Bau-, Architekten- und Immobilienrecht.
Volltexturteile nach Sachgebieten
10832 Entscheidungen insgesamt
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IBRRS 2021, 2911VK Baden-Württemberg, Beschluss vom 12.04.2021 - 1 VK 3/21
1. Eine Aufklärungspflicht des preislichen Angebots besteht schon dann nicht, wenn die Grenze von 20% zum nächsthöheren Angebot nicht erreicht ist.
2. Bei den qualitativen Kriterien ist nicht jeder Punktabzug von der maximal möglichen Punktzahl zu begründen, vielmehr muss jede Bewertung nur aussagekräftig sein.
3. Die Wiederholung eines zunächst von der Vergabekammer als nicht ausreichend dokumentierten Verfahrensschritts der Wertung ist zulässig.
IBRRS 2021, 3086
VK Bund, Beschluss vom 11.06.2021 - VK 1-44/21
1. Aufklärungsgespräche dienen lediglich der Klärung etwaiger Zweifel, nicht aber der Behebung von Verständnisproblemen. Dass letztere nicht auftreten, obliegt der Sorgfalt des Bieters - sein Angebot muss aus sich heraus verständlich sein.
2. Ergänzungen oder inhaltliche Nachbesserungen des wertungsrelevanten Konzepts darf der Auftraggeber im Rahmen eines etwaigen Aufklärungsgesprächs nicht berücksichtigen.
3. Bei der Wertung von Angeboten steht dem Auftraggeber ein Beurteilungsspielraum zu, der nur daraufhin überprüft werden darf, ob das vorgeschriebene Bewertungsverfahren eingehalten, der Sachverhalt vollständig und zutreffend ermittelt, die vom Auftraggeber aufgestellten Vorgaben beachtet und in die Wertung keine sachfremden Erwägungen eingeflossen sind.
4. Nachzuprüfen ist aber nicht nur die Benotung des Angebots des betreffenden Antragstellers als solche, sondern auch, ob die jeweiligen Wertungspunkte insbesondere im Vergleich zur Wertung des Zuschlagsprätendenten plausibel vergeben wurden.
5. Seinen Beurteilungsspielraum hat der Auftraggeber erst dann überschritten, wenn seine Wertung unvertretbar, ein anderes Wertungsergebnis also zwingend ist.
6. Auch wenn eine Wertungsentscheidung fehlerhaft ist, führt dies nicht zur Begründetheit des Nachprüfungsantrags, wenn der antragstellende Bieter durch den Wertungsfehler nicht in seinen Rechten verletzt ist. Das ist insbesondere dann der Fall, wenn sein Angebot nicht zu bezuschlagen ist, weil es auch bei einer besseren Bewertung nicht auf den ersten Wertungsplatz kommt.
VolltextIBRRS 2021, 3074
EuGH, Urteil vom 06.10.2021 - Rs. C-598/19
Art. 20 Abs. 1 der Richtlinie 2014/24/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26.02.2014 über die öffentliche Auftragsvergabe und zur Aufhebung der Richtlinie 2004/18/EG ist dahin auszulegen, dass er es einem Mitgliedstaat vorbehaltlich der Wahrung der Grundsätze der Gleichbehandlung und der Verhältnismäßigkeit durch diesen Mitgliedstaat nicht verwehrt, über die in dieser Bestimmung genannten Voraussetzungen hinaus zusätzliche Voraussetzungen zu verlangen und damit bestimmte Wirtschaftsteilnehmer, die die Voraussetzungen dieser Bestimmung erfüllen, von den Verfahren zur Vergabe vorbehaltener öffentlicher Aufträge auszuschließen.*)
IBRRS 2021, 3054
OLG Dresden, Beschluss vom 05.02.2021 - Verg 5/20
1. Die Vergabe eines öffentlichen Auftrags ist (nur) an geeignete Unternehmen vorgesehen. Dafür können Eignungskriterien festgelegt werden, die in der Ausschreibung aufzuführen sind.
2. Aus den Vergabeunterlagen muss für die Bieter eindeutig und unmissverständlich hervorgehen, welche Voraussetzungen sie erfüllen müssen, um den Auftrag erhalten zu können, und welche Erklärungen und Nachweise hierzu von ihnen verlangt werden.
3. Enthält denn die Auftragsbekanntmachung das Eignungskriterium einer mindestens dreijährigen vergleichbaren Geschäftstätigkeit nicht, kann ein Bieter nicht mit der Begründung ausgeschlossen werden, er sei noch keine drei Jahre am Markt tätig.
4. Wird der Umsatz des Unternehmens in den letzten drei abgeschlossenen Geschäftsjahren im Formblatt 124 (in Verbindung mit dem Verzicht auf die Angabe eines Mindestumsatzes) abgefragt, können die Bieter auch die Zahl "0" eintragen, so dass damit die Festlegung einer Mindestanforderung für die Geschäftstätigkeit nicht verbunden ist.
VolltextIBRRS 2021, 3053
VK Nordbayern, Beschluss vom 11.08.2021 - RMF-SG21-3194-6-25
1. Eintragungen im Formblatt 223 sind keine Preisangaben i.S.d. § 13 EU Abs. 1 Nr. 3 VOB/A 2019, so dass § 16a EU Abs. 2 VOB/A 2019 nicht einschlägig ist. Sie werden nicht Vertragsbestandteil, weil im Vertrag nur die (Einheits-)Preise, nicht aber deren einzelne Elemente oder die Art ihres Zustandekommens vereinbart werden. Das Formblatt 223 hat somit ausschließlich den Zweck, dem Auftraggeber zu ermöglichen, auffällig erscheinende Angebotspreise auf Angemessenheit einer ersten Prüfung zu unterziehen und, falls erforderlich, eine gezielte Aufklärung vorzunehmen. Jedenfalls dann, wenn Formblatt 223 nicht bereits mit dem Angebot vorzulegen ist, darf der Auftraggeber dieses nicht allein deshalb anfordern, weil er sich dies vorbehalten hat oder dies in einem Vergabehandbuch oder einer Dienstanweisung so geschrieben steht. Vielmehr braucht er dafür einen Grund i.S.d. § 16d EU Abs. 1 VOB/A 2019.*)
2. Ein Angebot enthält dann nicht die geforderten Preise i.S.d. § 13 EU Abs. 1 Nr. 3 VOB/A 2019, wenn ein Bieter die für einzelne Positionen aus dem Leistungsverzeichnis vorgesehenen Preise ganz oder teilweise in andere Positionen verlagert.*)
3. Seit Inkrafttreten der Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen, Ausgabe 2009, kann grundsätzlich nicht mehr ein Angebot nur deshalb ausgeschlossen werden, wenn in einem Vergabeverfahren für Bauleistungen ein Preis in einer einzelnen unwesentlichen Position fehlt. Sinn und Zweck dieser liberalisierenden Novellierung der Vergaberegelungen war, im Interesse eines umfassenden Wettbewerbs den Ausschluss von Angeboten aus vielfach nur formalen Gründen zu verhindern und die Anzahl der am Wettbewerb teilnehmenden Angebote nicht unnötig zu reduzieren (BGH, Urteil vom 19.06.2018 - X ZR 100/16, IBRRS 2018, 3168 = VPRRS 2018, 0312).*)
IBRRS 2021, 3041
VK Berlin, Beschluss vom 26.03.2021 - VK B 2-19/20
1. Erledigt sich das Nachprüfungsverfahren durch die Rücknahme des Nachprüfungsantrags durch den Antragsteller, ist das Verfahren einzustellen und über die Kosten zu entscheiden.
2. Die Entscheidung, wer die Kosten zu tragen hat, erfolgt bei einer Erledigung des Antrags vor einer Entscheidung der Vergabekammer nach billigem Ermessen.
3. Erfolgt die Antragsrücknahme auf eine Reaktion des öffentlichen Auftraggebers, mit der das antragstellende Unternehmen - teilweise - sein materielles Ziel erreicht hat, sind dem Auftraggeber die Kosten schon deshalb aufzuerlegen, weil er sich durch die erfolgte Abhilfeentscheidung freiwillig in die Rolle des Unterlegenen begeben hat.
VolltextIBRRS 2021, 3024
OLG Rostock, Beschluss vom 30.09.2021 - 17 Verg 3/21
1. Zu den inhaltlichen Anforderungen an die Darlegung der Antragsbefugnis und zur Unzulässigkeit des Nachprüfungsantrags bei Behauptungen „ins Blaue hinein“.*)
2. Zu den Voraussetzungen für ein amtswegiges Aufgreifen eines Vergaberechtsverstoßes durch die Vergabekammer.*)
3. Zur Auslegung der Vergabeunterlagen, hier insbesondere in Bezug auf die Angabe des Gegenstands einer als Public Private Partnership zu gründenden GmbH im Entwurf des Gesellschaftsvertrags.*)
4. Ein Ausschluss nach § 57 Abs. 1 Nr. 4 VgV kann nicht ohne Weiteres erfolgen, wenn die Abweichung letztlich durch die Vergabestelle verursacht ist.*)
5. Die Gründung einer ÖPP-Gesellschaft ist nur insoweit ausschreibungspflichtig, als sie mit dem öffentlichen Auftrag ein unteilbares Ganzes bildet.*)
6. Ein Bieter im Verhandlungsverfahren kann sich auf die Unzulässigkeit von „Nachverhandlungen“ mit nur einem Bieter dann nicht berufen, wenn nach der Wertung der letzten Angebote und der Beschränkung des Gegenstands der Verhandlungen sowohl ein Scheitern der Verhandlungen als auch eine Änderung der Wertungsreihenfolge unter jedem denkbaren Gesichtspunkt ausgeschlossen ist.*)
VolltextIBRRS 2021, 3011
VK Bund, Beschluss vom 08.06.2021 - VK 1-38/21
1. Bei der Frage, welche Leistungen mit der zu vergebenden Leistung vergleichbar sind und der Eignungsprüfung zu Grunde gelegt werden dürfen, ist auf die Angaben in der Bekanntmachung abzustellen.
2. Dem öffentlichen Auftraggeber kommt bei der Eignungsprüfung eine Einschätzungsprärogative zu, die nur daraufhin überprüft werden kann, ob die bekannt gemachten Eignungskriterien angewandt, die allgemeinen Wertungsgrundsätze beachtet worden sind, der erhebliche Sachverhalt vollständig und zutreffend ermittelt worden ist und keine sachfremden Erwägungen angestellt wurden.
3. Referenzaufträge über Tätigkeiten von untergeordneter Bedeutung (hier: mit einem Anteil am Auftragsvolumen von ca. 3,5%), die für die Bauausführung und deren Erfolg nicht prägend sind, können bei der Eignungsprüfung unberücksichtigt bleiben.
4. Die Eignung eines Bieters, die ausgeschriebenen Leistungen ordnungsgemäß zu erbringen, ist zu bejahen, wenn er unabhängig von einer bestimmten Präqualifikation bereits vergleichbare Leistungen erbracht hat.
5. Eine Eignungsleihe ist vergaberechtskonform erfolgt, wenn der "Eignungsleiher" einen Nachweis vorlegt, dass ihm die erforderlichen Kapazitäten zur Verfügung stehen werden, der Eignungsverleiher selbst seine Eignung ordnungsgemäß gegenüber dem Auftraggeber nachweist und der Eignungsverleiher - sofern es um die berufliche Erfahrung eines Bieters geht - die Arbeiten, für die seine Kapazitäten benötigt werden, selbst ausführt.
VolltextIBRRS 2021, 2805
OLG Naumburg, Urteil vom 13.07.2020 - 12 U 147/19
1. Im Vergaberecht haben die Vertragsparteien ungeachtet der Kündigungsmöglichkeiten auch die Möglichkeit der Anfechtung ihrer Willenserklärungen wegen arglistiger Täuschung. Bei der Frage der (Un-)Wirksamkeit des Bauvertrags sind alle bürgerlich-rechtlichen Unwirksamkeitsgründe zu berücksichtigen.
2. Eine arglistige Täuschung des Auftraggebers kann darin liegen, dass der Auftragnehmer bei Vertragsabschluss beabsichtigt, den zu schließenden Vertrag nicht ordnungsgemäß zu erfüllen.
3. Erkennt der (spätere) Auftragnehmer bereits bei der Abgabe seines Angebots die Ungeeignetheit einer im Leistungsverzeichnis vorgegebenen Teilleistung und legt er seinem Angebot eine andere Teilleistung zugrunde, um den Zuschlag erhalten, ist ihm eine arglistige Täuschung durch Verschweigen eines offenbarungspflichtigen Umstands zur Last zu legen.
VolltextIBRRS 2021, 2996
VK Bund, Beschluss vom 08.07.2021 - VK 1-48/21
1. Auch im Anwendungsbereich der Sektorenverordnung (SektVO) darf der öffentliche Auftraggeber nur solche Angebote bezuschlagen, die den ausgeschriebenen Vorgaben vollumfänglich entsprechen, und auf die vorab für alle verbindlich aufgestellten Leistungsanforderungen nicht zu Gunsten einzelner Bieter verzichtet werden darf.
2. In einem Verhandlungsverfahren können Abweichungen vom ausgeschriebenen Angebotsinhalt zwar grundsätzlich noch in den nächsten Verhandlungsrunden beseitigt werden. Etwas anderes gilt jedoch dann, wenn sich der öffentliche Auftraggeber ausdrücklich vorbehalten hat, den Zuschlag gegebenenfalls auf die Erstangebote zu erteilen, und sich dafür entschieden hat, von diesem Vorbehalt tatsächlich Gebrauch zu machen.
IBRRS 2021, 2977
VK Berlin, Beschluss vom 08.02.2021 - VK B 2-17/20
1. Die Prüfung eines ungewöhnlich niedrig erscheinenden Preises muss darauf gerichtet sein, eine gesicherte Erkenntnisgrundlage für die zu treffende Entscheidung über die Ablehnung eines Angebots zu schaffen und hat sich insofern auf die bedeutsamen Einzelfallumstände zu erstrecken, die Aussagen über die Auskömmlichkeit des Gesamtpreises erlauben, wenngleich den Anforderungen an den zu erreichenden Grad der Erkenntnissicherheit durch den Grundsatz der Zumutbarkeit Grenzen gesetzt sind.
2. Der Auftraggeber darf nicht allein unter Verweis auf die vermeintliche Plausibilität der Erläuterungen des Bieters von der Angemessenheit des Angebotspreises ausgehen, wenn den Angebotspreisen erheblich höhere Zeitaufwände zu Grunde liegen als nach seinen Schätzungen, während die aus den Angebotspreisen resultierenden Stundensätze zum Teil deutlich unter seinen Schätzwerten lagen.
IBRRS 2021, 2966
VK Bund, Beschluss vom 23.08.2021 - VK 1-84/21
1. Ein nicht zum Vorsteuerabzug berechtigter öffentlicher Auftraggeber muss der Preiswertung keine Nettopreise zugrunde legen.
2. Auch wenn zum Zeitpunkt der Wertungsentscheidung keine justiziable Entscheidung über den Steuersatz durch die zuständigen Steuerbehörden vorliegt, kann der Auftraggeber - nach Angebotsaufklärung und Vorlage einer Eigenerklärung - den Zuschlag auf das Angebot einer Werkstätte für behinderte Menschen auf der Basis des ermäßigten Steuersatzes erteilen.
IBRRS 2021, 2955
OLG Düsseldorf, Beschluss vom 24.03.2021 - Verg 10/20
1. Ein für einen Fortsetzungsfeststellungsantrag notwendiges Feststellungsinteresse rechtfertigt sich durch jedes gemäß vernünftigen Erwägungen und nach Lage des Falles anzuerkennende Interesse rechtlicher, wirtschaftlicher oder ideeller Art, wobei die beantragte Feststellung geeignet sein muss, die Rechtsposition des Bieters in einem der genannten Bereiche zu verbessern und eine Beeinträchtigung seiner Rechte auszugleichen oder wenigstens zu mildern.
2. Ein Feststellungsinteresse kann gegeben sein, wenn der Antrag der Vorbereitung einer Schadensersatzforderung dient, eine hinreichend konkrete Wiederholungsgefahr besteht oder die Feststellung zur Rehabilitierung des Bieters erforderlich ist, weil der angegriffenen Vergabeentscheidung ein diskriminierender Charakter zukommt.
3. Für eine Wiederholungsgefahr müssen objektive Anhaltspunkte bestehen.
4. Das Feststellungsinteresse ist mit der Umstellung der ursprünglichen Anträge auf den Feststellungsantrag explizit zu begründen.
VolltextIBRRS 2021, 2943
VK Berlin, Beschluss vom 30.04.2021 - VK B 2-64/20
1. Der öffentliche Auftraggeber hat die Eignung der Bieter zu prüfen, wobei anhand der vorgelegten Nachweise die Angebote der Bieter auszuwählen sind, deren Eignung die für die Erfüllung der vertraglichen Verpflichtungen notwendigen Sicherheiten bietet.
2. Ein Unternehmen ist geeignet, wenn es die durch den öffentlichen Auftraggeber im Einzelnen zur ordnungsgemäßen Ausführung des öffentlichen Auftrags festgelegten Kriterien (Eignungskriterien) erfüllt. Die Eignungskriterien sind in der Auftragsbekanntmachung aufzuführen.
3. Fehlt es an einer wirksamen Aufstellung von Eignungskriterien oder der wirksamen Forderung eines entsprechenden Eignungsnachweises, darf der Antragsgegner einem Bieter die Eignung nicht absprechen.
4. Angebote, bei denen der Bieter Erklärungen oder Nachweise, deren Vorlage sich der öffentliche Auftraggeber vorbehalten hat, auf Anforderung nicht innerhalb einer angemessenen, nach dem Kalender bestimmten Frist vorgelegt hat, sind auszuschließen.
5. Im Hinblick auf den Ausschlussgrund der fehlenden Vorlage ist unbeachtlich, ob diese tatsächlich vorgelegten Unterlagen inhaltlich / wertungsmäßig den Anforderungen des Auftraggebers entsprechen. Entscheidend ist ausschließlich, ob der Bieter überhaupt Unterlagen vorgelegt hat, denen er den verlangten Erklärungsgehalt beigemessen hat.
VolltextIBRRS 2021, 2923
OLG Naumburg, Beschluss vom 01.03.2021 - 7 Verg 1/21
1. Zu der im Rahmen von § 173 Abs. 2 GWB vorzunehmenden Abwägung der Interessen eines Bieters, dessen Angebot in der engeren Wahl steht, am effektiven Rechtsschutz gegenüber den Interessen der Allgemeinheit an einem raschen Abschluss des Vergabeverfahrens.*)
2. In einem zweistufigen Vergabeverfahren fehlt einem Teilnehmer die Antragsbefugnis nach § 160 Abs. 2 GWB für die Rüge der vermeintlich fehlerhaften Bekanntmachung der Eignungskriterien, wenn sowohl er selbst als auch der für den Zuschlag vorgesehene Bieter unter Berücksichtigung dieser Kriterien als geeignet ausgewählt wurden.*)
3. Die Bekanntmachung von Eignungskriterien ist wirksam erfolgt, wenn die Einzelanforderungen zwar nicht im Bekanntmachungstext selbst, aber in einem Dokument aufgeführt sind, welches mit einem einfachen Klick (sog. Deep Link) ohne weiteres für jedes am Auftrag interessierte Unternehmen zugänglich ist.*)
4. a) Die Vorschrift des § 160 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 GWB ist entsprechend anwendbar, wenn der Auftraggeber in einem Verhandlungsverfahren eine Ausschlussfrist für die Einreichung von sog. Erstangeboten setzt (Bestätigung von OLG Naumburg, IBR 2012, 168, "Altpapierverwertungsanlage").*)
b) Bei der Beurteilung der Erkennbarkeit eines Vergaberechtsverstoßes i.S.v. § 160 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 oder Nr. 3 GWB ist ein objektiver Maßstab anzulegen, d. h. es kommt darauf an, was ein fachkundiges Unternehmen des angesprochenen Bieterkreises bei Anwendung der im Vergabeverfahren üblicherweise anzuwendenden Sorgfalt zu erkennen vermochte. Hierfür ist gegebenenfalls auch zu berücksichtigen, dass sich eine Ausschreibung an eine relativ überschaubare Anzahl von hochspezialisierten Unternehmen richtet, welche jeweils einen bedeutenden Anteil an ihrem Gesamtumsatz mit öffentlichen Aufträgen erwirtschaften und wegen der typischerweise hohen Nettoauftragswerte regelmäßig an EU-weiten Ausschreibungen teilnehmen.*)
c) Für einen solchen Bieter ist ohne weiteres erkennbar, dass eine Umrechnungsmethode der Angebotspreise in Preispunkte, bei welcher die Punkteverteilung nach Platzierung erfolgt, dazu führt, dass Preisabstände nicht in vollständig adäquate Punktabstände überführt werden, und dass dies im Einzelfall auch zu seinem Nachteil im Wettbewerb gereichen kann.*)
5. Grundsätzlich ist ein öffentlicher Auftraggeber nur dann zu einer Prüfung der Richtigkeit bzw. Realisierbarkeit eines Leistungsversprechens des Bieters verpflichtet, wenn konkrete Tatsachen dieses Leistungsversprechen von vorneherein als nicht plausibel erscheinen lassen.*)
VolltextIBRRS 2021, 2898
VK Bund, Beschluss vom 12.04.2021 - VK 1-30/21
1. Ein Nachprüfungsantrag ist nur dann erfolgreich, wenn die Vergabekammer nicht nur einen Vergaberechtsverstoß des öffentlichen Auftraggebers feststellt, sondern auch eine daraus tatsächlich resultierende Rechtsverletzung des antragstellenden Bieters.
2. Eine Rechtsverletzung setzt voraus, dass die Zuschlagschancen des Bieters feststellbar geschmälert sind, so dass ihm durch den Vergaberechtsverstoß des Auftraggebers tatsächlich ein Schaden entstanden oder ein solcher wahrscheinlich, zumindest nicht ausschließbar zu erwarten ist.
VolltextIBRRS 2021, 2893
VK Mecklenburg-Vorpommern, Beschluss vom 04.02.2021 - 3 VK 10/20
1. Die Leistungsbeschreibung enthält die Auftraggebervorgaben an die zu beschaffende Ware oder Dienstleistung, deren Kenntnis für die Erstellung des Angebotes erforderlich ist. Sie sind am Auftragsgegenstand auszurichten und wettbewerbsoffen zu formulieren.
2. Jede produkt-, verfahrens- oder technikspezifische Ausschreibung zugunsten einer bestimmten Technologie ist per se wettbewerbsfeindlich. Das bedeutet aber nicht, dass eine solche Ausschreibung in jedem Fall vergaberechtswidrig ist.
3. Der Wettbewerb darf durch die Fassung der Spezifikationen nicht ohne sachlichen Grund verengt werden. Lässt sich eine Wettbewerbsverengung nicht ausschließen, muss die betreffende Spezifikation objektiv auftragsbezogen sein und darf keine diskriminierende Wirkung entfalten.
4. Zuschlagskriterien sind im Grundsatz nicht verhandelbar. Unter Umständen kann eine Präzisierung der Zuschlagskriterien und ihrer Gewichtung, die spätestens mit der Aufforderung zur Angebotsabgabe bekannt zu machen sind, zulässig sein, sofern dies in den Vergabeunterlagen (spätestens) für das endgültige Angebot erfolgt.
5. ...
VolltextIBRRS 2021, 2895
VK Bremen, Beschluss vom 10.02.2021 - 16-VK 1/21
ohne amtliche Leitsätze
VolltextIBRRS 2021, 2879
VK Bund, Beschluss vom 29.03.2021 - VK 1-26/21
Erklärt ein Bieter, er habe mit dem Faktor 4,3 kalkuliert, rechtfertigt dies für sich genommen keine Vergabe der Höchstpunkzahl, wenn nach den unmissverständlichen Wertungshinweisen des Auftraggebers die Höchstpunktzahl nur dann vergeben wird, wenn Wachpersonen mit einem "Faktor über 4,3" eingesetzt werden.
VolltextIBRRS 2021, 2872
VK Bund, Beschluss vom 12.03.2021 - VK 1-20/21
1. Lassen sich die vom Bieter angebotenen Preise nicht zweifelsfrei ermitteln, weil die Eintragungen der Preise im Leistungsverzeichnis nicht denen im Angebotsblatt entsprechen, enthält das Angebot nicht die erforderlichen Preisangaben und ist auszuschließen.
2. Eine Nachforderung beziehungsweise Aufklärung von nicht eindeutigen Preisen ist unzulässig.
IBRRS 2021, 2858
VK Mecklenburg-Vorpommern, Beschluss vom 17.06.2021 - 3 VK 9/20
1. Eine Verfahrensaufhebung ist gerechtfertigt, wenn eine vor der Ausschreibung ordnungsgemäß erstellte Kostenschätzung aufgrund der bei ihrer Aufstellung vorliegenden und erkennbaren Daten als vertretbar erscheint und das im Vergabeverfahren abgegebene Angebot deutlich darüber liegt.
2. Die Kostenschätzung des Auftraggebers muss immer vertretbar und mit der gebotenen Sorgfalt ermittelt worden sein, das heißt, die Methodik der Kostenermittlung muss grundsätzlich geeignet sein, Marktpreise im Voraus zu schätzen.
3. Eine ordnungsgemäße Kostenschätzung setzt voraus, dass die Vergabestelle oder der von ihr gegebenenfalls beauftragte Fachmann für die Schätzung Methoden wählt, die ein wirklichkeitsnahes Schätzungsergebnis ernsthaft erwarten lassen.
4. Wann eine erhebliche Überschreitung der Kostenschätzung vorliegt, kann nicht pauschal festgelegt werden. Das ist anhand der Umstände des jeweiligen Einzelfalls zu entscheiden. Grundsätzlich wird eine Aufhebung bei einer Überschreitung um 10 % bis 50 % als rechtmäßig angesehen.
IBRRS 2021, 2848
VK Berlin, Beschluss vom 16.04.2021 - VK B 2-8/21
1. Die Vergabekammer kann dem Auftraggeber gestatten, den Zuschlag vorab zu erteilen, wenn unter Berücksichtigung aller möglicherweise geschädigten Interessen sowie des Interesses der Allgemeinheit an einem raschen Abschluss des Vergabeverfahrens die nachteiligen Folgen einer Verzögerung der Vergabe bis zum Abschluss der Nachprüfung die damit verbundenen Vorteile überwiegen.
2. Die Gestattung des Zuschlags vor Entscheidung des Hauptsacheverfahrens führt dazu, dass der Antragsteller des Nachprüfungsverfahrens der Primärrechtschutz irreversibel genommen wird. Die Gestattung des Zuschlags darf deshalb grundsätzlich nur in besonderen Ausnahmefällen erfolgen, wenn ein dringendes Interesse besteht, das deutlich das Interesse an einer ordnungsgemäßen Durchführung des Nachprüfungsverfahrens übersteigt.
3. Die bloße Verzögerung der Zuschlagserteilung durch das Nachprüfungsverfahren ist jenem immanent und kann ein besonderes Beschleunigungsinteresse nicht begründen.
4. Auch ein drohender Fördermittelverlust kann ein besonders dringliches Interesse an einer vorzeitigen Zuschlagserteilung nicht begründen, selbst wenn die im Raum stehende Summe durchaus erheblich ist.
VolltextIBRRS 2021, 2849
VK Berlin, Beschluss vom 11.03.2021 - VK B 2-3/21
1. Ob für den öffentlichen Auftraggeber die Hinzuziehung eines anwaltlichen Vertreters im Verfahren vor der Vergabekammer notwendig ist, kann nicht schematisch, sondern stets nur auf der Grundlage einer differenzierenden Betrachtung des Einzelfalls entschieden werden.
2. Im Rahmen der Abwägung ist insbesondere in Betracht zu ziehen, ob sich das Nachprüfungsverfahren hauptsächlich auf auftragsbezogene Sach- und Rechtsfragen einschließlich der dazu gehörenden Vergaberegeln konzentriert. Ist das der Fall, besteht im Allgemeinen keine Notwendigkeit, einen Rechtsanwalt einzuschalten.
3. Sind zahlreiche, mitunter schwierige Rechtsfragen sowohl des materiellen Vergaberechts (Auslegung von Vergabeunterlagen / Mindestanforderungen, Zertifizierung von OEM-Produkten) als auch des Nachprüfungsverfahrens (Präklusion, Antragsbefugnis, Akteneinsicht etc.) zu klären, deren Bearbeitung dem Auftraggeber nicht notwendig selbst möglich sein.
VolltextIBRRS 2021, 2842
VK Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 28.05.2021 - VK 2-33/20
1. Angebote, die nicht die erforderlichen Preisangaben enthalten, werden ausgeschlossen, es sei denn, es handelt sich um unwesentliche Einzelpositionen, deren Einzelpreis den Gesamtpreis nicht verändern oder die Wertungsreihenfolge und den Wettbewerb nicht beeinträchtigen.
2. In der Leistungsbeschreibung ist vom Bieter an den entsprechend gekennzeichneten Stellen der vorgesehene Preis - so wie gefordert - vollständig und mit dem Betrag anzugeben, den er für die betreffende Leistung beansprucht.
3. Bringt der Auftraggeber unmissverständlich zum Ausdruck, dass bestimmte Kosten in einer konkret benannten Einzelposition einzustellen sind (sog. Kalkulationsvorgaben), sind Bieter an diese Vorgaben gebunden.
4. Wie sonstige Festlegungen des Auftraggebers in den Vergabeunterlagen auch, unterliegen Kalkulationsvorgaben dem Gebot der Eindeutigkeit und Bestimmtheit.
IBRRS 2021, 2838
VK Mecklenburg-Vorpommern, Beschluss vom 05.11.2020 - 2 VK 3/19
Zu der Erkennbarkeit eines Vergaberechtsverstoßes.
VolltextIBRRS 2021, 2779
VK Westfalen, Beschluss vom 05.05.2021 - VK 1-10/21
1. Eignungskriterien müssen mit dem Auftragsgegenstand in Verbindung stehen und zu diesem in einem angemessenen Verhältnis stehen. Die Forderung, dass die Ausführung und die Errichtung eines Folienkissendaches unter zoologischen Kriterien nachgewiesen werden muss, ist unzulässig.
2. Im Rahmen einer funktionalen oder nur teilfunktionalen Ausschreibung von Bauleistungen ist der Preis als alleiniges Zuschlagskriterium ungeeignet (Anschluss an OLG Düsseldorf, IBR 2014, 229).
IBRRS 2021, 2801
OLG Rostock, Beschluss vom 01.09.2021 - 17 Verg 2/21
1. Erfüllt das Konkurrenzprodukt zulässig gestellte zwingende Mindestanforderungen nicht und könnte auf ein entsprechendes Angebot der Zuschlag deshalb nicht erteilt werden, bleibt der Nachprüfungsantrag gegen eine Direktvergabe jedenfalls dann ohne Erfolg, wenn das beschaffte Produkt diese Anforderungen erfüllt.*)
2. Zu Reichweite und Grenzen des Leistungsbestimmungsrechts in diesen Fällen.*)
3. Danach war nicht zu entscheiden, ob die tatbestandlichen Voraussetzungen der Notvergabe gem. § 14 Abs. 4 Nr. 3 VgV vorgelegen haben, ob die konkrete Vergabe den Anforderungen an einen „Wettbewerb light“ genügte und ob ein eventueller Verstoß hiergegen die Unwirksamkeitsfolge des § 135 Abs. 1 Nr. 2 GWB nach sich zöge (dazu Senat, IBR 2021, 88).*)
IBRRS 2021, 2780
VK Sachsen, Beschluss vom 17.03.2021 - 1/SVK/031-20
1. Der Auftraggeber hat die Tatbestandsvoraussetzungen des Ausschlusses wegen unzulässiger Beeinflussung des Vergabeverfahrens nach § 124 Abs. 1 Nr. 9 GWB nachzuweisen.*)
2. § 124 Abs. 1 Nr. 9 GWB bestimmt, dass Unternehmen jederzeit ausgeschlossen werden können, wenn die entsprechenden Tatbestandsalternativen nachweislich erfüllt sind. Hinsichtlich des "ob" des Ausschlusses steht dem Auftraggeber somit ein Ermessensspielraum (Ausschlussermessen) zu. Dieser ist für die Vergabekammer nur eingeschränkt überprüfbar. Von Bedeutung ist insbesondere, ob die Vergabestelle ihr Ermessen überhaupt und ordnungsgemäß ausgeübt hat, ob der Sachverhalt zutreffend und vollständig ermittelt worden ist oder ob die Entscheidung durch sachfremde Erwägungen wie Willkür bestimmt worden ist.*)
3. Bei einem Ausschluss gem. § 124 Abs. 1 Nr. 9 GWB ist der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz zu beachten. Dabei sind u. a. die gravierende Rechtsfolge des Ausschlusses und deren Konsequenzen für den Bieter zu berücksichtigen und ob dem Bieter zuvor die Möglichkeit zur Stellungnahme eingeräumt wurde.*)
4. Wird ein Bieter im Rahmen der Aufklärung aufgefordert, die von ihm vorgesehenen Fabrikate und Produkte zu benennen, ist darin eine Aufforderung zur Konkretisierung des Angebots zu sehen. Durch die Antwort wird das Angebot auf die benannten Produkte und Fabrikate festgelegt. Ein weiterer Austausch bereits konkret benannter Produkte nach Ablauf der Angebotsfrist ist nicht mehr möglich.*)
IBRRS 2021, 2778
OLG Naumburg, Beschluss vom 29.01.2021 - 7 Verg 4/20
1. Ob die Hinzuziehung eines Rechtsanwalts durch den öffentlichen Auftraggeber notwendig war und dessen Kosten im Nachprüfungsverfahren deswegen zu erstatten sind, kann nicht allgemein, sondern nur anhand der konkreten Umstände des Einzelfalls entschieden werden und richtet sich nach den objektiv anzuerkennenden Erfordernissen aus einer sog. ex ante-Prognose des öffentlichen Auftraggebers.
2. Grundsätzlich hat sich ein öffentlicher Auftraggeber in seinem Aufgabenbereich die Kenntnisse für auftragsbezogene Sach- und Rechtsfragen selbst zu verschaffen. Hält er hierfür kein eigenes Personal vor, sondern bedient er sich externen Sachverstands, ist das eine organisatorische Maßnahme, die es – für sich betrachtet – nicht rechtfertigt, die dadurch entstehenden Kosten als erstattungsfähige Aufwendungen für ein Nachprüfungsverfahren anzusehen.
VolltextIBRRS 2021, 2748
VK Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 30.04.2021 - VK 2-5/21
1. Bei der Schätzung des Auftragswerts ist vom voraussichtlichen Gesamtwert der vorgesehenen Leistung ohne Umsatzsteuer auszugehen. Der Gesamtwert bestimmt sich nach der Summe aller Kosten der nachgefragten Leistungen unter Berücksichtigung sämtlicher Geldströme.
2. Werden dem Auftragnehmer werthaltige Sachen zur zeitnahen Verwertung mit der Verpflichtung überlassen, dem Auftraggeber hierfür einen bestimmten Geldbetrag pro Tonne zurückzuzahlen, ist nicht der bloße Wert der überlassenen Sachen der Auftragswertschätzung zugrunde zu legen. Maßgeblich ist insoweit, was der Auftragnehmer vom Auftraggeber für die Ausführung des Auftrags als Entgelt erhält.
3. Wird die gesammelte Abfallmenge nicht dem Auftragnehmer übereignet, sondern ihm lediglich zur zeitnahen Verwertung überlassen und zwar einerseits mit der Verpflichtung des Auftragnehmers, dem Auftraggeber hierfür einen bestimmten Geldbetrag pro Tonne zurückzuzahlen, andererseits mit dem Anspruch des Auftragnehmers für die Verwertungsdienstleistung einen vertraglich vereinbarten Ausgleichsbetrag pro Tonne Altpapier zu erhalten, ist neben dem Rückzahlungsbetrag an den Auftraggeber auch die Höhe der Zahlungen des Auftraggebers an den Auftragnehmer zu berücksichtigen.
4. Ein öffentlicher Auftrag ist von Anfang an unwirksam, wenn der öffentliche Auftraggeber den Auftrag ohne vorherige Veröffentlichung einer Bekanntmachung im Amtsblatt der Europäischen Union vergeben hat, ohne dass dies aufgrund Gesetzes gestattet ist, und dieser Verstoß im Nachprüfungsverfahren festgestellt wurde.
5. Eine Rügeobliegenheit besteht bei einem Antrag auf Feststellung der Unwirksamkeit des Vertrages nach § 135 Abs. 1 Nr. 2 GWB nicht. Allerdings entspricht es dem Zweck der Rügevorschriften, bei einer drohenden de-facto-Vergabe eine Rügeobliegenheit anzunehmen.
VolltextIBRRS 2021, 2747
OLG Koblenz, Beschluss vom 27.01.2021 - Verg 1/19
1. Möchte ein öffentlicher Auftraggeber einen wesentlichen Teil einer ihm obliegenden öffentlichen Aufgabe, der zugleich eine marktgängige (Dienst-)Leistung beinhaltet, nicht selbst erledigen, sondern von einer von ihm personenverschiedenen und unabhängigen juristischen Person erledigen lassen, die sich zur Leistungserbringung verpflichtet und als Gegenleistung ein Entgelt erhält, liegt ein öffentlicher Auftrag vor.
2. Der Annahme eines öffentlichen Auftrags im Sinne des Vergaberechts steht nicht entgegen, dass die Vereinbarung öffentlich-rechtlicher Natur und der Ausführende seinerseits öffentlicher Auftraggeber ist. Auch ist es unerheblich, ob die Gegenleistung des Auftraggebers kostendeckend oder gar gewinnbringend ist.
3. Ein öffentlicher Auftrag ist von Anfang an unwirksam, wenn der öffentliche Auftraggeber den Auftrag ohne vorherige Veröffentlichung einer Bekanntmachung im Amtsblatt der Europäischen Union vergeben hat, ohne dass dies aufgrund Gesetzes gestattet ist, und dieser Verstoß in einem Nachprüfungsverfahren festgestellt worden ist.
4. Die Vergabekammer trifft ihre Entscheidung schriftlich. Die damit vorgeschriebene Schriftform bedeutet, dass die Urschrift des zu erlassenden Beschlusses eigenhändig unterschriftlich zu beurkunden ist.
5. Eine Entscheidung der Vergabekammer, der es an den erforderlichen Unterschriften mangelt, ist nicht existent und wirkungslos. Sie hat lediglich die rechtliche Qualität eines Entwurfs.
IBRRS 2021, 2732
VK Berlin, Beschluss vom 13.07.2021 - VK B 2-12/21
1. Den unangemessen niedrig erscheinenden Preis eines Nebenangebots muss der Auftraggeber ordnungsgemäß aufklären. Oberflächliche Begründungen oder die unkritische Übernahme von Erklärungen des Bieters stellen keine ordnungsgemäße Preisprüfung dar.
2. Eine unzulässige Änderung an den Vergabeunterlagen liegt vor, wenn ein Bieter nicht das anbietet, was der Auftraggeber nachgefragt hat, sondern von den Vorgaben der Vergabeunterlagen abweicht. Grundlegende Voraussetzung ist, dass die Vergabeunterlagen klar und eindeutig sind.
3. Verstöße gegen interpretierbare oder missverständliche bzw. mehrdeutige Angaben genügen nicht für einen Ausschluss. Denn Zweifel an der Auslegung und fehlende eindeutige Vorgaben gehen zu Lasten des Auftraggebers.
IBRRS 2021, 2715
VK Sachsen, Beschluss vom 27.05.2021 - 1/SVK/004-21
Die Beantwortung der Frage, ob eine juristische Person des Privatrechts (hier: eine GmbH) ihre im Allgemeininteresse liegende Aufgabe auf nichtgewerbliche Art erfüllt, hat anhand einer Gesamtbetrachtung aller erheblichen rechtlichen und tatsächlichen Gesichtspunkte zu erfolgen. Entscheidend ist, ob die Gesellschaft ganz oder teilweise außerhalb der Marktmechanismen operiert.
IBRRS 2021, 2706
VK Berlin, Beschluss vom 12.05.2021 - VK B 2-57/20
1. Die Entscheidung, wer bei einer Erledigung des Antrags vor einer Entscheidung der Vergabekammer die Kosten zu tragen hat, erfolgt nach billigem Ermessen.
2. Die Kosten sind dem öffentlichen Auftraggeber aufzuerlegen, wenn er sich durch eine erfolgte Abhilfeentscheidung freiwillig in die Rolle des Unterlegenen begeben hat. Das gilt jedenfalls dann, wenn er bei summarischer Prüfung voraussichtlich unterlegen wäre.
VolltextIBRRS 2021, 2700
VK Bund, Beschluss vom 15.07.2021 - VK 1-54/21
1. Öffentliche Auftraggeber sind verpflichtet, Leistungen in der Menge aufgeteilt (Teillose) und getrennt nach Art oder Fachgebiet (Fachlose) zu vergeben. Eine Gesamtvergabe ist nur dann ausnahmsweise erlaubt, wenn wirtschaftliche oder technische Gründe dies erfordern.
2. Um das Losaufteilungsgebot nicht zu umgehen, setzt ein zulässiger Verzicht, Lose zu bilden, voraus, dass die wirtschaftlichen oder technischen Gründe des öffentlichen Auftraggebers die Interessen der mittelständischen Bieter überwiegen.
3. Besonderer Schutz und rechtliche Förderung des Wettbewerbs ist insbesondere in ehemaligen Monopolmärkten geboten, in denen sich Wettbewerbsunternehmen gegen den ehemaligen Monopolisten durchsetzen müssen, der über Jahrzehnte hinweg seine Marktposition gefestigt und entsprechende Marktstrukturen - häufig mit staatlicher Förderung - für sich etabliert und auf seine eigenen unternehmerischen Belange hin eingerichtet hat.
4. Wurden diese Märkte für den Wettbewerb geöffnet, sind regelmäßig besondere und über in anderen Märkten übliche Regelungen hinausgehende Maßnahmen erforderlich, um überhaupt erst das Entstehen eines chancengleichen und funktionsfähigen Wettbewerbs zu ermöglichen und zu fördern.
VolltextIBRRS 2021, 2699
VK Berlin, Beschluss vom 25.06.2021 - VK B 2-7/21
1. Die Prüfung eines unangemessen niedrig erscheinenden Angebotspreises muss darauf gerichtet sein, eine gesicherte Erkenntnisgrundlage für die zu treffende Entscheidung über die Ablehnung des Angebots zu schaffen. Sie hat sich insofern auf die bedeutsamen Einzelfallumstände zu erstrecken, die Aussagen über die Auskömmlichkeit des Gesamtpreises erlauben, wenngleich den Anforderungen an den zu erreichenden Grad der Erkenntnissicherheit durch den Grundsatz der Zumutbarkeit Grenzen gesetzt sind.
2. Erschöpfen sich die Erklärungen des Bieters in bloßen Vermutungen über seine eigenen Kostenvorteile gegenüber Wettbewerbern, darf der Auftraggeber nicht allein unter Verweis auf die vermeintliche Plausibilität der Erläuterungen des Bieters von der Angemessenheit des Angebotspreises ausgehen.
3. Die Feststellung der Plausibilität der Kalkulationssätze darf nicht ohne vorherige Auseinandersetzung mit den Abweichungen von den eigenen Schätzungen des Auftraggebers erfolgen.
4. In offenen Verfahren sind Verhandlungen, besonders über eine Änderung der Angebote oder Preise, grundsätzlich unstatthaft.
5. Vereinbart der Auftraggeber mit einem Bieter im Aufklärungsgespräch, dass neue Ausführungsfristen gelten und keine Kosten aufgrund des verzögerten Baubeginns geltend gemacht werden, hat der Bieter sein Angebot modifiziert.
6. Rechtsfolge eines Verstoßes gegen das Nachverhandlungsverbot ist der Ausschluss des nachverhandelten Angebots.
7. Ein Ausschluss des Bieters, der nachverhandelt hat, ist aber ebenso wenig geboten, wie ein Ausschluss des ursprünglichen – nicht nachverhandelten – Angebots. Dieses ursprüngliche Angebot kann vielmehr grundsätzlich bei einer erneuten Entscheidung über den Zuschlag berücksichtigt werden.
VolltextIBRRS 2021, 2663
VK Lüneburg, Beschluss vom 19.01.2021 - VgK-54/2020
1. Versäumt der Auftraggeber seine Wartepflicht aus § 134 Abs. 2 GWB und erteilt er einem Bieter den Zuschlag bereits einen Tag nach Absendung der Vorabinformation, ist der zwischen dem Auftraggeber und dem Bieter geschlossene Vertrag (zunächst) schwebend unwirksam.
2. Der Vertrag wird nicht für unwirksam erklärt, wenn ein Bieter, dessen Angebot zwingend vom Vergabeverfahren auszuschließen ist, einen Nachprüfungsantrag stellt.
VolltextIBRRS 2021, 2662
VK Lüneburg, Beschluss vom 02.03.2021 - VgK-01/2021
1. Nimmt der öffentliche Auftraggeber in die Leistungsbeschreibung mehrfach den Begriff der "Mindestanforderung" auf, muss jeder Anbieter dies auch als von ihm zu erfüllende Mindestanforderung auffassen.
2. Weicht ein Angebot von einer solchen verbindlich gesetzten Vorgabe der Vergabeunterlagen ab, ändert es die Vergabeunterlagen und ist auszuschließen.
3. Der Auftraggeber, der zunächst eine ihm möglicherweise eher zufällig bekannte Spezifikation benutzt, darf während des Vergabeverfahrens lernen, z. B. auf Hinweis eines Bieters auf eine andere Spezifikation umsteigen oder mehrere Spezifikationen gleichwertig zulassen, dabei auch die inhaltlichen Anforderungen reduzieren.
4. Dies muss der Auftraggeber allerdings transparent allen Bietern, soweit es Inhalte der Bekanntmachung betrifft auch mit einer neuen Bekanntmachung allen Marktteilnehmern, mitteilen. Auch sind die Angebotsfristen angemessen zu verlängern.
VolltextIBRRS 2021, 2652
OVG Thüringen, Beschluss vom 19.07.2021 - 3 VO 352/21
1. Maßgeblich ist allein die Natur des behaupteten Rechtsverhältnisses, nicht die rechtliche Qualifizierung des geltend gemachten Anspruchs durch die Beteiligten.*)
2. Für vergaberechtliche Streitigkeiten ist die Rechtsnatur des Rechtsgeschäfts entscheidend, auf dessen Abschluss das Vergabeverfahren gerichtet ist.*)
3. Der vorliegend avisierte Zuwendungsvertrag über die Schließung der Wirtschaftlichkeitslücke eines privatwirtschaftlichen Betreibers öffentlicher Telekommunikationsnetze für die Errichtung und Betrieb einer hochleistungsfähigen Telekommunikationsnetzinfrastruktur ist privatrechtlicher Natur und verleiht dem Rechtsstreit insgesamt ein bürgerlich-rechtliches Gepräge.*)
VolltextIBRRS 2021, 2634
VK Bund, Beschluss vom 22.07.2021 - VK 2-57/21
1. Die Pflicht zur Prüfung ungewöhnlich niedriger Preise soll nicht nur den Auftraggeber, sondern auch die übrigen Bieter schützen. Daraus folgt auch eine Pflicht des Auftraggebers, die Preisprüfung nachvollziehbar zu dokumentieren.
2. Es ist nicht erforderlich, dass der Auftraggeber jede einzelne Preisdifferenz in allen Einzelpreisen zwischen Zuschlagsdestinatär und Vergleichsangebot aufklärt. Preisunterschiede liegen in der Natur des Wettbewerbs. Prüfungsmaßstab ist vielmehr, ob ein ungewöhnlich günstiges Angebot erwarten lässt, dass der Auftrag ordnungsgemäß durchgeführt werden wird.
3. Auch Altverträge können im Rahmen der Preisprüfung herangezogen werden. Wichtig ist nur, dass eine Angleichung an die aktuelle Situation, so infolge Zeitablaufs oder teilweise anderer abgefragter Leistungen, stattfindet.
IBRRS 2021, 2591
VK Lüneburg, Beschluss vom 23.06.2021 - VgK-19/2021
1. Beabsichtigt der Auftraggeber, eine Leistung im Verhandlungsverfahren ohne Teilnahmewettbewerb zu vergeben, hat er eine systematische Markterkundung vorzunehmen und die technischen Gründe, die gegen das Vorhandensein eines Wettbewerbs sprechen, in nachvollziehbarer Tiefe zu dokumentieren.
2. Ein durch die Untätigkeit des öffentlichen Auftraggebers entstandener Zeitdruck rechtfertigt keine Vergabe im Verhandlungsverfahren ohne Teilnahmewettbewerb.
3. Was Menschen nicht kreativ erschaffen, sondern konstruktiv nach Vorgaben errichten sollen, kann auch eindeutig und erschöpfend beschrieben werden.
4. Im Bereich des (wasserwirtschaftlichen) Anlagenbaus einschließlich der Steuerungstechnik und im Bereich der Telekommunikation haben sich eigenständige Anbietermärkte etabliert, so dass der öffentliche Auftraggeber die Bildung von Fachlosen zumindest prüfen muss.
IBRRS 2021, 2585
BGH, Urteil vom 09.03.2021 - KZR 55/19
1. Hat bei der Vergabe der Konzession für ein Strom- oder Gasnetz die Gemeinde die Vergabekriterien materiell und formell rechtmäßig bestimmt und ordnungsgemäß bekanntgegeben, ist demjenigen Bieter, der bei fehlerfreier Anwendung dieser Kriterien durch die Gemeinde das beste Angebot gemacht hat, die Konzession zu erteilen.*)
2. Ist das Verfahren dagegen fehlerhaft, weil die Gemeinde die Vergabekriterien materiell oder formell nicht rechtmäßig bestimmt, nicht ordnungsgemäß bekanntgegeben oder nicht fehlerfrei angewendet hat, kann jedenfalls dann ein Anspruch auf Erteilung der Konzession bestehen, wenn sich die Auswahlmöglichkeiten der Gemeinde unter den besonderen Umständen des Einzelfalls dahin verdichtet haben, dass trotz des fehlerhaften Verfahrens eine Vergabeentscheidung und die Erteilung der Konzession nur zugunsten des einzig verbliebenen Bewerbers ermessensfehlerfrei ist, weil allein auf diese Weise das Ziel der regelmäßigen Neuvergabe der Konzession in einem wettbewerblichen Verfahren zwar nicht vollkommen, aber unter den gegebenen Umständen noch bestmöglich verwirklicht werden kann.*)
3. Eine Aufhebung oder teilweise Rückversetzung des Konzessionsvergabeverfahrens in ein früheres Stadium kommt nur in Betracht, wenn dafür ein gewichtiger Grund vorliegt.*)
4. Liegt ein gewichtiger Grund vor, hat die Gemeinde nach pflichtgemäßem Ermessen darüber zu entscheiden, ob sie das Vergabeverfahren aufhebt oder es mit dem Ziel der Konzessionsvergabe fortsetzt. Die Entscheidung erfordert eine Gesamtwürdigung und Abwägung aller beteiligten Interessen unter Berücksichtigung der auf die Freiheit des Wettbewerbs gerichteten Zielsetzung des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen, die auf die Sicherung des Leistungswettbewerbs und insbesondere die Offenheit der Marktzugänge gerichtet ist.*)
VolltextIBRRS 2021, 2575
VK Lüneburg, Beschluss vom 11.03.2021 - VgK-08/2021
1. Nach Ablauf der Angebotsfrist sind Änderungen des angebotenen Produkts im Rahmen der Aufklärung ausgeschlossen. Eine solche Änderung kann auch nicht einvernehmlich im Wege eines Aufklärungsgesprächs erfolgen.
2. Eine einfache E-Mail kann mangels eigenhändiger Unterschrift nicht als schriftliches Dokument eingeordnet werden. Dem Schriftformerfordernis für einen Vergabenachprüfungsantrag ist gleichwohl jedenfalls dann Genüge getan, sobald der per einfacher E-Mail übermittelte Schriftsatz der Vergabekammer ausgedruckt vorliegt.
IBRRS 2021, 2572
VK Sachsen, Beschluss vom 28.07.2021 - 1/SVK/043-20
1. Das Versenden des Informationsschreibens aus dem AI-Vergabemanager löst die Wartefrist des § 134 Abs. 2 Satz 3 GWB von 10 Tagen aus.*)
2. Das Bieterpostfach des "AI-Bietercockpits" und der Bieterbereich der AI-Vergabeplattform gehören zum Machtbereich des Bieters.*)
3. Die durch den AI-Vergabemanager versendeten Nachrichten entsprechen dem Textformerfordernis des § 134 Abs. 2 GWB i.V.m. § 126b BGB. Sie können sowohl im Bieterbereich der Vergabeplattform als auch im Bietercockpit für einen angemessenen Zeitraum unverändert wiedergegeben als auch aufbewahrt, ausgedruckt und gespeichert werden. Der Auftraggeber kann sie nicht nachträglich löschen, verändern oder zurückrufen.*)
4. Bei elektronischer Kommunikation liegt eine Absendung dann vor, wenn ohne weiteres Zutun des öffentlichen Auftraggebers unter normalen Umständen mit der Übermittlung der Information an den Adressaten innerhalb des für das konkret verwendeten (elektronischen) Kommunikationsmittels üblichen Zeitraums zu rechnen ist. Entscheidend ist dabei, dass die Nachricht den Machtbereich des Absenders verlässt und so elektronisch in Textform "auf den Weg gebracht" wird, dass bei regelgerechtem Verlauf die Information in den Machtbereich des Empfängers gelangt, sie insbesondere nicht mehr vom Absender nachträglich einseitig verändert oder gelöscht werden kann.*)
IBRRS 2021, 2522
VK Baden-Württemberg, Beschluss vom 09.08.2021 - 1 VK 39/21
1. Ein Verhandlungsverfahren ohne Teilnahmewettbewerb stellt in Verbindung mit einer einer produktspezifischen Festlegung die am stärksten wettbewerbsbeschränkende Verfahrensform dar, so dass eine sorgfältige Dokumentation in besonderer Weise geboten ist.
2. Die dokumentierte Begründung für die Wahl einer solchen Verfahrensform muss insbesondere erkennen lassen, welcher Beschaffungsbedarf überhaupt besteht und welche technische Unmöglichkeit für andere Bieter in Bezug auf die gewünschte (und erforderliche) Funktionalität besteht, so dass die Wahl des Vergabeverfahrens gerechtfertigt war.
3. Außerdem müssen die Ausführungen erkennen lassen, dass diesbezüglich eine Ermessensausübung getroffen werden sollte.
VolltextIBRRS 2021, 2563
VK Sachsen, Beschluss vom 11.06.2021 - 1/SVK/006-21
1. Für die Frage der Nichtgewerblichkeit i.S.d. § 99 Nr. 2 GWB ist eine Gesamtbetrachtung anzustellen, im Rahmen derer alle erheblichen rechtlichen und tatsächlichen Gesichtspunkte und die Voraussetzungen, unter denen die entsprechende Tätigkeit ausgeübt wird, zu berücksichtigen sind.*)
2. Im Bereich des sozialen Wohnungsbaus tätige kommunale Wohnungsbaugesellschaften sind in der Regel als öffentliche Auftraggeber i.S.v. § 99 Nr. 2 GWB anzusehen.*)
3. Fehler in der Wertung sind unbeachtlich, wenn diese die Bieterreihenfolge nicht ändern und somit eine Beeinträchtigung der Aussichten auf Erhalt des Zuschlags ausgeschlossen ist.*)
IBRRS 2021, 2542
OLG Naumburg, Urteil vom 28.08.2020 - 7 U 30/20
1. Wird eine Sache beschädigt, kann der Geschädigte vom Schädiger den zur Herstellung erforderlichen Geldbetrag verlangen.
2. Wegen der sich aus § 249 Abs. 2 BGB ergebenden Ersetzungsbefugnis hat der Geschädigte die freie Wahl der Mittel zur Schadensbehebung und darf zur Beseitigung des Schadens grundsätzlich den Weg einschlagen, der den eigenen Interessen am besten zu entsprechen scheint, ohne auf die kostengünstigste Wiederherstellung der beschädigten Sache beschränkt gewesen zu sein
3. Allerdings kann der Geschädigte als erforderlichen Herstellungsaufwand nur die Kosten erstattet verlangen, die vom Standpunkt eines verständigen, wirtschaftlich denkenden Menschen in der Lage des Geschädigten zur Behebung des Schadens zweckmäßig und angemessen erscheinen.
4. Der zuständige Straßenbaulastträger verstößt nicht gegen seine Schadensminderungspflicht, wenn er ein sog. Ölwehr-Unternehmen, mit dem er als Ergebnis eines Vergabeverfahrens die Beseitigung von Fahrbahnverunreinigungen durch Öle, Treib- und Kraftstoffe sowie Fahrzeugbetriebsmittel vereinbart hat, mit der Beseitigung von ausgetretenem Flüssigdünger beauftragt.
VolltextIBRRS 2021, 2529
OLG München, Beschluss vom 30.11.2020 - Verg 6/20
1. Die Bieter müssen der Ausschreibung klar entnehmen können, welche Voraussetzungen an ihre Eignung gestellt werden und welche Erklärungen/Nachweise von ihnen in diesem Zusammenhang verlangt werden.
2. Die vorzulegenden Eignungsnachweise müssen nach Art, Inhalt und Zeitpunkt der Vorlage eindeutig gefordert sein.
3. Dass die Bieter oder Bewerber Vergabeunterlagen auslegen müssen, um das vom öffentlichen Auftraggeber Verlangte zu erkennen, ist als solches nicht vergaberechtswidrig. Bestehen nach der Auslegung noch Unklarheiten und Widersprüche, gehen diese zu Lasten des Auftraggebers.
4. Wird in den Vergabeunterlagen nicht mit der gebotenen Deutlichkeit zum Ausdruck gebracht, dass eine bestimmte Erklärung vom Bieter schon bis zum Ablauf der Angebotsfrist beizubringen ist, darf der Auftraggeber ein Angebot, in dem diese Erklärung fehlt, nicht ohne Weiteres ausschließen, sondern muss die Erklärung entweder nachfordern oder das Angebot aufklären.
5. Die Nachforderung und die Aufklärung stehen in einem Entweder-Oder-Verhältnis. Beide Vorschriften stellen eine Art der Aufklärung dar, deren Anwendbarkeit sich nach dem Ziel des Aufklärungsverlangens richtet.
6. Will der Auftraggeber fehlende oder unvollständige Unterlagen aufklären, hat er den Weg über die Nachforderung zu wählen. Möchte er hingegen den Inhalt eines vollständig eingereichten Angebots aufklären, hat er Aufklärung zu ersuchen.
7. Geht es um die Aufklärung zwar fehlerhaft, aber tatsächlich doch eingereichter Unterlagen, ist im Zweifel auf die Nachforderung zurückzugreifen.
8. Eine inhaltlich unzureichende ist nicht mit einer fehlenden Unterlage gleichzusetzen.
IBRRS 2021, 2435
OLG Düsseldorf, Beschluss vom 25.11.2020 - Verg 35/19
1. Auftraggeber müssen Mindestanforderungen für Nebenangebote festlegen; diese dürfen strenger sein als die Anforderungen an das Hauptangebot (Bestätigung von OLG Düsseldorf, IBR 2020, 146).
2. Mindestanforderungen müssen nicht ausdrücklich als solche bezeichnet werden, solange Bieter erkennen können, dass es sich um Mindestanforderungen handelt (Bestätigung von OLG Düsseldorf, a.a.O.).
3. Eine Vereinbarung zwischen dem Auftraggeber und einem Bieter, wonach der Bieter nachzuweisen hat, dass die von ihm angebotene Technik den Anforderungen des Auftraggebers entspricht, stellt ein sog. Stillhalteabkommen ("pactum de non petendo") dar und hat zur Folge, dass der darin liegende Verzicht auf die Geltendmachung der in der Aufstellung der Anforderungen liegende vermeintliche Vergaberechtsverstoß zur Unzulässigkeit des Nachprüfungsantrags führt.
VolltextIBRRS 2021, 2482
OLG Karlsruhe, Beschluss vom 15.01.2021 - 15 Verg 11/20
1. Es bedarf keiner Rüge vor Einreichen des Nachprüfungsantrags, wenn die Gefahr besteht, dass bei einer vorherigen Rüge ein Zuschlagsverbot nach § 169 Abs. 1 GWB nicht erreicht werden kann.
2. Die Forderung nach einer vorherigen Rüge wäre eine reine Förmelei, wenn der Antragsgegner auf die Rüge nicht sachgerecht reagieren kann.
3. § 160 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 GWB sieht keine Wartefrist vor.