur Kenntnisnahme des Beteiligtenvorbringens ist nicht schon dann gerechtfertigt, wenn in der angefochtenen Entscheidung auf einen bestimmten Sachvortrag der Beteiligten nicht eingegangen worden ist. Das Gericht ist weder nach Art. 103 Abs. 1 GG noch nach einfachem Verfahrensrecht (§§ 108 Abs. 1 Satz 2, 117 Abs. 2 Nr. 5 VwGO) verpflichtet, sich in den Entscheidungsgründen mit jeder Einzelheit des Vorbringens zu befassen. Es genügt vielmehr die Angabe der Gründe, die für die richterliche Überzeugungsbildung leitend gewesen sind.*)
2. Die Anhörungsrüge stellt keinen Rechtsbehelf zur Überprüfung der inhaltlichen Richtigkeit der angefochtenen Entscheidung dar und dient auch nicht dazu, das Gericht zur Erläuterung oder Ergänzung derselben zu veranlassen.*)
3. Auf das Vorbringen, das Gericht habe einem tatsächlichen Umstand nicht die richtige Bedeutung für tatsächliche oder rechtliche Folgerungen beigemessen, kann eine Anhörungsrüge nicht gestützt werden, da es sich hierbei um Fragen der tatrichterlichen Würdigung (§ 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO) und damit der materiellen Richtigkeit der Entscheidung handelt.*)
VolltextIBRRS 2022, 1560
LG Halle, Urteil vom 14.04.2022 - 4 O 249/20
1. Ob ein Unternehmen ein öffentlicher Auftraggeber ist, richtet sich nach der tatsächlichen Tätigkeit zum aktuellen Zeitpunkt, nicht nach dem ursprünglichen Gründungszweck.
2. Die Abgrenzung zwischen einer nichtgewerblichen und einer gewerblichen Wahrnehmung von Allgemeininteressen unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls wird danach getroffen, ob das Unternehmen auch insoweit mit Gewinnerzielungsabsicht handelt und die mit der Tätigkeit verbundenen wirtschaftlichen Risiken selbst trägt.
3. Diese Auslegung gilt gleichermaßen für Vergaben oberhalb und unterhalb der Schwellenwerte.
IBRRS 2022, 1546
OLG Frankfurt, Beschluss vom 12.04.2022 - 11 Verg 11/21
Auch Unterkriterien und ihre Gewichtung sind aus Transparenzgründen bekanntzugeben. Eine Veröffentlichung der Bewertungsmethode ist dagegen, soforn die vom EuGH (Urteil vom 14.07.2016 - Rs. C-6/15 - Dimarso, VPRRS 2016, 0281) aufgezeigten Grenzen eingehalten werden, unabhängig vom Vorliegen einer funktionalen Ausschreibung nicht erforderlich.*)
IBRRS 2022, 1527
LG Bonn, Urteil vom 29.10.2021 - 1 O 221/21
1. Ein Anspruch auf Akteneinsicht setzt voraus, dass Anhaltspunkte für einen Vergabefehler vorliegen, das Ziel Fehlerquellen zu ermitteln genügt nicht.
2. Ein Akteneinsichtsrecht scheidet aus, wenn der Bieter die verlangten Informationen bereits vom Auftraggeber erhalten hat.
3. Aus § 46 Abs. 1 UVgO kann kein Anspruch auf Einsicht in ein Submissions- oder Eröffnungsprotokoll hergeleitet werden.
4. Es genügt, dem unterlegenen Bieter in Stichworten die Gründe seiner Nichtberücksichtigung mitzuteilen. Aus Datenschutz- und Vertraulichkeitsgründen dürfen die Vorteile und Merkmale des erfolgreichen Angebots abstrakt mitgeteilt, jedoch keine preislichen oder technischen Details bekannt gegeben werden.
VolltextIBRRS 2022, 1484
OLG Düsseldorf, Beschluss vom 21.04.2021 - Verg 1/20
1. Vertragsklauseln werden von den Vergabenachprüfungsinstanzen grundsätzlich nicht auf ihre zivilrechtliche Wirksamkeit geprüft, da sie keine Bestimmungen über das Vergabeverfahren sind.
2. Außerhalb des Vergabeverfahrens und des Anwendungsbereichs vergaberechtlicher Vorschriften liegende Rechtsverstöße können ausnahmsweise nur dann zum Gegenstand eines Vergabenachprüfungsverfahrens gemacht werden, wenn es eine vergaberechtliche Anknüpfungsnorm gibt, die im Nachprüfungsverfahren entscheidungsrelevant ist.
3. Eine solche Anknüpfungsnorm ist das aus dem Rechtsgedanken von Treu und Glauben und dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz herzuleitende Verbot der Unzumutbarkeit einer für den Bieter oder Auftragnehmer kaufmännisch vernünftigen Kalkulation.
4. Unzumutbar ist eine kaufmännisch vernünftige Kalkulation, wenn Preis- und Kalkulationsrisiken über das Maß, das Bietern typischerweise obliegt, hinausgehen.
5. Ob eine kaufmännisch vernünftige Kalkulation gemessen an diesen Maßstäben unzumutbar ist, bestimmt sich nach dem Ergebnis einer Abwägung aller Interessen der Bieter bzw. Auftragnehmer und des öffentlichen Auftraggebers im Einzelfall.
VolltextIBRRS 2022, 1471
EuGH, Urteil vom 28.04.2022 - Rs. C-642/20
Art. 63 der Richtlinie 2014/24/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26.02.2014 über die öffentliche Auftragsvergabe und zur Aufhebung der Richtlinie 2004/18/EG ist dahin auszulegen, dass er einer nationalen Regelung entgegensteht, nach der das bevollmächtigte Unternehmen einer Gruppe von Wirtschaftsteilnehmern, die an einem Verfahren zur Vergabe eines öffentlichen Auftrags beteiligt ist, mehrheitlich die in der Vergabebekanntmachung vorgesehenen Kriterien erfüllen und die Leistungen dieses Auftrags erbringen muss.*)
IBRRS 2022, 1469
VK Bund, Beschluss vom 10.03.2022 - VK 1-19/22
1. Leistungen sind in der Menge aufgeteilt und getrennt nach Art oder Fachgebiet zu vergeben.
2. Welche Teilleistung als ein Fachlos angesehen werden kann, bestimmt sich zunächst nach gewerberechtlichen Vorschriften und der allgemeinen oder regional üblichen Abgrenzung. Dabei ist auch von Belang, ob sich für spezielle Arbeiten ein eigener Markt herausgebildet hat.
3. Das Drucken/Kuvertieren und der anschließende Postversand von Briefen sind Leistungen getrennter Märkte, die grundsätzlich in getrennten Fachlosen auszuschreiben sind.
4. Da die losweise Vergabe grundsätzlich vorrangig ist, hat sich der öffentliche Auftraggeber, wenn ihm eine Ausnahme von diesem Grundsatz aus wirtschaftlichen oder technischen Gründen erforderlich erscheint, mit dem Gebot einer Fachlosvergabe und den dagegen sprechenden Gründen intensiv auseinanderzusetzen.
5. Der Auftraggeber hat eine umfassende Abwägung der widerstreitenden Belange vorzunehmen, als deren Ergebnis die für eine zusammenfassende Vergabe sprechenden Gründe nicht nur anerkennenswert sein, sondern überwiegen müssen.
6. Im Rahmen dieser Abwägung sind der mit einer Fachlosvergabe allgemein verbundene typische Ausschreibungs-, Prüfungs- und Koordinierungsaufwand sowie ein höherer Aufwand bei Gewährleistungen nicht zu berücksichtigen. Dem Auftraggeber steht jedoch ein Beurteilungsspielraum zu.
IBRRS 2022, 1459
VK Bund, Beschluss vom 02.03.2022 - VK 1-13/22
Legt der Auftraggeber bei Einleitung des Vergabeverfahrens das Verhandlungsverfahren als Vergabeverfahrensart in der Bekanntmachung fest, obwohl er eigentlich ein nicht-offenes Verfahren mit Teilnahmewettbewerb durchführen wollte, liegt ein vermeidbarer Fehler aus der eigenen Sphäre vor, der den Auftraggeber nicht zur Aufhebung der Ausschreibung berechtigt.
IBRRS 2022, 1408
VK Nordbayern, Beschluss vom 16.02.2022 - RMF-SG21-3194-7-1
1. Hat die Vergabestelle im Bieterinformationsschreiben eine zu kurze Frist gem. § 134 Abs. 2 GWB angegeben, hat die Wartefrist nicht zu laufen begonnen (vgl. OLG Düsseldorf, VPR 2019, 216).*)
2. Für den Rechtsverkehr ist entscheidend, dass die Identität des Vertragspartners erkennbar ist. Maßgeblich ist hierbei der objektive Empfängerhorizont aus Sicht eines mit den Umständen des Einzelfalls vertrauten Dritten in der Lage der Vergabestelle.*)
3. Hat ein Bieter weder in dem hierfür auf Seite 1 des Formblatts L 213 vorgesehenen Adressfeld noch an anderer Stelle im Angebotsschreiben seinen Namen und Anschrift benannt, hat er nicht deutlich und zweifelsfrei zu erkennen gegeben, ob das Angebot überhaupt von ihm stammt und von ihm rechtsverbindlich erklärt wird. Wurde in einem anderen Textfeld des Formblatts L 213 Telefon- und Faxnummer, Umsatzsteuer- und Handelsregisternummer sowie eine E-Mail-Adresse genannt, genügt dies allein nicht, um zweifelsfrei als Bieter identifiziert zu werden. Der Auftraggeber ist nicht dazu verpflichtet - auch bei geringem Aufwand - den Bieter erst anhand bestimmter Angaben selbst zu recherchieren, insbesondere wenn der Auftraggeber ausdrücklich die Erkennbarkeit des Bieters im Formblatt L 213 verlangt hat.*)
4. Ebenso wenig genügt es, dass ein Bieter noch weitere Unterlagen als Anlage mit seinem Angebot eingereicht hat, wenn zum einen die Vergabestelle die Erkennbarkeit des Bieters bereits im Angebotsschreiben verlangt hat und zum anderen der Zuschlagsprätendent auch aus den eingereichten Unterlagen nicht eindeutig als Bieter erkennbar ist, da dort teilweise auch andere Firmen benannt werden.*)
IBRRS 2022, 1206
VK Brandenburg, Beschluss vom 24.06.2021 - VK 11/21
1. Dienstleistungskonzessionen sind entgeltliche Verträge, mit denen Konzessionsgeber ein Unternehmen mit der Erbringung von Dienstleistungen betrauen und bei denen die Gegenleistung entweder allein in dem Recht zur Verwertung der Dienstleistungen oder in diesem Recht zuzüglich einer Zahlung besteht.
2. Eine Dienstleistungskonzession ist im Wesentlichen dadurch gekennzeichnet, dass die Gegenleistung des Auftraggebers nicht in Form der Zahlung einer Vergütung erfolgt, sondern in der Verleihung des Rechts, die zu erbringende Dienstleistung entgeltlich zu verwerten, wobei das Risiko hierfür beim Auftragnehmer liegt.
3. Wenn die Zahlung von Dritten erbracht wird, folgt daraus, dass der Dienstleistungserbringer das Betriebsrisiko der fraglichen Dienstleistung übernimmt.
VolltextIBRRS 2022, 1394
OLG Frankfurt, Beschluss vom 15.03.2022 - 11 Verg 10/21
1. Auch von einem fachkundigen und erfahrenen Bieter darf nicht ohne Weiteres erwartet werden, dass er i.S.v. § 160 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 GWB weiß, dass eine bestimmte Vorgabe im Leistungsverzeichnis, die für das Hauptangebot gilt, als konkludent aufgestellte Mindestanforderung für Nebenangebote auszulegen ist.*)
2. Eine bestimmte Vorgabe im Leistungsverzeichnis, die für das Hauptangebot gilt, ist nicht ohne Weiteres als Mindestanforderung für Nebenangebote auszulegen. Gegen eine Auslegung der Vorgabe als Mindestanforderung für Nebenangebote kann sprechen, dass eine Mehrzahl von Bietern, die sich am Vergabeverfahren beteiligten, Nebenangebote abgaben, die diesen Vorgaben nicht entsprachen.*)
3. Lässt der öffentliche Auftraggeber nach § 8 EU Abs. 2 Nr. 3 VOB/A Nebenangebote zu, hat er nach § 8 EU Abs. 2 Nr. 3 b VOB/A Mindestanforderungen festzulegen, denen die Nebenangebote genügen müssen. Diese Bestimmung schützt die Bieter, die Nebenangebote abgeben möchten, davor, dass ihre Nebenangebote mit der Begründung zurückgewiesen werden, sie seien gegenüber dem Hauptangebot minderwertig und wichen davon unannehmbar ab. Für eine unbenannte, nicht näher determinierte und damit intransparente Gleichwertigkeitsprüfung zwischen Haupt- und Nebenangeboten lässt § 8 EU Abs. 2 Nr. 3 b VOB/A zum Schutz der Bieter keinen Raum.*)
IBRRS 2022, 1383
VK Lüneburg, Beschluss vom 22.02.2022 - VgK-3/2022
1. Die Bewertung des öffentlichen Auftraggebers erfolgt auf der Grundlage, ob und inwieweit das Angebot die vorgegebenen Zuschlagskriterien erfüllt.
2. Die Zuschlagskriterien müssen so festgelegt und bestimmt sein, dass die Möglichkeit eines wirksamen Wettbewerbs gewährleistet wird, der Zuschlag nicht willkürlich erteilt werden kann und eine wirksame Überprüfung möglich ist, ob und inwieweit die Angebote die Zuschlagskriterien erfüllen.
3. Dem öffentlichen Auftraggeber steht bei der Bewertung grundsätzlich ein weiter Beurteilungsspielraum zu, der nur eingeschränkt überprüfbar ist.
4. Eine Überschreitung des Beurteilungsspielraums ist regelmäßig (nur) anzunehmen, wenn das vorgegebene Vergabeverfahren nicht eingehalten worden ist, nicht von einem zutreffend und vollständig ermittelten Sachverhalt ausgegangen wird oder sachwidrige Erwägungen einbezogen werden, oder wenn der im Rahmen der Beurteilungsermächtigung einzuhaltende Beurteilungsmaßstab nicht zutreffend angewendet wird oder das Ermessen auf null reduziert war und der Auftraggeber dies verkannt hat.
5. Ein Geschäftsgeheimnis ist eine Information, die weder insgesamt noch in der genauen Anordnung und Zusammensetzung ihrer Bestandteile den Personen in den Kreisen, die üblicherweise mit dieser Art von Informationen umgehen, allgemein bekannt oder ohne Weiteres zugänglich ist und daher von wirtschaftlichem Wert ist und die Gegenstand von den Umständen nach angemessenen Geheimhaltungsmaßnahmen durch ihren rechtmäßigen Inhaber ist und bei der ein berechtigtes Interesse an der Geheimhaltung besteht.
6. Zwar sind Angebotsteile oder Teile der Dokumentation, die Rückschlüsse auf Angebotsinhalte zulassen, nicht per se von der Akteneinsicht ausgenommen. Die Vergabekammer darf jedoch nicht ohne Anhörung der Betroffenen über eine Akteneinsicht entscheiden, weil sie nicht anstelle eines Bieters über den Umfang seiner Geschäftsgeheimnisse entscheiden kann.
VolltextIBRRS 2022, 1380
OVG Sachsen, Urteil vom 02.03.2022 - 6 A 851/19
1. Dürfen Zuwendungen nur für solche Vorhaben bewilligt werden, die nicht vor Antragseingang bei der Bewilligungsbehörde begonnen worden sind, gilt als Beginn des Vorhabens die erste rechtliche Verpflichtung zur Bestellung von Ausrüstung oder Inanspruchnahme von Dienstleistungen oder eine andere Verpflichtung, die das Vorhaben unumkehrbar macht.
2. Offensichtliche Irrtümer, die von der zuständigen Behörde auf Grundlage einer umfassenden Einzelfallbewertung anerkannt wurden, können berichtigt werden, wenn der Begünstige im guten Glauben gehandelt hat.
3. Ein offensichtlicher Irrtum liegt dann vor, wenn er sich aus dem Zusammenhang der Erklärung oder aus den Vorgängen bei ihrer Abgabe auch für jeden Dritten ohne Weiteres zweifelsfrei ergibt.
VolltextIBRRS 2022, 1353
VK Berlin, Beschluss vom 23.03.2022 - VK B 2-40/21
Auch wenn der Beigeladene in der mündlichen Verhandlung vor der Vergabekammer keinen Antrag auf Feststellung der Notwendigkeit der Hinzuziehung seines Verfahrensbevollmächtigten gestellt und die Vergabekammer (auch) hinsichtlich der Aufwendungen des Beigeladenen lediglich eine Kostengrundentscheidung getroffen hat, kann die Entscheidung über die Notwendigkeit der Hinzuziehung eines Rechtsanwalts nachgeholt werden.
VolltextIBRRS 2022, 1352
VK Berlin, Beschluss vom 14.03.2022 - VK B 2-40/21
1. Ein Vergabeverfahren zur Bestellung eines Erbbaurechts ist ein öffentlicher Bauauftrag bzw. eine Baukonzession, wenn der Auftraggeber entscheidenden Einfluss auf die Art und die Planung des zu errichtenden Bauwerks nimmt und die Nutzung des Bauwerks dem Auftraggeber unmittelbar zugute kommt.
2. Der Zuschlag wird auf das wirtschaftlichste bzw. auf ein wirtschaftlich vorteilhaftes Angebot erteilt. Grundlage dafür ist die Bewertung des Auftraggebers, ob und inwieweit das Angebot die vorgegebenen Zuschlagskriterien erfüllt.
3. Insbesondere im Rahmen einer Qualitätswertung von Konzepten muss der Auftraggeber seine für die Zuschlagserteilung maßgeblichen Erwägungen in allen Schritten so eingehend dokumentieren, dass nachvollziehbar ist, welche konkreten qualitativen Eigenschaften der Angebote mit welchem Gewicht in die Bewertung eingegangen sind.
4. Der Auftraggeber ist zwar nicht gehindert, sich bei der Vorbereitung und Durchführung des Vergabeverfahrens ganz oder teilweise der Hilfe Dritter zu bedienen, die über einen qualifizierten Sachverstand verfügen. Nicht zulässig ist es dagegen, die Verantwortung für die Vergabe an Dritte vollständig zu übertragen.
5. Die Vergabeakte muss erkennen lassen, dass die zu treffenden Entscheidungen vom Auftraggeber selbst getroffen wurden und nicht etwa von einem mit der Vorbereitung und Durchführung des Verfahrens beauftragten Ingenieurbüro oder sonstigen Sachverständigen oder Dritten.
6. Von einem durchschnittlichen Bieter ist zu erwarten, dass er die Zuschlagskriterien, die über die Erfolgsaussichten seines Angebots entscheiden, intensiv betrachtet und eine etwaige Unbestimmtheit dieser Kriterien fristgerecht rügt.
IBRRS 2022, 1330
OLG Düsseldorf, Beschluss vom 14.05.2021 - Verg 7/21
1. Die Kostenentscheidungen der Vergabekammern sind anfechtbar. Das gilt auch, wenn nur ein Teil der Kostenentscheidung der Vergabekammer isoliert angegriffen wird.
2. Die Kosten eines Rechtsanwalts sind als zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendige Kosten erstattungsfähig, wenn die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten notwendig war.
3. Über die Notwendigkeit der Hinzuziehung eines anwaltlichen Vertreters durch den öffentlichen Auftraggeber kann nicht schematisch, sondern stets nur auf der Grundlage einer differenzierenden Betrachtung des Einzelfalls entschieden werden.
4. Hinsichtlich des Zeitpunkts für die Beurteilung der Notwendigkeit der Hinzuziehung eines Rechtsanwalts ist auf die die Aufwendungen verursachende Handlung abzustellen.
5. Erweist sich jedoch die Hinzuziehung anwaltlicher Verfahrensbevollmächtigter aufgrund nachträglicher, sich aus dem gegnerischen Vorbringen ergebender Erschwernisse erst zu einem späteren Zeitpunkt als notwendig, kann die Hinzuziehung ab diesem Zeitpunkt für notwendig erklärt werden, und zwar unabhängig davon, ob die anwaltlichen Verfahrensbevollmächtigten bereits beauftragt waren.
VolltextIBRRS 2022, 1315
VK Berlin, Beschluss vom 25.03.2022 - VK B 2-53/21
1. Eine juristische Person des Privatrechts (hier: ein Fußballverein), der von einem öffentlichen Auftraggeber Mittel erhält, mit denen der Bau einer Sporteinrichtung (hier: ein Nachwuchsleistungszentrum) zu mehr als 50% subventioniert wird, ist ein öffentlicher Auftraggeber im Sinne des Vergaberechts.
2. Bei der Bemessung der überwiegenden Subventionierung kommt es nur auf die projektbezogene Förderung des Vorhabens und nicht auf eine allgemein oder für andere Projekte dem Sportverein zufließende öffentliche Förderung an.
3. Ausschlaggebend für die Berechnung ist der Zeitpunkt der Ausschreibung.
4. Auf ein Angebot mit einem unangemessen hohen oder niedrigen Preis oder mit unangemessen hohen oder niedrigen Kosten darf der Zuschlag nicht erteilt werden.
5. Vor der Ablehnung eines Angebots ist vom Bieter Aufklärung über die Ermittlung der Preise oder Kosten für die Gesamtleistung oder für Teilleistungen zu verlangen, wenn der Angebotspreis unangemessen niedrig erscheint und anhand vorliegender Unterlagen über die Preisermittlung die Angemessenheit nicht zu beurteilen ist.
6. Weist das Angebot eines Bieters einen Abstand von mehr als 10% zum nächsthöheren Angebot auf, ist der Auftraggeber zwar nicht zu einer Preisprüfung verpflichtet, aber gleichwohl dazu berechtigt.
IBRRS 2022, 1314
OLG Düsseldorf, Beschluss vom 18.08.2021 - Verg 52/20
1. Das für die Antragsbefugnis erforderliche Interesse am Auftrag wird in der Regel durch die Angebotsabgabe dokumentiert. Etwas anderes gilt ausnahmsweise dann, wenn angebotshindernde Vergaberechtsverstöße geltend gemacht werden. In diesem Fall wird das Interesse am Auftrag durch die Erhebung von Rügen und die Einleitung des Nachprüfungsverfahrens belegt.
2. Ist der Zuschlag ohne vorherige Durchführung eines geregelten Vergabeverfahrens direkt an ein Unternehmen vergeben worden, hat grundsätzlich jedes Unternehmen ein Interesse an dem Auftrag, das sich am Vergabeverfahren hätte beteiligen können. Dazu reicht es in der Regel aus, wenn das Unternehmen zu der in Betracht kommenden Branche gehört und damit generell dafür eingerichtet ist, Aufträge dieser Art auszuführen.
3. Auf der anderen Seite geht es bei dem Interesse am Auftrag nicht um eine bloß erklärte Interessenbekundung, sondern um ein objektiv feststellbares wirtschaftliches Interesse des antragstellenden Unternehmens gerade an dem konkreten Auftrag.
4. Das Vergabenachprüfungsverfahren soll nicht Unternehmen eröffnet sein, denen es ausschließlich um eine objektive Rechtmäßigkeitskontrolle ohne eigenes Interesse an dem konkreten Auftragt geht. Aus diesem Grund ist das Interesse am Auftrag zu plausibilisieren, wenn - weil sich der Antragsteller trotz bestehender Leistungsfähigkeit bis dato an keinem vergleichbaren Vergabeverfahren beteiligt hat - ernstliche Zweifel bestehen, dass der Antragsteller tatsächlich ein wirtschaftliches Interesse an dem konkreten Auftrag hat.
5. Das Akteneinsichtsrecht besteht nur in dem Umfang, wie es zur Durchsetzung der subjektiven Rechte des betreffenden Verfahrensbeteiligten erforderlich ist. Es hat eine rein dienende, zum zulässigen Verfahrensgegenstand akzessorische Funktion und besteht dann nicht, wenn der Nachprüfungsantrag zweifelsfrei unzulässig ist.
VolltextIBRRS 2022, 1272
OLG Düsseldorf, Beschluss vom 03.03.2021 - Verg 33/20
1. Mit dem wirksam erteilten Zuschlag erledigt sich das Vergabenachprüfungsverfahren, ohne dass es insoweit einer Prozesserklärung der Verfahrensbeteiligten bedarf. Eine später erklärte Rücknahme des Nachprüfungsantrags ist als Erledigungserklärung auszulegen.
2. Die nach dem Gesichtspunkt der Billigkeit zu treffende Kostenentscheidung hat sich an dem voraussichtlichen Verfahrensausgang zum Zeitpunkt des Eintritts des erledigenden Ereignisses zu orientieren.
3. Die Erstattungspflicht umfasst außer den Kosten für die Hauptsache und das Verfahren nach § 173 Abs. 1 Satz 3 GWB auch die Kosten, die durch ein Verfahren nach § 176 GWB entstanden sind.
4. Über die Notwendigkeit eines Verfahrensbeteiligten, einen Rechtsanwalt zuzuziehen, ist nicht schematisch, sondern auf der Grundlage einer differenzierenden Betrachtung des Einzelfalls zu entscheiden.
VolltextIBRRS 2022, 1270
EuGH, Urteil vom 31.03.2022 - Rs. C-195/21
1. Art. 58 Abs. 1 und 4 der Richtlinie 2014/24/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Februar 2014 über die öffentliche Auftragsvergabe und zur Aufhebung der Richtlinie 2004/18/EG in der durch die Delegierte Verordnung (EU) 2017/2365 der Kommission vom 18.12.2017 geänderten Fassung ist dahin auszulegen, dass ein öffentlicher Auftraggeber im Rahmen eines Verfahrens zur Vergabe eines öffentlichen Auftrags als Auswahlkriterien zur technischen und beruflichen Leistungsfähigkeit der Wirtschaftsteilnehmer strengere Anforderungen als die insoweit von den nationalen Rechtsvorschriften festgelegten Mindestanforderungen aufstellen darf, soweit mit den Anforderungen sichergestellt werden kann, dass ein Bewerber oder ein Bieter über die für die Ausführung des zu vergebenden Auftrags erforderliche technische und berufliche Eignung verfügt, und die Anforderungen mit dem Auftragsgegenstand in Verbindung und mit diesem in einem angemessenen Verhältnis stehen.*)
2. Art. 8 Abs. 3 der Verordnung (EG, Euratom) Nr. 2988/95 des Rates vom 18.12.1995 über den Schutz der finanziellen Interessen der Europäischen Gemeinschaften ist in Verbindung mit der Verordnung (EU) Nr. 1303/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17.12.2013 mit gemeinsamen Bestimmungen über den Europäischen Fonds für regionale Entwicklung, den Europäischen Sozialfonds, den Kohäsionsfonds, den Europäischen Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung des ländlichen Raums und den Europäischen Meeres- und Fischereifonds sowie mit allgemeinen Bestimmungen über den Europäischen Fonds für regionale Entwicklung, den Europäischen Sozialfonds, den Kohäsionsfonds und den Europäischen Meeres- und Fischereifonds und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 1083/2006 des Rates dahin auszulegen, dass er vorbehaltlich des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes in einem Verfahren zur Vergabe eines öffentlichen Auftrags einer unterschiedlichen Beurteilung derselben Tatsachen durch die zum Schutz der finanziellen Interessen der Europäischen Union berufenen nationalen Behörden nicht entgegensteht.*)
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