Bau-, Architekten- und Immobilienrecht.
Volltexturteile nach Sachgebieten
10832 Entscheidungen insgesamt
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IBRRS 2021, 3759VK Bund, Beschluss vom 29.10.2021 - VK 2-109/21
1. Die im Vorabinformationsschreiben mitzuteilenden Gründe der Nichtberücksichtigung müssen so aussagekräftig sein, dass sie es einem betroffenen Bieter ermöglichen, die Zuschlagsentscheidung zu prüfen und zu beurteilen, ob ein Nachprüfungsverfahren eingeleitet wird.
2. Der Antrag auf Einleitung eines Vergabenachprüfungsverfahrens ist unzulässig, soweit mehr als 15 Kalendertage nach Mitteilung des Auftraggebers, einer Rüge nicht abhelfen zu wollen, vergangen sind (§ 160 Abs. 3 Satz 1 Nr. 4 GWB).
3. Fällt das Fristende auf einen Samstag, Sonntag oder auf einen Feiertag, wird das Fristende auf den Ablauf des nächsten Werktags hinausgeschoben.
VolltextIBRRS 2021, 3730
VK Südbayern, Beschluss vom 15.11.2021 - 3194.Z3-3_01-21-20
1. Ist der Schlusstermin für den Eingang der Angebote mit einem Datum und z. B. 10:00 Uhr Ortszeit angegeben, endet die Angebotsfrist "Punkt" 10 Uhr, d. h. um 10:00:00 Uhr, und nicht erst um 10:00:59 Uhr, d. h. mit Umspringen der Uhr auf 10:01(:00) Uhr (VK Bund, Beschluss vom 26.10.2016 - VK 1-92/16, IBRRS 2017, 0722 = VPRRS 2017, 0076).*)
2. Bei einer Angebotsabgabe mit elektronischen Mitteln über eine E-Vergabeplattform ist für den maßgeblichen Zugangszeitpunkt eines Angebots nicht auf die Abrufbarkeit (bzw. Öffnungsmöglichkeit) der Angebotsdatei durch den Auftraggeber abzustellen, sondern auf den vollständigen Upload der übermittelten Angebotsdaten auf den Server der von der Antragsgegnerin genutzten Vergabeplattform.*)
3. Verzögerungen durch Bearbeitungsschritte der bereits eingegangenen Angebotsdaten wie Verschlüsselung und Umspeichern in den gesicherten Auftraggeberbereich auf der E-Vergabeplattform führen nicht zu einer faktischen Verkürzung der Angebotsfrist.*)
4. § 312i Abs. 1 Satz 2 BGB ist für den Zugang des Angebots in einem elektronisch durchgeführten Vergabeverfahren nicht entsprechend anzuwenden.*)
5. Der Betreiber der E-Vergabeplattform ist auch hinsichtlich des Empfangs der Angebotsdaten als Erfüllungsgehilfe des Auftraggebers nach § 278 BGB anzusehen.*)
IBRRS 2021, 3684
VK Sachsen, Beschluss vom 06.10.2021 - 1/SVK/030-21
1. Die Zuschlagskriterien und deren Gewichtung sind nach § 127 Abs. 5 GWB und § 52 Abs. 3 SektVO in der Auftragsbekanntmachung oder den Vergabeunterlagen aufzuführen. Diese Bekanntmachungspflicht ist weitreichend und umfasst auch Unterkriterien. Den Bietern sind daher neben den Zuschlagskriterien auch alle Unterkriterien (auf allen Ebenen), Gewichtungsregeln oder Bewertungsmatrizen, die der Auftraggeber aufgestellt hat, um die eingehenden Angebote zu bewerten, bekannt zu machen.*)
2. Aus der Regelung des § 15 Abs. 4 SektVO (bzw. § 17 Abs. 11 VgV) zum Verhandlungsverfahren ergibt sich, dass der öffentliche Auftraggeber den Auftrag nur dann auf der Grundlage der Erstangebote vergeben kann, ohne in Verhandlungen einzutreten, wenn er sich in der Auftragsbekanntmachung diese Möglichkeit vorbehalten hat. Ohne einen solchen Vorbehalt dürfen Bieter davon ausgehen, dass zumindest eine Verhandlungsrunde durchgeführt wird und sie Gelegenheit zur Abänderung und Verbesserung des Angebots haben werden.*)
3. Dem weiten Beurteilungsspielraum des Auftraggebers bei der Wertung von Präsentationen steht als Kehrseite eine Dokumentationspflicht mit hohen Anforderungen gegenüber.*)
IBRRS 2021, 3685
VK Sachsen, Beschluss vom 17.09.2021 - 1/SVK/030-21G
1. Durch die Gestattung des vorzeitigen Zuschlags gemäß § 169 Abs. 2 Satz 1 GWB wird dem Antragsteller der Primärrechtsschutz irreversibel genommen. Wegen dieses schwerwiegenden Eingriffs darf eine vorzeitige Gestattung des Zuschlags grundsätzlich nur in besonderen Ausnahmefällen erfolgen.*)
2. Es ist Aufgabe des Auftraggebers, dezidiert darzulegen, weshalb mit der Erteilung des Zuschlags nicht bis zu einer Entscheidung der Vergabekammer in der Hauptsache abgewartet werden kann. Ohne hinreichende substantiierte Begründung hat die Vergabekammer keine Grundlage, über die endgültige Vernichtung des Primärrechtsschutzes zu entscheiden.*)
3. Eine Verzögerung der Zuschlagserteilung durch ein Nachprüfungsverfahren ist jedem Nachprüfungsverfahren immanent. Deswegen hat ein Auftraggeber Verzögerungen, die sich aus einem Nachprüfungsverfahren ergeben, grundsätzlich hinzunehmen.*)
VolltextIBRRS 2021, 3719
BayObLG, Beschluss vom 25.03.2021 - Verg 4/21
1. Zur Rechtfertigung einer produktspezifischen Ausschreibung muss der öffentliche Auftraggeber objektive und auftragsbezogene Gründe angeben und die Bestimmung willkürfrei getroffen haben, solche Gründe müssen tatsächlich vorhanden (festzustellen und notfalls erwiesen) sein und die Bestimmung darf andere Wirtschaftsteilnehmer nicht diskriminieren.
2. Jede Festlegung auf einen bestimmten Hersteller oder ein bestimmtes Produkt ist wettbewerbsfeindlich. Unter den vorgenannten Voraussetzungen muss ein Bieter dies hinnehmen, auch wenn er deshalb möglicherweise kein oder nur unter schlechteren Bedingungen ein Angebot abgeben kann.
3. Die Festlegung auf einen bestimmten Hersteller oder ein bestimmtes Produkt muss nicht zwingend sein, ebenso wenig kommt es darauf an, ob eine andere Vergabestelle anstelle des Antragsgegners eine andere produktspezifische Vorgabe wählen würde.
4. Die Entscheidung des Auftraggebers produktspezifisch auszuschreiben muss nachvollziehbar begründet und dokumentiert sein. Eine vorherige Markterkundung ist aber nicht erforderlich.
VolltextIBRRS 2021, 3683
VK Sachsen, Beschluss vom 18.08.2021 - 1/SVK/016-21
1. Durch die Neuregelung des § 8 EU Abs. 2 Nr. 4 VOB/A 2019 ist die Abgabe von mehreren Hauptangeboten grundsätzlich zugelassen, auch wenn sie sich nur im Preis unterscheiden. Dies schließt jedoch nicht aus, dass durch ein späteres Verhalten des Bieters Gründe gegeben sein können, die der Erteilung des Zuschlags auf eines seiner Hauptangebote entgegenstehen.*)
2. Die Abgabe (und Wertung) von mehreren sich nur im Preis unterscheidenden Hauptangeboten ist nicht grenzenlos möglich, sondern nur solange keine belastbaren Anhaltspunkte für missbräuchliches Bieterverhalten vorliegen.*)
3. Das selektive Bedienen der Nachforderungsaufforderung in Kenntnis des Wettbewerbsergebnisses für nur eines von mehreren sich lediglich im Preis unterscheidenden unvollständigen Hauptangeboten, stellt ein unredliches Bieterverhalten dar, welches zum Ausschluss des selektiv vervollständigten Hauptangebots führt.*)
IBRRS 2021, 3614
VK Lüneburg, Beschluss vom 01.11.2021 - VgK-38/2021
Kann allein durch Rückversetzung des Verfahrens in den Stand vor Angebotsabgabe eine zu befürchtenden Fortwirkung der Wettbewerbsverzerrung nicht ausgeschlossen werden, ist das Ermessen der Vergabestelle über den Ausschluss eines Bieters, bei dem der zentrale Projektsteuerer des Verfahrens nun beschäftigt ist, auf null reduziert.
IBRRS 2021, 3688
OLG Celle, Urteil vom 25.11.2021 - 11 U 43/21
Eine insolvenzbedingte Lösungsklausel ist in Verträgen über die Schülerbeförderung unwirksam.*)
VolltextIBRRS 2021, 3682
OLG Celle, Beschluss vom 09.11.2021 - 13 Verg 9/21
1. Die Vorschrift des § 14 Abs. 4 Nr. 2 b VgV, wonach der öffentliche Auftraggeber Aufträge im Verhandlungsverfahren ohne Teilnahmewettbewerb vergeben kann, wenn der Auftrag nur von einem bestimmten Unternehmen erbracht werden kann, weil aus technischen Gründen kein Wettbewerb vorhanden ist, ist als Ausnahmetatbestand eng auszulegen. Es muss auch ausgeschlossen sein, dass für die Auftragsdurchführung weitere Unternehmen in Frage kommen, die die für den Auftrag notwendigen Fähigkeiten und Ausstattungen zwar noch nicht haben, aber rechtzeitig erwerben können.*)
2. Der Nichteintritt der Unwirksamkeit eines ohne Bekanntmachung vergebenen Auftrags nach § 135 Abs. 3 GWB setzt voraus, dass der öffentliche Auftraggeber der Ansicht ist, dass die Auftragsvergabe ohne vorherige Bekanntmachung zulässig ist (Satz 1 Nr.1 der Vorschrift). Der Auftraggeber muss bei der Prüfung, ob die Voraussetzungen dafür tatsächlich erfüllt sind, sorgfältig gehandelt haben. Dies kann in der Regel nur dann festgestellt werden, wenn entsprechende nach außen erkennbare Tatsachen vorliegen.*)
IBRRS 2021, 3664
VK Bund, Beschluss vom 11.11.2021 - VK 2-115/21
1. Der öffentliche Auftraggeber darf den Angaben der Bieter und dem Angebotsinhalt grundsätzlich vertrauen.
2. Im Rahmen der Aufklärung muss der Auftraggeber das Leistungsversprechen der Bieter lediglich verifizieren; zu einer weitergehender Prüfung etwa in dem Sinne, dass eine komplette technische Überprüfung zu erfolgen hat, ist er nicht verpflichtet.
3. Da Bieterunternehmen nicht Adressat des Vergaberechts sind, müssen sie das Vergaberecht auch nicht beherrschen, insbesondere nicht das prozessuale Recht der Nachprüfung.
VolltextIBRRS 2021, 3631
VK Bund, Beschluss vom 05.10.2021 - VK 2-93/21
1. Sind die Vergabeunterlagen widersprüchlich und setzt der Auftraggeber das Vergabeverfahren zwecks Korrektur zurück, ist die Zurückversetzung als Aufhebung zu qualifizieren.
2. Eine Aufhebung zur Beseitigung eines Widerspruch ist sachlich gerechtfertigt und wirksam, aber gleichwohl rechtswidrig, wenn dem Auftraggeber kein vergaberechtlicher Aufhebungsgrund zur Seite stand.
3. Aufhebungsgründe nach § 17 EU Abs. 1 VOB/A 2019 kommen nur in Betracht, wenn sie nicht im Verantwortungsbereich des Auftraggebers liegen.
4. Hat der Auftraggeber den Widerspruch selbst fahrlässig dadurch verursacht, dass das Formular zur Auftragsbekanntmachung falsch ausgefüllt wurde, liegt kein schwerwiegender Grund und auch keine Notwendigkeit zur grundlegenden Änderung der Vergabeunterlagen vor.
VolltextIBRRS 2021, 3584
OLG Celle, Beschluss vom 18.11.2021 - 13 Verg 6/21
1. Aus den Vergabeunterlagen muss für die Bieter eindeutig und unmissverständlich hervorgehen, welche Erklärungen von ihnen verlangt werden.*)
2. Die Auslegung der Leistungsbeschreibung hat unter Berücksichtigung der Grundsätze der §§ 133, 157 BGB nach dem objektiven Empfängerhorizont aus Sicht des potentiellen Bieters zu erfolgen.*)
3. Enthält die Leistungsbeschreibung keine eindeutige Vorgabe, welche Anforderungen die zu liefernden Waren/Güter zu erfüllen haben, darf das Angebot eines Bieters, das lediglich den Vorstellungen des Auftraggebers nicht entspricht, nicht wegen einer Abweichung von den Vergabeunterlagen ausgeschlossen werden.
IBRRS 2021, 3636
BGH, Beschluss vom 09.11.2021 - KZR 55/19
1. Das Gericht des Rechtszugs setzt den Wert des Gegenstands der anwaltlichen Tätigkeit auf Antrag durch Beschluss selbständig fest, wenn sich die Gebühren in einem gerichtlichen Verfahren nicht nach dem für die Gerichtsgebühren maßgeblichen Wert berechnen. Ein solcher Fall liegt vor, wenn der Rechtsanwalt in derselben Angelegenheit für mehrere Personen wegen verschiedener Gegenstände tätig wird.
2. Der Gegenstand der anwaltlichen Tätigkeit ist dann derselbe, wenn der Rechtsanwalt für mehrere Auftraggeber wegen desselben Rechts oder Rechtsverhältnisses tätig wird. Ob dasselbe Recht oder Rechtsverhältnis betroffen ist, bestimmt sich nach dem Klagebegehren. Maßgeblich ist eine lebensnahe, wirtschaftliche Betrachtungsweise.
3. Zwei in derselben Angelegenheit verfolgte Anträge betreffen dann verschiedene Gegenstände, wenn das Gericht unter Umständen beiden stattgeben kann. Demgegenüber liegt eine Angelegenheit mit demselben Gegenstand vor, wenn die Verurteilung nach dem einen Antrag notwendigerweise die Abweisung des anderen Antrags nach sich zieht.
VolltextIBRRS 2021, 3561
VK Baden-Württemberg, Beschluss vom 07.04.2021 - 1 VK 7/21
1. Nach § 124 Abs. 1 Nr. 7 GWB kann ein öffentlicher Auftraggeber ein Unternehmen von der Teilnahme am Vergabeverfahren ausschließen, wenn das Unternehmen eine wesentliche Anforderung bei der Ausführung eines früheren öffentlichen Auftrags erheblich oder fortdauernd mangelhaft erfüllt hat und dies zu einer vorzeitigen Beendigung geführt hat.
2. Bei den Ausschlussgründen nach § 124 Abs. 1 GWB handelt es sich um fakultative Ausschlussgründe. Der öffentliche Auftraggeber ist nicht dazu verpflichtet, ein Unternehmen vom Vergabeverfahren auszuschließen, selbst wenn ein Ausschlussgrund nach § 124 Abs. 1 GWB vorliegt.
3. Die Vorschrift des § 124 Abs. 1 GWB räumt dem öffentlichen Auftraggeber einen Beurteilungsspielraum ein. Er muss eine Prognoseentscheidung treffen, ob von dem Unternehmen die gesetzestreue, ordnungsgemäße und sorgfältige Ausführung des ausgeschriebenen Auftrags zu erwarten ist.
4. Die Verwendung eines abgelaufenen Zertifikats in der E-Mail-Signatur ist nicht geeignet, einen Ausschluss wegen der Übermittlung irreführender Informationen zu rechtfertigen.
VolltextIBRRS 2021, 3586
OLG Celle, Beschluss vom 12.10.2021 - 13 Verg 7/21
1. Die Beendigungswirkung nach § 177 GWB greift nur ein, wenn die sachliche Beurteilung eines Vergabefehlers für die Entscheidung des Beschwerdegerichts im Zwischenverfahren nach § 176 GWB entscheidungserheblich war.*)
2. Unklarheiten der Vergabeunterlagen begründen nur unter gesteigerten Voraussetzungen eine Rügeobliegenheit nach § 160 Abs. 3 Nr. 2, 3 GWB.*)
3. In vergaberechtswidriger Weise nicht mehr eindeutig sind Vergabeunterlagen, wenn fachkundigen Unternehmen auch nach Auslegungsbemühungen mehrere Auslegungsmöglichkeiten verbleiben oder das zutreffende Verständnis der Vergabeunterlagen eine besondere Gesamtschau erfordert, die von den Bietern oder Bewerbern im Vergabewettbewerb erfahrungsgemäß nicht geleistet wird oder nicht geleistet werden kann (Anschluss an OLG Düsseldorf, IBR 2018, 278 = VPR 2018, 123).*)
4. Ein Nachprüfungsantrag hat trotz eines festzustellenden Vergaberechtsfehlers nur dann keinen Erfolg, wenn sich dieser Vergaberechtsfehler nicht nachteilig auf die Rechtsstellung des Antragstellers ausgewirkt haben kann.*)
VolltextIBRRS 2021, 3574
VK Sachsen, Beschluss vom 07.07.2021 - 1/SVK/007-21
1. Der ausschließlichen Rechtswegzuweisung nach § 156 Abs. 2 GWB unterfallen Rechte des Bieters aus § 97 Abs. 6 GWB, wonach Unternehmen, die sich um öffentliche Aufträge oder Konzessionen bewerben, Anspruch darauf haben, dass die Bestimmungen über das Vergabeverfahren eingehalten werden. Dem Vergaberecht nicht zugehörige oder dessen Anwendung vorgelagerte Fragen insbesondere aus anderen Rechtsgebieten sind daher in einem Vergabenachprüfungsverfahren grundsätzlich nicht zu prüfen. Anderes gilt nur bei Vorliegen einer vergaberechtlichen Anknüpfungsnorm.*)
2. Von den Vergabenachprüfungsinstanzen ist stets objektiv zu beurteilen, ob ein konkretes Bieterverhalten eine Rüge darstellt oder nicht. Diese Beurteilung steht nicht zur Disposition der Beteiligten. Anderenfalls könnte ein Bieter mit dem Argument, bisher habe er nur Fragen gestellt oder Unmut geäußert, aber keine Rüge erhoben, mit einer "echten" Rüge zuwarten, ob er den Zuschlag erhält oder nicht. Ein solches "Taktieren" mit einer Rüge ist gesetzgeberisch nicht gewollt, denn die Rüge soll dem Auftraggeber frühzeitig Gelegenheit geben, ein vergaberechtswidriges Verhalten zu erkennen, dieses gegebenenfalls zu beseitigen oder hierauf mit einem fristauslösenden Nichtabhilfeschreiben zu reagieren, um das Vergabeverfahren möglichst rasch und ohne (ggf. späteres) zeit- und kostenaufwändige Nachprüfungsverfahren zum Abschluss zu bringen.*)
IBRRS 2021, 3571
VK Südbayern, Beschluss vom 27.10.2021 - 3194.Z3-3_01-21-24
1. Macht ein Bieter die geforderten Preisangaben und bestehen auch keine Anhaltspunkte für eine unzulässige Mischkalkulation, kommt ein Ausschluss eines Angebots nach § 57 Abs. 1 Nr. 5 VgV nach der Rechtsprechung des BGH (IBR 2018, 638; IBR 2018, 639 = VPR 2018, 213; VPR 2018, 214) nur dann in Betracht, wenn eine spekulative Preisangabe bei Eintritt bestimmter, zumindest nicht gänzlich fernliegender Umstände dazu führen kann, dass das Ziel verfehlt wird, im Wettbewerb das günstigste Angebot hervorzubringen, und dem zu einem verantwortungsvollen Einsatz der Haushaltsmittel verpflichteten Auftraggeber nicht mehr zugemutet werden kann, sich auf ein derartiges Angebot einzulassen.*)
2. Entsteht durch die spekulative Angabe eines Preisbestandteils kein Automatismus, der bei bestimmten nicht gänzlich fernliegenden Umständen dazu führt, dass der Auftraggeber übervorteilt werden kann, z.B. weil - wie im vorliegenden Fall - die Preisanpassungen für erhebliche Leistungsmehrungen frei verhandelt werden, kann das Angebot trotz der spekulativen Preisangabe nicht nach § 57 Abs. 1 Nr. 5 VgV ausgeschlossen werden.*)
IBRRS 2021, 3569
BayObLG, Beschluss vom 09.11.2021 - Verg 5/21
1. Das Verlangen nach Referenzprojekten für „vergleichbare“ Leistungen bedeutet nicht, dass das Leistungsbild der herangezogenen Aufträge mit dem ausgeschriebenen Auftrag identisch sein müsste. Vielmehr genügt es, dass die Referenzleistung der ausgeschriebenen Leistung so weit ähnelt, dass sie einen tragfähigen Rückschluss auf die Leistungsfähigkeit des Bieters für die ausgeschriebene Leistung eröffnet.*)
2. Bei der Bewertung der Frage der Vergleichbarkeit der Referenz kommt der Vergabestelle ein nur eingeschränkt überprüfbarer Beurteilungsspielraum zu.*)
3. Art. 103 Abs. 1 GG erfasst nicht das rechtliche Gehör im Verfahren vor der Vergabekammer. Maßgeblich ist insoweit das durch Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) gewährleistete Grundrecht auf ein faires Verfahren.*)
4. Die aufschiebende Wirkung einer verwaltungsgerichtlichen Anfechtungsklage steht der Berücksichtigung des angegriffenen Verwaltungsakts im vergaberechtlichen Nachprüfungsverfahren nicht entgegen.*)
IBRRS 2021, 3552
OLG Rostock, Beschluss vom 11.11.2021 - 17 Verg 8/21
1. In Anlehnung an die zu § 169 Abs. 1 Satz 6 GWB entwickelten Grundsätze (Senat, Beschluss vom 16.09.2021 - 17 Verg 7/21, IBRRS 2021, 3382 = VPRRS 2021, 0268) kann auch im Rahmen des § 176 Abs. 1 Satz 1 GWB der durch das Vergabenachprüfungs- und anschließende Beschwerdeverfahren an sich üblicherweise eintretende Zeitverlust regelmäßig keine vorzeitige Zuschlagserteilung rechtfertigen. Vielmehr müssen substantielle und in der gebotenen Abwägung letztlich überwiegende Gründe für eine umgehende Zuschlagserteilung gerade in dem betreffenden Einzelfall streiten, die ein weiteres Zuwarten – jenseits des letztlich jedem öffentlichen Auftrag zumindest dem Grunde nach innewohnenden Allgemeininteresses an seiner möglichst zeitnahen Erteilung – als nicht hinnehmbar erscheinen lassen.*)
2. Kostenentscheidung und Wertfestsetzung für das Verfahren nach § 176 Abs. 1 Satz 1 GWB können der Endentscheidung vorbehalten bleiben.*)
IBRRS 2021, 3549
EuGH, Urteil vom 07.09.2021 - Rs. C-927/19
1. Art. 58 Richtlinie 2014/24/EU ist dahin auszulegen, dass die Verpflichtung der Wirtschaftsteilnehmer nachzuweisen, dass sie einen bestimmten durchschnittlichen Jahresumsatz in dem vom betreffenden öffentlichen Auftrag abgedeckten Tätigkeitsbereich erzielen, ein Eignungskriterium darstellt, das sich auf die wirtschaftliche und finanzielle Leistungsfähigkeit dieser Wirtschaftsteilnehmer i.S.v. Abs. 3 dieser Vorschrift bezieht.*)
2. Art. 58 Abs. 3 i.V.m. Art. 60 Abs. 3 Richtlinie 2014/24/EU ist dahin auszulegen, dass ein Wirtschaftsteilnehmer in dem Fall, dass der öffentliche Auftraggeber verlangt hat, dass die Wirtschaftsteilnehmer einen bestimmten Mindestumsatz in dem vom betreffenden öffentlichen Auftrag abgedeckten Bereich erzielt haben, sich zum Nachweis seiner wirtschaftlichen und finanziellen Leistungsfähigkeit nur dann auf die Einkünfte berufen darf, die von einem vorübergehenden Unternehmenszusammenschluss, dem er angehörte, erzielt wurden, wenn er im Rahmen eines bestimmten öffentlichen Auftrags tatsächlich zur Ausübung einer Tätigkeit dieses Konsortiums beigetragen hat, die derjenigen entspricht, die Gegenstand des öffentlichen Auftrags ist, für den dieser Wirtschaftsteilnehmer seine wirtschaftliche und finanzielle Leistungsfähigkeit nachweisen will.*)
3. Art. 58 Abs. 4 sowie Art. 42 und 70 Richtlinie 2014/24/EU sind dahin auszulegen, dass sie gleichzeitig mit einer in einer Ausschreibung enthaltenen technischen Vorgabe angewandt werden können.*)
4. Art. 1 Abs. 1 Unterabs. 4, Art. 1 Abs. 3 und 5 sowie Art. 2 Abs. 1 b Richtlinie 89/665/EWG sind dahin auszulegen, dass eine Entscheidung eines öffentlichen Auftraggebers, mit der es abgelehnt wird, einem Wirtschaftsteilnehmer als vertraulich geltende Informationen, die in den Bewerbungsunterlagen oder im Angebot eines anderen Wirtschaftsteilnehmers enthalten sind, mitzuteilen, eine Handlung darstellt, die Gegenstand einer Nachprüfung sein kann, und dass dann, wenn der Mitgliedstaat, in dessen Hoheitsgebiet das Verfahren zur Vergabe des betreffenden öffentlichen Auftrags durchgeführt wird, vorgesehen hat, dass derjenige, der eine Entscheidung des öffentlichen Auftraggebers anfechten möchte, verpflichtet ist, vor der Anrufung des Gerichts einen Verwaltungsrechtsbehelf einzulegen, dieser Mitgliedstaat auch vorsehen kann, dass einer Klage gegen diese den Zugang verweigernden Entscheidung ein solcher vorheriger Verwaltungsrechtsbehelf vorausgehen muss.*)
5. Art. 1 Abs. 1 Unterabs. 4 und Art. 1 Abs. 3 und 5 Richtlinie 89/665/EWG sowie Art. 21 Richtlinie 2014/24/EU sind im Licht des allgemeinen unionsrechtlichen Grundsatzes einer guten Verwaltung dahin auszulegen, dass ein öffentlicher Auftraggeber, der mit einem Antrag eines Wirtschaftsteilnehmers auf Mitteilung der als vertraulich geltenden Informationen, die im Angebot eines Wettbewerbers, an den der Auftrag vergeben wurde, enthalten sind, befasst ist, nicht verpflichtet ist, diese Informationen mitzuteilen, wenn deren Übermittlung zu einem Verstoß gegen die Vorschriften des Unionsrechts über den Schutz vertraulicher Informationen führen würde, und zwar auch dann nicht, wenn der Antrag des Wirtschaftsteilnehmers im Rahmen eines Nachprüfungsantrags dieses Wirtschaftsteilnehmers betreffend die Rechtmäßigkeit der Bewertung des Angebots des Wettbewerbers durch den öffentlichen Auftraggeber gestellt wird. Lehnt der öffentliche Auftraggeber die Übermittlung solcher Informationen ab oder weist er den Verwaltungsrechtsbehelf eines Wirtschaftsteilnehmers bezüglich der Rechtmäßigkeit der Beurteilung des Angebots des betreffenden Wettbewerbers zurück und lehnt dabei die Übermittlung ab, so muss er das Recht des Antragstellers auf eine gute Verwaltung gegen das Recht des Wettbewerbers auf Schutz seiner vertraulichen Informationen abwägen, damit seine Ablehnungsentscheidung oder seine Zurückweisungsentscheidung begründet ist und dem Recht eines abgelehnten Bieters auf eine wirksame Nachprüfung nicht seine praktische Wirksamkeit genommen wird.*)
6. Art. 1 Abs. 1 Unterabs. 4 und Art. 1 Abs. 3 und 5 Richtlinie 89/665/EWG sowie Art. 21 Richtlinie 2014/24/EU sind im Lichte des Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union dahin auszulegen, dass das zuständige nationale Gericht, das mit einer Klage gegen eine Entscheidung eines öffentlichen Auftraggebers befasst ist, mit der es abgelehnt wird, einem Wirtschaftsteilnehmer als vertraulich geltende Informationen mitzuteilen, die in den Unterlagen enthalten sind, die der Wettbewerber, an den der Auftrag vergeben wurde, übermittelt hat, oder mit einer Klage gegen eine Entscheidung eines öffentlichen Auftraggebers, mit der der gegen eine solche Ablehnungsentscheidung eingelegte Verwaltungsrechtsbehelf zurückgewiesen wird, verpflichtet ist, das Recht des Klägers auf einen wirksamen Rechtsbehelf gegen das Recht von dessen Wettbewerber auf Schutz seiner vertraulichen Informationen und seiner Geschäftsgeheimnisse abzuwägen. Zu diesem Zweck muss dieses Gericht, das notwendigerweise über die erforderlichen Informationen, einschließlich vertraulicher Informationen und Geschäftsgeheimnisse, verfügen muss, um in voller Kenntnis der Umstände entscheiden zu können, ob diese Informationen übermittelt werden dürfen, alle relevanten tatsächlichen und rechtlichen Aspekte prüfen. Außerdem muss es diesem Gericht möglich sein, die Ablehnungsentscheidung oder die Entscheidung über die Zurückweisung des Verwaltungsrechtsbehelfs für nichtig zu erklären, wenn sie rechtswidrig sind, und die Sache gegebenenfalls an den öffentlichen Auftraggeber zurückzuverweisen oder, wenn das nationale Recht es dazu ermächtigt, sogar selbst eine neue Entscheidung zu treffen.*)
7. Art. 57 Abs. 4 Richtlinie 2014/24/EU ist dahin auszulegen, dass ein nationales Gericht, das mit einem Rechtsstreit zwischen einem von der Vergabe eines Auftrags ausgeschlossenen Wirtschaftsteilnehmer und einem öffentlichen Auftraggeber befasst ist, von der von Letzterem vorgenommenen Beurteilung der Rechtmäßigkeit des Verhaltens des Wirtschaftsteilnehmers, an den der Auftrag vergeben wurde, abweichen und folglich in seiner Entscheidung alle notwendigen Konsequenzen daraus ziehen kann. Hingegen kann ein solches Gericht nach dem Äquivalenzgrundsatz den Gesichtspunkt eines vom öffentlichen Auftraggeber begangenen Beurteilungsfehlers nur dann von Amts wegen berücksichtigen, wenn das nationale Recht dies zulässt.*)
8. Art. 63 Abs. 1 Unterabs. 2 Richtlinie 2014/24/EU i.V.m. Art. 57 Abs. 4 und 6 dieser Richtlinie ist dahin auszulegen, dass er einer nationalen Regelung entgegensteht, nach der, wenn sich ein Wirtschaftsteilnehmer, der Mitglied eines Konsortiums von Wirtschaftsteilnehmern ist, bei seinen Auskünften zur Überprüfung des Fehlens von Gründen für einen Ausschluss des Konsortiums oder zur Überprüfung, ob dieses die Eignungskriterien erfüllt, einer schwer wiegenden Täuschung schuldig gemacht hat, ohne dass seine Partner von dieser Täuschung Kenntnis hatten, gegen alle Mitglieder dieses Konsortiums eine Maßnahme zum Ausschluss von jedem öffentlichen Vergabeverfahren verhängt werden kann.*)
VolltextIBRRS 2021, 3503
VK Baden-Württemberg, Beschluss vom 19.05.2021 - 1 VK 22/21
1. Liegt das Honorarangebot des Bestbieters nicht um mehr als 21 % unter dem Honorarangebot des zweitplatzierten Bieters, ist die sog. Aufgreifschwelle nicht erreicht. Der Auftraggeber ist deshalb nicht dazu verpflichtet, eine Angebotsaufklärung mit dem Bestbieter durchzuführen.
2. Das Recht auf Akteneinsicht ist durch den Verfahrensgegenstand des Nachprüfungsverfahrens beschränkt. Voraussetzung für die Gewährung von Akteneinsicht ist darüber hinaus, dass der Nachprüfungsantrag auch zulässig ist.
3. Ist der Nachprüfungsantrag nur teilweise zulässig (hier: im Hinblick auf den Vortrag, das Angebot des Bestbieters sei ungewöhnlich niedrig), ist die Erteilung von Akteneinsicht in dessen Angebot zum Schutz der Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse des Bestbieters nicht geboten.
VolltextIBRRS 2021, 3523
OLG Schleswig, Beschluss vom 05.07.2021 - 54 Verg 4/21
1. Die Vergabeunterlagen müssen klar und verständlich sein und für die Bieter bzw. die Bewerber muss eindeutig und unmissverständlich hervorgehen, was von ihnen verlangt wird.
2. Für die Frage, welcher Erklärungswert dem Inhalt von Vergabeunterlagen zukommt, ist nach den für die Auslegung von Willenserklärungen geltenden Grundsätzen zu entscheiden und dabei auf den objektiven Empfängerhorizont der potenziellen Bieter, also eines abstrakt bestimmten Adressatenkreises, abzustellen.
3. Entscheidend ist die Verständnismöglichkeit aus der Perspektive eines verständigen und mit der ausgeschriebenen Leistung vertrauten Unternehmens, das über das für eine Angebotsabgabe oder die Abgabe eines Teilnahmeantrags erforderliche Fachwissen verfügt.
4. Der Begriff des Dienstleistungsauftrags ist ein lediglich im (öffentlichen) Vergaberecht verwendeter Begriff. Daher kann ein verständiger Bieter im Kontext der Auftragsbekanntmachung unter dem Begriff des "Dienstleistungsauftrags" lediglich einen öffentlichen Dienstleistungsauftrag annehmen.
5. ...
VolltextIBRRS 2021, 3505
OLG Rostock, Beschluss vom 11.11.2021 - 17 Verg 6/21
1. Auf eine vermeintliche Vergaberechtswidrigkeit kann sich ein Bieter nicht berufen, wenn sein Produkt zulässig gestellte zwingende Anforderungen zweifelsfrei nicht erfüllt.*)
2. Kommt es dem Auftraggeber mit Blick auf die Dringlichkeit und Risikobegrenzung zulässigerweise auf die Beschaffung einer bestehenden Software an, muss er einen über die programmtechnisch bereits vorgesehene und getestete Konfiguration hinausgehenden Eingriff in die Programmstruktur nicht hinnehmen.*)
IBRRS 2021, 3429
OLG Brandenburg, Beschluss vom 08.07.2021 - 19 Verg 2/21
1. Zur Sicherstellung eines breiten Wettbewerbs um Beschaffungen der öffentlichen Hand unterliegen die öffentlichen Auftraggeber dem Gebot der produktneutralen Ausschreibung.
2. Eine produktspezifische Ausschreibung ist nur dann gerechtfertigt, wenn vom Auftraggeber nachvollziehbare objektive und auftragsbezogene Gründe angegeben worden sind und die Bestimmung folglich willkürfrei getroffen worden ist, solche Gründe tatsächlich vorhanden sind und die Bestimmung andere Wirtschaftsteilnehmer nicht diskriminiert.
3. Dem öffentlichen Auftraggeber steht bei der Einschätzung, ob die Vorgabe eines bestimmten Herstellers gerechtfertigt ist, ein Beurteilungsspielraum zu. Die Entscheidung muss aber nachvollziehbar begründet und dokumentiert sein. Eine vorherige Markterkundung ist nicht erforderlich.
4. Im Bereich der EDV ist es grundsätzlich gerechtfertigt, im Interesse der Systemsicherheit und -funktion das Risikopotential für Fehlfunktionen oder Kompatibilitätsprobleme zu verringern.
IBRRS 2021, 3492
OLG Naumburg, Urteil vom 15.01.2021 - 7 U 39/20
1. Zwar entsteht im Rahmen eines Verfahrens zur Vergabe eines öffentlichen Auftrags ein vorvertragliches Schuldverhältnis regelmäßig durch die Anforderung der Vergabeunterlagen durch den am Auftrag interessierten Wirtschaftsteilnehmer beim öffentlichen Auftraggeber (bzw. bei der E-Vergabe durch die Inanspruchnahme der Vergabeunterlagen über die vom Auftraggeber bezeichnete E-Vergabe-Plattform). Dem steht jedoch die Beteiligung eines Wirtschaftsteilnehmers an der Ausschreibung durch die Einreichung eines Angebots regelmäßig gleich.*)
2. Ein öffentlicher Auftraggeber verletzt seine vorvertraglichen Rücksichtnahmepflichten gegenüber einem Bieter, wenn er dessen Angebot wegen der Nichtzahlung der von ihm bestimmten Gebühr für die Abgabe der Vergabeunterlagen ausschließt.*)
3. a) Der Ausschlussgrund des § 16 Abs. 1 Nr. 1 c i.V.m. § 13 Abs. 1 Nr. 3 VOB/A 2012 ist nicht nur dann gegeben, wenn Preisangaben - mit der ausdrücklich vorgesehenen Ausnahme - gänzlich fehlen oder in formeller Hinsicht unvollständig sind im Sinne sog. schlichter Auslassungen, bzw. wenn Preisangaben in einer auch durch Auslegung nicht zu beseitigenden Mehrdeutigkeit gemacht werden, sondern auch dann, wenn zwar eine Preisangabe vorhanden, diese aber inhaltlich nicht der "geforderten" Preisangabe entspricht.*)
b) Der öffentliche Auftraggeber hat für das Vorliegen einer inhaltlich unvollständigen oder unzutreffenden Preisangabe in einem Vergabe- oder einem Vergabenachprüfungsverfahren die Feststellungslast, im Zivilprozess die Beweislast zu tragen.*)
c) Für besonders auffällige Preisgestaltungen, z. B. bei offenkundig unrealistischen Preisangaben oder bei Feststellung einer Konnexität zwischen Ab- und Aufpreisungen, besteht eine - vom Bieter widerlegbare - tatsächliche Vermutung für das Vorliegen einer Preisverlagerung.*)
d) Beanstandet der öffentliche Auftraggeber einzelne Preisangaben mit Substanz als besonders auffällig, so obliegt es dem Bieter - im Zivilprozess im Rahmen der sog. sekundären Darlegungslast -, zumindest zu diesen Positionen seine Urkalkulation vorzulegen bzw. die ursprüngliche Kalkulation zu rekonstruieren und darzulegen.*)
IBRRS 2021, 3480
OLG Frankfurt, Beschluss vom 21.10.2021 - 11 Verg 5/21
1. Die Höhe der Gebühr für das Verfahren vor der Vergabekammer ist unter Berücksichtigung ihres Aufwands und der wirtschaftlichen Bedeutung der Sache ausgehend vom Wert des Verfahrensgegenstands zu bestimmen.
2. Hat das Verfahren den Abschluss eines Rahmenvertrags zum Gegenstand, der den Anteil der von jedem Bieter abrufbaren Leistung nicht bestimmt, kann der maßgebliche Auftragswert anhand der Gebührentabelle der VK Bund ermittelt werden.
3. Der in der Gebührentabelle der Vergabekammer Bund maßgebliche Auftragswert ist in gleicher Weise zu bestimmen wie der Begriff der Auftragssumme in § 50 Abs. 2 GKG. Er ist als objektiver Wert desjenigen Auftrags auszulegen, den der Auftraggeber zu vergeben hat.
VolltextIBRRS 2021, 3463
BayObLG, Beschluss vom 08.11.2021 - Verg 10/21
1. In Ausnahmefällen kann der Streitwert nach § 50 Abs. 2 GKG herabgesetzt werden.*)
2. Ein Ausnahmefall liegt vor, wenn es ausschließlich um Verfahrensfragen geht oder wenn es sich um ein atypisches Nachprüfungsverfahren handelt.
VolltextIBRRS 2021, 3412
VK Baden-Württemberg, Beschluss vom 23.07.2021 - 1 VK 44/21
1. Antragsbefugt ist jedes Unternehmen, das ein Interesse am öffentlichen Auftrag hat, eine Verletzung in seinen Rechten geltend macht und dabei darlegt, dass dem Unternehmen durch die behauptete Verletzung der Vergabevorschriften ein Schaden entstanden ist oder zu entstehen droht.
2. Es liegt kein Schaden auf Seiten des Antragstellers vor, wenn er mit seinem abgegebenen Angebot für den Zuschlag vorgesehen ist.
3. Ist dem Antragsteller eine vernünftige Kalkulation unter den vom Auftraggeber vorgegebenen Rahmenbedingungen nicht möglich, muss er auf den Zuschlag verzichten, substantiiert vortragen, in welchen Punkten die eigene Kalkulation aufgrund der Vorgaben fehlerhaft bzw. unzumutbar ist und darauf bestehen, dass die Vergabekammer die Vergaberechtsfehler bestätigt und das Verfahren in den Stand vor Bekanntmachung zurückversetzt wird.
IBRRS 2021, 3427
OLG Brandenburg, Beschluss vom 13.09.2021 - 19 Verg 4/21
1. Der unterlegene Beteiligte hat die Rechtsanwaltskosten des Gegners zu tragen, wenn die Hinzuziehung eines Verfahrensbevollmächtigten notwendig war.
2. Wegen der Schwierigkeit des Vergaberechts, der kontradiktorischen Ausgestaltung des Nachprüfungsverfahrens und der Eilbedürftigkeit des Vortrags in Vergabesachen ist die Hinzuziehung eines Verfahrensbevollmächtigten nicht nur ausnahmsweise bei ungewöhnlichen Konstellationen als notwendig zu erachten. Das gilt auch für die Hinzuziehung eines Rechtsanwalts durch den Auftraggeber.
3. Hat das Nachprüfungsverfahren schwerpunktmäßig auftragsbezogene Sach- und Rechtsfragen zum Gegenstand, besteht für den öffentlichen Auftraggeber im Regelfall keine Notwendigkeit, anwaltlichen Beistand hinzuzuziehen. In seinem originären Aufgabenbereich muss er sich die notwendige Sach- und Rechtskenntnis grundsätzlich selbst verschaffen.
4. Streiten die Verfahrensbeteiligten darüber, wer Auftraggeber für die zu vergebende Leistung sein soll, über die Anforderungen an die Versendung der Mitteilung nach § 134 GWB in Textform und über die Rechtmäßigkeit des Ausschlusses des Antragstellers aus dem Vergabeverfahren, nachdem dieser erst nach Angebotsabgabe für verschiedene Leistungen Nachunternehmer benannt hat, geht dies über einfach gelagerte, auftragsbezogene Sach- und Rechtsfragen hinaus.
IBRRS 2021, 3411
VK Baden-Württemberg, Beschluss vom 14.06.2021 - 1 VK 32/21
1. Ein Feststellungsantrag ist nur zulässig, wenn ein anzuerkennendes Interesse rechtlicher, wirtschaftlicher oder auch ideeller Art vorgetragen und dargelegt wird, das geeignet ist, die Rechtsposition des Antragstellers in einem der genannten Bereiche zu verbessern.
2. Als Voraussetzung für die Begründetheit des Feststellungsantrags muss der ursprüngliche Nachprüfungsantrag zulässig gewesen sein.
2. Ein Feststellungsantrag ist nur begründet, wenn eine ordnungsgemäße Rüge erfolgt ist, die sich auf konkret vorgetragene Anhaltspunkte oder zumindest Indizien stützt.
VolltextIBRRS 2021, 3407
BayObLG, Beschluss vom 26.10.2021 - Verg 4/21
1. Durch die Rücknahme des Nachprüfungsantrags, die in der freien Disposition des Antragstellers steht und auch im Beschwerdeverfahren ohne Zustimmung der übrigen Beteiligten erklärt werden kann, ist das Verfahren beendet. Der Beschluss der Vergabekammer ist - abgesehen von der Gebührenfestsetzung - hinfällig und damit gegenstandslos.
2. Über die Kosten des Verfahrens vor der Vergabekammer und die Tragung von notwendigen Aufwendungen der Beteiligten ist nach billigem Ermessen zu entscheiden.
3. Es entspricht der Billigkeit, dem Antragsteller die Verfahrenskosten und die zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen des Antragsgegners aufzuerlegen, wenn er sich durch die Rücknahme des Nachprüfungsantrags in die Rolle des Unterlegenen begeben hat und keine Gründe dafür ersichtlich sind, die dafür sprechen, einem Beteiligten hiervon abweichend Kosten aufzuerlegen.
VolltextIBRRS 2021, 3358
VK Hamburg, Beschluss vom 27.09.2021 - 60.29-319/2021.009
Vergibt ein privater Auftraggeber Planungsleistungen und erhält er von einem öffentlichen Auftraggeber für das Bauvorhaben Zuwendungen, muss der (oberschwellige) Planungsauftrag nur dann öffentlich ausgeschrieben werden, wenn auch der mit dem Planungsauftrag funktional verbundene Bauauftrag den Schwellenwert für Bauaufträge erreicht bzw. überschreitet und zu mehr als 50 % von einem öffentlichen Auftraggeber subventioniert wird (sog. doppelte Akzessorietät).
IBRRS 2021, 3382
OLG Rostock, Beschluss vom 16.09.2021 - 17 Verg 7/21
1. Gegenstand eines Nachprüfungsverfahrens ist ein konkretes formelles Vergabeverfahren, auf das sich die Eingriffsbefugnisse der Nachprüfungsinstanzen hinsichtlich der Maßnahmen der Vergabestelle beschränken; im Falle einer parallelen Neuausschreibung der Leistungen durch den öffentlichen Auftraggeber kann der Bieter primären Rechtsschutz gegen einen damit einhergehenden vermeintlichen Vergaberechtsverstoß daher allein in einem Nachprüfungsverfahren erlangen, welches sich auf die zweite Ausschreibung bezieht (Anschluss an OLG Naumburg, Beschluss vom 31.07.2006 - 1 Verg 6/06, IBRRS 2006, 3907 = VPRRS 2006, 0429, und OLG Koblenz, Beschluss vom 10.04.2003 - 1 Verg 1/03, IBRRS 2003, 1258 = VPRRS 2003, 0395).*)
2. Im Falle eines Verstoßes des öffentlichen Auftragsgebers gegen § 3 Abs. 7 Satz 3 und Abs. 9 VgV kommt eine Rechtsverletzung des Bieters gem. § 160 Abs. 2 Satz 1 GWB durch eine nationale statt eine europaweite Ausschreibung in Betracht, wenn er vom Vergabeverfahren nur zufällig Kenntnis erlangt und ihm in der Folge die Angebotsfrist lediglich noch in verkürztem Umfang für die Erarbeitung einer Bewerbung zur Verfügung steht.*)
3. Von vorneherein untauglich für die Begründung eines besonderen Beschleunigungsinteresses des Auftraggebers i.S.v. § 169 Abs. 2 GWB sind allgemein gehaltene Verweise auf die Bedeutung seiner Aufgaben auf regionaler oder nationaler Ebene, wenn davon insbesondere nicht der Bereich der Daseinsvorsorge oder nach der genannten Vorschrift in der Regel als überwiegend anzusehende Sicherheits- und Verteidigungsinteressen betroffen sind.*)
4. Bei einem Großvorhaben im Baubereich, das sich noch in der Anfangsphase befindet, lässt sich die Gestattung eines vorzeitigen Zuschlags nicht auf finanzielle Einbußen stützen, welche im Falle einer hinausgeschobenen Fertigstellung frühestens in einigen Jahren zu erwarten wären, wenn die Möglichkeit der zwischenzeitlichen Kompensierung von Verzögerungen, die durch das anhängige Nachprüfungsverfahren eintreten, im weiteren Bauverlauf nicht ausgeschlossen ist.*)
5. Ebenso wenig kann für eine erhöhte Dringlichkeit der vorzeitigen Zuschlagserteilung die Dauer eines bereits vorangegangenen Vergabeverfahrens angeführt werden, weil ansonsten die Verzögerungen, welche durch die Dauer des Nachprüfungsverfahrens zu einer ersten Teilausschreibung für das Gesamtbauvorhaben verursacht wurden, den vorzeitigen Zuschlag ebenso bei allen noch ausstehenden Vergaben weiterer Leistungen bedingten und die §§ 155 ff. GWB für das restliche Projekt leer liefen.*)
IBRRS 2021, 3311
OLG Rostock, Beschluss vom 21.04.2021 - 17 Verg 1/21
1. Die Zurückweisung eines Nachprüfungsantrags als "offensichtlich unbegründet" kommt nicht in Betracht, wenn die "Offensichtlichkeit" aus Sachverhaltselementen entnommen wird, zu denen im Nachprüfungsverfahren keine Akteneinsicht gewährt wird und die dem Antragsteller deshalb verborgen bleibt.
2. Es ist ein Gebot des fairen Verfahrens und des Anspruchs auf rechtliches Gehör, dem Antragsteller angemessen Einsicht in die Unterlagen der Vergabestelle zu gewähren, welche für die Beurteilung der Unzulässigkeit oder Unbegründetheit des Nachprüfungsantrags bedeutsam sein können.
VolltextIBRRS 2021, 3314
KG, Beschluss vom 02.08.2021 - Verg 1/21
1. Die Akteneinsicht bestimmt in erheblichem Umfang die Grenzen und Chancen des rechtlichen Vortrags und der Überprüfung der angegriffenen Vergabe und stellt damit ganz maßgeblich die Weichen für den späteren Erfolg des Nachprüfungsverfahrens. Anfallende Rechtsfragen zur Akteneinsicht - als Ausfluss des rechtlichen Gehörs - sind deshalb besonders sorgfältig zu bewerten und zu klären, weil ein Bedürfnis nach einheitlicher Beantwortung dieser Fragen besteht.
2. Bein einem Beschwerdeverfahren, das sich auf einen lediglich Fragen der Akteneinsicht betreffenden Beschluss der Vergabekammer in einem Zwischenverfahren bezieht, ist das nach § 3 ZPO auszuübende pflichtgemäße Ermessen am Einzelfall zu orientieren. Die Streitwertfestsetzung auf 1/10 des maßgeblichen 5 %-igen Anteils am Bruttoauftragswert (statt 1/20, so OLG München, Beschluss vom 28.04.2016 - Verg 3/16, IBRRS 2016, 1848) führt dennoch wegen nicht vergleichbarer Erwägungsgründe nicht zu einer Divergenzvorlage.
VolltextIBRRS 2021, 3342
VK Bund, Beschluss vom 18.09.2020 - VK 2-51/20
1. Die Vorschrift des § 7 Abs. 1 VgV, wonach der Auftraggeber sicherzustellen hat, dass der Wettbewerb durch die Teilnahme eines vorbefassten Unternehmens nicht verzerrt wird, erfasst nicht den bisherigen Auftragnehmer.
2. Wettbewerbsvorsprünge eines Bieters, der sich aufgrund eines Vorauftrags bereits auf die Besonderheiten des Auftraggebers eingestellt hat, bedürfen keines Ausgleichs durch den Auftraggeber. Es entspricht der normalen Rollen- und Risikoverteilung im Wettbewerb, sich zum Markteintritt zu qualifizieren.
IBRRS 2021, 3312
VK Nordbayern, Beschluss vom 20.08.2021 - RMF-SG21-3194-6-29
1. Eine Verpflichtung zur Rügeerhebung nach § 160 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 GWB bis zur Angebotsabgabe besteht nur dann, wenn der Verstoß aus den Vergabeunterlagen erkennbar ist.*)
2. Von der Vergabestelle verursachte Unklarheiten dürfen nicht zu Lasten der Bieter gehen.*)
IBRRS 2021, 2055
LG Bonn, Urteil vom 09.06.2021 - 1 O 3/20
1. Eine Angabe zum "Kfz-Einsatz" ist eine wesentliche Preisangabe, deren Fehlen zum Ausschluss des Angebots führt.
2. Die Vorbereitung eines einreichungsfähigen Nachprüfungsantrags entspricht nicht der Schadensminderungspflicht, wenn ein solcher zu diesem Zeitpunkt noch nicht geboten ist.
VolltextIBRRS 2021, 3273
VK Bund, Beschluss vom 26.03.2021 - VK 2-13/21
1. Ein Bieter muss im Regelfall erst nach Zuschlagserteilung und zu Beginn der Ausführung des Auftrags über die geforderten Mittel verfügen.
2. Es bedarf einer Preisprüfung durch den Auftraggeber, wenn der Preis oder die Kosten eines Angebots im Verhältnis zu der zu erbringenden Leistung dem Auftraggeber ungewöhnlich niedrig erscheinen. Hierfür ist das Überschreiten einer Aufgreifschwelle erforderlich.
3. Eine Preisprüfung kommt in Betracht, wenn Anhaltspunkte für eine Unauskömmlichkeit bestehen, was der Fall ist, wenn sich einzelne Angebote erheblich von anderen Angeboten oder von der Kostenschätzung des Auftraggebers absetzen. Diese Aufgreifschwelle liegt Regelfall bei einem Abstand von mindestens 20% des betroffenen zum nächstgünstigeren Angebot.
4. Die Verfahrensbeteiligten können die Vergabeakte sowie die Verfahrensakten der Vergabekammer bei der Vergabekammer einsehen und sich durch die Geschäftsstelle der Vergabekammer auf ihre Kosten Ausfertigungen, Auszüge oder Abschriften erteilen lassen. Ein Anspruch auf Übersendung der der Vergabeakte und der Verfahrensakte der Vergabekammer besteht nicht.
VolltextIBRRS 2021, 3206
VK Bund, Beschluss vom 23.07.2021 - VK 2-75/21
1. Lässt sich ein Widerspruch im Angebot des Bieters nicht durch Auslegung beseitigen, stellt dies nicht unmittelbar und direkt einen Ausschlussgrund dar. Das Angebot bedarf vielmehr der Aufklärung.
2. Bei einem infolge der Widersprüchlichkeit wahrscheinlichen Eintragungsfehler reduziert sich das Aufklärungsermessen des Auftraggebers auf eine Aufklärungspflicht. Dem Bieter muss die Gelegenheit eingeräumt werden, die Widersprüchlichkeit auszuräumen.
3. Der Pflicht zur Aufklärung widersprüchlicher Angebote kann sich der Auftraggeber auch nicht durch einen entsprechenden Ausschluss in den Vergabeunterlagen entziehen.
IBRRS 2021, 3201
VK Bund, Beschluss vom 03.08.2021 - VK 2-41/21
1. Der Wechsel eines Vertragspartners stellt eine Vertragsänderung dar. Eines schriftlichen Dokuments über den Vertragsschluss bedarf es mangels Formerfordernisses nicht.
2. Ein Wechsel des Vertragspartners muss innerhalb einer Frist von sechs Monaten nach Vertragsschluss durch entsprechende Antragstellung vor der Vergabekammer geltend gemacht werden, andernfalls wird der Vertrag dauerhaft wirksam.
3. Der (Einzel-)Abruf einer in einem (hier: übernommenen) Rahmenvertrag vorgesehenen Leistung ist nicht bekanntmachungspflichtig und bedarf keines gesonderten Vergabeverfahrens.
4. Ein identitätswahrender Formwechsel nach dem Umwandlungsgesetz stellt keine Vertragsänderung dar.
5. Ein de-facto geschlossener Vertrag kann sittenwidrig und damit nichtig sein, wenn dem Vertragsschluss ein kollusiver Verstoß des öffentlichen Auftraggebers und des Vertragspartners zugrunde liegt, mit dem beide das Vergaberechtsregime des 4. Teils des GWB bewusst umgangen haben und damit gegen tragende Grundsätze des Vergaberechts verstoßen haben (hier verneint).
VolltextIBRRS 2021, 2912
VK Baden-Württemberg, Beschluss vom 05.07.2021 - 1 VK 26/21
1. Bei der Berechnung des Auftragswerts sind die Leistungsphasen 1 bis 9 und die Preisgelder zu Grunde zu legen.
2. Es ist zulässig, Referenzen von Leistungen für öffentliche Auftraggeber zu fordern.
3. Der Wettbewerb kann auf Planungsleistungen nur für das Gebäude unmittelbar (KG 300 und 400) beschränkt werden. Die Planung der Außenanlagen kann unbeachtet bleiben, die Vergabestelle bestimmt den Beschaffungsgegenstand.
VolltextIBRRS 2021, 3181
VK Berlin, Beschluss vom 11.12.2020 - VK B 2-54/20
Kirchen sind wie Ordensgemeinschaften keine öffentlichen Auftraggeber. Gleiches gilt für eine kirchliche Stiftung, die weder staatlich beaufsichtigt noch finanziert wird und deren Organe nicht mehrheitlich durch den Staat besetzt werden.
VolltextIBRRS 2021, 3179
EuGH, Urteil vom 02.09.2021 - Rs. C-722/19
1. Das Unionsrecht, insbesondere Art. 43 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 2014/23/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26.02.2014 über die Konzessionsvergabe, ist dahin auszulegen, dass es einer nationalen Regelung, nach der ein Konzessionsvertrag ohne Durchführung eines neuen Vergabeverfahrens zu erneuern ist, während das geltende nationale Recht vorsah, dass eine solche Konzession grundsätzlich an mehrere - höchstens vier - Wirtschaftsteilnehmer zu vergeben ist, in einem Fall, in dem der Konzessionsvertrag an einen einzigen Konzessionsnehmer vergeben wurde, dann nicht entgegensteht, wenn mit dieser nationalen Regelung eine Klausel angewendet wird, die im ursprünglichen Konzessionsvertrag enthalten war und eine solche Erneuerung als Option vorsah.*)
2. Das Unionsrecht, insbesondere Art. 43 Abs. 1 Buchst. e der Richtlinie 2014/23, ist dahin auszulegen, dass es einer nationalen Regelung, nach der zwei Jahre vor dem Ablauf der Konzession über deren Erneuerung entschieden wird und mit der die im ursprünglichen Konzessionsvertrag vorgesehenen Modalitäten der Zahlung der vom Konzessionsnehmer geschuldeten finanziellen Gegenleistung geändert werden, so dass neue und höhere Einnahmen für den Staatshaushalt gewährleistet sind, dann nicht entgegensteht, wenn diese Änderung nicht wesentlich im Sinne von Art. 43 Abs. 4 der Richtlinie ist.*)
3. Art. 43 Abs. 4 der Richtlinie 2014/23 und Art. 1 Abs. 3 der Richtlinie 89/665/EWG des Rates vom 21.12.1989 zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften für die Anwendung der Nachprüfungsverfahren im Rahmen der Vergabe öffentlicher Liefer- und Bauaufträge in der durch die Richtlinie 2014/23 geänderten Fassung sind dahin auszulegen, dass ein Wirtschaftsteilnehmer gegen eine Entscheidung, mit der eine Konzession erneuert wird, einen Rechtsbehelf mit der Begründung einlegen kann, dass die Durchführungsbedingungen des ursprünglichen Konzessionsvertrags wesentlich geändert worden sind, auch wenn er nicht am ursprünglichen Verfahren zur Vergabe der Konzession teilgenommen hat, sofern er zu dem Zeitpunkt, zu dem die Konzession zu erneuern ist, ein Interesse an der Erteilung der Konzession nachweisen kann.*)
VolltextIBRRS 2021, 3178
EuGH, Urteil vom 02.09.2021 - Rs. C-721/19
1. Das Unionsrecht, insbesondere Art. 43 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 2014/23/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26.02.2014 über die Konzessionsvergabe, ist dahin auszulegen, dass es einer nationalen Regelung, nach der ein Konzessionsvertrag ohne Durchführung eines neuen Vergabeverfahrens zu erneuern ist, während das geltende nationale Recht vorsah, dass eine solche Konzession grundsätzlich an mehrere – höchstens vier – Wirtschaftsteilnehmer zu vergeben ist, in einem Fall, in dem der Konzessionsvertrag an einen einzigen Konzessionsnehmer vergeben wurde, dann nicht entgegensteht, wenn mit dieser nationalen Regelung eine Klausel angewendet wird, die im ursprünglichen Konzessionsvertrag enthalten war und eine solche Erneuerung als Option vorsah.*)
2. Das Unionsrecht, insbesondere Art. 43 Abs. 1 Buchst. e der Richtlinie 2014/23, ist dahin auszulegen, dass es einer nationalen Regelung, nach der zwei Jahre vor dem Ablauf der Konzession über deren Erneuerung entschieden wird und mit der die im ursprünglichen Konzessionsvertrag vorgesehenen Modalitäten der Zahlung der vom Konzessionsnehmer geschuldeten finanziellen Gegenleistung geändert werden, so dass neue und höhere Einnahmen für den Staatshaushalt gewährleistet sind, dann nicht entgegensteht, wenn diese Änderung nicht wesentlich im Sinne von Art. 43 Abs. 4 der Richtlinie ist.*)
3. Art. 43 Abs. 4 der Richtlinie 2014/23 und Art. 1 Abs. 3 der Richtlinie 89/665/EWG des Rates vom 21.12.1989 zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften für die Anwendung der Nachprüfungsverfahren im Rahmen der Vergabe öffentlicher Liefer- und Bauaufträge in der durch die Richtlinie 2014/23 geänderten Fassung sind dahin auszulegen, dass ein Wirtschaftsteilnehmer gegen eine Entscheidung, mit der eine Konzession erneuert wird, einen Rechtsbehelf mit der Begründung einlegen kann, dass die Durchführungsbedingungen des ursprünglichen Konzessionsvertrags wesentlich geändert worden sind, auch wenn er nicht am ursprünglichen Verfahren zur Vergabe der Konzession teilgenommen hat, sofern er zu dem Zeitpunkt, zu dem die Konzession zu erneuern ist, ein Interesse an der Erteilung der Konzession nachweisen kann.*)
VolltextIBRRS 2021, 3180
VK Berlin, Beschluss vom 23.04.2021 - VK B 2-65/20
1. Nimmt der Antragsteller den Nachprüfungsantrag zurück und teilt er mit, er habe mit dem Auftraggeber außerhalb des Nachprüfungsverfahrens eine Einigung erzielt, nach der der Auftraggeber die Kosten des Nachprüfungsverfahrens trage, entspricht es billigem Ermessen, dem Auftraggeber die Kosten des Nachprüfungsverfahrens aufzuerlegen. Zudem hat er die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Aufwendungen des Antragstellers zu tragen.
2. Es entspricht nicht der Billigkeit, dem Auftraggeber entsprechend seiner Kostenübernahmeerklärung auch die Aufwendungen des Beigeladenen aufzuerlegen, wenn sich dieser nicht aktiv am Verfahren beteiligt oder durch Antragstellung selbst einem Kostenrisiko ausgesetzt hat. Er hat seine etwaigen Aufwendungen selbst zu tragen.
VolltextIBRRS 2021, 3176
EuGH, Urteil vom 06.10.2021 - Rs. C-561/19
1. Art. 267 AEUV ist dahin auszulegen, dass ein innerstaatliches Gericht, dessen Entscheidungen nicht mehr mit Rechtsmitteln des innerstaatlichen Rechts angefochten werden können, seiner Pflicht nachkommen muss, eine vor ihm aufgeworfene Frage nach der Auslegung des Unionsrechts dem Gerichtshof vorzulegen, es sei denn, es stellt fest, dass diese Frage nicht entscheidungserheblich ist, dass die betreffende Vorschrift des Unionsrechts bereits Gegenstand einer Auslegung durch den Gerichtshof war oder dass die richtige Auslegung des Unionsrechts derart offenkundig ist, dass für einen vernünftigen Zweifel keinerlei Raum bleibt.*)
2. Ob ein solcher Fall gegeben ist, ist unter Berücksichtigung der Eigenheiten des Unionsrechts, der besonderen Schwierigkeiten seiner Auslegung und der Gefahr voneinander abweichender Gerichtsentscheidungen innerhalb der Union zu beurteilen.*)
3. Ein solches Gericht kann nicht allein deshalb von dieser Pflicht befreit werden, weil es den Gerichtshof im Rahmen derselben nationalen Rechtssache bereits um Vorabentscheidung ersucht hat. Es kann jedoch aus Unzulässigkeitsgründen, die dem Verfahren vor ihm eigen sind, davon absehen, dem Gerichtshof eine Frage zur Vorabentscheidung vorzulegen, sofern die Grundsätze der Äquivalenz und der Effektivität gewahrt bleiben.*)
VolltextIBRRS 2021, 2913
VK Baden-Württemberg, Beschluss vom 05.08.2021 - 1 VK 37/21
1. Eine Aussage, dass vergaberechtliche Vorgaben einzuhalten sind, darf Bewerbenden nicht negativ ausgelegt werden. Dies wären sonst sachfremde Erwägungen.
2. Ad-hoc-Fragen als offene Fragen sind ein zulässiges Mittel, die Qualifikation des eingesetzten Personals zu bewerten.
3. Ist der Inhalt der Fragerunde strittig, liegt ein Dokumentationsmangel vor, wenn keine umfassende Protokollierung stattfindet.
VolltextIBRRS 2021, 3139
OLG Schleswig, Beschluss vom 16.09.2021 - 54 Verg 1/21
1. Ein öffentlicher Auftrag ist ein entgeltlicher Vertrag eines öffentlichen Auftraggebers zur Beschaffung von Leistungen, während die Konzession typischerweise ein Dreiecksverhältnis (öffentlicher Auftraggeber, Dienstleistungserbringer, Nutzer der Dienstleistung) und eine Verlagerung wirtschaftlicher Risiken voraussetzt.
2. Eine Dienstleistungskonzession ist der Vertrag eines öffentlichen Auftraggebers mit einem Wirtschaftsteilnehmer, aufgrund dessen letzterer eine Dienstleistung unter Übernahme des wirtschaftlichen Risikos zu erbringen hat, wobei er dadurch entlohnt wird, dass er die aus der Erbringung der Dienstleistung am Markt erzielten Einkünfte behalten darf. Die zusätzliche Bezahlung durch den öffentlichen Auftraggeber ist möglich, aber nicht notwendig.
3. Bei reinen Miet- und Pachtverträgen beschafft die öffentliche Hand hingegen nichts, sondern bietet selbst eine Leistung an und verwertet eigenes Vermögen. Beschaffungselemente können vorliegen, sobald eine Miet-/Pachtvertrag dem Mieter/Pächter Pflichten zur Erbringung einer Leistung auferlegt.
IBRRS 2021, 3125
OLG Düsseldorf, Beschluss vom 01.10.2020 - Verg 32/20
1. Kostenentscheidungen der Vergabekammern sind isoliert anfechtbar.
2. Hat sich ein Nachprüfungsantrag vor Entscheidung der Vergabekammer durch Rücknahme erledigt, erfolgt die Entscheidung darüber, wer die Kosten zu tragen hat, nach billigem Ermessen.
3. Grundsätzlich entspricht es der Billigkeit, dem Antragsteller, der sich bei offenem Verfahrensausgang durch die Rücknahme des Nachprüfungsantrags in die Position des Unterlegenen begibt, die Kosten aufzuerlegen.
4. Gesichtspunkte der Billigkeit können es im Einzelfall gebieten, hiervon abweichend einem Beteiligten die Verfahrenskosten aufzuerlegen bzw. bei der Kostenentscheidung zu seinen Lasten zu berücksichtigen. Insbesondere kann im Rahmen der Billigkeit zu berücksichtigen sein, wenn die Antragstellung durch unzureichende oder unrichtige Mitteilungen der Vergabestelle provoziert worden ist.
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