Bau-, Architekten- und Immobilienrecht.
Volltexturteile nach Sachgebieten
10834 Entscheidungen insgesamt
Online seit 2008
IBRRS 2008, 0937OLG Düsseldorf, Beschluss vom 23.01.2008 - Verg 36/07
1. Es bedarf gemäß § 107 Abs. 2 GWB der konkreten Darlegung mindestens eines Vergaberechtsverstoßes, um den Zugang zu einem Nachprüfungsverfahren zu erhalten. Hierfür reicht die völlig vage und pauschale Behauptung einer Rechtsverletzung nicht aus.
2. Damit der öffentliche Auftraggeber in die Lage versetzt wird, die gerügten Mängel abzustellen, muss der Rüge eine konkrete vergaberechtliche Beanstandung zu entnehmen sein.
3. Bei der Frage, ob ausnahmsweise Leitfabrikate vorgegeben werden können, steht dem Auftraggeber ein Beurteilungsermessen zu. Die Vorgabe von Bio-Filterdeckeln eines Herstellers für Müllgefäße kann insoweit zulässig sein.
4. Der Auftraggeber hat entgegen der Formulierung des § 17 Nr. 3 Abs. 2 lit. l) VOL/A als sollvorschrift in der Angebotsaufforderung die mit dem Angebot vorzulegenden Eignungsnachweise zwingend zu wiederholen.
5. Die Forderung nach einem "Nachweis der Erfüllung der steuerlichen Verpflichtungen durch Bescheinigungen der zuständigen Stellen" kann durch die Bescheinigung des zuständigen Finanzamtes, dass bei der Abführung von Umsatz- und Lohnsteuer, d.h. bei den wirtschaftlich und damit für die Beurteilung der Zuverlässigkeit bedeutendsten Steuerarten keine Rückstände bestehen, erfüllt werden.
IBRRS 2008, 0936
OLG Naumburg, Beschluss vom 07.03.2008 - 1 Verg 1/08
1. Der Antragsteller in einem vergaberechtlichen Nachprüfungsverfahren, der sofortige Beschwerde gegen eine ihn teilweise materiell und formell beschwerende Entscheidung der Vergabekammer eingelegt hat, hat grundsätzlich ein schutzwürdiges Interesse an einer Anordnung der Verlängerung des prozessualen Zuschlagverbots i.S. von § 118 Abs. 1 Satz 3 GWB.*)
2. Die Anordnung der Wiederholung der Wertung durch die Vergabekammer beinhaltet kein generelles Zuschlagsverbot i.S.v. § 118 Abs. 3 GWB, sondern macht einen Zuschlag lediglich von weiteren vorherigen Maßnahmen abgängig, die durchaus im Verlaufe des Nachprüfungsverfahrens geschaffen werden können (entgegen OLG Düsseldorf, Beschluss v. 12. Juli 2004, VII-Verg 39/04 - NZBau 2004, 520; OLG München, Beschluss v. 17. Mai 2005, Verg 9/05, OLG Celle, Beschluss v. 5. März 2007, 13 Verg 5/06 - VergabeR 2007, 554).*)
3. Die gleiche prozessuale Unsicherheit besteht für den Antragsteller, wenn ihm ein Rechtsschutzbedürfnis an einer Entscheidung nach § 118 Abs. 1 Satz 3, Abs. 2 GWB aberkannt wird, weil sich das Vergabeverfahren nach Einschätzung des Vergabesenats in einem Stadium befindet, in welchem es nicht oder zumindest nicht auf absehbare Zeit zu einem wirksamen Zuschlag kommen kann (entgegen OLG München, Beschluss v. 5 November 2007, Verg 12/07).*)
4. Das Rechtsschutzbedürfnis eines Bieters an einer Anordnung der Verlängerung des prozessualen Zuschlagsverbots entfällt auch nicht etwa im Hinblick auf § 13 VgV.*)
VolltextIBRRS 2008, 0932
OLG Dresden, Beschluss vom 25.01.2008 - WVerg 10/07
1. Auch Vergaben nachrangiger Dienstleistungen nach Anhang I B zur VOL/A (2. Abschnitt) sind der Kontrolle durch die Nachprüfungsorgane unterworfen.*)
2. Die Zulässigkeit eines Nachprüfungsantrags hängt regelmäßig nicht davon ab, wieviel Zeit zwischen der Rüge und seiner Einreichung verstrichen ist.*)
3. Die übereinstimmende Aufhebung einer vom Auftraggeber zuvor erklärten Kündigung eines Dienstleistungsauftrages mit der Folge einer von den Parteien gewollten Vertragsverlängerung stellt eine Neuvergabe dar.*)
4. Wird als Folge einer Aufhebung eines Vergabeverfahrens durch die Vergabekammer eine auf eine mehrjährige Leistungserbringung angelegte Vergabe neu ausgeschrieben, so sind Verhandlungen über eine Zwischenlösung bis zum Abschluss dieses Vertrages und seiner Umsetzung mit den Unternehmen zu führen, die sich an der aufgehobenen Ausschreibung mit einem Angebot beteiligt haben, das keine oder jedenfalls keine unter Gleichheitsgesichtspunkten beachtlichen Mängel aufgewiesen hat. Ein im Ergebnis von Verhandlungen mit nur einem der Bieter geschlossener Vertrag über eine Zwischenlösung ist in entsprechender Anwendung von § 13 S. 6 VgV nichtig.*)
VolltextIBRRS 2008, 0931
VK Saarland, Beschluss vom 30.11.2007 - 1 VK 5/2007
1. Als Maßstab für die Rechtzeitigkeit von Rügen gegen behauptete Rechtsverstöße in den Verdingungsunterlagen ist nicht § 107 Abs. 3 Satz 2 GWB, sondern dessen Satz 1 anzulegen. Fehler in den Verdingungsunterlagen werden von § 107 Abs. 3 Satz 2 GWB nämlich nicht mehr erfasst, da die Verdingungsunterlagen nicht mehr zur Bekanntmachung i.S. des Satz 2 gehören. Daher entscheidet nicht die vom Auftraggeber benannte Frist zur Angebotsabgabe darüber, ob die Rüge des Antragstellers noch unverzüglich war oder nicht. Von einem sachkundigen Bieter ist vielmehr zu erwarten, dass er innerhalb einer, höchstens aber zwei Wochen nach Zugang der Verdingungsunterlagen, diese auf Verständlichkeit und Vollständigkeit geprüft hat. Er darf damit keineswegs bis vier Tage vor Abgabe seines Angebotes gegenüber dem Auftraggeber warten, um dann bei Durchsicht der Unterlagen festzustellen, dass ihm die Erstellung eines Angebotes nach Maßgabe der Verdingungsunterlagen infolge des Zeitablaufes oder anderer Gründe innerhalb der vier Tage nicht mehr möglich ist.*)
2. § 107 Abs. 3 Satz 1 GWB stellt auf das Erkennen des Vergaberechtsverstoßes ab, nicht auf das Erkennen des Schadens. Daher kommt es für die Beurteilung der Unverzüglichkeit einer Rüge nicht auf den Zeitpunkt an, in dem dem Bieter klar wird, dass seine Bemühungen um Abgabe eines Angebotes endgültig gescheitert sind. Zu diesem Zeitpunkt hat er vielmehr erkannt, dass der Vergaberechtsverstoß bei ihm zu einem Schaden geführt hat, weil ihm die Möglichkeit genommen wird, z.B. wegen der Kürze der ihm noch verbleibenden Angebotsfrist, am Vergabeverfahren teilzunehmen.*)
3. § 107 Abs. 2 GWB - Antragsbefugnis bei Nichtabgabe eines Angebotes
Hat der Antragsteller mit der Behauptung, er habe mangels Kalkulierbarkeit der ihm im Rahmen der Leistungsbeschreibung abverlangten Leistungen/Garantien kein Angebot abgeben können, von einer Bewerbung im Vergabeverfahren Abstand genommen, so ist er nur antragsbefugt nach Maßgabe von § 107 Abs. 2 GWB, wenn er schlüssig darlegt, warum er gerade durch die geltend gemachten Vergaberechtsverstöße an der Angebotsabgabe gehindert war. Den Antragsteller trifft insoweit bei Nichtabgabe eines Angebotes eine erhöhte Darlegungs- und Begründungspflicht, um das erforderliche Interesse am Auftrag nachzuweisen. Insbesondere muss er den (Schlüssigkeits-) Beweis der Ursächlichkeit der behaupteten Vergabefehler für die Nichtteilnahme mit einem Angebot im angegriffenen Vergabeverfahren darlegen.*)
VolltextIBRRS 2008, 0867
OLG Düsseldorf, Beschluss vom 23.01.2008 - Verg 31/07
1. Kenntnis im Sinn von § 107 Abs. 3 Satz 1 GWB verlangt nicht nur eine positive Kenntnis aller tatsächlichen Tatumstände, aus denen die Beanstandung im Nachprüfungsverfahren abgeleitet wird, sondern auch die zumindest laienhafte rechtliche Wertung, dass sich aus ihnen eine Missachtung von Bestimmungen über das Vergabeverfahren ergibt.
2. § 9a VOL/A ist richtlinienkonform dahin auszulegen, dass der öffentliche Auftraggeber sich nicht darauf beschränken darf, die Zuschlagskriterien als solche zu benennen, sondern den Bietern auch von ihm zu den Zuschlagskriterien aufgestellte Unterkriterien („alle Zuschlagskriterien“) mitzuteilen hat.
3. Die Festlegung von Unterkriterien und ihrer Gewichtung nach Veröffentlichung der Bekanntmachung und Versendung der Verdingungsunterlagen unterliegt nach der Rechtsprechung des EuGH drei Beschränkungen: Der öffentliche Auftraggeber darf keine Unterkriterien aufstellen, welche die bekannt gegebenen Zuschlagskriterien abändern. Die nachträglich die Unterkriterien betreffende Entscheidung darf keine Gesichtspunkte enthalten, die die Vorbereitung der Angebote hätten beeinflussen können, wenn sie zum Zeitpunkt der Vorbereitung bekannt gewesen wären. Schließlich darf der Auftraggeber keine Unterkriterien festlegen, welche geeignet sind, Bieter zu diskriminieren. Ist nur eine Beschränkung nicht beachtet worden, liegt ein mit dem Gemeinschaftsrecht nicht zu vereinbarender Vergaberechtsverstoß des öffentlichen Auftraggebers vor.
4. Ist der Auftraggeber aus nachvollziehbaren Gründen (z. B. aus haushalterischen Gründen oder wegen der Komplexität des Auftragsgegenstandes) erst kurz vor Ablauf der Frist zur Angebotsabgabe in der Lage, die Zuschlagskriterien und/oder Unterkriterien sowie die Gewichtung festzulegen, muss er die spätere Festlegung den Bietern nachträglich bekannt geben, sofern die Kenntnis davon die Vorbereitung der Angebote beeinflussen kann. Darüber hinaus hat der Auftraggeber den Bietern Gelegenheit zu einer Änderung oder Anpassung der Angebote, soweit diese bereits vorbereitet sind, zu geben. Notfalls hat dies dadurch zu geschehen, indem die Frist zu Angebotsabgabe verlängert wird.
5. Nach § 124 Abs. 2 Satz 1 GWB besteht eine Vorlagepflicht an den BGH, wenn das vorlegende Gericht als tragende Begründung seiner Entscheidung einen Rechtssatz zu Grunde legen will, der mit einem die Entscheidung eines anderen Oberlandesgerichts oder des Bundesgerichtshofs tragenden Rechtssatz nicht übereinstimmt. Dies ist nicht mehr notwendig, wenn in der Zwischenzeit eine Entscheidung eines höchstrangigen Gerichts (z.B. des EuGH oder des Bundesverfassungsgerichts), zu der entscheidungserheblichen Auslegungsfrage ergangen ist.
6. Auf eine Angabe der Zuschlagskriterien in absteigender Reihenfolge kann vom öffentlichen Auftraggeber nur zurückgegriffen werden, wenn eine Gewichtung aus nachvollziehbaren Gründen nicht möglich ist. Dabei muss es sich um vernünftige, die objektiv mit dem Auftragsgegenstand zusammenhängende Gründe handeln. Subjektives Unvermögen oder bloße Zeitnot, in die sich der Auftraggeber selbst gebracht hat, genügen für die Annahme einer Befreiung von der Bekanntmachungspflicht nicht.
7. Die fehlende Bekanntmachung von Unterkriterien und ihre Gewichtung ist auch dann rechtsfehlerhaft, wenn sie allen Bietern nicht mitgeteilt werden.
VolltextIBRRS 2008, 0866
OLG Düsseldorf, Beschluss vom 10.01.2008 - Verg 9/07
Eine sofortige Rücknahme eines Nachprüfungsantrags liegt nur vor, wenn die Rücknahme spätestens vor Antragstellung oder vor Erörterung der Sache in der mündlichen Verhandlung erklärt wird, vorausgesetzt, dass dem Antragsteller die Begründung für den Ausschluss seines Angebot schon bekannt und ihm nach den Umständen des Falles die sofortige Rücknahme zumutbar war.
VolltextIBRRS 2008, 0847
OLG Bremen, Beschluss vom 13.03.2008 - Verg 5/07
1. Müssen die potenziellen Pächter für ein Grundstück nicht nur den Pachtzins angeben, sondern auch ein „Konzept zur Nutzung des Standortes", welches alle für die Errichtung eines Windparks auf den angedienten Pachtgrundstücken erforderlichen Baumaßnahmen im Detail aufführen muss, detailliert darlegen und ist der obsiegende Pächter zudem verpflichtet, innerhalb eines Jahres die Windkraftanlagen gemäß dem vorgelegten Nutzungskonzept zu erstellen und in Betrieb zu nehmen, so handelt es sich bei den ausgeschriebenen Verträgen um eine in die formale Rechtsform des Pachtvertrags eingekleidete öffentliche Baukonzession, auf die das Vergaberecht anzuwenden ist.
2. Dass die zu errichtenden Anlagen nicht Eigentum der Verpächterin werden sollen, sondern im Gegenteil nach Ablauf des auf 20 Jahre befristeten Pachtvertrages auf Kosten des Pächters zu beseitigen sind, ist ohne Relevanz.
VolltextIBRRS 2008, 0845
VK Nordbayern, Beschluss vom 26.02.2008 - 21.VK-3194-02/08
1. Der eigene Auskunftsanspruch der VSt nach § 150 a Abs. 1 Nr. 4 GewO hat nicht zur Folge, dass die VSt gehindert wäre, von den Bewerbern Auszüge aus dem GZR nach § 150 GewO zu verlangen.*)
2. Nach § 25 Nr. 2 Abs. 3 VOL/A darf ein Zuschlag auf Angebote nicht erteilt werden, deren Preise in offenbarem Missverhältnis zur Leistung stehen. Diese Vorschrift dient dem Schutz des Auftraggebers und entfaltet seine Drittschutzwirkung nur in Verbindung mit der bieterschützenden Vorschrift des § 2 Nr. 1 Abs. 2 VOL/A, wonach der Auftraggeber wettbewerbsbeschränkende und unlautere Verhaltensweisen zu bekämpfen hat. Selbst ein Angebot mit einem offenbaren Missverhältnis zwischen Preis und Leistung kann demnach nur ausgeschlossen werden, wenn es mit der zielgerichteten Absicht eines Verdrängungswettbewerbs abgegeben wurde.*)
3. Der Vergabevermerk (§ 30 VOL/A) soll einen nachvollziehbaren Überblick über den Stand des Verfahrens, seinen Ablauf und seinen Inhalt darstellen und eine Überprüfung ermöglichen; er stellt in erster Linie eine Ausformung des Transparenzgebotes dar. Doch kann sich ein Bewerber nur dann auf eine fehlende oder unzureichende Dokumentation stützen, wenn sich die diesbezüglichen Mängel auf seine Rechtsstellung im Vergabeverfahren nachteilig ausgewirkt haben.*)
VolltextIBRRS 2008, 0821
LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 27.02.2008 - L 5 KR 6123/07 ER-B
1. Die Krankenkassen unterliegen nicht nur dem Willkürverbot aus Art. 3 GG. Es kann nicht nur eine sachwidrige Ungleichbehandlung nach Belieben der Krankenkassen verboten sein, im Verfahren der Vertragsvergabe ist vielmehr eine faire Gleichbehandlung aller Bieter geboten. Eine strengere Prüfung ist angebracht, wenn die fragliche Maßnahme in den Schutzbereich eines anderen eingreift - hier die Grundrechte der betroffenen Pharma-Unternehmen -.*)
2. Bei Verfahren zum Abschluss von Rabattverträgen gem. § 130a Abs. 8 SGB V muss zwar kein förmliches Vergabeverfahren stattfinden, es ist jedoch in allen Fällen ein transparentes, diskriminierungsfreies, verhältnismäßiges und nachprüfbares Auswahlverfahren durchzuführen. Hierbei kann nicht außer Acht gelassen werden, dass das Vergaberecht in langer Rechtsentwicklung schon herausgearbeitet hat, was im Zusammenhang mit einer Ausschreibung und der anschließenden Vergabe als fair und transparent anzusehen ist. Es spricht also nichts dagegen, zumindest die Grundsätze des materiellen Vergaberechts der §§ 97 bis 101 GWB entsprechend heranzuziehen, also auch auf die zum Teil im Vergaberecht nach dem GWB i. V. m. der VOL/A zum Ausdruck kommenden Regelungen für ein "faires Ausschreibungsverfahren" zurückzugreifen.*)
3. Der gem. § 130a Abs. 9 SGB V von der Sozialgerichtsbarkeit insgesamt zu gewährende Rechtsschutz wird dann gewährleistet, wenn das Vergaberecht entsprechend auch auf Ausschreibungen von Rabattverträgen angewendet wird, allerdings mit der Maßgabe, dass vorrangig die Vorschriften des materiellen Sozialrechts gelten und innerhalb dieses Rahmens bei der Umsetzung öffentlich-rechtlicher Aufträge vergaberechtliche Grundsätze heranzuziehen sind. Konkret bedeutet dies, dass das SGB V überall dort zur Anwendung kommt, wo pharmazeutische Unternehmer nicht als Bieter, sondern als Adressat von Rechten und Pflichten nach dem SGB V angesprochen sind (wie etwa in § 130a Abs. 8 SGB V). Erst dort, wo eine Ausschreibung stattfindet, sind ihre Rechte als Bieter entsprechend dem Vergaberecht zu beachten.*)
4. Die Krankenkassen müssen die Leistungen so erschöpfend beschreiben, dass alle Bewerber die Beschreibung im gleichen Sinne verstehen und die Angebote miteinander verglichen werden können. Vorhandene Zahlen über das zu erwartende Verordnungsvolumen müssen die Krankenkassen den Bietern zur Verfügung stellen, um den Bietern eine zuverlässige Preisermittlung zu ermöglichen.*)
5. Die Krankenkassen müssen ihre Ausschreibung in Lose zerlegen, um auch kleineren und mittleren Unternehmen eine Beteiligung bei umsatzstarken Wirkstoffen zu ermöglichen. Dies folgt auch aus dem rundsatz der Verhältnismäßigkeit, weil wegen des in Bezug auf die Versicherten der Krankenkasse zu erwartenden bundesweiten "faktischen Verkaufsverbots" (vgl. § 129 Abs. 1 Satz 3 SGB V) nicht zum Zuge gekommene Bieter in ihrer wirtschaftlichen Existenz bei einer ausschließlich bundesweiten Ausschreibung unverhältnismäßig stark betroffen sind.*)
VolltextIBRRS 2008, 0820
LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 27.02.2008 - L 5 KR 507/08 ER-B
1. Die Krankenkassen unterliegen nicht nur dem Willkürverbot aus Art. 3 GG. Es kann nicht nur eine sachwidrige Ungleichbehandlung nach Belieben der Krankenkassen verboten sein, im Verfahren der Vertragsvergabe ist vielmehr eine faire Gleichbehandlung aller Bieter geboten. Eine strengere Prüfung ist angebracht, wenn die fragliche Maßnahme in den Schutzbereich eines anderen eingreift - hier die Grundrechte der betroffenen Pharma-Unternehmen -.*)
2. Bei Verfahren zum Abschluss von Rabattverträgen gem. § 130a Abs. 8 SGB V muss zwar kein förmliches Vergabeverfahren stattfinden, es ist jedoch in allen Fällen ein transparentes, diskriminierungsfreies, verhältnismäßiges und nachprüfbares Auswahlverfahren durchzuführen. Hierbei kann nicht außer Acht gelassen werden, dass das Vergaberecht in langer Rechtsentwicklung schon herausgearbeitet hat, was im Zusammenhang mit einer Ausschreibung und der anschließenden Vergabe als fair und transparent anzusehen ist. Es spricht also nichts dagegen, zumindest die Grundsätze des materiellen Vergaberechts der §§ 97 bis 101 GWB entsprechend heranzuziehen, also auch auf die zum Teil im Vergaberecht nach dem GWB i. V. m. der VOL/A zum Ausdruck kommenden Regelungen für ein "faires Ausschreibungsverfahren" zurückzugreifen.*)
3. Der gem. § 130a Abs. 9 SGB V von der Sozialgerichtsbarkeit insgesamt zu gewährende Rechtsschutz wird dann gewährleistet, wenn das Vergaberecht entsprechend auch auf Ausschreibungen von Rabattverträgen angewendet wird, allerdings mit der Maßgabe, dass vorrangig die Vorschriften des materiellen Sozialrechts gelten und innerhalb dieses Rahmens bei der Umsetzung öffentlich-rechtlicher Aufträge vergaberechtliche Grundsätze heranzuziehen sind. Konkret bedeutet dies, dass das SGB V überall dort zur Anwendung kommt, wo pharmazeutische Unternehmer nicht als Bieter, sondern als Adressat von Rechten und Pflichten nach dem SGB V angesprochen sind (wie etwa in § 130a Abs. 8 SGB V). Erst dort, wo eine Ausschreibung stattfindet, sind ihre Rechte als Bieter entsprechend dem Vergaberecht zu beachten.*)
4. Die Krankenkassen müssen die Leistungen so erschöpfend beschreiben, dass alle Bewerber die Beschreibung im gleichen Sinne verstehen und die Angebote miteinander verglichen werden können. Vorhandene Zahlen über das zu erwartende Verordnungsvolumen müssen die Krankenkassen den Bietern zur Verfügung stellen, um den Bietern eine zuverlässige Preisermittlung zu ermöglichen.*)
5. Die Krankenkassen müssen ihre Ausschreibung in Lose zerlegen, um auch kleineren und mittleren Unternehmen eine Beteiligung bei umsatzstarken Wirkstoffen zu ermöglichen. Dies folgt auch aus dem rundsatz der Verhältnismäßigkeit, weil wegen des in Bezug auf die Versicherten der Krankenkasse zu erwartenden bundesweiten "faktischen Verkaufsverbots" (vgl. § 129 Abs. 1 Satz 3 SGB V) nicht zum Zuge gekommene Bieter in ihrer wirtschaftlichen Existenz bei einer ausschließlich bundesweiten Ausschreibung unverhältnismäßig stark betroffen sind.*)
VolltextIBRRS 2008, 0766
OLG Jena, Urteil vom 09.05.2007 - 7 U 1046/06
1. Erteilt der Auftraggeber den Zuschlag auf ein zuvor einvernehmlich verändertes Angebot, sind beide Parteien daran gebunden.
2. Das Nachverhandlungsverbot schützt nur die weiteren Teilnehmer am Wettbewerb, nicht den nachverhandelnden Bieter und den Bauherrn.
VolltextIBRRS 2008, 0740
OLG Naumburg, Beschluss vom 01.02.2008 - 1 U 99/07
1. Die Ausschreibung von Leistungspositionen als Grund- und Alternativpositionen ist unzulässig, wenn bei ordnungsgemäßer Vorbereitung der Ausschreibung eine Festlegung auf eine der beiden Alternativen möglich und zumutbar gewesen wäre.*)
2. Wird für die Vergabestelle vor Ablauf der Angebotsfrist erkennbar, welche der ausgeschriebenen Leistungsalternativen benötigt und demzufolge beauftragt werden wird, so ist sie verpflichtet, alle Bieter unverzüglich hierüber zu informieren, damit diese ihr Angebot hierauf einrichten können.*)
3. Ergibt sich aus den Verdingungsunterlagen eindeutig, dass - je nach tatsächlichem Bedarf - entweder nur die Grund- oder nur die Alternativpositionen beauftragt werden und dass die Entscheidung über den tatsächlichen Bedarf vor der Zuschlagserteilung erfolgen soll, dann stellt es keine - vergaberechtswidrige - Abweichung von den bekannt gemachten Zuschlagskriterien dar, wenn bei der preislichen Bewertung der Angebote lediglich die Einzelpreise der Alternativ-, nicht diejenigen der Grundpositionen berücksichtigt werden. Dies gilt jedenfalls für Bauaufträge unterhalb des Schwellenwertes.*)
VolltextIBRRS 2008, 0739
VK Sachsen, Beschluss vom 16.01.2008 - 1/SVK/084-07
1. Wenn in den Ausschreibungsunterlagen Angaben und Erklärungen eindeutig und unzweifelhaft gefordert werden, so ist ein Angebot, das diese Angaben und Erklärungen nicht enthält, zwingend von der Wertung der Angebote nach § 25 Nr. 1 Abs. 1 lit. b VOB/A auszuschließen.*)
2. Sofern die Verdingungsunterlagen vorsehen, dass der Bieter auf Verlangen ein Formblatt EFB-Preis 2 beim Auftraggeber einzureichen hat, so muss dieses, wenn der Bieter ein eigenes von den den Verdingungsunterlagen enthaltenen Formblättern abweichendes Formblatt entwickelt, die gleichen Erklärungen wie die Vorlage in den Verdingungsunterlagen enthalten. So ist das Angebot gemäß § 25 Nr. 1 Abs. 1 lit. b VOB/A i.V.m. § 21 Nr. 1 Abs. 2 Satz 5 VOB/A auszuschließen, wenn die Vorlage die Spalten „Stoffe“ und „Geräte/Sonstiges“ ausweist, das durch den Bieter erstellte Formblatt jedoch lediglich die Spalte „Material“. Selbst wenn man dazu käme, die Spalte „Material“ der Spalte „Stoffe“ gleichzusetzen, so fehlt die Spalte „Geräte/Sonstiges“. Weiterhin ist es ausschlussrelevant, wenn das durch den Bieter erstellte Formblatt abweichend zur Vorlage eine zusätzliche Spalte (hier „psch“) enthält, und hier +++ nicht geforderte Eintragungen vorgenommen wurden. Denn so ist es dem Auftraggeber nämlich nicht möglich, eine Aufgliederung der darin vorgenommenen Beträge in die in der Vorlage abgefragten Einheitspreise nachzuvollziehen.*)
VolltextIBRRS 2008, 0738
VK Sachsen, Beschluss vom 24.01.2008 - 1/SVK/087-07
1. Von wesentlichen Preisangaben i.S.v. § 25 Nr. 1 Abs. 1 (a) VOL/A ist immer dann auszugehen, wenn die fehlenden Preise Einfluss auf die mögliche Wettbewerbsstellung eines Bieters haben können.*)
2. Dem Begehren eines Antragstellers auf Aufhebung des Vergabeverfahrens kann durch die Vergabekammer nicht entsprochen werden, wenn dessen eigenes Angebot ebenso zwingend entsprechend § 25 Nr. 1 Abs. 1 (a) VOL/A vom weiteren Vergabeverfahren auszuschließen ist, wie das Angebot des Zuschlagsbieters und ein weiteres vollständiges Angebot, welches nicht mit einem gleichwertigen Mangel behaftet ist, in der Wertung verbleibt.*)
VolltextIBRRS 2008, 0721
SG Stuttgart, Beschluss vom 20.12.2007 - S 10 KR 8604/07 ER
Für Streitigkeiten, bei denen es um die Erteilung von Zuschlägen zu Angeboten zum Abschluss von Rabattverträgen nach § 130a SGB V geht, ist der Rechtsweg zu den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit eröffnet. Dies folgt bereits aus § 51 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 Sätze 1 und 2 SGG und wird bestätigt und bestärkt durch Wortlaut und Entstehungsgeschichte des § 69 SGB V. Mit Ausnahme der §§ 19 bis 21 GWB sind die Vorschriften des GWB einschließlich der vergaberechtlichen Vorschriften der §§ 97 ff GWB nicht anwendbar. Die gegenteilige Auffassung der Vergabekammer bei der Bezirksregierung Düsseldorf und der Vergabekammer des Bundes sowie des OLG Düsseldorf (z.B. Beschlüsse vom 18./19.12.2007 - VII Verg 44/07 - 51/07) ist abzulehnen.*)
VolltextIBRRS 2008, 0716
LG Hannover, Urteil vom 20.02.2008 - 11 O 397/05
1. Es ist interessengerecht, den Anspruch auf Ersatz der verzögerungsbedingten Mehrkosten auf eine ergänzende Auslegung der vertraglichen Erklärung des Bieters zu stützen.
2. Es ist unzutreffend, die Kosten der verzögerten Vergabe anhand eines abstrakten Erzeugerpreisindex zu ermitteln. Maßgeblich sind vielmehr die konkreten Kalkulationsgrundlagen des Auftragnehmers.
VolltextIBRRS 2008, 0714
VK Baden-Württemberg, Beschluss vom 07.03.2008 - 1 VK 1/08
1. Die im Rahmen eines förmlichen Verfahrens vorgeschriebene Rügeobliegenheit findet nicht außerhalb eines solchen Anwendung.
2. Es liegt nahe, in Übereinstimmung mit dem BayObLG, IBR 2001, 37 und dem VGH Kassel, IBR 2006, 1403 daran festzuhalten, dass es sich bei städtebaulichen Verträgen und darin enthaltenen Bauverpflichtungen nicht um vergaberelevante "Beschaffungsmaßnahmen" handelt.
3. Besteht ein Vertragswerk aus einem Kaufvertrag, einer Baukonzession und einer Dienstleistungskonzession und liegt der Schwerpunkt der Vertragsgestaltung im Bereich der nicht ausschreibungspflichtigen Dienstleistungskonzession, so ist das Vergaberecht nicht anwendbar.
IBRRS 2008, 0700
VK Bremen, Beschluss vom 07.03.2008 - VK 01/08
1. Die Antragsbefugnis ist zu verneinen, wenn dem Angebot des Antragstellers mehrere andere preisgünstigere Angebote vorgehen, bei denen keine Ausschlussgründe vorliegen.
2. Zu der Frage, wann die Eintragung in der Handwerksrolle dem Nachweis eines Meisterbetriebs oder einer vergleichbaren Qualifikation entspricht.
VolltextIBRRS 2008, 0696
OLG Dresden, Urteil vom 22.01.2008 - 20 U 821/07
1. Hat bei einer nach Anspruchsgrundlagen (hier: werkvertragliche Ansprüche auf Architektenhonorar und Schadensersatzansprüche wegen unterbliebener Unterrichtung über eine vergaberechtliche Rüge) gespaltenten örtlichen Zuständigkeit das zunächst angerufene Gericht über einen Anspruch durch Teilurteil entschieden und den anderen verwiesen, so kann dies mit der Berufung jedenfalls dann nicht mehr als verfahrensfehlerhaft angegriffen werden, wenn das Teilurteil in Rechtskraft erwachsen und das zweite Gericht über den verwiesenen Anspruch verhandelt hat, ohne dass die Verweisung beanstandet worden wär. Die Rechtskraft des Teilurteils beschränkt sich auf die Anspruchsgrundlage, für die das erste Gericht seine Zuständigkeit angenommen hat.*)
2. Ein Bieter, der im Rahmen einer öffentlichen Ausschreibung über eine von einem Mitbewerber erhobene Vergaberüge hätte unterrichtet werden müssen, kann bei unterbliebener Information Ersatz seiner bei rechtzeitiger Unterrichtung nicht entstandenen Aufwendungen verlangen. Nicht entstanden wären die Aufwendungen regelmäßig, wenn anzunehmen ist, dass der Verzicht auf sie bei erfolgter Auskunft die einzig rationale und sinnvolle Reaktion des Bieters gewesen wäre.*)
VolltextIBRRS 2008, 0655
VK Hessen, Beschluss vom 05.03.2008 - 69d-VK-06/2008
1. Ist in einem Grundstückskaufvertrag zur Verwirklichung bestimmter städtebaulicher Ziele weder eine ausdrückliche Bauverpflichtung noch ein Hinweis auf städtebauliche Ziele, welche die Kommune verfolgt, enthalten, so liegt kein öffentlicher Bauauftrag im Sinne des § 99 GWB vor (entgegen OLG Düsseldorf, IBR 2007, 505).
2. Selbst ein Rücktrittsrecht der Gemeinde für den Fall der Nichtbebauung kann nicht zur Anwendbarkeit des Vergaberechts führen, weil sie alleine damit noch nicht eine Bebauung des Grundstücks nach ihren (über die Vorgaben des Bebauungsplanes hinausgehenden) Vorstellungen wirtschaftlich durchsetzen kann.
3. Ob im konkreten Fall eine faktische Festlegung des Investors auf die Verwirklichung des (gemeinsam mit der Stadt) entwickelten Projekts besteht oder nicht, ist irrelevant. Aus der Struktur des Begriffs des öffentlichen Auftrages ergibt sich, dass von Kommunen durch die Mittel der Bauleitplanung und/oder durch städtebauliche Verträge begleitete Investorenprojekte in der Regel weder öffentliche Bauaufträge nach § 99 Abs. 3 3. Var. GWB noch Baukonzessionen darstellen.
4. Es fehlt sowohl an einem körperlichen Beschaffungsvorgang als auch am Merkmal der Entgeltlichkeit - jedenfalls solange der Käufer für das Grundstück den marktüblichen Kaufpreis zahlt.
5. Gegen eine Baukonzession spricht, dass dem Käufer zwar das Recht zur Nutzung des Grundstücks übertragen wird, nicht aber das - insoweit allein maßgebliche - Recht zur wirtschaftlichen Nutzung des zu errichtenden Bauwerks.
IBRRS 2008, 0640
EuGH, Urteil vom 18.12.2007 - Rs. C-357/06
1. Art. 26 Abs. 1 und 2 Dienstleistungsrichtlinie 92/50/EWG steht nationalen Bestimmungen entgegen, die Bewerber oder Bieter, die gemäß den Rechtsvorschriften des betreffenden Mitgliedstaats zur Erbringung der betreffenden Dienstleistung berechtigt sind, einschließlich Bietergemeinschaften an der Abgabe von Angeboten in einem Verfahren zur Vergabe öffentlicher Dienstleistungsaufträge, deren Wert den Schwellenwert für die Anwendung der Dienstleistungsrichtlinie 92/50/EWG überschreitet, allein deshalb hindern, weil diese Bewerber oder Bieter nicht die einer bestimmten Kategorie von juristischen Personen entsprechende Rechtsform, nämlich die von Kapitalgesellschaften, haben.*)
2. Es obliegt dem nationalen Gericht, eine innerstaatliche Vorschrift unter voller Ausschöpfung des Beurteilungsspielraums, den ihm das nationale Recht einräumt, in Übereinstimmung mit den Anforderungen des Gemeinschaftsrechts auszulegen und anzuwenden und, soweit eine solche konforme Auslegung nicht möglich ist, Vorschriften des innerstaatlichen Rechts, die diesen Anforderungen nicht entsprechen, unangewendet zu lassen.*)
VolltextIBRRS 2008, 0639
EuGH, Beschluss vom 27.11.2007 - Rs. C-163/07 P
Zu der Frage, ob ein Rechtsmittel beim EuGH unzulässig ist, weil es nicht von einem Anwalt unterschrieben ist, oder ob auf diesen formellen Fehler hätte hingewiesen werden müssen.
VolltextIBRRS 2008, 0638
EuGH, Urteil vom 18.12.2007 - Rs. C-532/03
(Ohne amtlichen Leitsatz)
VolltextIBRRS 2008, 0636
VK Baden-Württemberg, Beschluss vom 07.11.2007 - 1 VK 43/07
1. Bei teils mehrdeutigen und widersprüchlichen Regelungen über die Konsequenzen von nicht vorliegenden Nachweisen kann nicht davon ausgegangen werden, dass ein zwingender Ausschlussgrund vorliegt, wenn die geforderten Nachweise nicht oder nicht vollständig vorgelegt werden.
2. Alle Bieter, die grundsätzlich als geeignet angesehen werden, sind, unabhängig vom Maß der Eignung, in das weitere Verfahren einzubeziehen. Deshalb verbietet sich, nach Bejahung der generellen Eignung, später bei der Feststellung des wirtschaftlichsten Angebots nach § 25 Nr. 3 VOL/A, ein „Mehr an Eignung“ eines Bieters als Kriterium für den Zuschlag zu benennen und zu berücksichtigen.
3. Eine Rüge muss erkennen lassen, dass ein Vergaberechtsverstoß behauptet und seine Beseitigung ernsthaft gefordert wird Darin unterscheidet sich die Rüge von der bloßen Anfrage oder Anregung.
4. Die Entwicklung der Kraftstoffpreise hat grundlegende Auswirkungen auf das vertragliche Gleichgewicht. Eine gesicherte Grundlage für eine Schätzung der künftigen Kraftstoffpreise ist bei der derzeitigen Lage auf dem Rohölmarkt, die von Spekulationen geprägt ist, nicht erkennbar. Im Hinblick auf eine längere Vertragslaufzeit (z.B. von dreieinhalb Jahren) ist der Auftraggeber deshalb verpflichtet, bei der Ausschreibung von Schülerbeförderungsleistungen bezüglich der Kraftstoffpreise eine Preisgleitklausel aufzunehmen, damit den Bietern kein ungewöhnliches Wagnis aufgebürdet wird.
5. Die generelle Ausdehnung der Zuschlags- und Bindefrist bis zum rechtskräftigen Abschluss eventueller Vergabenachprüfungsverfahren verstößt gegen § 19 Nr. 2 VOL/A.
6. Eine in allgemeinen Geschäftsbedingungen getroffene Vertragsstrafenregelung stellt für einen Vertragspartner eine unangemessene Benachteiligung dar, wenn sie einen Höchstsatz von 5% der Auftragssumme überschreitet. Diese Grenze ist auch für Verträge, die nicht aufgrund allgemeiner Geschäftsbedingungen zustande kommen, eine Richtschnur, wobei die Umstände des Einzelfalls und die Bedeutung der Vertragstreue für den Auftraggeber entsprechend zu würdigen sind.
7. Ein außerordentliches Kündigungsrecht des Auftraggebers bei der Ausschreibung von Schülerbeförderungsleistungen für den Fall, dass der Auftraggeber als Schulträger ausscheidet oder Schulen aufgelöst werden, verstößt gegen § 8 Nr. 1 Abs. 3 VOL/A.
8. Ein außerordentliches Kündigungsrecht des Auftraggebers für den Fall, dass ein Gericht rechtskräftig festgestellt hat, dass der Abschluss bzw. die Aufrechterhaltung des Vertrages gegen Vergaberecht verstößt, ist vergaberechtswidrig.
VolltextIBRRS 2008, 0627
VK Lüneburg, Beschluss vom 01.02.2008 - VgK-48/2007
1. Nennt der Bieter trotz Forderung in den Ausschreibungsunterlagen nicht die Erzeugnis- oder Typbezeichnung des dem Angebot zu Grunde liegenden Produkts, so ist er zwingend auszuschließen.
2. Eine fehlende Produktbezeichnung oder Typenangabe kann allerdings dann unschädlich sein, wenn der im Angebot benannte Hersteller zweifelsfrei nur ein einziges geeignetes Produkt anbietet.
3. Ein Preisabstand des niedrigsten Angebotes von mehr als 10 % auf das nächst höhere Angebot führt nicht automatisch zum Zuschlagsverbot wegen eines unangemessen niedrigen Preises gemäß § 25 Nr. 3 Abs. 1 VOB/A führt. Der Auftraggeber ist jedoch in diesen Fällen gehalten, die Angemessenheit des Angebotspreises nach den Vorgaben des § 25 Nr. 3 Abs. 2 VOB/A zu prüfen sowie Prüfung und Ergebnis in einer den Anforderungen der §§ 30, 30 a VOB/A genügenden Weise in der Vergabeakte dokumentieren.
VolltextIBRRS 2008, 0626
VK Lüneburg, Beschluss vom 18.10.2007 - VgK-40/2007
(Ohne amtlichen Leitsatz)
VolltextIBRRS 2008, 0595
VK Lüneburg, Beschluss vom 24.09.2007 - VgK-37/2007
1. Es ist vergaberechtlich nicht zu beanstanden, dass der Auftraggeber für die sensible Dienstleistung der Postzustellungsaufträge für die Justiz Niedersachsen im gesamten Bundesgebiet jedenfalls im Rahmen der Bewertung der Qualität und des Bieterprofils die flächendeckende Struktur eines Anbieters mit eigenen oder konzernverbundenen Mitarbeitern höher bewertet als die eines Anbieters, der im erheblichen Maße auf den Einsatz konzernfremder Subunternehmen angewiesen ist.
2. Muss gemäß der Verdingungsunterlagen die Entgeltgenehmigung für den angebotenen Preis ausdrücklich bereits mit dem Angebot vorgelegt werden und wird die Nichtvorlage der Entgeltgenehmigung mit dem Angebot in den Verdingungsunterlagen ausdrücklich als Ausschlusskriterium gemäß § 25 Nr. 1 Abs. 2 a VOL/A bezeichnet, so ist ein Bieter zwingend auszuschließen, wenn er eine unvollständige Entgeltgenehmigung einreicht.
3. Die Tatsache, dass sich zwei inzwischen dem gleichen Konzern angehörige Schwesterunternehmen am streitbefangenen Vergabeverfahren beteiligt haben, ist nicht per se vergaberechtswidrig.
VolltextIBRRS 2008, 0553
OLG Jena, Urteil vom 07.02.2008 - 1 U 102/07
Bei einer funktional beschriebenen Leistung gehört es zu den Aufgaben des Auftragnehmers, die planerischen Vorgaben des Auftraggebers auf ihre Vollständigkeit zu überprüfen und insoweit vorhandene Planungsfehler zu korrigieren.
VolltextIBRRS 2008, 0548
VK Schleswig-Holstein, Beschluss vom 04.02.2008 - VK-SH 28/07
1. Der Zulässigkeit eines Nachprüfungsantrags bezüglich einer Aufhebungsentscheidung steht nicht entgegen, dass der Auftraggeber das Vergabeverfahren bereits vor Anhängigkeit des Antrags aufgehoben hat.*)
2. Voraussetzung für die Zulässigkeit eines auf die Überprüfung einer Aufhebungsentscheidung gerichteten Antrags bleibt das Vorliegen der sonstigen allgemeinen Zulässigkeitsvoraussetzungen.*)
3. Allein aus der Befugnis eines Antragstellers, die Rechtmäßigkeit einer Aufhebungsentscheidung überhaupt zum Gegenstand eines Vergabenachprüfungsverfahren machen zu können, ergibt sich nicht ohne Weiteres ein Anspruch gegen den Auftraggeber auf Fortsetzung des Vergabeverfahrens bis zur Zuschlags- oder Auftragserteilung.*)
4. Begehrt der Antragsteller die Aufhebung einer Aufhebungsentscheidung und hat der Auftraggeber seinen Willen zur Vergabe des streitgegenständlichen Auftrags tatsächlich aufgegeben, droht dem Antragsteller durch die Aufhebung kein Schaden, da er selbst für den Fall einer vergaberechtswidrigen Aufhebung keinen Anspruch auf Erteilung des Auftrags hätte. Der Antrag ist mangels Antragsbefugnis unzulässig.*)
5. Für die Frage des aufgegebenen Vergabewillens kommt es nur darauf an, ob der Auftraggeber seinen Vergabewillen tatsächlich aufgegeben hat. Unbeachtlich ist, welche Informationen der Willensbildung zu Grunde gelegen haben.*)
6. Ist der ursprünglich zu vergebende Auftrag auf Planung, Bau, Finanzierung und Betrieb (Gebäudemanagement) der Erweiterung und Sanierung einer Schule in einem ÖPP-Modell aus einer Hand gerichtet und plant der Auftraggeber nunmehr lediglich die gewerkeweise Sanierung eines Teils der Schule, liegt darin keine Fortsetzung des alten Vergabewillens, sondern ein neuer, auf einen anderen Auftrag gerichteter Vergabewille.*)
VolltextIBRRS 2008, 0547
VK Schleswig-Holstein, Beschluss vom 28.01.2008 - VK-SH 27/07
1. Der Wortlaut des § 107 Abs. 3 Satz 1 GWB sieht keine zwingende Wartefrist zwischen Erklärung der Rüge und Einreichung des Nachprüfungsantrags vor, so dass die Zulässigkeit des Nachprüfungsantrags von der Beachtung einer solchen Wartefrist auch nicht zwingend abhängig gemacht werden kann.*)
2. Fügt ein Bieter Eignungsnachweise, die der Auftraggeber nach § 7 Nr. 4 VOL/A fordern durfte und die zwingend mit dem Angebot vorzulegen waren, seinem Angebot nicht bei, ist er wegen nicht nachgewiesener Eignung nach § 25 Nr. 2 VOL/A zwingend von der Wertung auszuschließen.*)
VolltextIBRRS 2008, 0545
VK Schleswig-Holstein, Beschluss vom 18.12.2007 - VK-SH 25/07
1. Teilnahmeanträge, denen die in der Bekanntmachung des Auftraggebers zur Beurteilung der Eignung geforderten Nachweise nicht beigefügt sind, sind zwingend vom weiteren Verfahren auszuschließen.*)
2. Fordert der Auftraggeber in seinen Teilnahmebedingungen eine Angabe über die Zahl der in den letzten drei abgeschlossenen Geschäftsjahren durchschnittlich beschäftigten Arbeitskräfte, gegliedert nach Berufsgruppen, im Sinne von § 8 Nr. 3 Abs. 1 lit. c) VOB/A und ist die geforderte Aufgliederung nicht auf spezifische Berufsgruppen begrenzt, so kann sich der Bewerber nicht darauf berufen, er halte eine Aufgliederung in seinem Fall für sinnlos, da es der Antragsgegner mit der geforderten Aufgliederung ohnehin nur auf bestimmte Berufsgruppen abgesehen habe, die der Antragsteller selbst gar nicht beschäftige.*)
3. Es obliegt dem Bewerber selbst, die geforderten Nachweise so vorzulegen, dass der Auftraggeber dessen Eignung ohne weitere Nachforschungen prüfen kann. Es widerspräche den Grundsätzen eines transparenten, chancengleichen Bieterwettbewerbs, wenn ein Auftraggeber verpflichtet wäre, unvollständige Angaben eines Bewerbers im Wege weiterer Recherchen zu vervollständigen.*)
4. Geforderte Eignungsnachweise müssen aus sich heraus klar und verständlich sein. Etwaiges Sonderwissen Einzelner etwa aus persönlicher Bekanntschaft oder aus früheren Geschäftsbeziehungen darf keine Berücksichtigung finden.*)
5. Der Umsatz eines Unternehmens ist nicht mit den vom Unternehmen erbrachten Leistungen gleichzusetzen. Der Umsatz umfasst alle Einnahmen, die ein Unternehmen mit Dienstleistungen oder dem Verkauf von Waren erzielt, Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung eingeschlossen; die Beauftragung von Leistungen dagegen umfasst alle eingekauften Dienstleistungen.*)
VolltextIBRRS 2008, 0540
VK Bund, Beschluss vom 24.01.2008 - VK 3-151/07
1. Eine Antragsbefugnis besteht trotz fehlender Angebotsabgabe, wenn der potenzielle Bieter ansonsten zur Erstellung eines Angebots auf unsicherer Kalkulationsgrundlage gezwungen ist.
2. Zur Auslegung der Forderung eines Gewerbezentralregisterauszugs für das Unternehmen bzw. die Unternehmensführung.
3. Zur Auslegung der Forderung eines Nachweises, dass die Verpflichtung zur Zahlung der Beiträge zur gesetzlichen Krankenversicherung ordnungsgemäß erfüllt wurde.
4. Ein bedingter Zuschlag bei Losen eines einheitlichen Gesamtbauvorhabens beinhaltet ein ungewöhnliches Wagnis und ist vergaberechtswidrig.
5. Eine Übertragung des Risikos der Verfügbarkeit und Bebaubarkeit der Bauflächen beinhaltet ein ungewöhnliches Wagnis und ist vergaberechtswidrig.
6. Eine ausdrückliche Versicherung des Bieters über die Vollständigkeit und Widerspruchsfreiheit der Verdingungsunterlagen beinhaltet ein ungewöhnliches Wagnis und ist vergaberechtswidrig.
7. Eine Vorabzustimmung des Bieters zur Übertragung der Rechte und Pflichten des Auftraggebers auf eine Projektgesellschaft in den Vergabeunterlagen beinhaltet ein ungewöhnliches Wagnis und ist vergaberechtswidrig.
8. Regelungen in den Vergabeunterlagen zu Vertragsstrafen und Kündigung bei illegalen Praktiken im Baugewerbe begründen kein ungewöhnliches Wagnis und sind vergaberechtskonform.
IBRRS 2008, 0539
EuGH, Urteil vom 21.02.2008 - Rs. C-412/04
1. Steht fest, dass ein Auftrag unterhalb der Schwellenwerte eine bestimmte grenzüberschreitende Bedeutung hat, liegt in seiner ohne jede Transparenz erfolgenden Vergabe an ein im Mitgliedstaat des öffentlichen Auftraggebers niedergelassenes Unternehmen eine Ungleichbehandlung zum Nachteil der in einem anderen Mitgliedstaat niedergelassenen Unternehmen, die an diesem Auftrag interessiert sein könnten.
2. Eine solche Ungleichbehandlung, die durch den Ausschluss aller in einem anderen Mitgliedstaat niedergelassenen Unternehmen hauptsächlich diese benachteiligt, stellt, sofern sie nicht durch objektive Umstände gerechtfertigt ist, eine nach den Art. 43 EG-Vertrag und 49 EG-Vertrag verbotene mittelbare Diskriminierung aufgrund der Staatsangehörigkeit dar.
3. Gleichwohl sind die Mitgliedstaaten nicht verpflichtet, in ihre Rechtsvorschriften zur Umsetzung der Baukoordinierungsrichtlinie 93/37/EWG Bestimmungen aufzunehmen, die auf die Pflicht zur Beachtung der Art. 43 EG-Vertrag und 49 EG-Vertrag hinweisen.
4. Von der Anwendung der Dienstleistungsrichtlinien 92/50/EWG und Sektorenrichtlinie 93/38/EWG sind nur die Ausnahmen zulässig, die in ihr selbst ausdrücklich und abschließend aufgeführt sind.
5. Die Bauleitung und die mit der Kontrolle der Bauleistungen verbundenen Aufgaben fallen unter die Kategorie 12 sowohl des Anhangs I A der Dienstleistungsrichtlinien 92/50/EWG als auch des Anhangs XVI A der Sektorenrichtlinie 93/38/EWG.
IBRRS 2008, 0534
VK Saarland, Beschluss vom 20.02.2008 - 1 VK 7/2007
1. Das Regelwerk der Verdingungsordnung für freiberufliche Leistungen (VOF) kennt - in Abweichung von den übrigen Verdingungsordnungen – begrifflich keine Zuschlagsentscheidung; das Vergabeverfahren wird vielmehr durch Auftragsvergabe im Sinne von § 16 VOF, d.h. durch Abschluss eines zivilrechtlichen Vertrages beendet. Ob und wann ein solcher Vertrag zustande kommt, richtet sich grundsätzlich nach allgemeinem Zivilrecht.
2. Die Entscheidung eines Preisgerichtes hat trotz des § 661 Abs. 2 Satz 2 BGB keine dem Zuschlag entsprechende Wirkung.
3. Wie sich aus § 5 Abs. 2 Buchstabe c VOF ergibt, sind im Anschluss an einen Wettbewerb mit dem oder den Preisträger(n) Auftragsverhandlungen gemäß § 24 VOF durchzuführen, wenn sich der Auslober in der Auslobung selbst verpflichtet hat, einen der Preisträger weiter zu beauftragen.
4. Es besteht ein Rechtsschutzbedürfnis für einen Nachprüfungsantrag, wenn ein zwingend auszuschließender potenzieller Teilnehmer doch an Auftragsgesprächen nach der VOF beteiligt werden soll.
5. Mit der Zulassung einer Wettbewerbsarbeit, die bindende Vorgaben eines Wettbewerbs nicht einhält, verstößt das Preisgericht gegen den in § 25 Abs. 2 VOF niedergelegten Grundsatz der Chancengleichheit, der Ausfluss des Gleichheitssatzes des Art. 3 GG ist.
6. Ein solch schwerwiegender Verstoß führt dazu, die Entscheidung des Preisgerichts, dieser Wettbewerbsarbeit den 1. Preis zuzuerkennen, in diesem Umfang als unverbindlich zu erklären. Dementsprechend rücken die übrigen Preisträger nach vorne.
VolltextIBRRS 2008, 0521
LG Essen, Urteil vom 15.11.2007 - 4 O 168/07
Enthalten die Ausschreibungsunterlagen kein konkretes Datum für den Beginn der Straßenbauarbeiten und kann daher der Bauunternehmer bei der Angebotskalkulation nicht von einem bestimmten Arbeitsbeginn ausgehen, können folglich keine Kosten aus Bauzeitverzögerung gelten gemacht werden.
VolltextIBRRS 2008, 0518
VK Sachsen, Beschluss vom 25.01.2008 - 1/SVK/088-07
1. Rahmenvereinbarungen für Leistungen nach der VOF sind nach derzeit geltender Rechtslage unzulässig. Eine analoge Anwendung der Bestimmungen der VOL/A scheidet mangels Vorliegens einer außerordentlichen bzw. planwidrigen Gesetzeslücke- jedenfalls für die VOF aus. Nach § 8 VOF müssen die Bewerber mit der Aufgabenbeschreibung auch die für eine zweifelsfreie und vollständige Kalkulation erforderlichen Unterlagen und Informationen erhalten. Dieser Anforderung liefe eine Rahmenvereinbarung zu wider.*)
2. Nach § 107 Abs. 3 Satz 2 GWB ist ein Nachprüfungsantrag dann unzulässig, wenn Verstöße gegen Vergabevorschriften, die aufgrund der Bekanntmachung erkennbar sind, nicht spätestens bis zum Ablauf der in der Bekanntmachung benannten Frist zur Angebotsabgabe oder zur Bewerbung gegenüber dem Auftraggeber gerügt werden. Erkennbar sind Regelverstöße, die bei üblicher Sorgfalt und den üblichen Kenntnissen von einem durchschnittlich vergabeerfahrenen Unternehmen erkannt werden. Sofern Rechtsverstöße nur unter genauer Auseinandersetzung mit den Vergabekoordinierungsrichtlinien und dem Werdegang des Vergaberechtsänderungsgesetzes erkennbar sind, ist es einem durchschnittlich vergabeerfahrenen Unternehmen nicht zu widerlegen, dass es über den erforderlichen rechtlichen Sachverstand nicht verfügte und der Verstoß infolgedessen nicht zu erkennen war.*)
VolltextIBRRS 2008, 0517
VK Brandenburg, Beschluss vom 12.09.2007 - VK 36/07
1. In jedem Fall entbinden Zeitprobleme oder Personalengpässe den Bieter nicht von seiner Rügepflicht. Er hat insoweit die nötige Vorsorge zu treffen, um sofort reagieren zu können.
2. Bei Bestehen einer Rügeobliegenheit muss in der Begründung des Nachprüfungsantrages dargelegt werden, dass die Rüge gegenüber dem Auftraggeber erfolgt ist.
3. Die Rügepflicht aus § 107 Abs. 3 GWB darf allerdings nicht dazu führen, dass der Bieter bei lebensnaher Würdigung ernsthaft damit rechnen muss, im Falle eines vorgeschalteten Rügeverfahrens seinen Primärrechtsschutz zu verlieren oder zu verkürzen. In Betracht kommt dies insbesondere dann, wenn aus verständiger Sicht des Bieters zu besorgen ist, dass der öffentliche Auftraggeber die Rüge zum Anlass für einen alsbaldigen Zuschlag nehmen und keine ausreichende Zeit verbleiben wird, vorher durch Zustellung des Nachprüfungsantrages das Zuschlagsverbot des § 115 Abs. 1 GWB zu erwirken.
4. Eine Pflicht zur Rüge ist auch dann entbehrlich, wenn der Auftraggeber im Vergabeverfahren eindeutig erkennen lässt, dass er unter keinen Umständen, also auch nicht auf eine Rüge von Bietern hin gewillt ist, einen vorliegenden Vergabeverstoß abzustellen.
VolltextIBRRS 2008, 0516
VK Brandenburg, Beschluss vom 17.08.2007 - VK 32/07
1. Vergabefehler, die ungerügt geblieben sind, können dennoch korrigiert werden, wenn aus anderen, rechtzeitig beanstandeten Gründen eine Wiederholung von Teilen des Vergabeverfahrens erfolgen muss.
2. Zu den Anforderungen an ein Verhandlungsgespräch im Sinne der VOF.
3. § 4 Abs. 2 HOAI enthält eine „wertneutrale Ordnungsvorschrift“, deren Verletzung nur dann einen Wettbewerbsverstoß darstellt, wenn besondere wettbewerbliche Merkmale hinzutreten, die das Verhalten eines Bieters auch aus wettbewerbsrechtlicher Sicht als anstößig erscheinen lassen.
4. Dies wird mit Recht bejaht, wenn sich ein Architekt oder Ingenieur bewusst und planmäßig über die Vorschriften der HOAI hinwegsetzt und für ihn erkennbar ist, dass er sich auf diese Weise einen sachlich nicht gerechtfertigten Vorsprung vor seinen Mitbewerbern verschafft. Derartige Umstände können gefolgert werden aus Angebotsschreiben, die die Bereitschaft zur Unterschreitung der Mindestsätze dokumentieren, aber auch durch entsprechende mündliche Erklärungen.
VolltextIBRRS 2008, 0515
VK Brandenburg, Beschluss vom 15.02.2008 - VK 2/08
1. In Übereinstimmung mit dem OLG Düsseldorf (IBR 2007, 505) ist für das Vorliegen eines öffentlichen Bauauftrages keine Bedarfsdeckung im engeren Sinne erforderlich. Voraussetzung ist aber nach wie vor, dass der Auftraggeber zumindest in einem weiteren Sinne einen eigenen Bedarf decken will und deshalb bei wirtschaftsfunktionaler Betrachtung als Nachfrager nach der vertragsgegenständlichen Leistung auftritt. Enthält demzufolge der Grundstückskaufvertrag eine konkrete Bauverpflichtung für den Investor, liegt die Annahme eines Beschaffungsbezuges regelmäßig vor.
2. Enthält der Grundstückskaufvertrag jedoch keinerlei Verpflichtung für den Käufer, das Grundstück in einer bstimmten Weise zu nutzen, insbesondere umfasst der Vertrag keine Bau- bzw. Investitionsverpflichtungen, unterfällt er nicht dem Vergaberecht.
3. Auch bei der Veräußerung eines Entwicklungsgrundstücks begründen die Befugnisse der Gemeinde im Rahmen der Baugenehmigung nach § 34 BauGB keine hinreichende Einflussmöglichkeit zur Absicherung der gemeindlichen Vorgaben. Denn die Bauerlaubnis nach § 34 BauGB ist eine gebundene Entscheidung und steht daher nicht im Ermessen der Gemeinde.
VolltextIBRRS 2008, 0513
OLG Düsseldorf, Beschluss vom 06.02.2008 - Verg 37/07
Als öffentlicher Bauauftrag gemäß § 99 Abs. 3 GWB in Form einer Baukonzession sind auch Aufträge über die Erbringung von Bauleistungen durch Dritte, gleichgültig mit welchen Mitteln, gemäß den vom öffentlichen Auftraggeber genannten Erfordernissen anzusehen.
VolltextIBRRS 2008, 0512
VK Brandenburg, Beschluss vom 14.12.2007 - VK 50/07
1. Ein Verhandlungsverfahren nach den Bestimmungen des vierten Abschnitts der VOB/A (SKR-Paragraphen) kann eingestellt werden, wenn ein sachlicher Grund hierfür vorliegt. Dieser ist dann gegeben, wenn das Verhandlungsverfahren voraussichtlich zu keinem wirtschaftlich akzeptablen Ergebnis führt.
2. Ein Nachprüfungsantrag, der sich gegen die Aufhebung einer Ausschreibung richtet, schützt den Antragsteller nicht vor der Zuschlagserteilung im Rahmen eines nachfolgend neuen Ausschreibungsverfahrens. Erforderlich ist hierfür ein gesonderter Nachprüfungsantrag, der sich gegen die Durchführung des neuen Verfahrens richtet.
VolltextIBRRS 2008, 0508
OLG Brandenburg, Beschluss vom 12.02.2008 - Verg W 18/07
1. Nach Ansicht des Senats sind gesetzliche Krankenversicherungen öffentliche Auftraggeber im Sinne des § 98 Nr. 2 GWB. Da es hierzu aber ein Vorlageverfahren des OLG Düsseldorf an den EuGH gibt (IBR 2007, 1356 - nur online), muss das Verfahren bis zur Klärung dieser Frage ausgesetzt werden.
2. Bestätigt der EuGH diese Ansicht des Senats, so unterliegen die Vergabetätigkeiten der gesetzlichen Krankenversicherer dem Vergaberecht. § 69 SGB V steht dem nicht entgegen.
VolltextIBRRS 2008, 0506
OLG Brandenburg, Beschluss vom 11.12.2007 - Verg W 6/07
1. Die Frage, wann die Hinzuziehung eines Rechtsanwalts notwendig ist, kann nicht schematisch beantwortet werden. Es ist eine Entscheidung geboten, die den Umständen des Einzelfalles Rechnung trägt. Entscheidend ist, ob der Beteiligte unter den Umständen des Falles auch selbst in der Lage gewesen wäre, aufgrund der bekannten oder erkennbaren Tatsachen den Sachverhalt zu erfassen, hieraus die für eine sinnvolle Rechtsverteidigung nötigen Schlüsse zu ziehen und entsprechend gegenüber der Vergabekammer vorzutragen.
2. In einem Fall, bei dem sich die Streitpunkte auf auftragsbezogene Sach- und Rechtsfragen einschließlich der dazu gehörenden Vergaberegeln konzentrieren, muss der öffentliche Auftraggeber die erforderlichen Sach- und Rechtskenntnisse in seinem originären Aufgabenkreis organisieren und bedarf daher auch im Nachprüfungsverfahren keines anwaltlichen Bevollmächtigten.
VolltextIBRRS 2008, 0505
OLG Brandenburg, Beschluss vom 08.01.2008 - Verg W 10/07
Auf das Beschwerdeverfahren als streitiges Verfahren vor einem ordentlichen Gericht sind die Kostenvorschriften der ZPO analog anzuwenden. Dies gilt auch hinsichtlich der Kosten Beigeladener.
VolltextIBRRS 2008, 0504
OLG Brandenburg, Beschluss vom 06.11.2007 - Verg W 12/07
Enthält ein Angebot zu den Preisen und den Lohnkosten als Preisbestandteil widersprüchliche Angaben, so führt dies zum Ausschluss gemäß den §§ 25 Nr. 1 Abs. 1 a, 21 Nr. 1 Abs. 1 Satz 1 VOL/A.
VolltextIBRRS 2008, 0503
OLG Brandenburg, Beschluss vom 14.12.2007 - Verg W 23/07
1. Nach § 9 Nr. 10 VOB/A darf grundsätzlich nicht auf eine bestimmte Produktion oder Herkunft oder ein besonderes Verfahren verwiesen werden, wenn dadurch bestimmte Unternehmen oder Produkte begünstigt oder ausgeschlossen werden.
2. Erstellt der Bieter unter Außerachtlassung der im Leistungsverzeichnis unmissverständlich gestellten Anforderungen sein Angebot nicht ordnungsgemäß und hätte er bei gebotener Sorgfalt die tatsächlichen Umstände feststellen müssen, die nach seiner Auffassung einen Verstoß gegen Vergabevorschriften begründen, dann verschließt er sich treuwidrig der Erkenntnis eines Vergabeverstoßes.
VolltextIBRRS 2008, 0496
OLG München, Beschluss vom 21.02.2008 - Verg 1/08
1. Das Begleitschreiben des Bieters ist regelmäßig Bestandteil seines Angebots.*)
2. Nachträgliche Äußerungen des Bieters können nur insoweit berücksichtigt werden, als sie einen Rückschluss auf das maßgebliche Verständnis des Angebots zum Zeitpunkt von dessen Abgabe zulassen, wobei es entscheidend auf den objektiven Empfängerhorizont ankommt.*)
IBRRS 2008, 0488
VK Sachsen, Beschluss vom 17.12.2007 - 1/SVK/074-07
Bietet ein Bieter ein Produkt an, dass von den Vorgaben des Leistungsverzeichnisses abweicht, so liegt darin eine Änderung der Verdingungsunterlagen, die einen zwingenden Ausschluss des Angebotes nach sich zieht.*)
VolltextIBRRS 2008, 0481
VK Nordbayern, Beschluss vom 01.02.2008 - 21.VK-3194-54/07
1. Scheidet ein Mitglied einer Bietergemeinschaft nach Angebotsabgabe aus, ist die Bietergemeinschaft nicht allein deshalb zwingend auszuschließen. Der Auftraggeber hat dann allerdings erneut die Eignung der Bietergemeinschaft zu prüfen.*)
2. Nach § 107 Abs. 3 Satz GWB sind von den Bietern erkannte Verfahrensverstöße unverzüglich, also ohne schuldhaftes Zögern (§ 121 BGB) zu rügen, um der VSt die Möglichkeit einzuräumen, die behaupteten Verfahrensfehler frühzeitig zu korrigieren.*)
VolltextIBRRS 2008, 0479
VK Nordbayern, Beschluss vom 01.02.2008 - 21.VK-3194-53/07
1. Kriterien, die nicht mit der Ermittlung des wirtschaftlichsten Angebots, sondern im Wesentlichen mit der Beurteilung der fachlichen Eignung der Bieter für die Ausführung des betreffenden Auftrags zusammenhängen, sind als "Zuschlagskriterien" ausgeschlossen.*)
2. Eine Verpflichtung zur Bekanntgabe von Unterkriterien besteht jedenfalls dann, wenn sich für die Bieter die Kenntnis von den Unterkriterien und deren Gewichtung auf den Inhalt ihrer Angebote auswirken kann.*)
3. Die Auswahl eines Bewerbers darf nicht dadurch beeinflusst werden, dass von den Bewerbern zusätzlich unaufgefordert Lösungsvorschläge eingereicht wurden.*)
4. Honorarzonen sind nach der HOAI nicht disponibel, sondern zwingend festgelegt.*)
5. Es nicht zulässig, dass die Vergabestelle keine Vorgabe der für das Vorhaben anzusetzenden Baukosten macht und sie die Feststellung dieser Kosten allein den Bewerbern überlässt.*)
6. Die Dokumentation anhand des Vergabevermerks dient dem Ziel, die Entscheidungen der Vergabestelle transparent und sowohl für die Nachprüfungsinstanzen als auch für die Bieter überprüfbar zu machen.*)