Bau-, Architekten- und Immobilienrecht.
Volltexturteile nach Sachgebieten
10835 Entscheidungen insgesamt
Online seit 2010
IBRRS 2010, 1391OLG Schleswig, Urteil vom 09.04.2010 - 1 U 27/10
Anspruchsbegründende Wirkung vermögen Erstmaßnahmen der Vergabestelle auszulösen, die die Bewerbungs- bzw. Auftragschancen eines Bieters konkret und in rechtswidriger Weise gefährden. Die Durchführung einer Angebotseröffnung gehört nicht dazu.
VolltextIBRRS 2010, 1383
VK Südbayern, Beschluss vom 10.12.2009 - Z3-3-3194-1-59-10/09
Notwendiger Inhalt einer Rüge ist, dass der Auftraggeber in der Rolle eines "verständigen Dritten" objektiv erkennen können muss, welcher Sachverhalt aus welchem Grund als Verstoß gegen vergaberechtliche Vorschriften gesehen wird. Eine Bitte um die Beantwortung von in einem Schreiben aufgeworfener Fragen reicht hierzu nicht aus.
IBRRS 2010, 1382
LG Flensburg, Urteil vom 22.03.2010 - 4 O 67/10
Die Fehlerhaftigkeit der Ausschreibungsunterlagen begründet keinen Anspruch darauf, den Submissionstermin bis zur Entscheidung der Vergabeprüfstelle hinauszuschieben. Eine weitgehende Verpflichtung kann bei Abwägung der beiderseitigen Interessen aus dem zwischen den Parteien bestehenden vorvertraglichen Schuldverhältnis nicht abgeleitet werden.
VolltextIBRRS 2010, 1380
VK Lüneburg, Beschluss vom 08.01.2010 - VgK-74/2009
1. Ein Bieter darf sich nicht mutwillig einer positiven Kenntnisnahme von vermeintlichen, anschließend im Rahmen eines Nachprüfungsverfahrens geltend gemachten Vergabeverstößen verschließen.
2. Die Frage, ob ein vertraglich aufgebürdetes Wagnis ungewöhnlich und damit unzulässig ist, ist im Einzelfall unter Berücksichtigung von Art und Umfang der nachgefragten Leistung sowie unter Beachtung des Gesichtspunkt der Branchenüblichkeit zu klären. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass § 8 Abs. 1 Nr. 3 VOL/A nicht ausschließt, dass die Beteiligten den Rahmen des Zulässigen ausschöpfen.
3. Ist eine einseitige Verlängerungsoption hinreichend bestimmt und insbesondere hinsichtlich Laufzeit und Umfang eindeutig begrenzt, so wird dem Auftragnehmer kein ungewöhnliches Wagnis im Sinne des § 8 Nr. 1 Abs. 3 VOL/A aufgebürdet, wenn er in der Lage ist, die entsprechenden Risiken zu kalkulieren.
VolltextIBRRS 2010, 1379
VK Brandenburg, Beschluss vom 16.12.2009 - VK 42/09
1. Ist das Angebot eines Antragstellers von der Wertung auszuschließen, kann der weitere Fortgang des Vergabeverfahrens grundsätzlich weder seine Interessen berühren, noch kann der Antragsteller durch eine etwaige Nichtbeachtung vergaberechtlicher Bestimmungen in seinen Rechten nach § 97 Abs. 7 GWB verletzt sein. Es sei denn, dass auch alle anderen tatsächlich in die Wertung gelangten Angebote hätten ausgeschlossen und (zum Beispiel) ein neues Vergabeverfahren hätte durchgeführt werden müssen.
2. Das Gebot, die Bieter gleich zu behandeln (§ 97 Abs. 2 GWB), verpflichtet den öffentlichen Auftraggeber, solche Angebote, die vergaberechtlich an demselben oder einem gleichartigen Mangel leiden, vergaberechtlich gleich zu behandeln, d. h. aus dem übereinstimmend vorliegenden Mangel jener Angebote vergaberechtlich dieselben Konsequenzen zu ziehen.
3. Zusätzliche Zahlungsbedingungen führen zum Ausschluss des Angebots.
4. Es unterliegt grundsätzlich keinen Bedenken, wenn der Auftraggeber Anforderungen, die er ursprünglich für ein ordnungsgemäßes Angebot aufgestellt hat, nachträglich modifiziert, wenn diese Änderung gegenüber allen Bietern vorgenommen wird, die sich am Verfahren beteiligt haben.
VolltextIBRRS 2010, 1378
VK Brandenburg, Beschluss vom 19.01.2010 - VK 47/09
1. Die Rügeobliegenheit entfällt für solche Vergaberechtsfehler, die der antragstellenden Partei erst während des laufenden Nachprüfungsverfahrens bekannt werden, weil dann deren Zweck, ein Nachprüfungsverfahren zu vermeiden, nicht mehr erreicht werden kann.
2. § 9a VOL/A ist richtlinienkonform dahin auszulegen, dass der öffentliche Auftraggeber sich nicht darauf beschränken darf, die Zuschlagskriterien als solche zu benennen; vielmehr hat er den Bietern auch von ihm zu den Zuschlagskriterien aufgestellte Unterkriterien ("alle Zuschlagskriterien") Mitzuteilen.
3. Zu der Frage, wann der Auftraggeber nachträglich Unterkriterien und ihre Gewichtung festlegen kann.
4. Ist der Auftraggeber aus nachvollziehbaren Gründen (zum Beispiel wegen der Komplexität des Auftragsgegenstandes) erst kurz vor Ablauf der Frist zur Angebotsabgabe in der Lage, die Unterkriterien sowie deren Gewichtung festzulegen, muss er die spätere Festlegung den Bietern nachträglich bekannt geben, sofern die Kenntnis davon die Vorbereitung der Angebote beeinflussen kann. Darüber hinaus hat der Auftraggeber den Bietern Gelegenheit zu einer Änderung oder Anpassung der Angebote, soweit diese bereits vorbereitet sind, zu geben. Notfalls hat dies dadurch zu geschehen, indem die Frist zur Angebotsabgabe verlängert wird.
VolltextIBRRS 2010, 1377
VK Brandenburg, Beschluss vom 01.02.2010 - VK 1/10
In formaler Hinsicht muss eine Rüge den vermeintlichen Vergabeverstoß bezeichnen und die Aufforderung an den Auftraggeber enthalten, den Verstoß zu beseitigen.
VolltextIBRRS 2010, 1368
OLG Frankfurt, Beschluss vom 23.03.2010 - 11 Verg 9/09
1. Auch soweit sich die Verfahrensgebühr für das Verfahren vor der Vergabekammer nach Nr. 2301 RVG-VV richtet, weil der Anwalt bereits im Vergabeverfahren tätig war, kommt der Ansatz der Höchstgebühr nur in Frage, wenn es sich um ein überdurchschnittlich schwieriges oder umfangreiches Nachprüfungsverfahren handelt.*)
2. Handelt es sich um eine tatsächlich und rechtlich nicht einfache Sache und hat eine mündliche Verhandlung stattgefunden, kann eine 1,1-fache Gebühr im Einzelfall angemessen sein.*)
VolltextIBRRS 2010, 1358
VK Münster, Beschluss vom 11.12.2009 - VK 23/09
1. Versäumt die Vergabestelle, den Interessenten Mindestanforderungen für Nebenangebote zu nennen, dann ist sie verpflichtet, alle Nebenangebote aus der Wertung zu nehmen. Auf die Gleichwertigkeit kommt es dann nicht mehr an.*)
2. Als Nebenangebote werden Vorschläge eines Bieters angesehen, die in technischer, wirtschaftlicher oder rechtlicher Hinsicht eine andere Lösung anbieten und eben nicht nur ein alternatives - aber gleichwertiges- Produkt benennen.*)
3. Die Vergabestelle bestimmt allein den Gegenstand und Inhalt der Beschaffung. Die Grenze wird erst erreicht, wenn eine wettbewerbsfeindliche Verengung des Angebotsmarktes eintritt.*)
VolltextIBRRS 2010, 1357
VK Münster, Beschluss vom 18.03.2010 - VK 2/10
1. Auf einen formalen Bieterstatus kommt es bei Anwendung des § 101b Abs. 2 GWB nicht an.*)
2. Die Nachprüfung gemäß § 101b Abs. 2 GWB kann aber nur derjenige beantragen, der antragsbefugt nach § 107 Abs. 2 GWB ist.*)
VolltextIBRRS 2010, 1293
Generalanwalt beim EuGH, Schlussanträge vom 15.04.2010 - Rs. C-74/09
1. Der freie Dienstleistungsverkehr und die Richtlinie 93/37/EWG stehen einem im innerstaatlichen Recht oder in den Ausschreibungsbedingungen aufgestellten Erfordernis der steuerrechtlichen Registrierung von Unternehmern aus anderen Mitgliedstaaten als Bedingung für ihre Teilnahme an Vergabeverfahren über öffentliche Aufträge nicht entgegen, sofern das Verfahren der Registrierung
- die Beteiligung dieser Unternehmer an einem Vergabeverfahren weder erschwert noch verzögert und sie auch nicht mit zusätzlichen Verwaltungskosten befrachtet und
- sich seinem Gegenstand nach auf die Feststellung und Bescheinigung der beruflichen Eignung und Zuverlässigkeit dieser Unternehmer im Sinne von Art. 24 Abs. 1 der Richtlinie 93/37 beschränkt.*)
2. Art. 24 Abs. 2 zweiter Gedankenstrich der Richtlinie 93/37 verbietet es nicht, ausländische Unternehmer als Voraussetzung für ihre Teilnahme an einem Vergabeverfahren zu verpflichten, die von den Behörden ihres Herkunftslands ausgestellten Bescheinigungen über die ordnungsgemäße Entrichtung von Steuern und Sozialabgaben einer anderen Stelle als dem öffentlichen Auftraggeber zur Prüfung vorzulegen, sofern diese Stelle
- nach ihrer Zusammensetzung und Arbeitsweise eine hinreichende Gewähr für die Einhaltung der unionsrechtlichen Vorgaben bietet und
- sich in einer summarischen Prüfung darauf beschränkt, sicherzustellen, dass die jeweilige Bescheinigung aktuellen Datums ist sowie dass sie echt ist und nicht von einer offensichtlich unzuständigen Behörde ausgestellt wurde.
Soweit es das nationale Recht dieser Stelle erlaubt, vom Unternehmer Informationen und Unterlagen zu verlangen, die in der Richtlinie 93/37 nicht vorgesehen sind, darf von einer solchen Befugnis gegenüber einem Unternehmer aus einem anderen Mitgliedstaat kein Gebrauch gemacht werden.*)
VolltextIBRRS 2010, 1290
OLG Düsseldorf, Beschluss vom 15.03.2010 - Verg 12/10
Zu der Frage, welche Bedeutung die Übergabe von Unterlagen mit dem Angebot in einem gesondert verschlossenen Umschlag hat, die Öffnung des Umschlags vom Bieter unter eine Bedingung gestellt wird.
VolltextIBRRS 2010, 1288
Generalanwalt beim EuGH, Schlussanträge vom 14.04.2010 - Rs. C-271/08
1. Tarifvertraglich determinierte Rahmenvereinbarungen fallen grundsätzlich in den Geltungsbereich der Niederlassungs- und der Dienstleistungsfreiheit fallen, und damit grundsätzlich auch in den Geltungsbereich der auf diese Grundfreiheiten gestützten Vergaberichtlinie.
2. Wird festgestellt, dass mit einer tarifvertraglich determinierten Rahmenvereinbarung gegen die Dienstleistungsrichtlinie 92/50/EWG bzw. gegen die Richtlinie 2004/18/EG verstoßen worden ist, ist allerdings die besondere Stellung des Rechts auf Kollektivverhandlungen und der Tarifautonomie als soziale Grundrechte zu berücksichtigen. Dabei muss anhand der konkreten Umstände des Falls geprüft werden, ob diese Nichtbeachtung der Vergaberichtlinien auf die Ausübung der sozialen Grundrechte auf Kollektivverhandlungen und der Tarifautonomie zurückzuführen ist und, wenn ja, ob eine Einschränkung der Ausübung dieser sozialen Grundrechte durch die in den Vergaberichtlinien enthaltenen Verpflichtungen im Licht der Grundfreiheiten als gerechtfertigt zu betrachten ist.
VolltextIBRRS 2010, 1287
EuGH, Urteil vom 13.04.2010 - Rs. C-91/08
1. Weisen Änderungen der Bestimmungen eines Dienstleistungskonzessionsvertrags wesentlich andere Merkmale auf als die, welche die Vergabe des ursprünglichen Konzessionsvertrags gerechtfertigt haben, und lassen damit den Willen der Parteien zur Neuverhandlung wesentlicher Bestimmungen dieses Vertrags erkennen, müssen alle zur Wiederherstellung der Transparenz des Verfahrens erforderlichen Maßnahmen, zu denen auch ein neues Vergabeverfahren gehört, nach Maßgabe des innerstaatlichen Rechts des betroffenen Mitgliedstaats gewährt werden. Gegebenenfalls muss das neue Vergabeverfahren nach Modalitäten durchgeführt werden, die den Besonderheiten der betreffenden Dienstleistungskonzession angepasst sind, und ermöglichen, dass ein im Gebiet eines anderen Mitgliedstaats ansässiges Unternehmen vor Vergabe der Konzession Zugang zu den diese betreffenden angemessenen Informationen erhält.*)
2. Schließt ein konzessioniertes Unternehmen einen Vertrag über Dienstleistungen, die vom Geltungsbereich der ihm von einer Gebietskörperschaft erteilten Konzession erfasst werden, besteht die aus den Art. 43 EG und 49 EG sowie dem Grundsatz der Gleichbehandlung und dem Verbot der Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit fließende Transparenzpflicht nicht, sofern dieses Unternehmen
- von dieser Gebietskörperschaft zum Zweck der Abfallentsorgung und Stadtreinigung gegründet wurde, aber auch auf dem Markt tätig ist,
- zu 51 % dieser Gebietskörperschaft gehört, Gesellschafterbeschlüsse jedoch nur mit einer Mehrheit von drei Vierteln der Stimmen seiner Gesellschafterversammlung gefasst werden können,
- einen Aufsichtsrat hat, dessen Mitglieder einschließlich seines Vorsitzenden nur zu einem Viertel von dieser Gebietskörperschaft bestellt werden, und
- mehr als die Hälfte seiner Umsätze aus gegenseitigen Verträgen über die Abfallentsorgung und Straßenreinigung im Gebiet dieser Körperschaft erzielt, wobei sich diese hierfür über kommunale Abgaben ihrer Bürger refinanziert.*)
3. Der Grundsatz der Gleichbehandlung und das Verbot der Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit, die in den Art. 43 EG und 49 EG verankert sind, sowie die daraus fließende Transparenzpflicht verpflichten nicht in allen Fällen, in denen behauptet wird, dass diese Pflicht bei der Vergabe von Dienstleistungskonzessionen verletzt worden sei, die nationalen Behörden zur Kündigung eines Vertrags und die nationalen Gerichte zu einer Unterlassungsanordnung. Es ist Sache des innerstaatlichen Rechts, die Rechtsschutzmöglichkeiten, die den Schutz der dem Bürger aus dieser Pflicht erwachsenden Rechte gewährleisten sollen, so zu regeln, dass sie nicht weniger günstig ausgestaltet sind als die entsprechenden innerstaatlichen Rechtsschutzmöglichkeiten und die Ausübung dieser Rechte nicht praktisch unmöglich machen oder übermäßig erschweren. Die Transparenzpflicht ergibt sich unmittelbar aus den Art. 43 EG und 49 EG, die in den innerstaatlichen Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten unmittelbare Wirkung haben und jeder entgegenstehenden Bestimmung der nationalen Rechtsordnungen vorgehen.*)
IBRRS 2010, 1264
VK Lüneburg, Beschluss vom 24.02.2009 - VgK-57/08
1. Von vornherein unzulässig sind solche Nebenangebote oder Sondervorschläge, bei denen die konkurrierenden Bieter bei objektiver Betrachtung nicht damit rechnen konnten, dass sie angeboten werden.
2. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn sie von den verbindlichen Festlegungen in den Verdingungsunterlagen, namentlich von den festgelegten Mindestbedingungen für Nebenangebote abweichen.
VolltextIBRRS 2010, 1201
OLG Jena, Beschluss vom 05.03.2010 - 9 Verg 2/08
1. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren nach den §§ 116 ff. GWB ist, wenn es um die Vergabe einer Dienstleistungskonzession mit einer befristeten Laufzeit von mehr als 48 Monaten geht (hier Wasserversorgung und Abwasserentsorgung für 20 Jahre und einer Option auf weitere 5 Jahre), auf der Grundlage der gesamten Vertragslaufzeit zu ermitteln. Der Auftragswert ergibt sich aus denjenigen Erlösen, die der Auftragnehmer nach dem Inhalt seines Angebots aus der Verwertung seiner Leistung während der Vertragslaufzeit voraussichtlich erzielen wird.*)
2. Ändert der Antragsteller während des Beschwerdeverfahrens seinen Antrag dahin, festzustellen, dass er in seinen Rechten auf Einhaltung des Vergaberechts verletzt sei, hat das keinen Einfluss auf den Streitwert.*)
VolltextIBRRS 2010, 1199
BGH, Beschluss vom 25.03.2010 - VII ZR 160/09
1. Ist der nach § 2 Nr. 3 Abs. 2 oder § 2 Nr. 5 VOB/B zu vereinbarende Einheitspreis für Mehrmengen außerordentlich überhöht (hier: um mehr als das achthundertfache), weil der Auftragnehmer in der betreffenden Position des Leistungsverzeichnisses einen ähnlich überhöhten Einheitspreis für die ausgeschriebene Menge angeboten hat, besteht eine Vermutung für ein sittlich verwerfliches Gewinnstreben des Auftragnehmers.
2. Diese Vermutung kann nur durch Angaben zur Preisbildung widerlegt werden, die den Schluss auf ein sittlich verwerfliches Gewinnstreben ausschließen (gegen OLG Jena, IBR 2009, 634).
VolltextIBRRS 2010, 1162
VK Münster, Beschluss vom 14.01.2010 - VK 24/09
1. Die Zuverlässigkeit eines Bieters kann gemäß § 7 Nr. 5 lit. c) VOL/A in jedem Stadium des Vergabeverfahrens überprüft werden.*)
2. § 7 Nr. 5 VOL/A eröffnet den Vergabestellen aber lediglich einen Beurteilungsspielraum. Sie sind bei der Prüfung der Zuverlässigkeit eines Bieters nicht verpflichtet, mögliche Verstöße gegen Gesetze wie § 4 Nr. 9 UWG nachweisbar zu ermitteln. Es kommt lediglich darauf an, dass die Beurteilungsentscheidung (Prognoseentscheidung) sachlich nachvollziehbar ist.*)
3. Auch eine Vergabekammer ist nach § 110 GWB nicht verpflichtet, Verstößen gegen das UWG nachzugehen.*)
VolltextIBRRS 2010, 1160
VK Brandenburg, Beschluss vom 25.02.2009 - VK 6/09
1. Wegen des verfassungsrechtlichen Gebotes, den Bietern einen effektiven Rechtsschutz zu gewährleisten, sind an die Darlegung der Zulässigkeitsvoraussetzungen keine allzu hohen Anforderungen zu stellen. Es genügt die schlüssige Darlegung.
2. Ein Nachprüfungsantrag ist offensichtlich unbegründet, wenn bei der vorgenommenen Wertung weitere Bieter (außer demjenigen, der den Zuschlag erhalten hat) vor dem Antragsteller rangieren und Ausschließungsgründe für die vorgehenden Angebote weder vorgetragen wurden noch offensichtlich sind.
VolltextIBRRS 2010, 1159
VK Brandenburg, Beschluss vom 08.04.2009 - VK 17/09
1. Dass sich ein Antragsteller unter den von ihm als vergaberechtswidrig angegriffenen Bedingungen nicht weiter an dem Vergabeverfahren beteiligt, lässt sein Rechtsschutzbedürfnis nicht entfallen, wenn die weitere Teilnahme als nicht zumutbar erscheint.
2. Der Dialog ist eine Art "Vorverfahren zur Bestimmung des Auftragsgegenstandes".
3. Im Verhandlungsverfahren darf der öffentliche Auftraggeber den Bietern feste Fristen für die Überarbeitung ihrer Lösungsvorschläge setzen.
4. Die Nachprüfungsinstanzen können die Fristenregelung des Auftraggebers nur darauf überprüfen, ob das vorgeschriebene Verfahren eingehalten worden ist, der zu Grunde gelegte Sachverhalt vollständig und zutreffend ermittelt worden ist, keine sachwidrigen Erwägungen angestellt wurden und nicht gegen allgemeine Bewertungsgrundsätze verstoßen worden ist.
5. Die Umstände, die auf eine Angemessenheit der Frist schließen lassen, müssen nicht mit einer prozessualer Tatsachenfeststellung entsprechenden Gewissheit feststehen. Vielmehr reicht es aus, wenn die Umstände auf einer gesicherten Erkenntnis der Vergabestelle beruhen.
6. Im wettbewerblichen Dialog hat jeder Teilnehmer Anspruch darauf, dass ihm die Position, die er nach Abschluss einer Dialogphase erreicht hat, von einem anderen Teilnehmer nicht mit Verspätung wieder abgenommen wird.
7. Ein Zuschnitt der Überarbeitungsfrist auf eine kleine Anzahl von Teilnehmern kann bei besonderer Eilbedürftigkeit gerechtfertigt sein.
8. Die sukzessive Beschränkung auf immer weniger Verhandlungspartner mit dem Ergebnis, dass am Ende nur noch ein Bewerber verbleibt, ist für sich noch keine Diskriminierung.
9. Die Regel des "echten Wettbewerbes" ist auch dann noch gewahrt, wenn der öffentliche Auftraggeber die Zahl der Teilnehmer bis auf minimal zwei reduziert.
VolltextIBRRS 2010, 1155
VK Münster, Beschluss vom 14.01.2010 - VK 26/09
1. Kommt es erst nach Wertung der Vergabestelle zu einer unterschiedlichen Auslegung der Vergabeunterlagen, gilt § 107 Abs. 3 Nr. 1 GWB und nicht etwa § 107 Abs. 3 Nr. 3 GWB.*)
2. Für das Verständnis der Leistungsbeschreibung ist auf den nach den Maßstäben der §§ 133, 157 BGB zu ermittelnden objektiven Empfängerhorizont eines verständigen und sachkundigen Bieters , der mit Beschaffungsleistungen der vorliegenden Art vertraut ist, abzustellen.*)
3. Die Vergabestellen sind nicht verpflichtet, geforderte Nachweise der Bieter zur Eignung, wie die Nennung von Umsatzzahlen oder Referenzen, auf ihre materielle Richtigkeit zu überprüfen, wenn es dafür keinen Anlass gibt.*)
IBRRS 2010, 1154
VK Münster, Beschluss vom 22.01.2010 - VK 29/09 E
Die Interessen der Antragsgegnerin an einer Vorabgestattung des Zuschlags für den vor ihr beantragten Teil an der Gesamtbaumaßnahme rechtfertigen hier gemäß § 115 Abs. 2 GWB ausnahmsweise die Zuschlagserteilung auf den Teilbereich.*)
VolltextIBRRS 2010, 1153
VK Münster, Beschluss vom 11.02.2010 - VK 29/09
1. Es ist zwischen der formellen und materiellen Eignungsprüfung zu unterscheiden. Die inhaltliche Überprüfung von Referenzen erfolgt im Rahmen der materiellen Eignungsprüfung; insoweit steht der Vergabestelle ein Beurteilungsspielraum zu, der nur beschränkt nachprüfbar ist.*)
2. Bei Abweichungen eines Bieterangebots von den in den Verdingungsunterlagen gemachten Vorgaben, müssen die Vorgaben in den Verdingungsunterlagen klar und unmissverständlich sein. Etwaige Zweifel gehen nicht zu Lasten der Bieter.*)
VolltextIBRRS 2010, 1152
VK Münster, Beschluss vom 18.02.2010 - VK 28/09
Öffentliche Auftraggeber können nicht sämtliche Komponenten eines Auftrages zusammenfassen und dann, wenn eine technische Besonderheit zu beachten ist, sämtliche Leistungen dem "Wettbewerb entziehen", indem nicht produktneutral ausgeschrieben wird.*)
VolltextIBRRS 2010, 1059
VK Schleswig-Holstein, Beschluss vom 14.01.2010 - VK-SH 25/09
1. Im Rahmen des Auftrags "Einsammlung und Transport von PPK" steht das Zuschlagskriterium "Zahlung von Tariflöhnen" nicht in sachlichem Zusammenhang mit der zu erbringenden Leistung und ist vergaberechtswidrig.
2. Die Aufstellung eines vergaberechtswidrigen Zuschlagskriteriums kann ein "Verschulden" im Sinne des § 128 Abs. 3 Satz 3 GWB darstellen. Hat ein Antragsgegner auf diese Weise die Antragstellung verschuldet, ist er auch dann an den Kosten zu beteiligen, wenn sich das Verfahren vor Sachentscheidung durch Rücknahme des Nachprüfungsantrags erledigt hat.
VolltextIBRRS 2010, 1055
VK Bund, Beschluss vom 05.03.2010 - VK 1-16/10
Zur Frage der Rechtzeitigkeit einer Rüge.
VolltextIBRRS 2010, 0990
OLG Düsseldorf, Beschluss vom 07.01.2010 - Verg 40/09
Einer geänderten Streitwertfestsetzung nach § 63 Abs. 3 GKG zu Grunde zu legen ist das Angebot, das der Antragsteller in dem Vergabeverfahren eingereicht hat, welches zu dem Vergabenachprüfungsverfahren geführt hat.
VolltextIBRRS 2010, 0987
OLG Düsseldorf, Beschluss vom 09.12.2009 - Verg 37/09
1. Der öffentliche Auftraggeber hat Erklärungen - wie etwa ein Tragfähigkeitsnachweis von Rammpfählen -, welche die Bieter mit dem Angebot vorlegen sollen, in den (mit der Aufforderung zur Angebotsabgabe übermittelten) Vergabeunterlagen eindeutig und unmissverständlich anzugeben, so dass sie aus der maßgebenden Sicht eines fachkundigen, verständigen Bieters als solche einwandfrei zu erkennen sind.
2. Verlangt der Auftraggeber solche Nachweise nicht, so werden eingehenden Angebote zwar auf die Einhaltung der Mindestanforderungen überprüft; dies ist jedoch nicht mit einer an die Bieter gerichteten Aufforderung gleichzusetzen, deren Einhaltung bereits mit dem Angebot nachzuweisen ist.
VolltextIBRRS 2010, 0975
OLG Düsseldorf, Beschluss vom 17.02.2010 - Verg 42/09
1. Die Beschaffungsentscheidung des öffentlichen Auftraggebers ist nur daraufhin zu kontrollieren, ob sie auf sach- und auftragsbezogenen Gründen beruht.
2. Eine weitergehende Überprüfung insbesondere auf sachliche Richtigkeit oder Nachvollziehbarkeit der Gründe ist mit dem Bestimmungsrecht des Auftraggebers unvereinbar.
VolltextIBRRS 2010, 0974
VK Bund, Beschluss vom 05.08.2009 - VK 1-128/09
1. Die im Vergabeverfahren bereitgestellten Muster sind mit Bietererklärungen gleichzusetzen.
2. Weicht das Muster vom angebotenen Produkt ab, liegt ein Widerspruch vor, der zwingend zum Ausschluss des Bieters führt.
3. Ein öffentlicher Auftraggeber ist grundsätzlich frei, welche Zuschlagskriterien er festlegt und wie er diese im Verhältnis zueinander gewichtet.
VolltextIBRRS 2010, 0973
OLG Saarbrücken, Beschluss vom 25.01.2010 - 1 W 333/09
Der Streitwert eines einstweiligen Verfügungsverfahrens zur Erlangung von Vergaberechtsschutz unterhalb der Schwellenwerte beträgt 5% der Bruttoangebotssumme.
VolltextIBRRS 2010, 0958
OLG Brandenburg, Beschluss vom 09.02.2010 - Verg W 9/09
1. Die Berufung auf die Leistungen eines anderen Unternehmens - zum Beispiel der Muttergesellschaft - im Rahmen des Nachweises der Leistung und Fachkunde ist zulässig; sie ist nach § 7 a Nr. 3 Abs. 6 S. 2 VOL/A aber davon abhängig, dass der Bieter den Nachweis darüber führt, dass ihm die erforderlichen Mittel des anderen Unternehmens bei der Erfüllung des Auftrages zur Verfügung stehen; er muss deutlich machen, dass ein Zugriffsrecht auf fremde Ressourcen tatsächlich besteht.
2. Diesem Anfordernis genügt es nicht, wenn zwar uneingeschränkt die Vorlage der Nachweise der Muttergesellschaft zugunsten der Tochtergesellschaft gebilligt wird, eine verbindliche Vereinbarung über die Überlassung bestimmter, zur Erfüllung des Auftrages erforderlicher Mittel jedoch nicht getroffen, sondern einer späteren Vereinbarung vorbehalten wird.
VolltextIBRRS 2010, 0957
LSG Hessen, Beschluss vom 15.12.2009 - L 1 KR 337/09 ER Verg
1. Eine Rüge setzt voraus, dass der Auftraggeber erkennen kann, dass der Bieter einen Vergaberechtsverstoß unmittelbar beanstanden und nicht nur eine bloße Frage stellen oder eine Bitte um Klarstellung äußern will.
2. Rügen dürfen nicht unter die Bedingung gestellt werden, dass der Auftraggeber zunächst Fragen beantwortet oder aus der Sicht des Bieters vorhandene offene Punkte klärt. Der Bieter darf die Rüge nicht unter eine Bedingung stellen.
3. Bei der Ausschreibung von medizinischen Hilfsmitteln im Wege einer Rahmenvereinbarung verletzt eine Leistungsbeschreibung nicht § 8 Nr. 1 Abs. 1 und 3 VOL/A, wenn der Bedarf auf der Grundlage der Fallzahlen aus einem kürzlich zurückliegenden Zeitraum ermittelt wird. Der Auftraggeberin, einer Krankenkasse, ist eine genauere Ermittlung nicht möglich, weil diese von objektiven und subjektiven Faktoren, nämlich der Erkrankungsfälle und der ärztlichen Verordnungen, abhängt, die zum Zeitpunkt der Bekanntmachung nicht absehbar sind und auf die sie selbst keinen Einfluss hat.
VolltextIBRRS 2010, 0955
VK Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 17.11.2009 - VK 2-51/09
1. In Fällen, in denen der Bieter ein unverschuldetes Informationsdefizit hat, muss es genügen, dass er konkrete Tatsachen vorträgt, die den hinreichenden Verdacht eines Vergaberechtsverstoßes begründen. Jedoch reicht die bloße Negierung der Vollständigkeit der Angebote ohne weiteren Tatsachenvortrag für eine substantiierte Rüge nicht aus.
2. Die Voraussetzungen der Antragsbefugnis unter dem Gesichtspunkt der Schadensdarlegungslast sind erfüllt, sofern insoweit die schlüssige Behauptung des Bieters vorliegt, dass er ohne die Rechtsverletzung eine Chance auf Zuschlagserteilung hätte.
3. Ergibt sich aus den Vergabeunterlagen nicht eindeutig, dass eine bestimmte Erklärung schon mit dem Angebot vorliegen muss, so kann deren Fehlen bei Angebotsabgabe den Ausschluss nicht rechtfertigen.
4. Bei der Prüfung der Eignung handelt es sich um eine Prognoseentscheidung, bei der der Vergabestelle ein Bewertungsspielraum zusteht. Die Nachprüfungsbehörden haben sich auf die Prüfung zu beschränken, ob die Prognose eine hinreichende Tatsachengrundlage hat und sich innerhalb des der Vergabestelle im Einzelfall zustehenden Spielraums bewegt.
5. Bei Dienstleistungen mit mehrjähriger Vertragslaufzeit setzt die Eignung nicht voraus, dass ein Bieter, der sich um einen Auftrag bemüht, bereits bei der Angebotsabgabe "auf Vorrat" über sämtliche sachlichen und personellen Ressourcen verfüg, die im Falle der Auftragserteilung benötigt werden.
VolltextIBRRS 2010, 0951
EuGH, Urteil vom 25.03.2010 - Rs. C-451/08
1. Der Begriff "öffentliche Bauaufträge" im Sinne von Art. 1 Abs. 2 Buchst. b der Richtlinie 2004/18/EG setzt nicht voraus, dass die Bauleistung, die Gegenstand des Auftrags ist, in einem gegenständlichen oder körperlich zu verstehenden Sinn für den öffentlichen Auftraggeber beschafft wird, wenn sie diesem unmittelbar wirtschaftlich zugutekommt. Die Ausübung von städtebaulichen Regelungszuständigkeiten durch den öffentlichen Auftraggeber genügt nicht, um diese letztgenannte Voraussetzung zu erfüllen.*)
2. Der Begriff "öffentliche Bauaufträge" im Sinne von Art. 1 Abs. 2 Buchst. b der Richtlinie 2004/18/EG erfordert, dass der Auftragnehmer direkt oder indirekt die Verpflichtung zur Erbringung der Bauleistungen, die Gegenstand des Auftrags sind, übernimmt und dass es sich um eine nach den im nationalen Recht geregelten Modalitäten einklagbare Verpflichtung handelt.*)
3. Die "vom öffentlichen Auftraggeber genannten Erfordernisse" im Sinne der dritten in Art. 1 Abs. 2 Buchst. b der Richtlinie 2004/18/EG genannten Fallgestaltung können nicht in dem bloßen Umstand bestehen, dass eine Behörde bestimmte, ihr vorgelegte Baupläne prüft oder in Ausübung ihrer städtebaulichen Regelungszuständigkeiten eine Entscheidung trifft.*)
4. Unter Umständen wie denen des Ausgangsverfahrens ist eine öffentliche Baukonzession im Sinne von Art. 1 Abs. 3 der Richtlinie 2004/18/EG abzulehnen.*)
5. Die Bestimmungen der Richtlinie 2004/18 finden unter Umständen wie denen des Ausgangsverfahrens keine Anwendung auf eine Situation, in der eine öffentliche Stelle ein Grundstück an ein Unternehmen veräußert, während eine andere öffentliche Stelle beabsichtigt, einen öffentlichen Bauauftrag in Bezug auf dieses Grundstück zu vergeben, auch wenn sie noch nicht formell beschlossen hat, den entsprechenden Auftrag zu erteilen.*)
VolltextIBRRS 2010, 0943
VK Köln, Beschluss vom 03.08.2009 - VK VOB 13/2009
Der einmal zulässige Rechtsweg kann nicht im Nachhinein für unzulässig erklärt werden. Der Rechtsweg kann nur von Anfang an nicht zulässig sein.
VolltextIBRRS 2010, 0934
VK Nordbayern, Beschluss vom 25.02.2010 - 21.VK-3194-04/10
1. Eine unzulässige Mischkalkulation erfordert ein "Abpreisen" bestimmter Leistungen auf einen offensichtlich zu niedrigen Einheitspreis, wie z.B. einen kalkulatorisch nicht nachvollziehbaren Cent-Betrag, das durch eine "Aufpreisung" im Sinne einer bewussten "Verteuerung" einzelner Leistungspositionen ausgeglichen wird.*)
2. Der Vorwurf einer unzulässigen Preiszuordnung in einer Position erfordert ein eindeutiges und unmissverständliches Leistungsverzeichnis. Eine Leistung kann erst dann als positionsfremd angesehen werden, wenn die Angabe des Preises für eine Leistung unter einer Position erfolgt, obwohl die Angabe des Preises klar und objektiv erkennbar in einer anderen Position des Leistungsverzeichnisses gefordert worden war. Fehlt es an einer Anforderung, bestimmte Kosten in einer bestimmten Position einzustellen, ist der Bieter in seiner Zuordnung frei.*)
VolltextIBRRS 2010, 0931
BGH, Urteil vom 26.01.2010 - X ZR 86/08
Die Rechtsprechung, wonach regelmäßig eine Verurteilung zu Schadensersatz wegen eines Vergabefehlers des Auftraggebers nur in Betracht kommt, wenn der Kläger bei in jeder Hinsicht rechtmäßigem Vergabeverfahren den Auftrag hätte erhalten müssen, gilt auch für Fälle, in denen dem Kläger im fehlerhaften Vergabeverfahren der Zuschlag erteilt worden ist.*)
VolltextIBRRS 2010, 0880
VK Münster, Beschluss vom 18.03.2010 - VK 1/10
1. Unwirksamkeit eines öffentlichen Auftrages gemäß § 101b Abs. 1 Nr. 2 GWB.*)
2. Abgrenzung eines Dienstleistungsauftrages von einer Dienstleistungskonzession.*)
3. Wesentliche Änderungen in bestehenden Verträgen unterliegen dem Vergaberechtsregime.)
4. Im Falle von de facto Vergaben kommt es nicht auf den formalen Bieter- oder Bewerberstatus eines Antragstellers an, sondern auch Interessenten, die wesentliche Teilleistungen ausführen wollen, können in ihren Rechten verletzt sein.
5. Zu der Frage, ob die Vergabe von Schienenpersonennahverkehrsleistungen ausgeschrieben werden muss (Abgrenzung Dienstleistungsauftrag/-konzession).
6. Freihändige Vergabe bedeutet nicht, dass nur mit einem Bieter verhandelt werden kann. Die Beteiligung mehrerer Unternehmen ist nur dann entbehrlich, wenn dies im Einzelfall nicht möglich oder nicht zweckmäßig ist. Das ist vor allem dann der Fall, wenn aus besonderen objektiven Gründen nur ein Unternehmen für die Ausführung der Leistung in Betracht kommt.
7. Nur wenn der Auftraggeber infolge einer Markterkundung festgestellt hat, dass nur ein bestimmtes Unternehmen den Auftrag ausführen kann, sind die Anforderungen des § 3 Nr. 4 a VOL/A erfüllt.
8. Wesentliche Änderungen der Bestimmungen in einem öffentlichen Auftrag während der Geltungsdauer sind als Neuvergabe eines Auftrags anzusehen.
VolltextIBRRS 2010, 0774
VK Bund, Beschluss vom 11.03.2010 - VK 3-18/10
1. Findet sich an keiner Stelle des Angebots ein Hinweis des Bieters, dass er ein Nebenangebot abgegeben wollte, ist die Umdeutung eines Haupt- in ein Nebenangebot unzulässig.
2. Werden die technische Vorgaben - hier: Modulabstände und Betriebsgewicht einer Kühldecke - überschritten, so ist das Angebot zwingend auszuschließen.
3. Ein Angebot lässt sich nicht nach § 25 Nr. 4 VOB/A wie ein Hauptangebot werten, wenn eine eindeutige Bezeichnung der Abweichung und der Nachweis der Gleichwertigkeit fehlen.
VolltextIBRRS 2010, 0754
OLG Koblenz, Beschluss vom 15.10.2009 - 1 Verg 9/09
1. § 25 Nr. 2 Abs. 3 VOL/A hat grundsätzlich keine bieterschützende Wirkung, was zur Folge hat, dass ein Antragsteller in aller Regel den Zuschlag auf ein Unterkostenangebot nicht mit einem Nachprüfungsantrag verhindern kann.*)
2. Die Prüfung der Eignung (§ 97 Abs. 4 Satz 1 GWB) obliegt nicht den Vergabekammern und -senaten, sondern dem Auftraggeber. Er allein hat darüber zu befinden, ob er einem Bieter eine fachgerechte und reibungslose Vertragserfüllung zutraut.*)
3. Die Nachprüfungsbehörden dürfen die Bewertung des Auftraggebers keinesfalls durch eine eigene ersetzen. Sie haben sich vielmehr auf die Prüfung zu beschränken, ob die Prognose eine hinreichende Tatsachengrundlage hat und sich innerhalb des der Vergabestelle im Einzelfall zustehenden Spielraums bewegt.*)
4. Prüfungsgrundlage ist einzig und allein der Vergabevermerk, nicht das Vorbringen des (Verfahrensbevollmächtigten des) Auftraggebers im Nachprüfungsverfahren.*)
5. Eine fehlerhafte oder nicht ordnungsgemäß dokumentierte Eignungsprüfung kann auch während eines laufenden Nachprüfungsverfahrens wiederholt werden.*)
VolltextIBRRS 2010, 0700
OLG Celle, Beschluss vom 04.03.2010 - 13 Verg 1/10
§ 107 Abs. 3 Nr. 4 GWB enthält eine Rechtsbehelfsfrist, auf die nach § 17a Nr. 1 VOL/A 2006 i.V.m. Ziff. VI. 4. 2 Anhang II der Verordnung (EG) Nr. 1564/2005 in der Veröffentlichung der Vergabebekanntmachung hinzuweisen ist.*)
VolltextIBRRS 2010, 0696
VK Nordbayern, Beschluss vom 10.02.2010 - 21.VK-3194-01/10
1. Eine Rüge, die erst nach nahezu zwei Monaten erfolgt, ist nicht mehr unverzüglich gem. § 107 Abs. 3 Nr. 1 GWB. Allerdings ist aufgrund der Entscheidung des EuGH vom 28.01.2010 Az. C-406/08 fraglich, ob § 107 Abs. 3 Nr. 1 GWB im Einklang mit der Rechtsmittelrichtlinie 89/665/EWG steht und deswegen unbeachtet bleiben muss.*)
2. Der Zuschlag ist auf das wirtschaftlichste Angebot zu erteilen (§ 97 Abs. 5 GWB ). Aus diesem Wortlaut ergibt sich nicht, dass das wirtschaftlichste Angebot nicht schlicht nach dem Preis als alleiniges Zuschlagskriterium ermittelt werden darf.*)
VolltextIBRRS 2010, 0685
VK Bund, Beschluss vom 28.01.2008 - VK 2-162/07
(Ohne amtlichen Leitsatz)
VolltextIBRRS 2010, 0684
OLG Brandenburg, Beschluss vom 18.02.2010 - Verg W 2/10
1. Es bestehen Bedenken gegen die Zulässigkeit der Beschwerde, wenn mit der Beschwerde lediglich ein Antrag auf Aufhebung der Entscheidung der Vergabekammer und Zurückverweisung des Verfahrens gestellt wird, im Verfahren vor der Vergabekammer nacheinander zwei einander inhaltlich ausschließende Anträge gestellt worden sind und die Ausführungen in der Beschwerdebegründung nur einen dieser Anträge tragen.*)
2. Will der Auftraggeber Managementleistungen für sein Unternehmen für einen mehrjährigen Zeitraum vergeben, muss er ein Angebot ausschließen, das im vom Bieter vorzulegenden Businessplan mehrere Jahre vor dem Ende des Leistungszeitraums eine über der Managementvergütung liegende Liquiditätslücke aufweist. Modellannahmen in einem Businessplan dürfen nicht derart sein, dass sie in der Realität dazu führen würden, dass der Auftraggeber einen Insolvenzantrag stellen und damit das Konzept vor Ende der Laufzeit scheitern muss.*)
VolltextIBRRS 2010, 0634
VK Sachsen, Beschluss vom 16.12.2009 - 1/SVK/057-09
1. Eine fehlende Preisangabe kann nicht dahingehend ausgelegt werden, dass der Bieter für diese Leistung keinen Preis beansprucht.*)
2. Der Einwand, fehlende Preisangaben müssten 0 € bedeuten, da eine Zusammenrechnung der übrigen Preisangaben die entsprechende Summe ergeben würden, geht fehl, da damit die Eindeutigkeit des Angebots nicht mit letzter Sicherheit gegeben ist. Unterstellte man, dass eine Preisangabe schlichtweg vergessen wurde, so führt eine mit einem Tabellenkalkulationsprogramm durchgeführte Addition immer zu einer richtigen Summe. Auch sind Fälle denkbar, in denen ein anderer Bearbeiter als derjenige, der die Einzelpreise errechnet, die Gesamtaddition durchführt.*)
3. Blieben fehlende Preisangaben Nachverhandlungen vorbehalten, könnte der Bieter sein Angebot nach Abgabe noch erheblich, möglicherweise entscheidend verändern. Dies ist mit dem Wettbewerbs- und Gleichbehandlungsgrundsatz nach § 97 Abs. 1 u. 2 GWB nicht vereinbar. Auch die Klärung von widersprüchlichen Preisangaben kann nicht Gegenstand einer zulässigen Nachverhandlung sein. Lässt man die Modifizierung von wesentlichen Preisangaben eines Angebots in einer Nachverhandlung zu, so eröffnet man dem jeweiligen Bieter - gegebenenfalls in Zusammenspiel mit dem Auftraggeber - einen unkontrollierbaren Spielraum zur nachträglichen Manipulation von wertungsrelevanten Positionen.*)
VolltextIBRRS 2010, 0627
VK Sachsen, Beschluss vom 14.09.2009 - 1/SVK/042-09
1. Auch bei einem unzulässigen Vergabenachprüfungsantrag hat die Vergabekammer zunächst ihre Zuständigkeit und damit das Erreichen des Schwellenwertes zu prüfen.*)
2. Eine verbotene Umgehung der a-Paragrafen der VOB/A liegt vor, wenn eine einzige Baumaßnahme dergestalt aufgeteilt wird, dass einzelne, sich in Wirklichkeit als Los eines einzigen Bauwerkes darstellende Aufträge vergeben werden und die Aufteilung dieser einen baulichen Anlage nicht durch objektive Gründe gerechtfertigt ist.*)
3. Zur Bestimmung der geschätzten Gesamtvergütung nach § 3 Abs. 1 und 5 VgV ist die Summe aus allen Bauaufträgen für ein Bauvorhaben zu ermitteln. Erforderlich ist demnach ein funktionaler Zusammenhang der Einzelaufträge in technischer und wirtschaftlicher Hinsicht.*)
4. Komplexe Bauvorhaben, die in verschiedenen Phasen realisiert werden, sind nur dann kein Gesamtbauwerk, wenn die unterschiedlichen baulichen Anlagen ohne Beeinträchtigung ihrer Vollständigkeit und Benutzbarkeit auch getrennt voneinander errichtet werden können.*)
VolltextIBRRS 2010, 0626
VK Sachsen, Beschluss vom 08.01.2010 - 1/SVK/059-09
Auch im Verhandlungsverfahren ist die Auswahlentscheidung und differenzierte Bewertung der Angebote transparent und nachvollziehbar zu gestalten. Insoweit muss im Nachgang nachvollziehbar sein, in welcher Hinsicht die Angebote besser oder schlechter zu bewerten waren. Dies kann im Regelfall nur gelingen, wenn der Auftraggeber im Vorfeld einen Bewertungsmaßstab aufstellt. Um sich selbst die Entscheidung bei der Auswahl des späteren Auftragnehmers zu erleichtern und Willkürvorwürfen vorzubeugen, kann es sich für den Auftraggeber, auch im Verhandlungsverfahren empfehlen, vorab eine Bewertungsskala (Matrix) aufzustellen. Durch eine Punktebewertung der einzelnen Auftragskriterien im Rahmen einer Bewertungsskala mit der jeweiligen Zuordnung zu den Bewerbern wird darüber hinaus auch die Aufnahme in den Vergabevermerk gem. § 18 VOF transparenter und damit letztlich auch nachvollziehbarer. Eine lediglich "vergleichende" Bewertung unabhängig von jedweden fixierten Wertungsmaßstäben ist vergaberechtswidrig.*)
VolltextIBRRS 2010, 0576
OLG Düsseldorf, Beschluss vom 02.12.2009 - Verg 39/09
1. Auch bei Planungswettbewerben nach §§ 20, 25 VOF ist schon mit Rücksicht auf den nach der Rechtsmittelrichtlinie zu gewährleistenden effektiven Primärrechts-schutz ein weites, grundsätzlich alle Preisträger einbeziehendes Verständnis des Begriffs des Bieters im Sinne des § 13 Satz 1 VgV angebracht.*)
2. Die Erfüllung der Mindestanforderungen für eine Teilnahme am Planungswettbe-werb ist nicht notwendig gleichzuerachten mit der Eignung zur Ausführung der Leistung. Sie geben insoweit nur das zu fordernde Mindestmaß vor. Dagegen dürfen weitere Planungsleistungen einem Preisträger nur übertragen werden, wenn er eine einwandfreie Ausführung der zu übertragenden Leistung gewährleistet und sonstige wichtige Gründe der Beauftragung nicht entgegenstehen (§ 25 Abs. 9 VOF).*)
3. Die im Rahmen der Eignungswertung an die Prüfungstiefe und den Grad der Erkenntnissicherheit zu richtenden Anforderungen sind auch am Interesse des öffentlichen Auftraggebers an einer zügigen Beschaffung und an einem raschen Abschluss des Vergabeverfahrens sowie daran zu messen, dass der Auftraggeber innerhalb der bestimmungsgemäß kurzen Frist, in der die Entscheidung über die Auftragsvergabe zu treffen ist, in der Regel nur über begrenzte Ressourcen und administrative Möglichkeiten zu weiteren Überprüfungen verfügt. Unter dem Gesichtspunkt der Zumutbarkeit ist von daher eine gewisse Begrenzung der dem Auftraggeber obliegenden Aufklärungs- und Prüfungsaufgaben geboten.*)
4. Für die Entscheidung, ob ein Bewerber oder Bieter auf Grund seiner Eigenerklärungen als geeignet zu beurteilen ist, ist nicht erforderlich, dass der öffentliche Auftraggeber sämtliche in Betracht kommenden Erkenntnisquellen ausschöpft, um die gemachten Angaben zu verifizieren. Die Entscheidung ist hinzunehmen, wenn sie methodisch vertretbar gewonnen worden ist, sich auf eine befriedigende Erkenntnislage stützt und die Prognose unter Berücksichtigung der aufgrund zumutbarer Aufklärung gewonnenen Erkenntnisse (noch) vertretbar erscheint.*)
5. Auch wenn vergaberechtlich zuzulassen ist, dass sich der Auftragnehmer bei der Ausführung der Leistung der Kapazitäten anderer Unternehmen bedient, muss doch sichergestellt sein, dass seine inhaltlichen und materiellen Befugnisse im Hinblick auf die Leistungserbringung seinem rechtlichen Status als Vertrags-partner entsprechen, die als Subunternehmer (-planer) einzusetzenden Unter-nehmen also keinen beherrschenden Einfluss auf die Ausführung erlangen können. Dazu sind die zwischen dem Auftragnehmer und Subunternehmern getroffenen Absprachen auszuwerten.
IBRRS 2010, 0575
OLG Brandenburg, Beschluss vom 09.02.2010 - Verg W 10/09
1. Ein Nachprüfungsantrag ist unzulässig, wenn der an dritter Stelle liegende Antragsteller lediglich darlegt, dass der für den Zuschlag vorgesehene Bieter von der Wertung auszuschließen ist, weil dessen Ausscheiden allein ihm keine Aussicht darauf eröffnet, den Zuschlag selbst zu erhalten.*)
2. Der Nachweis der Leistungsfähigkeit und Fachkunde wird durch eine bloße Erklärung der Muttergesellschaft des Bieters, dass die Vorlage der Nachweise der Muttergesellschaft zugunsten der Tochtergesellschaft gebilligt werde, nicht geführt. Darin liegt nicht die notwendige verbindliche Vereinbarung über die Überlassung zur Erfüllung des Auftrages erforderlicher Mittel.*)
3. Die Vergabekammer darf den für die Prüfung des Nachprüfungsantrages notwendigen Sachverhalt von Amts wegen ermitteln. Sind infolge der Rüge des Antragstellers die Referenzen eines Bieters zu prüfen, darf die Vergabekammer eine unzulässige Bezugnahme auf Nachweise Dritter nicht nur bei dem von der Rüge betroffenen Los, sondern auch bei anderen Losen berücksichtigen, wenn sich die Prüfung innerhalb des Rechtsschutzziels des Antragstellers hält.*)
4. Unterliegen der Antragsteller und die Beigeladene, die sich am Verfahren vor der Vergabekammer beteiligt und das Verfahren insoweit gefördert hat, jeweils teilweise, ist die Beigeladene an der Erstattung der notwendigen Auslagen des Antragstellers zu beteiligen. Soweit die Beigeladene obsiegt hat, entspricht die Kostenentscheidung zu Lasten des Antragstellers hinsichtlich der notwendigen Aufwendungen der Beigeladenen der Billigkeit.*)
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