Bau-, Architekten- und Immobilienrecht.
Volltexturteile nach Sachgebieten
10836 Entscheidungen insgesamt
Online seit 2011
IBRRS 2011, 4325VK Bund, Beschluss vom 21.04.2011 - VK 3-41/11
1. § 19 EG Abs. 2 VOL/A ist kein allgemeiner Korrekturtatbestand für jegliche Art formeller Fehler in Angeboten.
2. Der Nachforderungstatbestand ist vielmehr im Fall der fehlenden Unterschrift oder Signatur nicht anwendbar. Der Wortlaut der Norm bezieht sich auf "Erklärungen und Nachweise" und korrespondiert somit allein mit § 19 EG Abs. 3 lit. a) VOL/A, nicht aber mit den übrigen Ausschlusstatbeständen des § 19 EG Abs. 3 lit. b) - g) VOL/A.
3. Eine fehlende Unterschrift oder Signatur darf daher nicht nachgefordert werden.
VolltextIBRRS 2011, 4324
OLG Düsseldorf, Beschluss vom 28.07.2011 - Verg 38/11
1. Die Anforderung lediglich einer Zertifizierung nach DIN ISO 12647-2 ist vergaberechtswidrig. Sie entspricht nicht dem - auf Art. 49 der Richtlinie 2004/18/EG - beruhenden § 7 EG Abs. 10 VOL/A, wenn der Auftraggeber mit seiner Anforderung eine Zertifizierung durch eine Qualitätsstelle verlangt, die nicht - nur - europäische Zertifizierungsnormen anwendet.
2. § 7 EG Abs. 10 VOL/A ist abschließend.
VolltextIBRRS 2011, 4321
OLG Brandenburg, Beschluss vom 01.11.2011 - Verg W 12/11
Es kann nicht davon ausgegangen werden, dass Einzelpositionen nur dann "unwesentlich" i. S. d. § 19 EG Abs. 2 Satz 2 2. Hs. VOL/A 2009 wären, wenn sie den Gesamtpreis nicht verändern oder die Wertungsreihenfolge und den Wettbewerb nicht beeinträchtigen. Bei einem solchen Verständnis der Vorschrift wäre der Begriff "unwesentlich" überflüssig und könnte ohne Weiteres gestrichen werden. Es kann jedoch nicht davon ausgegangen werden, dass der Verordnungsgeber hier einen nichtssagenden Begriff verwenden wollte.
VolltextIBRRS 2011, 4320
VK Bund, Beschluss vom 29.04.2011 - VK 1-34/11
1. Die VOL/A-EG sieht anders als § 16 Abs. 1 Nr. 3 VOB/A (sechs Kalendertage) keine konkrete Vorlagefrist vor, vielmehr liegt diese im von der Vergabekammer zumindest eingeschränkt überprüfbaren Ermessen des öffentlichen Auftraggebers.
2. Die Frist muss angemessen sein und es ist bei ihrer Bemessung u.a. zu berücksichtigen, mit welchem Aufwand die nachgeforderte Erklärung beschafft werden kann.
3. Allerdings verhält es sich grundsätzlich auch nicht so, dass dem betreffenden Bieter eine so lange Frist eingeräumt werden muss wie ursprünglich im Rahmen der Angebotserstellung vorgesehen war. Durch die Nachforderung erhält der Bieter lediglich die erneute Chance, dieser Anforderung spätestens jetzt gerecht zu werden.
4. Der Bieter hatte daher bereits seit der Kenntnis der Bekanntmachung Möglichkeit und auch Veranlassung, zügig die geforderten CE-Erklärungen zu besorgen. Vor diesem Hintergrund kann auch eine Frist von knapp 21 Stunden zur Vorlage der CE-Konformitätserklärung ausreichend sein.
VolltextIBRRS 2011, 4319
VK Bund, Beschluss vom 24.05.2011 - VK 1-45/11
1. Zwar enthält § 8 EG VOL/A im Gegensatz zu seiner Vorgängervorschrift § 8 VOL/A 2006 keine explizite Regelung mehr, wonach dem Auftragnehmer kein ungewöhnliches Wagnis aufgebürdet werden soll für Umstände und Ereignisse, auf die er keinen Einfluss hat und deren Einwirkung auf die Preise und Fristen er nicht im Voraus schätzen kann (so noch § 8 Nr. 3 Abs. 1 VOL/A 2006).
2. Da der öffentliche Auftraggeber jedoch weiterhin gemäß § 8 EG Abs. 1 VOL/A zu einer eindeutigen und erschöpfenden Leistungsbeschreibung verpflichtet ist, die alle Bieter im gleichen Sinne verstehen müssen und daher miteinander vergleichbare Angebote zu erwarten sind, ist weiterhin als vergaberechtswidrig anzusehen, wenn für die Angebotskalkulation den Bietern ungewöhnliche Wagnisse aufgebürdet werden, die zu einer hinreichend unsicheren Kalkulationsgrundlage führen und damit eine Vergleichbarkeit der Angebote nicht mehr gegeben ist.
3. Dabei ist zu beachten, dass § 8 EG Abs. 1 VOL/A auch eine konkrete Ausprägung des allgemeinen Wettbewerbsgrundsatzes des § 97 Abs. 1 GWB und des Gleichbehandlungsgebots des § 97 Abs. 2 GWB darstellt und dass es dementsprechend auch um den Schutz eines fairen Wettbewerbs geht, der nur auf der Basis vergleichbarer Angebote gewährleistet ist.
VolltextIBRRS 2011, 4273
EuGH, Urteil vom 10.11.2011 - Rs. C-348/10
1. Die Richtlinie 2004/17/EG ist dahin auszulegen, dass ein "Dienstleistungsauftrag" im Sinne von Art. 1 Abs. 2 Buchst. d dieser Richtlinie ein Vertrag ist, bei dem der Auftragnehmer nach den öffentlich-rechtlichen Vorschriften und den Vertragsbestimmungen, die die Dienstleistungserbringung regeln, keinen wesentlichen Teil des auf dem öffentlichen Auftraggeber lastenden Risikos übernimmt. Es ist Sache des nationalen Gerichts, zu prüfen, ob der im Ausgangsverfahren in Rede stehende Vorgang bei Berücksichtigung seiner gesamten Merkmale als Dienstleistungskonzession oder öffentlicher Dienstleistungsauftrag einzustufen ist.*)
2. Art. 2d Abs. 1 Buchst. b Sektorenrechtsmittelrichtlinie 92/13/EWG findet auf öffentliche Aufträge, die vor dem Ablauf der Frist zur Umsetzung der Richtlinie 2007/66/EG vergeben wurden, keine Anwendung.
VolltextIBRRS 2011, 4246
OLG Brandenburg, Beschluss vom 13.09.2011 - Verg W 10/11
1. § 107 Abs. 3 GWB schreibt für die Rüge eine bestimmte Form nicht vor, so dass die Rüge auch mündlich erhoben werden kann.*)
2. Ist der gesetzliche Vertreter des Auftraggebers gleichzeitig auch gesetzlicher Vertreter eines Mitgliedsunternehmens eines Bieters, kommt es für die Ordnungsgemäßheit der Rüge darauf an, ob sie ihm gegenüber in der Funktion als Auftraggebervertreter erhoben worden ist.*)
3. Sind seit der Mitteilung des Auftraggebers, einer Rüge nicht abhelfen zu wollen, bis zur Einreichung des Nachprüfungsantrages mehr als 15 Tage vergangen, ist der Nachprüfungsantrag nur dann unzulässig, wenn der Auftraggeber in der europaweiten Ausschreibung auf die Folgen einer Versäumung dieser Frist hingewiesen hat.*)
4. Stellt die Ausschreibung an die Bieter unerfüllbare Anforderungen - hier infolge einheitlicher Ausschreibung der Durchführungswege der betrieblichen Altersversorgung "Unterstützungskasse" und "Direktversicherung" - leidet das Vergabeverfahren an einem so schwerwiegenden Mangel, dass eine Aufhebung der Ausschreibung unumgänglich ist.*)
VolltextIBRRS 2011, 4241
OLG Düsseldorf, Beschluss vom 07.11.2011 - Verg 90/11
Regelungen, die vergaberechtlich nach früherem Recht als Aufbürdung eines ungewöhnlichen Wagnisses zu tadeln waren, lassen sich nach derzeit geltender Rechtslage (VOL/A 2009) in Einzelfällen allenfalls unter dem Gesichtspunkt der (Un-)Zumutbarkeit einer für Bieter kaufmännisch vernünftigen Kalkulation beanstanden.
VolltextIBRRS 2011, 4189
VK Brandenburg, Beschluss vom 18.01.2011 - VK 66/10
1. Während bei der Ermittlung der Anwendungsschwellen für Liefer- und Dienstleistungsaufträge prinzipiell auf den Wert des einzelnen zu vergebenden Auftrages abgestellt wird und eine Zusammenfassung nur bei laufzeitbestimmten Verträgen infrage kommt, ist Anknüpfungspunkt im Baubereich der Gesamtauftragswert des zu realisierenden Projektes. Dabei sind die Aufträge einzurechnen, die in demselben technischen und wirtschaftlichen Zusammenhang stehen.
2. Besteht zwischen dem zweiten und dem ersten Bauabschnitt kein funktionaler und auch zeitlicher Zusammenhang, weil die Maßnahmen des 2. Bauabschnitts weder technisch noch wirtschaftlich von dem bereits abgeschlossenen Projekt abhängen, sind die jeweiligen Auftragswerte der Bauabschnitte für die Berechnung des Schwellenwerts nicht zusammenzurechnen.
3. Kann der Bieter aus der Vergabebekanntmachung oder den Verdingungsunterlagen klar erkennen, dass der Auftraggeber von einem Bauauftrag ausgeht, während der Bieter selbst von einen Lieferauftrag ausgeht, so ist ihm der Vergabeverstoß (falsche Wahl der Verfahrensart) positiv bekannt und er muss ihn bis zum Ablauf der Frist zur Angebotsabgabe gegenüber dem Auftraggeber rügen.
VolltextIBRRS 2011, 4188
VK Brandenburg, Beschluss vom 10.01.2011 - VK 65/10
1. Erkannt sind Vergabeverstöße dann, wenn dem Bieter die Tatsachen, die einen möglichen Vergabeverstoß begründen, aus den ihm zugänglichen Unterlagen bewusst werden.
2. Werden dementsprechend beim Durchsehen/Durcharbeiten weiterer für die Teilnahme am Wettbewerb maßgeblicher Unterlagen Widersprüche durch den Bieter festgestellt, liegt bereits positive Kenntnis vor, die er in eine entsprechende Rüge umsetzen muss, will er seine Rechte für ein folgendes Nachprüfungsverfahren wahren.
3. Das Akteneinsichtsrecht ist nur in dem Umfang gegeben, in dem es zur Durchsetzung der Rechte der Antragstellerin aus § 97 Abs. 7 GWB erforderlich ist. Das ist bei einem unzulässigen Nachprüfungsantrag nicht der Fall.
VolltextIBRRS 2011, 4172
VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 28.09.2011 - 9 S 1273/10
Die in Nr. 3.2 der Allgemeinen Nebenbestimmungen für Zuwendungen zur Projektförderung (ANBest-P) enthaltene Verpflichtung, bei der Vergabe von Aufträgen die Abschnitte 1 der VOL bzw. VOB anzuwenden, stellt eine Auflage im Sinne des § 36 Abs. 2 Nr. 4 VwVfG dar, wenn sie zum Bestandteil des Zuwendungsbescheids gemacht wurde. Ein Verstoß hiergegen berechtigt zum (Teil-)Widerruf der Zuwendung.*)
VolltextIBRRS 2011, 4149
VK Südbayern, Beschluss vom 21.07.2010 - Z3-3-3194-1-37-05/10
Pauschale Vermutungen und Behauptungen stellen keine ausreichende Begründung für einen Nachprüfungsantrag dar. Zur Vermeidung von Missbrauch ist auch dann, wenn der Antragsteller die Grundlage der Rechtsverletzung in internen Vorgängen der Vergabestelle sieht, von ihm zu verlangen, diejenigen Indizien und tatsächlichen Anhaltspunkte vorzubringen, die ihn zu dem Schluss bewogen haben, die Vergabestelle habe sich vergaberechtswidrig verhalten.*)
VolltextIBRRS 2011, 4145
OLG Celle, Beschluss vom 08.09.2011 - 13 Verg 4/11
1. Nach § 16 Abs. 1 VOL/A steht dem Auftraggeber ein Ermessen zu, ob er von einem Bieter fehlende Unterlagen nachfordert. Aus Gründen der Gleichbehandlung muss der Auftraggeber jedoch von allen Bietern, zumindest von denen in der engeren Wahl, gleichermaßen die jeweils fehlenden Erklärungen oder Nachweise nachfordern und darf hierauf nicht bei einzelnen Bietern verzichten.
2. § 16 VgV soll nicht generell Personen von der Mitwirkung an einem Vergabeverfahren ausschließen, wenn Anhaltspunkte dafür bestehen, dass sie voreingenommen sein könnten. Ihr Ausschluss setzt vielmehr voraus, dass die konkreten Tatbestandsvoraussetzungen einer der Alternativen des § 16 VgV vorliegen.
3. Als unwiderleglich voreingenommen gelten gemäß § 16 Abs. 1 Nr. 2 VgV die natürlichen Personen, die zwar nicht selbst Bieter oder Bewerber sind, die jedoch Bieter oder Bewerber beraten oder sonst unterstützen.
4. Beratung wird ähnlich wie die weitere Tätigkeit der "sonstiges Unterstützung" grundsätzlich weit ausgelegt. Insbesondere fallen hierunter freiberufliche Dienstleistungen, z. B. von Beratungsunternehmen. Gleichwohl ist der Begriff nicht völlig konturen- und grenzenlos. Es muss zumindest eine unmittelbar fördernde Tätigkeit vorliegen, was z. B. bei einem bloßen Zeitungsinterview der fraglichen Person nicht angenommen werden kann, indem sie sich positiv über einen Bieter äußert.
5. Schließlich erfordert der Tatbestand des § 16 Abs. 1 Nr. 2 VgV eine Tätigkeit, die in ihrer Intensität mit der Alternative des "Beratens" gleichgesetzt werden kann.
6. Die Mitarbeiter eines Unternehmens, die in ein konkretes Vergabeverfahren durch den Auftraggeber eingeschaltet sind, dürfen nicht zugleich geschäftliche Beziehungen zu einem Bieter oder Bewerber unterhalten, insbesondere nicht als Mitarbeiter des beauftragten Unternehmens auf das Vergabeverfahren Einfluss nehmen.
VolltextIBRRS 2011, 4143
VK Sachsen, Beschluss vom 27.09.2011 - 1/SVK/038-11
1. Der Übergang in ein Verhandlungsverfahren gemäß § 3a EG Abs. 6 Nr. 1 VOB/A ohne Öffentliche Vergabebekanntmachung ist nur dann zulässig, wenn bei einem Offenen Verfahren oder Nichtoffenen Verfahren keine wirtschaftlichen Angebote abgegeben und die ursprünglichen Vertragsunterlagen nicht grundlegend geändert worden sind. Wird nach Aufhebung des Offenen Verfahrens durch Verzicht auf die ursprüngliche Forderung eines Leitfabrikates und verschiedener Alleinstellungsmerkmale gerade erstmalig ein produktneutrales Leistungsverzeichnis hergestellt, so stellt dies eine grundlegend Änderung der ursprünglichen Vertragsunterlagen dar.*)
2. Nach der ständigen Rechtsprechung des BGH sind regelmäßig ein Schaden und eine Antragsbefugnis zu bejahen, wenn das eingeleitete Vergabeverfahren nicht ohne Weiteres durch Zuschlag beendet werden darf, und zur Bedarfsdeckung eine Neuausschreibung in Betracht kommt.*)
VolltextIBRRS 2011, 4135
VK Südbayern, Beschluss vom 02.08.2010 - Z3-3-3194-1-41-06/10
1. Bei der Verwertung / Vermarktung von kommunalem Altpapier handelt es sich einerseits um die Erbringung einer Dienstleistung (Entsorgungsleistung) durch den Auftragnehmer, andererseits um den Verkauf von wertstoffhaltigem Material auf Seiten des Auftraggebers. In der Leistungsbeschreibung sind daher sämtliche Preisbestandteile getrennt abzufragen, wobei eine ggf. enthaltene Umsatzsteuer stets herauszurechnen ist.*)
2. Die Vergabeunterlagen sind so zu fassen, dass diese von allen Bietern im gleichen Sinne zu verstehen sind und dem Auftragnehmer kein ungewöhnliches Wagnis § 8 Nr. 1, Abs. 3 VOL/A aufgebürdet wird.*)
3. Die vergebende Stelle hat dafür Sorge zu tragen, dass alle Bieter unter denselben Voraussetzungen anbieten. Können nämlich Angebote aufgrund unterschiedlichen Inhalts nicht miteinander verglichen werden, um das wirtschaftlichste Angebot i.S.d. § 25 Nr. 3 VOL/A zu ermitteln, darf wegen der Verletzung des Wettbewerbsgebotes des § 97 Abs.1 und des Gleichbehandlungsgebotes des § 97 Abs.2 auf keines der Angebote der Zuschlag ergehen.*)
VolltextIBRRS 2011, 4134
OLG Jena, Beschluss vom 22.08.2011 - 9 Verg 2/11
Die Entscheidung und die Ausgestaltung einer Rahmenvereinbarung liegen im Ermessen der Vergabestelle. Soweit die Rahmenvereinbarung keine Mindestabnahmepflicht beinhaltet, verletzt die Ausschreibung die Rechte der Bieter, da diesen ein unzumutbares Kalkulationsrisiko aufgebürdet wird und die Ausschreibung keine vergleichbaren Angebote erwarten lässt.
VolltextIBRRS 2011, 4083
OLG Naumburg, Beschluss vom 25.08.2011 - 2 Verg 4/11
1. Der Vergabesenat kann im Beschwerdeverfahren selbst über die Festsetzung der Gebühren der Vergabekammer entscheiden. (hier: Reduzierung der Gebührenhöhe wegen eines geringeren als des zugrunde gelegten Bruttoauftragswerts, aber Bestätigung der Berücksichtigung aller Lose)*)
2. Der Geschäftswert eines Nachprüfungsverfahrens kann nicht deswegen herabgesetzt werden, weil im Verlaufe des Nachprüfungsverfahrens nicht mehr ein auf Primärrechtsschutz gerichteter Sachantrag, sondern nur noch ein Fortsetzungsfeststellungsantrag verfolgt wird.*)
VolltextIBRRS 2011, 4081
VK Südbayern, Beschluss vom 04.10.2010 - Z3-3-3194-1-45-07/10
1. Der Auftraggeber ist nicht verpflichtet, bereits bei Angebotsabgabe die Angabe von Fabrikat und Herstellern von den Bietern zu verlangen.*)
2. Dem Auftraggeber ist es nicht verwehrt nach der Angebotslegung im Rahmen der Aufklärung vom Bieter Angaben über das angebotene Fabrikat sowie den Hersteller zu verlangen.*)
3. Verweigert ein Bieter die geforderte Aufklärung seines Angebotes vollständig oder macht er unzureichende Angaben ist das Angebot auszuschließen.*)
4. Das Recht auf Akteneinsicht besteht nur in dem Umfang, in dem es zur Durchsetzung der subjektiven Rechte des betroffenen Verfahrensbevollmächtigten erforderlich ist. Hierbei ist die Entscheidungsrelevanz der Unterlagen maßgeblich, deren Einsicht begehrt wird.*)
VolltextIBRRS 2011, 4054
VK Südbayern, Beschluss vom 23.11.2010 - Z3-3-3194-1-58-10/10
1. Gemäß § 21 Nr. 1 Abs. 3 VOB/A sind Änderungen an den Verdingungsunterlagen durch den Bieter unzulässig. Sie haben nach § 25 Nr. 1 Abs. 1 lit. b) VOB/A zur Folge, dass das Angebot, welches nicht der Leistungsbeschreibung des Auftraggebers entspricht, von der Wertung ausgeschlossen werden muss. Der Ausschlussgrund ist nicht erst dann gegeben, wenn das betreffende Angebot wegen fehlender Erklärungen im Ergebnis nicht mit den anderen abgegebenen Angeboten verglichen werden kann. Damit ein Angebot gewertet werden kann, ist jeder in der Leistungsbeschreibung vorgesehene Preis so wie gefordert vollständig und mit dem Betrag anzugeben, der für die entsprechende Leistung beansprucht wird. Erklärungen eines Bieters zum Einheitspreis einer Position sind nicht vollständig, auch wenn er die Bemerkung "-in BMZ enthalten -" und als Einheitspreis "0 Euro" angibt.*)
2. § 97 Nr. 2 GWB verpflichtet die öffentlichen Auftraggeber, alle Teilnehmer an einem Vergabeverfahren grundsätzlich gleich zu behandeln, es sei denn, eine Benachteiligung ist auf Grund des GWB ausdrücklich geboten oder gestattet. Es handelt sich hierbei um einen der zentralen vergaberechtlichen Grundsätze schlechthin. Das diesen Grundsatz flankierende Gebot der Produktneutralität gem. § 9 Nr. 10 VOB/A soll sicherstellen, dass eine Leistungsbeschreibung die Herstellung von Chancengleichheit im Vergabewettbewerb gewährleistet.*)
VolltextIBRRS 2011, 5650
VK Düsseldorf, Beschluss vom 29.07.2011 - VK 19/2011
1. Beim Regelungsgehalt des § 4 Abs.1 Nr. 2 VOB/A ist zu berücksichtigen, dass die Varianten aus § 7 Abs. 13 bis 15 VOB/A einzubeziehen sind.
2. Eine Kombination einer Leistungsbeschreibung mit Leistungsverzeichnis (§ 7 Abs. 9 ff. VOB/A) mit einer Leistungsbeschreibung mit Leistungsprogramm (§ 7 Abs. 13 ff. VOB/A) ist nicht möglich, weil in ihr von vornherein der Widerspruch angelegt ist, dass der Bieter die Pauschalvereinbarung rechtfertigende „genaue“ Planung und Leistungsbestimmung des Auftraggebers gegebenenfalls ergänzen/verändern muss, um das ihm gesetzte funktionale Ziel zu erreichen.
3. Fordert der öffentliche Auftraggeber von Bietern, dass diese eine lückenausfüllende und mängelbeseitigende Planung und die sich daraus in der Ausführung ergebenden Änderungen in ihre Angebote einzukalkulieren haben, kann er sich im Rahmen des § 4 Abs. 1 Nr. 2 VOB/A nicht mit Erfolg auf eine positive Änderungsprognose im Rahmen seines Beurteilungsspielraums berufen.
4. Die Pauschalierung von Erdarbeiten ist mit der Anforderung aus § 4 Abs. 1 Nr. 2 VOB/A jedenfalls dann nicht vereinbar, wenn sich aus dem Baugrunduntersuchungsraster ergibt, dass die Baugrundverhältnisse fast durchweg Belastungen des Oberbodens ausweisen, da in diesem Falle Risiken vorliegen, die über die bei Erdarbeiten üblichen Unwägbarkeiten hinausgehen und die auch bei unterstellt sorgfältiger Erkundung zu Änderungen der abgeleiteten Mengengerüste führen können.
5. Eine Pauschalierung gem. § 4 Abs. 1 Nr. 2 VOB/A setzt eine vollständige Ausführungsplanung voraus, die nicht gegeben ist, wenn 5% der Statiken nicht mit Prüfvermerken des Prüfingenieurs versehen sind und die Schalungs- und Bewehrungspläne erst vor dem Baubeginn übergeben werden.
6. Eine Pauschalierung der Vergütung für Hochwasserschutzmaßnahmen ist nicht zulässig, da auf Grund der mangelnden Vorhersehbarkeit von Hochwasserereignissen nicht prognostiziert werden kann, wie oft Geräte, Stoffe und Hilfskonstruktionen entfernt und wieder eingesetzt werden müssen.
7. Werden den Bietern im ausgeschriebenen Bauvertrag Generalunternehmerleistungen zur Bewältigung von Schnittstellen übertragen, so ist dies nicht zu beanstanden, da Generalunternehmerleistungen auch die Schnittstellenkoordination einer unbestimmten Anzahl Dritter umfasst.
8. Die Übernahme der Sicherheits- und Gesundheitskoordination als Teil der Gesamtbauleitung durch einen Generalunternehmer erscheint nicht als nach Art und Umfang unbestimmte und/oder ungewöhnlich risikobehaftete Leistung, da auf Grund der eigenen Bautätigkeit und auf Grund der Funktion der Gesamtbauleitung eine umfassende Mitwirkungs- und Abstimmungsverpflichtung des Generalunternehmers mit allen relevant mit den Arbeiten in Berührung kommenden Dritten als ohnehin zu erfüllende Nebenpflicht zu bezeichnen ist.
VolltextIBRRS 2011, 3970
VK Südbayern, Beschluss vom 31.05.2011 - Z3-3-3194-1-11-03/11
1. Erscheint ein Angebot im Verhältnis zu der zu erbringenden Leistung als ungewöhnlich niedrig, hat der Auftraggeber eine Aufklärungspflicht. Dem Auftraggeber kommt jedoch hinsichtlich der Frage, ob eine Aufklärung für erforderlich gehalten wird oder nicht ein Beurteilungsspielraum zu.*)
2. Mängel in der § 101 a GWB Mitteilung können noch vor Einleitung eines Nachprüfungsverfahrens oder auch erst im Laufe desselben geheilt werden. Zudem wird durch die § 101 a GWB Mitteilung das primäre Ziel verfolgt, vor Zuschlagserteilung, die Unumkehrbarkeit eines einmal erteilten Zuschlags im Sinne eines effektiven Rechtsschutzes hemmen zu können. Sie dient keinem eigenständigen vergaberechtlichen Selbstzweck, weshalb auf einen Verstoß gegen § 101 a GWB allein kein Nachprüfungsantrag gestützt werden kann.*)
3. Bedingt durch den Mindestlohn im Gebäudereiniger-Handwerk (AEntG), ist die Vergabestelle in der Wertung insbesondere gehalten die Auskömmlichkeit des Stundenverrechnungssatzes zu überprüfen.*)
VolltextIBRRS 2011, 3969
VK Südbayern, Beschluss vom 16.05.2011 - Z3-3-3194-1-09-03/11
1. Bei der Ermittlung des Schwellenwertes sind die Auftragswerte mindestens derselben freiberuflichen Leistung - bei Fachingenieurleistungen die freiberuflichen Leistungen desselben Leistungsbilds nach der HOAI - als dieselbe freiberufliche Leistung zu definieren und damit als Auftragswert für die Vergabe heranzuziehen.*)
2. Ein fehlerhaftes Informationsschreiben gemäß § 101a GWB führt zu keiner Rechtsverletzung der Antragstellerin, da dieser Mangel durch die Einleitung des Nachprüfungsverfahrens vor Zuschlagserteilung wirksam geheilt wurde.*)
3. Die Antragsgegnerin hat die Wertung nach den bekanntgemachten Zuschlagskriterien vorzunehmen. Abweichungen sind unzulässig.*)
4. Der Auftraggeber schließt den Vertrag mit dem Bieter, der im Rahmen der bekannt gemachten Zuschlagskriterien die bestmögliche Leistung erwarten lässt (§ 11 Abs. 6 VOF 2009). Der Präzisierungsgrad der bekannt gemachten Zuschlagskriterien muss dabei so hoch sein, dass für die Bieter erkennbar ist, worauf es dem Auftraggeber ankommt, so dass sie ihre Präsentation und ihr Angebot optimal gestalten können.*)
5. Die Antragstellerin ist in ihren Rechten aus § 97 Abs. 7 GWB verletzt, indem die Antragsgegnerin das Ergebnis der Präsentation und die Wertung nicht ausreichend nach § 12 VOF 2009 dokumentiert hat. Die Dokumentation der Wertung muss nachvollziehbar erkennen lassen, aufgrund welcher Erwägungen die Vergabestelle zur Punkteverteilung gelangt ist.*)
VolltextIBRRS 2011, 3964
VK Südbayern, Beschluss vom 20.04.2011 - Z3-3-3194-1-07-02/11
1. Bieter können für die Angebotsabgabe eine selbstgefertigte Abschrift oder Kurzfassung des Leistungsverzeichnisses benutzen, wenn sie den vom Auftraggeber verfassten Wortlaut des Leistungsverzeichnisses im Angebot als allein verbindlich anerkennen; Kurzfassungen müssen jedoch die Ordnungszahlen (Positionen) vollzählig, in der gleichen Reihenfolge und mit den gleichen Nummern wie in dem vom Auftraggeber verfassten Leistungsverzeichnis, wiedergeben.*)
2. Angebote sind auszuschließen, sofern der Ausschlusstatbestand "Änderungen der Verdingungsunterlagen" vorliegt. Als derartige Änderungen sind alle Eintragungen anzusehen, welche die vom Auftraggeber erarbeiteten Vergabeunterlagen abändern.*)
3. Ein Ausschluss ist dann nicht gerechtfertigt, wenn es sich bei dem abgeänderten Leistungsverzeichnis nicht um eine Erhöhung der Mengen handelt, sondern um einen Wegfall eines Teils einer Position im Leistungsverzeichnis. Dem Auftraggeber entsteht so kein Nachteil bei der Wertung des Angebots und seitens des Bieters bestehen keine Manipulationsmöglichkeiten.*)
VolltextIBRRS 2011, 3963
VK Südbayern, Beschluss vom 02.05.2011 - Z3-3-3194-1-05-02/11
1. Es ist keine die Zulässigkeit eines Nachprüfungsantrages beeinflussende Frage, ob das Angebot des Antragstellers von der Wertung auszuschließen ist. Auch kann dem Antragsteller der Zutritt zum Nachprüfungsverfahren nicht damit verwehrt werden, dass die Vergabestelle von den strittigen Eignungskriterien nicht abweichen werde und der Antragsteller daher in einem neuen Vergabeverfahren keine Aussicht auf den Zuschlag habe.*)
2. Von einer bloßen objektiven Erkennbarkeit eines vermeintlichen Vergaberechtsverstoßes ist dann auszugehen, wenn keine tatsächlichen Erkenntnisse hinzugetreten sind, die erst später die Bewertung als vermeintlich vergaberechtswidrig eröffnen.*)
3. Im Rahmen der Rügepflicht nach § 107 Abs. 3 Nr. 3 GWB ist es unbeachtlich, ob positives Wissen vorliegt. Notwendig ist lediglich die Erkenntnismöglichkeit eines durchschnittlichen Antragstellers.*)
4. Im Falle einer eingetretenen Rügepräklusion haben die angegriffenen Vergaberechtsverstöße die Unanfechtbarkeit zur Folge mit der Konsequenz, dass die vermeintlichen Verstöße als vergaberechtskonform fingiert anzusehen sind.*)
VolltextIBRRS 2011, 5374
OLG Düsseldorf, Beschluss vom 10.08.2011 - Verg 34/11
1. Der öffentliche Auftraggeber ist befugt, die für die Leistungserbringung notwendigen öffentlich-rechtlichen Genehmigungen selbstständig zu prüfen.
2. Rechtliche Zweifel am Umfang und der Gültigkeitsdauer einer Genehmigung geben hinreichenden Anlass, die Eignung des Bieters zu verneinen, und rechtfertigen den Ausschluss vom Vergabeverfahren.
3. Im Vergabenachprüfungsverfahren beschränkt sich die Überprüfung darauf, ob die Auslegung der Genehmigung durch den öffentlichen Auftraggeber vertretbar ist.
4. Eine lediglich faktische Duldung durch die Genehmigungsbehörde führt zu keiner Einengung der Ermessensentscheidung des öffentlichen Auftraggebers.
VolltextIBRRS 2011, 3901
BGH, Urteil vom 30.08.2011 - X ZR 55/10
1. Zur Beurteilung der Frage, ob an einem öffentlichen Auftrag ein grenzüberschreitendes Interesse besteht, ist eine Prognose darüber anzustellen, ob der Auftrag nach den konkreten Marktverhältnissen, das heißt mit Blick auf die angesprochenen Branchenkreise und ihre Bereitschaft, Aufträge gegebenenfalls in Anbetracht ihres Volumens und des Ortes der Auftragsdurchführung auch grenzüberschreitend auszuführen, für ausländische Anbieter interessant sein könnte.*)
2. Bei der Zulassung von Nebenangeboten werden die Grundfreiheiten des Primärrechts der Europäischen Union und die Gebote der Gleichbehandlung, Verhältnismäßigkeit und Transparenz gewahrt, wenn in den Vergabeunterlagen vorgegeben wird, dass Ausführungsvarianten eindeutig und erschöpfend beschrieben werden und alle Leistungen umfassen müssen, die zu einer einwandfreien Ausführung der Bauleistung erforderlich sind, und dass bei nicht in Allgemeinen Technischen Vertragsbedingungen oder in den Vergabeunterlagen geregelten Leistungen im Angebot entsprechende Angaben über Ausführung und Beschaffenheit dieser Leistungen zu machen sind.*)
IBRRS 2011, 3899
OLG Brandenburg, Beschluss vom 13.09.2011 - 6 W 73/11
1. Nimmt der Antragsteller den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung nach dem Eintritt der Rechtshängigkeit, der dem Zeitpunkt der Anhängigkeit entspricht, zurück, sind ihm die Kosten nach § 269 Abs. 3 S. 2 ZPO aufzuerlegen.*)
2. Der Anwendungsbereich des § 269 Abs. 3 S. 3 ZPO, der ausnahmsweise die Berücksichtigung eines materiell-rechtlichen Kostenerstattungsanspruchs bereits bei der Kostenentscheidung des laufenden Rechtsstreits ermöglicht, ist in einem solchen Fall nicht eröffnet.*)
3. Hat sich der Verfügungsantrag nach Eingang des Antrages in der Hauptsache erledigt, kann der Antragsteller das Verfahren für in der Hauptsache erledigt erklären. Für eine analoge Anwendung des § 269 Abs. 3 S. 3 ZPO für den Fall einer Erledigung nach Eingang des Verfügungsantrages bei Gericht besteht kein Anlass.*)
4. Eine Erledigung des Verfügungsantrages vor seiner Einreichung bei Gericht fällt grundsätzlich in die Risikosphäre des Klägers. Eine entsprechende Anwendung des § 269 Abs. 3 S. 3 ZPO in einem solchen Fall ist nicht gerechtfertigt.*)
5. Es ist zweifelhaft, ob bei Vergabeverfahren im Unterschwellenbereich der nicht berücksichtigte Bieter eine einstweilige Verfügung mit dem Ziel beantragen kann, dem Auftraggeber den Zuschlag zu untersagen. Denn das Zivilrecht lässt nicht allgemein Unterlassungsansprüche als primäre Leistungspflichten zu. Bei einer beabsichtigten Vergabe könnte ein etwaiger Unterlassungsanspruch allenfalls dann erwogen werden, wenn glaubhaft gemacht wäre, dass der Antragsgegner in unredlicher Absicht oder willkürlich vorzugehen droht oder ihm vorsätzlicher Rechtsbruch zu Last zu legen ist.*)
VolltextIBRRS 2011, 3898
OLG Brandenburg, Beschluss vom 13.09.2011 - 6 W 51/11
1. § 50 Abs. 2 GKG ist für die Streitwertfestsetzung in Verfahren der einstweiligen Verfügung, die beabsichtigte Vergabeentscheidungen von öffentlichen Auftraggebern unterhalb der Schwellenwerte des § 2 VgV zum Gegenstand haben, nicht anwendbar. Die Streitwertbemessung richtet sich vielmehr nach den §§ 53 Abs. 1 GKG, 3 ZPO. Für die Streitwertfestsetzung ist dabei maßgeblich der wirtschaftliche Wert des im Wege einstweiliger Verfügung geltend gemachten Unterlassungsanspruchs, der auf Untersagung des Zuschlags an ein anderes Unternehmen als den Antragsteller gerichtet ist.*)
2. Eine Streitwertfestsetzung auf 5 Prozent der Angebotssumme des Angebots des Antragstellers ist dann nicht als zu niedrig anzusehen, wenn nichts dafür ersichtlich ist, dass das von dem Antragsteller mit dem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung verfolgte wirtschaftliche Interesse höher liegt. Durch das Entgehen des Auftrages ausbleibende Deckungsbeiträge für die laufenden Kosten können als Frustrierungsschaden bei der Bemessung des Streitwerts nicht berücksichtigt werden.*)
VolltextIBRRS 2011, 3881
LG Stuttgart, Beschluss vom 06.06.2011 - 10 O 9/11
Auf einen eingetragenen Verein, der die angewandte Forschung fördern soll und überwiegend von Bund und Ländern finanziert wird, ist die Gerichtsstandsvereinbarung des § 18 Abs. 1 VOB/B anwendbar.
VolltextIBRRS 2011, 5583
OLG Dresden, Beschluss vom 28.07.2011 - Verg 5/11
1. Auch die Ausweisung eines eher symbolischen Preises - von 0,00 EUR oder gar eines sog. Minuspreises – kann als Preisangabe zu verstehen sein kann. Dies gilt aber nur dann, wenn der Bieter den Preis ersichtlich ernst gemeint hat, ohne Preisbestandteile auf andere Leistungspositionen zu verteilen und auf diese Weise zu "verstecken".
2. Geschieht dies aber durch Abpreisen des Einheitspreises einer bestimmten ausgeschriebenen Leistungsposition und Aufpreisen des Einheitspreises einer anderen angebotenen Position, werden die für die jeweiligen Leistungen geforderten tatsächlichen Preise weder vollständig noch zutreffend wiedergeben.
VolltextIBRRS 2011, 3875
OLG Düsseldorf, Beschluss vom 19.10.2011 - Verg 51/11
1. Eine Dienstleistungskonzession liegt vor, wenn die Gegenleistung für die Erbringung der Dienstleistungen in dem Recht zur Nutzung der Dienstleistung besteht. Diese Voraussetzung ist erfüllt, wenn der Auftragnehmer von dem öffentlichen Auftraggeber kein Entgelt für seine Dienstleistungen erhält, sondern ihm lediglich das Recht eingeräumt wird, Entgelte von den Nutzern zu erheben.
2. Ein Anschluss- und Benutzungszwang steht einer Dienstleistungskonzession nicht entgegen. Dieser mindert zwar das Risiko des Auftragnehmers, Abnehmer für seine Dienstleistungen zu finden. Das Risiko der Beitreibung seiner Entgeltansprüche liegt jedoch alleine beim Auftragnehmer.
3. Im Abfallrecht ist die Vergabe einer Dienstleistungskonzession nach § 16 Abs. 1 KrW-/AbfG unzulässig. Die Wahl der Vergabe einer Dienstleistungskonzession anstelle eines Dienstleistungsvertrages stellt sich damit als Umgehung des Vergaberechts dar.
4. Der Rechtsweg zu Vergabekammer und Vergabesenat besteht nicht für die Vergabe von Dienstleistungskonzessionen. Jedoch sind die Vergabenachprüfungsinstanzen nach § 104 Abs. 2 GWB dafür zuständig, wenn der Antragsteller geltend macht, durch die beabsichtigte Vergabe in seinen Rechten nach § 97 Abs. 7 GWB verletzt worden zu sein.
VolltextIBRRS 2011, 3867
OLG Dresden, Beschluss vom 30.09.2011 - Verg 7/11
1. Die Frage, ob die Zuziehung eines Bevollmächtigten erforderlich war und die hieraus entstandenen Kosten damit zu den notwendigen Aufwendungen der Vergabestelle i.S.d. § 80 Abs. 1 Satz 3 VwVfG gehören, ist nach dem individuellen Streitstoff des einzelnen Nachprüfungsverfahrens zu beurteilen.
2. Bei Streitigkeiten um die zutreffende Anwendung des materiellen Vergaberechts ist die Beauftragung eines Rechtsanwalts zur Vertretung des Auftraggebers vor der Vergabekammer regelmäßig nicht notwendig. Anders liegt der Fall dann, wenn wesentliche Streitpunkte im Nachprüfungsverfahren sich gerade aus dessen "prozessualer" Ausgestaltung ergeben, oder aber wenn es sich um gemeinschaftsrechtliche Probleme handelt.
VolltextIBRRS 2011, 3866
VK Schleswig-Holstein, Beschluss vom 11.02.2010 - VK-SH 29/09
1. Ist einem Bieter aus den Vergabeunterlagen bekannt, dass beim streitgegenständlichen Vergabeverfahren die Angabe von Nettopreisen gefordert ist, hat er sich mit der Abgabe seines Angebots bewusst auf diese Forderung eingelassen. Eine dagegen gerichtete Rüge nach Ablauf der Angebotsfrist ist dann nicht mehr rechtzeitig.*)
2. Hat der Bieter ein Vergütungssystem angeboten, das von dem von dem Antragsgegner geforderten abweicht, so liegt darin ein Nebenangebot.*)
3. Zur eingeschränkten Prüfungskompetenz und –möglichkeit der Vergabekammer in Bezug auf Wertungsentscheidungen.*)
VolltextIBRRS 2011, 3863
OLG Düsseldorf, Beschluss vom 11.05.2011 - Verg 3/11
Die Entscheidung der Vergabestelle, eine bestimmte Beschaffung vorzunehmen, ist dem Vergabeverfahren vorgelagert. Im Vergabenachprüfungsverfahren wird nicht überprüft, ob das Beschaffungsvorhaben aus anderen als vergaberechtlichen Gründen rechtmäßig ist oder nicht, sondern lediglich die Umsetzung dieser Entscheidung anhand der vergaberechtlichen Vorgaben kontrolliert.
VolltextIBRRS 2011, 3862
OLG Düsseldorf, Beschluss vom 08.06.2011 - Verg 2/11
1. Für die Frage der Erledigung kommt es nicht darauf an, ob der ursprüngliche Nachprüfungsantrag zulässig und begründet war. Es reicht vielmehr aus, dass der auf Vornahme oder Unterlassung gerichtete Antrag des Antragstellers gegenstandslos geworden ist. In der verwaltungsrechtlichen Rechtsprechung ist anerkannt, dass - anders als in einem Zivilprozess - Erledigung unabhängig davon eintreten kann, ob der Antrag ursprünglich zulässig und begründet war.
2. Das Vergabenachprüfungsverfahren erledigt sich u.a. dadurch, dass der Auftraggeber wirksam den Zuschlag erteilt hat. Dadurch entfällt der auf die Aufhebung des Vergabeverfahrens gerichtete Gegenstand des Nachprüfungsantrages.
3. Ein Feststellungsinteresse rechtfertigt sich durch jedes nach vernünftigen Erwägungen und nach Lage des Falles anzuerkennende Interesse rechtlicher, wirtschaftlicher oder ideeller Art, wobei die beantragte Feststellung geeignet sein muss, die Rechtsposition des Antragstellers in einem der genannten Bereich zu verbessern und eine Beeinträchtigung seiner Rechte auszugleichen oder wenigstens zu mildern. In geeigneten Fällen kann mit einem Feststellungsantrag auch der Gefahr einer Wiederholung begegnet werden. Es soll dadurch sichergestellt werden, dass der Antragsteller der Früchte des von ihm angestrengten Nachprüfungsverfahrens nicht verloren geht. Zudem kann ein Feststellungsinteresse gegeben sein, wenn der Antrag der Vorbereitung einer Schadensersatzforderung dient. Eine konkrete und verbindliche Festlegung ist insoweit nicht erforderlich.
VolltextIBRRS 2011, 3861
OLG Dresden, Beschluss vom 30.09.2011 - Verg 07/11
1. Die Frage, ob die Zuziehung eines Bevollmächtigten erforderlich war und die hieraus entstandenen Kosten damit zu den notwendigen Aufwendungen der Vergabestelle i.S.d. § 80 Abs. 1 Satz 3 VwVfG gehören, ist nach dem individuellen Streitstoff des einzelnen Nachprüfungsverfahrens zu beurteilen.
2. Bei Streitigkeiten um die zutreffende Anwendung des materiellen Vergaberechts ist die Beauftragung eines Rechtsanwalts zur Vertretung des Auftraggebers vor der Vergabekammer regelmäßig nicht notwendig. Anders liegt der Fall dann, wenn wesentliche Streitpunkte im Nachprüfungsverfahren sich gerade aus dessen "prozessualer" Ausgestaltung ergeben, oder aber wenn es sich um gemeinschaftsrechtliche Probleme handelt.
VolltextIBRRS 2011, 5586
VK Düsseldorf, Beschluss vom 24.08.2011 - VK-22/2011
Eine wettbewerbswidrige Erstellung von Angeboten in gegenseitiger Kenntnis des Angebotsinhalts liegt auch dann vor, wenn Geschäftsführer als Vater und Sohn verwandtschaftlich verbunden sind. Auch in diesem Fall sind ggf. die erforderlichen Maßnahmen zu treffen, um die gegenseitige Kenntnis vom Angebotsinhalt / den Kalkulationsgrundlagen auszuschließen.*)
VolltextIBRRS 2011, 3843
OLG Schleswig, Beschluss vom 07.10.2011 - 1 Verg 1/11
1. Der Nachprüfung unterliegt nicht nur die Art und Weise der Einleitung oder Durchführung eines Vergabeverfahrens, sondern auch, ob ein nach Maßgabe des § 97 Abs. 1 GWB geregeltes Vergabeverfahren bislang - zu Unrecht - unterblieben ist.
2. Die Statthaftigkeit eines Nachprüfungsantrag ist nicht von der Einleitung oder Durchführung eines bestimmten Vergabeverfahrens abhängig.
3. Maßgebend für die Berechnung der Schwellenwerte i.S.v. § 100 Abs. 1 GWB bei der Vergabe von Postdienstleistungen ist nicht die einzelne Tages-Postmenge, sondern der jährliche oder mehrjährige Gesamtbedarf der Vergabestelle.
4. Zusatzvereinbarungen zum Postverkehr betreffen nicht das "Ob" einer Beauftragung, sondern nur das "Wie" der Abwicklung von einzelnen Postdienstleistungen. Damit steht die Wirksamkeit solcher Altverträge nach § 101b Abs. 2 Satz 1 GWB einem erfolgreichen Nachprüfungsantrag nicht entgegen.
VolltextIBRRS 2011, 3774
VK Thüringen, Beschluss vom 05.09.2011 - 250-4003.20-3317/2011-E-005-HBN
1. Die Nachreichungsregelung des § 19 EG Abs. 2 VOL/A ist auf fehlende Angebotsunterschriften unanwendbar, wobei es keinen Unterschied macht, ob das Angebotsschreiben selbst oder nur die Unterschrift auf diesem fehlt.
2. Führt ein Bieter nur der Vergabestelle zugängliche Fakten aus einem Konkurrenzangebot in ein Nachprüfungsverfahren ein, ist dies nur dann unlauter, wenn die Aktivität zur Beschaffung von ihm ausgegangen ist und er den die Information Beschaffenden zu rechtswidrigen Handlungen bewegt hat.
VolltextIBRRS 2011, 3773
VK Hessen, Beschluss vom 19.09.2011 - 69d-VK-31/2011
1. Die Ausschreibung eines Tausalzliefervertrags als Rahmenvereinbarung steht im Ermessen der Vergabestelle.
2. Es ist jedoch auch bei Rahmenvereinbarungen unzulässig, die Ungewissheit über den witterungsabhängigen Tausalzbedarf auf den Zuschlagsbieter abzuwälzen, indem trotz verbindlicher Lieferpflicht des Zuschlagsbieters keine Mindestabnahmemenge durch den Auftraggeber garantiert wird.
VolltextIBRRS 2011, 3757
OLG Karlsruhe, Beschluss vom 22.07.2011 - 15 Verg 8/11
1. § 19 Abs. 6 Satz 2 EG VOL/A, der dem öffentlichen Auftraggeber verbietet, auf Angebote, deren Preise in offenbarem Missverhältnis zur Leistung stehen, den Zuschlag zu erteilen, dient in erster Linie dem Schutz des Auftraggebers. Dieser soll keine Verträge mit Auftragnehmern eingehen, die wegen einer unauskömmlichen Preiskalkulation in die Gefahr geraten, ihre Leistungspflichten nicht erfüllen zu können. Durch die Vorschrift werden Bieter nur reflexartig geschützt, ohne dass sie darauf einen Rechtsanspruch haben.
2. Einen Bieterschutz, ein subjektives Recht, entfaltet § 19 Abs. 6 Satz 2 EG VOL/A dann, wenn der Auftraggeber das als unangemessene niedrig gerügte Preisangebot auszuschließen hat, weil er wettbewerbsbeschränkende und unlautere Verhaltensweisen zu bekämpfen hat. Dazu zählen beispielsweise Angebote mit unangemessen niedrigem Preis, die der Marktverdrängung dienen oder zumindest die Gefahr begründen, dass bestimmte Wettbewerber vom Markt ganz verdrängt werden.
3. Die Eignungsprüfung ist in zwei Stufen durchzuführen. Zunächst ist zu prüfen, ob das Angebot eines Bieters sämtliche geforderten Eignungsnachweise bzw. Angaben enthält (formelle Eignungsprüfung). Danach ist zu prüfen, ob der Bieter geeignet ist (materielle Eignungsprüfung). Die Feststellung, dass ein Bieter zur Durchführung des ausgeschriebenen Auftrags geeignet ist, ist das Ergebnis einer fachlich-technischen Prognose. Die Vergabestelle hat somit einen nur eingeschränkt überprüfbaren Beurteilungsspielraum. Ihre Entscheidung kann nur darauf überprüft werden, ob das vorgeschriebene Verfahren eingehalten ist, der Sachverhalt vollständig und zutreffend ermittelt worden ist, die selbst aufgestellten Vorgaben beachtet und keine sachwidrigen oder gegen allgemeine Bewertungsgrundsätze verstoßenden Erwägungen angestellt worden sind, bzw. darauf, ob die von der Vergabestelle getroffenen Sachverhaltsermittlungen und Feststellungen oder die Anwendung vergaberechtlicher Rechtsbegriffe auf willkürlichen und sachwidrigen Erwägungen beruhen.
4. Gemäß § 19 Abs. 6 Satz 2 EG VOL/A darf auf Angebote, deren Preise in offenbarem Missverhältnis zur Leistung stehen, der Zuschlag nicht erteilt werden. Maßgeblich ist der Gesamtpreis (Endpreis) des Angebots. Die Angemessenheit des Angebotspreises ist anhand feststehender, gesicherter Tatsachengrundlage durch eine Betrachtung des Preis-Leistungs-Verhältnisses innerhalb des vom Ausschluss bedrohten Angebots zu ermitteln; der Gesamtpreis des Angebots ist in Relation zum Wert der angebotenen Leistung zu setzen. Daneben hat sich die Prüfung auf alle sonst bedeutsamen Einzelfallumstände zu erstrecken. Die Unverhältnismäßigkeit des Preises unterliegt der wertenden Entscheidung des Auftraggebers. Kann ein Bieter nachvollziehbar erklären, aufgrund sach- und/oder unternehmensbezogener, wettbewerbsorientierter Gründe günstiger als das Bieterumfeld kalkuliert zu haben, ist bei wertender Betrachtung kein Missverhältnis zwischen Preis und Leistung gegeben . Schließlich ist zu berücksichtigen, dass ein beachtliches Missverhältnis auch dann nicht vorliegt, wenn der Bieter beabsichtigt, einen Deckungsbeitrag zu den Betriebskosten zu erzielen, oder er in einen neuen Markt vorstoßen möchte, so lange keine Zweifel daran bestehen, dass er die angebotene Leistung auch erfüllen wird.
5. Werden Preisangebote nicht detailiert angegeben, was bei einem Verhandlungsverfahren vorkommt, so ist auch bei erheblichen Abständen zwischen den Preiskalkulationen verschiedener Bieter die Vergleichbarkeit nicht ausgeschlossen. Vergleichbarkeit bedeutet nicht Identität.
6. Die Organisation und Strukturierung des Wertungsvorgangs unterliegt dem Ermessen des öffentlichen Auftraggebers. Die Methodik der Bewertung ist seine Sache. Ihm steht ein weiter Beurteilungs- und Ermessensspielraum zu. Auch bei der Vergabe von Wertungspunkten steht dem Auftraggeber ein Beurteilungsspielraum zu, dessen Ausübung nur daraufhin überprüft werden kann, ob die zugrunde gelegten Tatsachen, insbesondere die durch die Ausschreibung vorgegebenen Leistungsanforderungen und der Inhalt der abgegebenen Angebote, richtig erfasst sind, ob die Bewertung nach Maßgabe der vorab bekannt gegebenen Kriterien und widerspruchsfrei erfolgt ist und ob sachfremde Erwägungen wirksam geworden sind.
VolltextIBRRS 2011, 3756
OLG Karlsruhe, Beschluss vom 10.06.2011 - 15 Verg 7/11
1. Die zwingende Ausschlussregelung in § 19 Abs. 3 EG VOL/A will die Chancengleichheit aller Bieter sicherstellen und gewährleisten, dass der Vergabestelle für den Wertungsvorgang vergleichbare Angebote vorliegen. Beziehen sich die eingereichten Angebote nicht auf identische Leistungsbeschreibungen und Vertragsunterlagen, so wäre der Wettbewerbsgrundsatz verletzt. Entspricht ein Angebot (hier 1 Fahrer und 1 Lader) der eindeutigen und erschöpfenden Leistungsbeschreibung (1 Fahrer und 2 Lader) nicht, so ist dieses Angebot aus der Wertung herauszunehmen.
2. Eine nachträgliche Änderung ist unzulässsig, wenn diese grundsätzliche Änderungen im Verfahren nach sich ziehen könnte (etwa Zuschlag statt Ausschluß). Eine nachträgliche Änderung an den Vertragsunterlagen i. S. v. § 19 Abs. 3 d) EG VOL/A liegt bereits dann vor, wenn das Angebot eine einzige Vorgabe der Leistungsbeschreibung inhaltlich nicht einhält; es genügen selbst geringfügige inhaltliche Abweichungen von den Vorgaben der Vergabestelle für einen Angebotsausschluss.
3. Bei eindeutigen Angeboten bedarf es auch keinen Aufklärungsgesprächs.
VolltextIBRRS 2011, 3755
OLG Karlsruhe, Beschluss vom 11.07.2011 - 15 Verg 5/11
1. Die Frage der Notwendigkeit der Hinzuziehung eines Rechtsanwalts ist nach dem Umständen des Einzelfalles zu entscheiden. Maßgeblich ist, ob ein verständiger Beteiligter unter Beachtung seiner Pflicht, die Kosten so gering wie möglich zu halten, die Beauftragung eines Bevollmächtigten ex ante für notwendig erachten durfte.
2. Die Hinzuziehung eines Rechtsbeistandes seitens des Auftraggebers ist unnötig, wenn keine über vergaberechtliche Fragestellungen hinausgehenden rechtlichen Probleme allgemeiner oder besonderer Art zu bewältigen sind.
3. Von einer städtischen GmbH kann erwartet werden, dass sie die maßgeblichen Rechtsvorschriften, die mit einer Auftragsvergabe jenseits der Schwellenwerte verbunden sind, kennt, anwenden und ihre Anwendung in einem konkreten Vergabeverfahren erklären und gegen Rügen "verteidigen" kann.
VolltextIBRRS 2011, 3752
OLG Düsseldorf, Beschluss vom 17.08.2011 - Verg 55/11
Dem Auftraggeber steht bei der prognostischen Bewertung der Eignung von Bietern ein von den Vergabenachprüfungsinstanzen nur beschränkt nachprüfbarer Beurteilungsspielraum zu, wobei zu beachten ist, dass eine die Eignung betreffende negative (Zwischen-)Entscheidung auf gesicherten Erkenntnissen des Auftraggebers beruhen muss.
VolltextIBRRS 2011, 3729
OLG Düsseldorf, Beschluss vom 08.09.2011 - Verg 48/11
1. Eine Gesamtvergabe darf nur in Ausnahmefällen stattfinden. Kommt eine Ausnahme aus wirtschaftlichen oder technischen Gründen in Betracht, hat sich der Auftraggeber in besonderer Weise mit dem Gebot einer Fachlosvergabe und dagegen sprechenden Gründen auseinanderzusetzen.
2. Der mit einer Fachlosvergabe allgemein verbundene Ausschreibungs-, Prüfungs- und Koordinierungsmehraufwand sowie ein höherer Aufwand im Rahmen der Gewährleistung können eine Gesamtvergabe für sich allein nicht rechtfertigen.
3. Ob ein Teilausschnitt einer Tätigkeit als Fachlos aufzufassen ist, bestimmt sich zunächst nach den gewerberechtlichen Vorschriften und der allgemein oder regional üblichen Abgrenzung. Dabei ist auch von Belang, ob sich für spezielle Arbeiten mittlerweile ein eigener Markt herausgebildet hat.
VolltextIBRRS 2011, 3724
OLG Karlsruhe, Beschluss vom 09.09.2011 - 15 Verg 9/11
Maßstab für die Kostenentscheidung ist gem. §§ 120 Abs. 2, 78 GWB die "Billigkeit". Anders als § 91a Abs. 1 Satz 1 ZPO sieht § 78 GWB die Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes nicht ausdrücklich vor. Die Regelung des § 78 GWB schließt jedoch nicht aus, diesen jedenfalls dann mit zu berücksichtigen, wenn sich aus dem bisherigen Sach- und Streitstand eindeutige Anzeichen für die Erfolgsaussichten der Beteiligten ergeben. Auch die Rechtsgedanken, die den Regelungen der §§ 516 Abs. 3, 98 ZPO zu Grunde liegen, sind bei der zu treffenden Billigkeitsentscheidung zu berücksichtigen.
VolltextIBRRS 2011, 3714
VK Hessen, Beschluss vom 07.10.2011 - 69d-VK-34/2011
1. Die nach § 20 Abs. 1 VOF zu treffende Prognoseentscheidung des Auftraggebers, welcher Bieter am ehesten die Gewähr für eine sachgerechte und qualitätsvolle Leistungserbringung bietet, erfordert die Bildung eines Rankings der am konkreten Wettbewerb teilnehmenden Bieter.
2. Die vom Bieter zu verlangenden Erklärungen und Nachweise müssen geeignet sein, eine Bestenauslese zu ermöglichen.
3. Eine bloß objektive Wertung anhand vorab definierter Standards führt zu einer von der VOF nicht gewollten Überbewertung der Honorare.
VolltextIBRRS 2011, 3710
VK Sachsen, Beschluss vom 08.07.2011 - 1/SVK/027-11
1. Nach dem Offenkundigkeitsprinzip hat das Vertretergeschäft nur dann unmittelbare Fremdwirkung, wenn der Vertreter erkennbar im Namen des Vertretenen auftritt. Derjenige, der bei einem Vertragsschluss im fremden Namen auftreten will, muss dies ausdrücklich- d.h. durch eine ausdrückliche Erklärung, oder nach den Umständen eindeutig erkennen lassen.*)
2. Das stellvertretungsrechtliche Offenkundigkeitsprinzip dient dem Schutz des Vertragspartners, hier dem öffentlichen Auftraggeber, der ein besonderes Interesse daran hat, zu wissen mit wem er letztendlich einen Vertrag eingehen wird und ob sein Gegenüber auch tatsächlich für die Erbringung der Leistung geeignet ist. Unter vergaberechtlichen Gesichtspunkten sind an diese Offenkundigkeit erhöhte Anforderungen zu stellen, da gerade aufgrund möglicher komplizierter gesellschaftsrechtlicher Verflechtungen konzernverbundener Unternehmen klar sein muss, ob auch derjenige Vertragspartner werden wird, dessen Eignung man zuvor im Teilnahmewettbewerb intensiv geprüft hat.*)
3. Ein öffentlicher Auftraggeber ist nach § 18 EG Satz 1 VOL/A 2009 zwar zur Angebotsaufklärung berechtigt, in der Regel aber nicht verpflichtet. Die Informationsgewinnung in einem Aufklärungsgespräch darf nur dahingehend erfolgen, sich über die Eignung des Bieters, insbesondere seine technische und wirtschaftliche Leistungsfähigkeit, das Angebot selbst, etwaige Nebenangebote, die Art der geplanten Durchführung oder bspw. die Angemessenheit des Preises zu informieren.*)
4. Das Akteneinsichtsrecht ist nur in dem Umfang gegeben, in dem es zur Durchsetzung der Rechte der Antragstellerin aus § 97 Abs. 7 GWB erforderlich ist. Bei einem unzulässigen Nachprüfungsantrag kann ein Akteneinsichtsrecht in der Regel nicht mehr der Durchsetzung der Rechte des Antragstellers dienen, denn hypothetische Mängel der Angebotswertung können sich nicht (mehr) auf dessen Rechtsstellung auswirken.*)
5. § 112 Abs. 1 Satz 3 GWB gestattet der Vergabekammer eine Entscheidung nach Lage der Akten bei Unzulässigkeit des Antrags. Die Anwendung der Vorschrift erfordert nicht, dass der Antrag "offensichtlich" unzulässig ist. Denn anders als in § 110 Abs. 2 Satz 1 GWB ist in § 112 Abs. 1 Satz 3 GWB das Attribut "offensichtlich" nur der Unbegründetheit und nicht auch der Unzulässigkeit zugeordnet.*)
VolltextIBRRS 2011, 3709
VK Sachsen, Beschluss vom 16.05.2011 - 1/SVK/016-11
Auch wenn der Auftraggeber überschießende Produktanforderungen in den Vergabeunterlagen aufstellt, greift eine diesbezügliche Selbstbindung. Er ist daher bei der Ermittlung des wirtschaftlichsten Angebotes gebunden, nur solche Angebote zu berücksichtigen, die diesen überzogenen Produktanforderungen gerecht werden. Nach Öffnung der Angebote ist dem Auftraggeber ein nachträglicher Verzicht auf diese Produktanforderungen zu Gunsten eines günstigeren Angebotes untersagt.*)
VolltextIBRRS 2011, 3704
VK Sachsen, Beschluss vom 19.05.2011 - 1/SVK/015-11
1. Das ursprünglich in § 8 Nr. 1 Abs. 3 VOL/A 2006 enthaltene Gebot, dass dem Auftragnehmer kein "ungewöhnliches Wagnis" aufgebürdet werden dürfe, ist im Zuge der Novellierung der VOL/A 2009 ersatzlos entfallen, während hingegen dieses Postulat in § 7 Abs. 1 Nr. 3 VOB/A 2009 weiterhin besteht. Allerdings ist es Aufgabe der Vergabekammer, unter dem Tatbestandsmerkmal der eindeutigen und erschöpfenden Leistungsbeschreibung zu prüfen, ob die Verdingungsunterlagen eine angemessene Risikoverteilung enthalten.*)
2. Schließt ein Auftraggeber bei einem Liefervertrag über Tausalz jegliche Abnahmeverpflichtung aus, so werden die Risiken des Vertrages in vergaberechtswidriger Weise einseitig zu Lasten des Auftragnehmers verschoben. Es kann aber ebenso wenig Verpflichtung des Auftraggebers sein, die branchentypischen Wagnisse eines solchen Liefervertrages für die Bieter vollständig zu übernehmen.*)
Volltext