Bau-, Architekten- und Immobilienrecht.
Volltexturteile nach Sachgebieten
10832 Entscheidungen insgesamt
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IBRRS 2019, 2338VK Bund, Beschluss vom 03.07.2019 - VK 1-37/19
1. Der öffentliche Auftraggeber ist verpflichtet, vom Bieter Aufklärung zu verlangen, wenn der Preis oder die Kosten des Angebots im Verhältnis zu der zu erbringenden Leistung ungewöhnlich niedrig erscheinen.
2. Der Preis oder die Kosten eines Angebots erscheinen im Verhältnis zu der zu erbringenden Leistung dann ungewöhnlich niedrig, wenn sie erheblich unterhalb der eingegangenen Konkurrenzangebote, einer qualifizierten Kostenschätzung oder Erfahrungswerten des Auftraggebers mit wettbewerblicher Preisbildung aus anderen Ausschreibungen liegen.
3. Ein Anhaltspunkt für den Eintritt in die Prüfung der Preisbildung kann vorliegen, wenn der Abstand zwischen dem Angebot des bestplatzierten und dem Angebot des zweitplatzierten Bieters mehr als 20 % beträgt.
4. Die Nicht-Inanspruchnahme von Optionen durch den Auftraggeber in der Vergangenheit in Verträgen mit dem bisherigen Auftragnehmer führt nicht dazu, die Eignung des Auftragnehmers generell in Frage zu stellen.
VolltextIBRRS 2019, 2403
VK Bund, Beschluss vom 17.07.2019 - VK 2-36/19
1. Der öffentliche Auftraggeber darf den Zuschlag auf ein Angebot ablehnen, wenn er nach einer Prüfung die geringe Höhe des angebotenen Preises nicht zufriedenstellend aufklären kann.
2. Im Dienstleistungsbereich löst eine Abweichung von 20 % zum nächsten Angebot eine Preisprüfungspflicht aus (sog. Aufgreifschwelle).
3. Eine nicht zufriedenstellende Aufklärung setzt voraus, dass die pflichtgemäß durchgeführte und ausgewertete Aufklärung keine gesicherte Tatsachengrundlage ergeben hat, die es rechtfertigt festzustellen, dass das Angebot nicht ungewöhnlich niedrig, sondern vielmehr angemessen ist.
4. Es gilt bei nicht ausreichender Plausibilisierung eines sehr niedrigen Preises ein Regel-Ausnahme-Verhältnis für den Angebotsausschluss. Es kann dem Auftraggeber nicht als Vergabefehler angelastet werden, wenn er im Sinne dieses Regel-Ausnahme-Verhältnisses entscheidet.
5. Erfolgt die Wertung von Konzepten an dem Maßstab "überzeugend", muss dieser Begriff nicht nochmals gesondert konkretisiert werden, wenn für den fachkundigen Bieter in einer Gesamtschau aller Vorgaben deutlich wird, worauf es dem Auftraggeber ankommt.
6. Ein durchschnittlicher Bieter muss keine Kenntnis von der komplexen vergaberechtlichen Einordnung einer Rahmenvereinbarung bzw. der Rechtsprechung zur Vermischung von Eignungs- und Zuschlagskriterien haben. Derart schwierige Rechtsfragen lösen demzufolge keine Rügeobliegenheit des Bieters aus.
VolltextIBRRS 2019, 2386
VK Bund, Beschluss vom 10.07.2019 - VK 2-40/19
1. Nach der Verhandlungsphase sind die Vorgaben des Auftraggebers vollumfänglich zu beachten. Eine Abweichung hiervon stellt einen Ausschlussgrund dar.
2. Sind Positionen mit "0,00 Euro" ausgewiesen, ist im Rechtssinne eine Preisangabe vorhanden, denn der Bieter bringt in seinem Angebot zum Ausdruck, dass diese Positionen umsonst angeboten werden.
3. Die Angabe eines falschen und nicht wahrheitsgemäßen Preises entspricht einer fehlenden Preisangabe.
4. Ob die Hinzuziehung eines Verfahrensbevollmächtigten durch den öffentlichen Auftraggeber notwendig ist, kann nicht schematisch, sondern stets nur auf der Grundlage einer differenzierenden Betrachtung des Einzelfalles entschieden werden.
5. Maßgeblich ist, ob sich das Nachprüfungsverfahren hauptsächlich auf auftragsbezogene Sach- und Rechtsfragen einschließlich der dazu gehörenden Vergaberegeln konzentriert hat. Ist dies der Fall, besteht im Allgemeinen keine Notwendigkeit, einen Rechtsanwalt einzuschalten.
VolltextIBRRS 2019, 2360
VK Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 08.07.2019 - 1 VK LSA 01/19
1. Vergaberechtsverstöße, die aufgrund der Vergabeunterlagen erkennbar sind, müssen bis spätestens zum Zeitpunkt der Abgabe des Angebots gegenüber dem Auftraggeber gerügt werden.
2. Maßstab für die Erkennbarkeit des Vergaberechtsverstoßes ist nicht die Kenntnis, sondern die Erkenntnismöglichkeit eines durchschnittlich fachkundig handelnden Bieters bei Anwendung üblicher Sorgfalt. Der Bieter ist in jedem Fall gehalten, sich bei der Angebotserstellung gründlich mit den Vergabeunterlagen auseinanderzusetzen.
3. Inhaltlich muss sich die Rüge als eine Missbilligung der Vorgehensweise des Auftraggebers darstellen, damit dieser die Möglichkeit erhält, (s)einen Vergaberechtsfehler im frühestmöglichen Stadium zu erkennen und gegebenenfalls zu korrigieren.
VolltextIBRRS 2019, 2331
OLG Düsseldorf, Beschluss vom 15.05.2019 - Verg 61/18
1. Wahlpositionen dienen nicht zum Ausgleich von Mängeln einer unzureichenden Planung. Sie dürfen deshalb nur ausgeschrieben werden, wenn dem Auftraggeber die Festlegung auf eine Ausführungsvariante mit zumutbaren Mitteln nicht möglich ist.
2. Unter welchen Voraussetzungen Wahlpositionen in vergaberechtlich zulässiger Weise ausgeschrieben werden können, ist Spezialwissen, das auch bei einem fachkundigen Bieterkreis nicht vorausgesetzt werden kann und folglich keine Rügeobliegenheit auslöst.
IBRRS 2019, 1974
VK Bremen, Beschluss vom 07.06.2019 - 16-VK 5/19
1. Erscheint ein Angebotspreis unangemessen niedrig und ist anhand der vorliegenden Unterlagen über die Preisermittlung die Angemessenheit nicht zu beurteilen, ist in Textform vom Bieter Aufklärung über die Ermittlung der Preise für die Gesamtleistung oder für Teilleistungen zu verlangen.
2. Bei der Entscheidung, ob eine Prüfung des Angebots erforderlich ist, sind die Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen. Entscheidend ist die Frage, ob ein Missverhältnis von Preis und Leistung anzunehmen ist.
3. Ein Preisabstand von 18% zwischen dem erstplatzierten und dem zweitplatzierten Angebot veranlasst die Vergabestelle in der Regel nicht zur vertieften Preisprüfung.
IBRRS 2019, 2253
VK Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 10.12.2018 - 3 VK LSA 71/18
1. Der Auftraggeber kann eine Ausschreibung nur dann kostenneutral aufheben, wenn ihn keine tatbestandliche Verantwortlichkeit hinsichtlich der Aufhebungsgründe trifft.
2. Es ist Aufgabe des Auftraggebers, den Beschaffungsbedarf vor Verfahrensbeginn sorgfältig zu bestimmen. Änderungen, sofern sie nicht auf unvorhersehbaren nachträglich eintretenden Ereignissen beruhen, fallen in die Risikosphäre bzw. in den grundsätzlich vorhersehbaren Bereich des Auftraggebers.
VolltextIBRRS 2019, 2254
VK Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 12.12.2018 - 3 VK LSA 64/18
1. Der öffentliche Auftraggeber ist aufgrund seines Beurteilungsspielraums nicht verpflichtet, allen technischen Gesichtspunkten bis ins Einzelne nachzugehen bzw. diese bis ins Letzte zu klären. Entscheidend ist vielmehr, ob der Auftraggeber bei der Angebotswertung unsachliche und nicht nachvollziehbare Erwägungen herangezogen hat.*)
2. Dem Auftraggeber ist es auch nicht zuzumuten, eine Angebotsaufklärung immer weiter fortzuführen, bis der Bieter den entsprechenden Nachweis vorlegt. Es ist erforderlich, dass der Auftraggeber im Zuge der Prüfung über Nachweise verfügt, die ihm eine Beurteilung ermöglichen, ob und inwieweit die vom Bieter gemachten Angaben den Anforderungen der technischen Parameter des Leistungsverzeichnisses entsprechen.*)
VolltextIBRRS 2019, 2252
VK Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 26.07.2018 - 3 VK LSA 43/18
1. Wird der Zuschlag ausdrücklich unter inhaltlichen Änderungen im Hinblick auf die Neufestlegung der Vertragsfristen erteilt und stimmt der Auftragnehmer dem nicht ausdrücklich zu, sondern erklärt er, dass "voraussichtlich ein anderer Auftrag angenommen werde", liegt darin die Ablehnung des Angebots.
2. Geht kein Angebot ein, das den Ausschreibungsunterlagen entspricht, kann der Auftraggeber die Ausschreibung aufheben.
VolltextIBRRS 2019, 2251
VK Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 07.08.2018 - 3 VK LSA 45/18
1. Die Regelungen zu den einzelnen Ausschlussgründen des § 16 Abs. 1 VOB/A 2016 sind abschließend und bieten dem Auftraggeber keinen Ermessenspielraum in Form einer erweiternden Auslegung.*)
2. Die vergaberechtlichen Vorschriften enthalten keine Regelungen für die Preiskalkulation des Bieters. Es steht einem Bieter grundsätzlich frei, wie er seine Preise kalkuliert. Wenn preisrelevante Annahmen durch den Bieter getroffen wurden, die sich nicht aus den Vergabeunterlagen ergeben, muss sich dies der öffentliche Auftraggeber zurechnen lassen, da er die Leistung ungenügend beschrieben hat. Er hat, soweit sie von Bedeutung sind, diese für die Preisermittlung notwendigen Umstände den Vergabeunterlagen beizufügen.*)
VolltextIBRRS 2019, 2250
VK Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 26.08.2018 - 3 VK LSA 42/18
1. Werden im Zuschlagsschreiben Änderungen vorgenommen oder wird der Zuschlag verspätet erteilt, ist der Bieter aufzufordern, sich unverzüglich über die Annahme zu erklären. Die Annahme unter Erweiterungen, Einschränkungen oder sonstigen Änderungen gilt als Ablehnung verbunden mit einem neuen Antrag.
2. Erklärt der Bieter, dass er das Angebot des Auftraggebers nicht annehmen könne und macht er seinerseits ein Angebot, das der Auftraggeber aufgrund einer enormen Kostensteigerung von über 90% nicht akzeptiert, kommt kein Vertrag zu Stande. In einem Solchen Fall ist der Auftraggeber berechtigt, die Ausschreibung sanktionslos aufzuheben.
VolltextIBRRS 2019, 2286
OVG Niedersachsen, Beschluss vom 04.07.2019 - 10 OA 74/19
1. § 50 Abs. 2 GKG findet auf eine Streitigkeit um die Vergabe einer Konzession für den Bau und Betrieb einer Kindertagesstätte im so genannten Unterschwellenbereich keine Anwendung.*)
2. Es erscheint sachgerecht, die Bemessung des Gegenstandswerts an Ziff. 21.5 Streitwertkatalog 2013 auszurichten, nach der als Streitwert für die nach § 45 SGB VIII erforderliche Erlaubnis für den Betrieb einer Kindertageseinrichtung der Jahresgewinn aus dem Betrieb, mindestens 15.000 EUR anzusetzen ist. Wird eine Gewinnungserzielungsabsicht nicht verfolgt, greift der dort festgelegte Mindestwert ein.*)
VolltextIBRRS 2019, 2282
KG, Beschluss vom 04.06.2019 - Verg 8/18
1. Öffentliche Aufträge werden an geeignete Unternehmen vergeben, wobei ein Unternehmen geeignet ist, wenn es die durch den öffentlichen Auftraggeber im Einzelnen zur ordnungsgemäßen Ausführung des öffentlichen Auftrags festgelegten (Eignungs-)Kriterien erfüllt.
2. Kann unter Beachtung der Vorgaben für die Eignungsprüfung nicht festgestellt werden, dass ein Unternehmen die Eignungskriterien erfüllt, ist es vom Vergabeverfahren zwingend auszuschließen.
3. Auf widersprüchlichen Vorgaben in der Ausschreibung kann der Auftraggeber einen Ausschluss nicht stützen. Denn unklare Vorgaben dürfen nicht zu Lasten der Bieter gehen.
4. Ein Bieter darf auch mehr als drei Nachweise vorlegen, um die berufliche und technische Leistungsfähigkeit im gesamten Leistungsspektrum der ausgeschriebenen Leistungen zu belegen.
IBRRS 2019, 2247
VK Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 29.06.2018 - 1 VK LSA 44/17
1. Öffentliche Auftraggeber können ihre öffentlichen Dienstleistungen im Wege einer Zusammenarbeit gemeinschaftlich erbringen. Diese Zusammenarbeit ist nicht auf bestimmte Dienstleistungen beschränkt, sondern kann alle Arten von Tätigkeiten erfassen.
2. Voraussetzung für eine vergabefreie interkommunale Zusammenarbeit ist, dass eine allen Kooperationspartnern gleichermaßen obliegende Aufgabe wahrgenommen wird, ein kooperatives Konzept vorliegt und die Zusammenarbeit im öffentlichen Interesse liegt.
VolltextIBRRS 2019, 2246
VK Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 28.01.2019 - 3 VK LSA 74/18
1. Der Auftraggeber legt fest, in welcher Form die Angebote einzureichen sind. Nach Wahl des Auftraggebers sind elektronische Angebote in Textform oder mit einer fortgeschrittenen elektronischen Signatur nach dem SigG und den Anforderungen des Auftraggebers oder mit einer qualifizierten elektronischen Signatur nach dem SigG zu übermitteln.
2. Sind nach der Bekanntmachung und der Aufforderung zur Angebotsabgabe Angebote elektronisch in Textform abzugeben und weist der Auftraggeber unmissverständlich darauf hin, dass eine fehlende Erklärung, nicht geforderte Signaturen sowie sämtliche Veränderungen (auch Einscannen) des Angebotsschreibens zu formellen Fehlern und damit zum Angebotsausschluss führen, ist ein handschriftlich ausgefülltes und eingescanntes Angebot von der Wertung auszuschließen.
VolltextIBRRS 2019, 2258
VK Westfalen, Beschluss vom 19.07.2019 - VK 2-13/19
1. Der Nachweis einer Betriebshaftpflichtversicherung stellt eine zulässige Mindestanforderung in Bezug auf die Eignung der Bewerber dar, die zwingend vorliegen muss.
2. Auch in einem Vergabeverfahren nach der Sektorenvergabeverordnung ist ein Angebot vom Wettbewerb auszuschließen, wenn geforderte Eignungsnachweise nicht vorgelegt werden.
3. Beteiligt sich ein Konzernunternehmen als Einzelbieter an einem Vergabeverfahren, wird mit der Vorlage einer auf eine Schwestergesellschaft ausgestellten Versicherungsbestätigung nur dann der Nachweis einer Betriebshaftpflichtversicherung erbracht, wenn der potentielle Auftragnehmer zu den mitversicherten Unternehmen gehört.
VolltextIBRRS 2019, 2117
VK Bund, Beschluss vom 12.04.2019 - VK 1-11/19
1. Einem öffentlichen Auftraggeber steht bei der Wertung der Angebote ein Spielraum zu, der nur eingeschränkt daraufhin überprüfbar ist, dass der wertungsrelevante Sachverhalt vollständig und zutreffend ermittelt und gewürdigt wurde, keine sachfremden Erwägungen angestellt wurden und der vorher festgelegte Bewertungsmaßstab eingehalten wurde.
2. Um die Transparenz der Wertungsentscheidung sowie die Gleichbehandlung der Bieter und damit die Nachprüfbarkeit des Wertungsprozesses zu gewährleisten, kommt der ordnungsgemäßen Dokumentation der Wertung durch den öffentlichen Auftraggeber ein umso größeres Gewicht zu.
3. Die Dokumentation der Wertung muss hinsichtlich der für die Zuschlagserteilung maßgeblichen Erwägungen in allen Schritten so umfänglich und detailliert sein, dass nachvollziehbar ist, welche konkreten qualitativen Eigenschaften eines Angebots mit welchem Gewicht in die Benotung eingegangen sind.
VolltextIBRRS 2019, 2233
OLG Stuttgart, Urteil vom 21.03.2019 - 14 U 26/16
1. Auch ein umfassendes gesellschaftsvertragliches Konkurrenzverbot für einen Minderheitsgesellschafter unterliegt einer Abwägung mit der grundgesetzlich geschützten Berufsausübungsfreiheit. Es ist jedenfalls dann unwirksam, wenn der Minderheitsgesellschafter sein Anstellungsverhältnis als leitender Mitarbeiter der Gesellschaft vor Ablauf der für das Gesellschaftsverhältnis satzungsrechtlich vorgesehenen Kündigungsfrist wirksam beendet hat und eine fortbestehende Gefahr der "Aushöhlung" der Gesellschaft nicht feststellbar ist.*)
2. Für einen Schadensersatzanspruch nach den Grundsätzen der sog. "Geschäftschancenlehre" bei Planungsleistungen für öffentliche Auftraggeber bedarf es besonderer Darlegungen, um die behaupteten Folgeprojekte als der Gesellschaft zugeordnet schlüssig annehmen zu können. Dies gilt jedenfalls dann, wenn die Beauftragung (bislang) nur auf einzelne Leistungsphasen beschränkt erfolgte und (Folge-)Aufträge in Anwendung öffentlicher Vergaberegeln zur Erhaltung des Wettbewerbs vergeben wurden.*)
VolltextIBRRS 2019, 2160
VK Bund, Urteil vom 07.05.2019 - VK 1-17/19
1. Bei der Beurteilung der Angemessenheit der Frist zur Einreichung der Angebote ist auf das durchschnittliche Unternehmen, an das sich die Ausschreibung richtet, abzustellen. Nicht alle, aber möglichst viele interessierte Unternehmen sollen in der Lage sein, ein Angebot abzugeben.
2. Gelingt es mehreren Bietern, rechtzeitig Angebote einzureichen, spricht das zumindest indiziell für die Angemessenheit der Frist.
3. Auch das offene Vergabeverfahren kann mehrstufig aufgebaut werden. Voraussetzung ist, dass die zur Teilnahme an der zweiten Wertungsstufe zugelassenen Bieter kein zweites Angebot abgeben dürfen.
VolltextIBRRS 2019, 2183
OLG Düsseldorf, Beschluss vom 17.04.2019 - Verg 36/18
1. Im Rahmen der materiellen Prüfung entscheidet der öffentliche Auftraggeber, ob die Eignungsvoraussetzungen tatsächlich vorliegen, wobei ihm Beurteilungsspielraum zusteht. Dieser Spielraum wird überschritten, wenn der Auftraggeber ausdrücklich benannte Eignungskriterien unberücksichtigt lässt und Bieter, die die Eignungsanforderungen nicht erfüllen, nicht zwingend wegen fehlender Eignung ausschließt.
2. Die Referenzen eines anderen Unternehmens können dem Bieterunternehmen zugerechnet werden, wenn das Referenzunternehmen von dem Bieterunternehmen, sei es im Wege der Verschmelzung oder Fusion, übernommen worden ist und die für den Referenzauftrag maßgeblichen Erfahrungen und Ressourcen übergegangen sind.
3. Soweit sich Bieter zum Nachweis ihrer beruflichen und technischen Leistungsfähigkeit auf Referenzen von Konzerngesellschaften berufen, unterfällt diese Möglichkeit den Vorschriften über die Eignungsleihe. Auch beherrschte oder abhängige Konzerngesellschaften sind, solange sie rechtlich selbstständig sind, "andere Unternehmen" i.S.v. § 6d EU Abs. 1 Satz 1 VOB/A 2016.
IBRRS 2019, 2167
VK Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 13.03.2019 - 3 VK LSA 07/19
1. Fehlen geforderte Erklärungen oder Nachweise und wird das Angebot nicht ausgeschlossen, ist der Auftraggeber zwingend dazu verpflichtet, die fehlenden Erklärungen oder Nachweise nachzufordern. Ohne Nachforderung der fehlenden Unterlagen sind die Angebote keiner weiteren Wertung zugänglich.
2. Es ist zulässig, auf ein ungewöhnlich niedriges Angebot den Zuschlag zu erteilen, solange die Prognose gerechtfertigt ist, dass der Bieter auch zu diesem Preis die Leistung zuverlässig und vertragsgerecht erbringen kann. Der Auftraggeber hat insoweit sorgfältig zu prüfen und zu erwägen, ob ein ungewöhnlich niedriges Angebot berücksichtigt und gegebenenfalls bezuschlagt werden kann.
3. Hat ein Bieter in seinem Angebot keine Angaben zur Preisermittlung mittels Formblatt gemacht und der Auftraggeber diese nicht nachgefordert, fehlen ihm zur Beurteilung der Angemessenheit des Preises grundlegende Angaben, so dass keine ordnungsgemäße Wertung vorgenommen werden kann.
4. Bei der Bewertung der Angebote ist der Auftraggeber an die von ihm selbst festgelegten Zuschlagskriterien gebunden. Die in der Bekanntmachung oder den Vergabeunterlagen aufgestellten Kriterien dürfen nicht wieder fallen gelassen und die Angebote schlicht nach dem Preis bewertet werden.
VolltextIBRRS 2019, 2150
VK Südbayern, Beschluss vom 27.02.2019 - Z3-3-3194-1-44-11/18
1. Für die wirksame Bekanntmachung von Eignungskriterien und die wirksame Anforderung von Unterlagen zum Nachweis der Eignung gem. § 122 Abs. 4 Satz 2 GWB bzw. § 48 Abs. 1 VgV mittels einer Verlinkung aus dem Bekanntmachungsformular auf andere Dokumente, ist erforderlich, dass sich die Verlinkung dort befindet, wo sie von potenziellen Bietern erwartet wird, d. h. regelmäßig unter Ziff. III.1 des Standardformulars.*)
2. Ist für einen Bieter erkennbar, dass Entfernungsangaben nach einer bekannt gemachten Rechenformel in die Angebotswertung einfließen, darf er in diesen Positionen keine ca.-Angaben machen, wenn dadurch die Berechnung des genauen Punktwerts unmöglich wird.*)
3. Reicht ein Bieter in einem offenen Verfahren auf eine Nachforderung von Unterlagen nach § 56 Abs. 2 Satz 1 VgV zunächst eine inhaltlich unzureichende Unterlage ein, ist sein Angebot gem. § § 57 Abs. 1 Nr. 2 VgV auch dann zwingend auszuschließen, wenn er innerhalb der laufenden Nachforderungsfrist eine inhaltlich ausreichende Unterlage vorlegt.*)
IBRRS 2019, 2149
VK Südbayern, Beschluss vom 05.06.2019 - Z3-3-3194-1-06-02/19
1. Hat ein Bieter im offenen Verfahren in seinem Angebot erklärt, eine bestimmte Teilleistung selbst zu erbringen, kann er für diese Leistung nachträglich keinen Unterauftragnehmer mehr benennen, da dies eine unzulässige inhaltliche Änderung seines Angebots darstellen würde.*)
2. Unterauftragnehmer i.S.v. Art. 71 Richtlinie 2014/24 EU führen, wenn auch allein vom Auftragnehmer beauftragt und in keinem Auftragsverhältnis zum Auftraggeber stehend, durch Übernahme bestimmter Teile des Auftrags, einen Teil der in der Leistungsbeschreibung oder im Leistungsverzeichnis festgelegten Leistungen selbständig aus.*)
3. Ein Unternehmen, das für einen Bieter komplexe, individuell nach den Vergaben der Leistungsbeschreibung gefertigte Bauteile herstellt, deren Lieferung eine der Hauptleistungspflichten des zu vergebenden Auftrags darstellt, ist kein bloßer Lieferant, sondern Unterauftragnehmer i.S.v. Art. 71 Richtlinie 2014/24 EU.*)
4. Auf das Angebot eines Bieters der ohne eine unzulässige Änderung seines Angebotsinhalts erwiesenermaßen die geschuldete Leistung nicht erbringen kann, darf gem. § 16b EU Abs. 1 Satz 2 VOB/A 2016 der Zuschlag nicht erteilt werden. Stattdessen ist ein solches Angebot auszuschließen.*)
IBRRS 2019, 2148
VK Sachsen, Beschluss vom 14.05.2019 - 1/SVK/006-19
1. Die Frist des § 160 Abs. 3 Nr. 1 GWB beginnt mit der positiven Kenntnis von einem Vergaberechtsverstoß. Dies setzt voraus, dass der Antragsteller zum einen von den tatsächlichen Umständen, auf die er den Vorwurf einer Vergaberechtsverletzung stützt, Kenntnis hatte. Zum anderen ist die zumindest laienhafte rechtliche Wertung notwendig, dass es sich dadurch um ein rechtlich zu beanstandendes Vergabeverfahren handelt.*)
2. Die Verpflichtung nach § 7 Abs. 1 VgV angemessene Maßnahmen zur Verhinderung einer Wettbewerbsverzerrung durch die Teilnahme eines vorbefassten Unternehmens zu ergreifen, setzt einen konkreten Bezug zu einem anderen (vorbefassten) Unternehmen und eine damit einhergehende Wettbewerbsverzerrung voraus.*)
3. Dem Auftraggeber steht bei der Wertung eines Konzepts ein weiter Beurteilungsspielraum zu, welcher von den Nachprüfungsinstanzen nur eingeschränkt überprüfbar ist. Die Prüfung bezieht sich darauf, ob der öffentliche Auftraggeber den ihm eingeräumten Beurteilungsspielraum überschritten hat, indem er von unzutreffenden oder unvollständigen Tatsachen ausgegangen ist, er sachfremde Erwägungen anstellt oder sich nicht an den von ihm aufgestellten Beurteilungsmaßstab hält bzw. willkürlich handelte.*)
4. Soweit ein Bieter eine Benotung mit der zweithöchsten Bewertungsstufe erhalten hat und damit nicht zufrieden ist und die Bestbenotung verlangt, sind der inhaltlichen Überprüfung durch die Vergabekammer enge Grenzen gesetzt.*)
VolltextIBRRS 2019, 2147
VK Bund, Beschluss vom 26.06.2019 - VK 2-34/19
1. Der öffentliche Auftraggeber ist zu einer Neuausschreibung verpflichtet, wenn es zu Änderungen kommen sollte, die im ursprünglichen Vertrag nicht vorgesehen sind, keine gesetzliche Grundlage haben oder wesentliche Bestandteile betreffen.
2. Enthält der ursprüngliche Vertrag eine ausdrückliche Regelung zur Beauftragung von Nachunternehmern und wird diese von einer Zustimmung des Auftraggebers abhängig gemacht, stellt der Austausch eines Nachunternehmers keine wesentliche Änderung des Auftragsverhältnisses dar, so dass eine Neuausschreibung nicht erforderlich ist.
VolltextIBRRS 2019, 2146
VK Bund, Beschluss vom 13.06.2019 - VK 2-26/19
1. Aus begründetem Anlass hat der öffentliche Auftraggeber die Möglichkeit, Bescheinigungen und sonstige Nachweise anstatt einer Eigenerklärung anzufordern.
2. Der öffentliche Auftraggeber kann „in der Regel“ den Nachweis einer Haftpflichtversicherung verlangen (§ 45 Abs. 4 Nr. 2 VgV). Als „Minus“ gilt das auch für die Forderung nach einer Versicherungserklärung, den noch nicht vorhandenen Versicherungsschutz im Zuschlagsfall bereitzustellen.
3. Trägt ein Bieter vor, die Angebotsabgabe sei aufgrund der Vergabebedingungen nicht möglich gewesen, ergibt sich das Interesse am Auftrag aus der Rüge und der Einleitung des Nachprüfungsverfahrens.
IBRRS 2019, 2096
VK Sachsen, Beschluss vom 18.03.2019 - 1/SVK/001-19
1. Nach den umsatzsteuerrechtlichen Regelungen über den innergemeinschaftlichen Erwerb gegen Entgelt, sind grenzüberschreitende Lieferungen und Leistungen innerhalb der EU in den Fällen des § 1a UStG nicht vom Unternehmer, der die Lieferung oder Leistung ausführt, sondern vom Erwerber zu versteuern.*)
2. Deshalb verstößt die Wertung eines Angebots eines Bieters aus dem EU-Ausland (hier Polen) unter Hinzurechnung von 19% Umsatzsteuer nicht gegen den Wirtschaftlichkeitsgrundsatz nach § 97 Abs. 1 Satz 2 GWB, da der Auftraggeber der Angebotswertung die tatsächlich anfallenden Kosten zugrunde zu legen hat.*)
VolltextIBRRS 2019, 2088
VK Sachsen, Beschluss vom 28.03.2019 - 1/SVK/044-18
1. Bei der Wertung von Konzepten steht dem Auftraggeber ein weiter Beurteilungsspielraum zu, welcher von den Nachprüfungsinstanzen nur eingeschränkt überprüfbar ist. Die Prüfung bezieht sich darauf, ob der öffentliche Auftraggeber den ihm eingeräumten Beurteilungsspielraum überschritten hat, indem er von unzutreffenden oder unvollständigen Tatsachen ausgegangen ist, er sachfremde Erwägungen anstellt oder sich nicht an den von ihm aufgestellten Beurteilungsspielraum hält. Hält sich der Auftraggeber an den ihm zur Verfügung stehenden Beurteilungsspielraum, sind die Nachprüfungsinstanzen nicht dazu befugt, das Beurteilungsergebnis abzuändern.*)
2. Es ist im Rahmen der Wertung von Konzepten nicht zu Gunsten des jeweiligen Bieters zunächst von der maximal erreichbaren Punktzahl auszugehen, von der im Rahmen der Wertung bei Nicht- oder Schlechterfüllung Punkte abzuziehen sind, sondern es ist grundsätzlich von null Punkten auszugehen und abhängig vom Angebotsinhalt werden sodann Punkte addiert. Dabei kann es aber nicht darum gehen, eine mathematische Genauigkeit in der Weise abzubilden, dass die bloße Anzahl positiver oder negativer Gesichtspunkte sich rechnerisch genau in der Punktebewertung niederschlägt. Eine gebotene individuelle Bewertung führt zwangsläufig dazu, dass unterschiedliche Gesichtspunkte in die Bewertung einfließen.*)
VolltextIBRRS 2019, 2086
VK Nordbayern, Beschluss vom 04.06.2019 - RMF-SG21-3194-4-16
1. Gemäß § 3 Abs. 1 VgV ist für die Schätzung des Auftragswertes der voraussichtliche Gesamtwert der vorgesehenen Leistung ohne Umsatzsteuer, aber einschließlich etwaiger Optionen oder Vertragsverlängerungen, festzustellen. Hieraus ergibt sich, dass in die Schätzung auch Bedarfspositionen einzubeziehen sind. Diese sind Optionen im vorstehenden Sinne.*)
2. Der Auftraggeber muss eine ernsthafte Prognose über den voraussichtlichen Auftragswert erstellen oder erstellen lassen. Diese Prognose zielt darauf ab festzustellen, zu welchem Preis die nachgefragte Leistung voraussichtlich beschafft werden kann. Ein pflichtgemäß geschätzter Auftragswert ist somit jener Wert, den ein umsichtiger und sachkundiger öffentlicher Auftraggeber nach sorgfältiger Prüfung der relevanten Marktsegmente und im Einklang mit der Erfordernissen betriebswirtschaftlicher Finanzplanung bei der Anschaffung der vergabegegenständlichen Sache veranschlagen würde.*)
3. Der Nachprüfungsantrag ist nicht deshalb zulässig, weil die Bekanntmachung den Hinweis enthält, dass die Vergabekammer Nordbayern für die Überprüfung der Vergabeentscheidung zuständig sei. Eine falsche Angabe kann keine Zuständigkeit der Vergabekammer begründen.*)
VolltextIBRRS 2019, 2016
VK Thüringen, Beschluss vom 01.02.2019 - 250-4002-167/2019-N-001-GRZ
1. Sinn und Zweck von Nebenangeboten ist es, eine vom Hauptangebot abweichende Lösung vorzuschlagen. Dennoch kann der Auftraggeber in den Vergabeunterlagen auch für Nebenangebote zwingend einzuhaltende Vorgaben machen.
2. Gibt der Auftraggeber in den Vergabeunterlagen vor, dass „ein Einbau bzw. eine Nachbearbeitung mit Grädern nicht zulässig ist“, ist das Nebenangebot eines Bieters, wonach „der profilgerechte Einbau nach dem Ausstreuen und Einarbeiten des Bindemittels mit Grader erfolgt“ zwingend von der Wertung auszuschließen.
VolltextIBRRS 2019, 2015
VK Thüringen, Beschluss vom 25.04.2019 - 250-4002-11352/2019-N-006-EF
1. Antworten auf Bieterfragen sind - soweit es in ihnen um Informationen geht, die über das individuelle Interesse des Fragenden auch für die übrigen Bewerber von Bedeutung sein können - den anderen Bietern zeitgleich und im selben Umfang bekanntzumachen. Voraussetzung ist, dass es sich um zusätzliche sachdienliche Auskünfte handelt.
2. Der Begriff der zusätzlichen sachdienlichen Auskünfte ist weit auszulegen. Sachdienlich sind Auskünfte, wenn sie objektiv mit der Sache zu tun haben und Missverständnisse ausräumen oder Verständnisfragen zu den Vergabeunterlagen beantworten.
3. Im Zweifel muss der Auftraggeber die zusätzlichen sachdienlichen Auskünfte allen Bewerbern erteilen.
4. Allenfalls im Einzelfall kann der Auftraggeber eine Bieterfrage individuell beantworten, wenn sie offensichtlich das individuelle Missverständnis eines Bieters betrifft, die allseitige Beantwortung der Frage Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisse verletzt oder die Identität des Bieters preisgeben würde.
VolltextIBRRS 2019, 1976
VK Thüringen, Beschluss vom 15.04.2019 - 250-4002-11116/2019-N-002-HBN
Für Nebenangebote gelten die gleichen Anforderungen, wie sie im umgekehrten Verhältnis für einen Auftraggeber bei der Erstellung der Leistungsbeschreibung gelten. Der Auftraggeber muss aus dem Nebenangebot deshalb klar und eindeutig erkennen können, welche Leistungen Inhalt des Nebenangebots sind.
IBRRS 2019, 2014
VK Thüringen, Beschluss vom 24.04.2019 - 250-4003-9926/2019-E-001-J
1. Eine Regelung in den Vergabeunterlagen, wonach Optionen keinen Eingang in die Wertung finden, kann durch den Beurteilungsspielraum des Auftraggebers gedeckt sein. Denn die Einschätzung, ob und in welchem Umfang Optionen in die Angebotswertung einbezogen werden, hat der Auftraggeber zu treffen.
2. Entscheidet sich der Auftraggeber, wenn keine hinreichenden Anhaltspunkte für eine erhebliche Inanspruchnahme der Option vorliegen, gegen deren Wertung, ist diese Erwägung sachgerecht und nicht zu beanstanden.
VolltextIBRRS 2019, 1975
VK Thüringen, Beschluss vom 05.04.2019 - 250-4002-10846/2019-N-005-UH
Bietet ein Unternehmen in seinem Nebenangebot einen Pauschalpreis an und führt zudem inhaltlich aus, dass es den „Massenansatz und die Dimensionierung entsprechend dem Erfordernis angepasst hat“, ist das Nebenangebot nicht wertbar (vgl. OLG Frankfurt, IBR 2002, 689).
IBRRS 2019, 4202
OLG Düsseldorf, Beschluss vom 28.11.2018 - Verg 35/18
1. Die Vergabevermerk enthaltenen Angaben und die in ihm mitgeteilten Gründe für getroffene Entscheidungen müssen so detailliert sein, dass sie für einen mit der Sachlage des jeweiligen Vergabeverfahrens vertrauten Leser nachvollziehbar sind.
2. Die Anforderungen an den Detaillierungsgrad aus Gründen der Nachvollziehbarkeit sind größer, wenn es um die Dokumentation von Entscheidungen geht, die die Ausübung von Ermessen oder die Ausfüllung eines Beurteilungsspielraums enthalten.
VolltextIBRRS 2019, 4201
VK Rheinland, Beschluss vom 06.12.2018 - VK K 52/17
1. Der Gegenstand eines Nachprüfungsantrags ist im Zweifel im Wege der Auslegung entsprechend dem vom Antragsteller erkennbar verfolgten Rechtsschutzziel zu ermitteln.*)
2. § 135 GWB ist ebenso wie die Vorgängervorschrift des § 101b GWB nicht rückwirkend auf Altverträge anwendbar, die vor dem 24.04.2009 abgeschlossen wurden.*)
3. Es bleibt unentschieden, in welcher Weise Rechtsschutz zu gewähren ist gegen den Fortbestand eines rechtmäßig im Wege einer Inhouse-Vergabe geschlossenen Vertrages, wenn eine der Inhouse-Voraussetzungen nachträglich entfallen ist.*)
4. Das Tätigkeitskriterium des § 108 Abs. 4 Nr. 2 GWB unterscheidet sich von der früheren Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs inhaltlich lediglich durch die Normierung einer festen Grenze von 80%.*)
5. Der in § 108 Abs. 7 GWB genannte Zeitraum von drei Jahren bezieht sich auf Geschäftsjahre.*)
VolltextIBRRS 2019, 1951
VK Thüringen, Beschluss vom 29.03.2019 - 250-4003-10402/2019-E-002-SHL
1. Angebote von Unternehmen, die nicht die geforderten oder nachgeforderten Unterlagen enthalten, sind von der Wertung auszuschließen.
2. Der Begriff der (Angebots-)Unterlagen ist in einem sehr weiten Sinn zu verstehen. Hierunter fallen u. a. Eigenerklärungen sowie sonstige Angaben in dem Angebot des Bieters.
3. Leistungsbezogene Unterlagen, die die Wirtschaftlichkeitsbewertung der Angebote anhand der Zuschlagskriterien betreffen, können nicht nachgefordert werden.
4. Der Ausschlusstatbestand des § 57 Abs. 1 Nr. 2 VgV und die Bestimmungen über die Möglichkeit der Nachforderung von Unterlagen nach § 56 Abs. 2, 3 VgV gelten auch in einem Verhandlungsverfahren mit Teilnahmewettbewerb, wenn der Auftraggeber für die (indikativen) Angebot der Bieter eine mit dem Angebotsabgabeschluss gleichwertige Ausschlussfrist festgesetzt hat.
VolltextIBRRS 2019, 1949
VK Thüringen, Beschluss vom 28.02.2019 - 250-4002-10033/2019-N-002-J
1. Fehlen geforderte Erklärungen zu angebotenen Erzeugnissen, führt dies zum zwingenden Ausschluss des betreffenden Angebots.
2. Ein Angebotsausschluss wegen fehlender geforderter Erklärungen setzt voraus, dass der Auftraggeber die Vergabeunterlagen eindeutig, erschöpfend und widerspruchsfrei zur Verfügung gestellt hat (hier verneint).
3. Dem Auftraggeber allein obliegt die ordnungsgemäße Erstellung widerspruchsfreier Vergabeunterlagen.
IBRRS 2019, 1945
KG, Urteil vom 05.04.2019 - 21 U 72/16
1. Für die Vertragsauslegung maßgebend ist allein der Vertragsinhalt, hingegen nicht, ob der Auftraggeber Vorgaben des Vergabe- und Vertragshandbuchs für Baumaßnahmen des Bundes (VHB) beachtet oder aber den Vertrag nach dem Standardleistungsbuch Bau (StLB-Bau) aufgestellt hat.
2. Gibt die Leistungsbeschreibung einen gewollten Endzustand vor, der ohne Besondere Leistungen gemäß der VOB/C nicht erreicht werden kann, ist für den fachkundigen Bieter eindeutig, dass der Vertragspartner auch die Besondere Leistung ausgeführt haben will. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Leistungsbeschreibung im Endzustand Bauteilgeometrien vorgibt, die ohne die Besonderen Leistungen nicht realisiert werden können.
3. In einem öffentlichen Vergabeverfahren gilt für die Auslegung des Vertragsinhalts in erster Linie wie der Vertrag nach dem objektiven Empfängerhorizont der potenziellen und fachkundigen Bieter zu verstehen ist. Erklärt ein Bieter sein subjektives Verständnis vom Inhalt des Vertrags erst nach dem Termin der Angebotsöffnung (Submissionstermin), ist eine solche Erklärung für die Vertragsauslegung nicht maßgebend.
IBRRS 2019, 1973
EuGH, Urteil vom 19.06.2019 - Rs. C-41/18
Art. 57 Abs. 4 Buchst. c und g der Richtlinie 2014/24/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26.02.2014 über die öffentliche Auftragsvergabe und zur Aufhebung der Richtlinie 2004/18/EG ist dahin auszulegen, dass er einer nationalen Regelung entgegensteht, wonach die gerichtliche Anfechtung der von einem öffentlichen Auftraggeber wegen erheblicher Mängel bei der Ausführung eines öffentlichen Auftrags getroffenen Entscheidung, diesen zu kündigen, die Beurteilung der Zuverlässigkeit des von dieser Kündigung betroffenen Teilnehmers durch den öffentlichen Auftraggeber, der eine neue Ausschreibung durchführt, in der Phase der Auswahl der Bieter ausschließt.*)
IBRRS 2019, 1950
VK Thüringen, Beschluss vom 20.02.2019 - 250-4003-9667/2019-E-002-UH
Erledigt sich der Nachprüfungsantrag durch Zurücksetzung des Vergabeverfahrens anderweitig, hat der Auftraggeber die Kosten des Verfahrens und die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Aufwendungen des Antragstellers zu tragen.
VolltextIBRRS 2019, 1936
VK Thüringen, Beschluss vom 07.02.2019 - 250-4003-262/2019-E-001-EIC
Ein Krankenhausbetreiber in der Rechtsform einer gemeinnützigen GmbH, dessen Gesellschafter ein Landkreis und kirchliche Stiftungen sind, ist kein öffentlicher Auftraggeber, wenn er Umsatzerlöse in zweistelliger Millionenhöhe erzielt, so dass von einer überwiegenden öffentlichen Finanzierung nicht ausgegangen werden kann, und der Landkreis als (Minderheits-)Gesellschafter die Geschäftsführung nicht maßgeblich beaufsichtigt.
VolltextIBRRS 2019, 1897
VK Thüringen, Beschluss vom 16.05.2019 - 250-4003-10824/2019-E-S-002-SÖM
1. Ein Nachprüfungsantrag muss u. a. eine Beschreibung der behaupteten Rechtsverletzung mit Sachverhaltsdarstellung und die Bezeichnung der verfügbaren Beweismittel enthalten.
2. Handelt es sich bei dem vom Antragsteller behaupteten Vergaberechtsverstoß um einen Umstand aus der Sphäre der Auftraggebers und sind dem Antragsteller insofern nähere Einblicke und Kenntnisse verwehrt, darf er sich in seinem Nachprüfungsantrag darauf beschränken, das zu behaupten, was er auf der Grundlage seines nur beschränkten Informationsstands redlicher Weise für wahrscheinlich oder möglich halten darf. Gleichwohl muss er zumindest Anknüpfungstatsachen oder Indizien vortragen, die einen hinreichenden Verdacht auf einen bestimmten Vergaberechtsverstoß begründen.
3. Eine willkürliche, aufs Geradewohl oder ins Blaue hinein aufgestellte Behauptung ist unzulässig und unbeachtlich. Der Antragsteller kann nicht mit pauschalen und unsubstantiierten Behauptungen einen Nachprüfungsantrag in der Erwartung stellen, die Amtsermittlung der Vergabekammer werde zum Nachweis eines Verstoßes führen.
4. Ein Vergabeverfahren im Bereich der SektVO kann ganz oder bei Losvergabe für einzelne Lose aufgehoben werden oder im Falle eines Verhandlungsverfahrens eingestellt werden.
5. Auch im Anwendungsbereich der SektVO darf ein Vergabeverfahren aber nicht ohne weiteres beendet werden. Es bedarf zumindest eines sachlichen Grundes.
6. Ein sachlicher Grund nicht nur dann anzunehmen, wenn einer der in den anderen Vergabeverordnungen ausdrücklich bestimmten Aufhebungsgründe vorliegt. Auch politisch veränderte Konstellationen oder reine Zweckmäßigkeitserwägungen können als Begründung einer Aufhebungsentscheidung dienen.
7. Die Grenze der fehlerfreien Ermessensausübung ist dort zu ziehen, wo eine Aufhebung als willkürlich anzusehen ist.
VolltextIBRRS 2019, 1907
VK Thüringen, Beschluss vom 04.01.2019 - 250-4002-8706/2018-E-027-EF
1. Der Auftraggeber muss die Eignung des Bieters nicht ausschließlich auf der Basis der von ihm geforderten Nachweise - insbesondere aufgrund der Eigenerklärung in einem Formblatt - beurteilen. Bei der Eignungsprüfung steht es dem Auftraggeber grundsätzlich frei, auf welche Art und Weise er sich Kenntnis über die Eignung des Bieter verschafft.
2. Neben den geforderten Eignungsnachweisen darf der Auftraggeber bei der Eignungsprüfung grundsätzlich auch noch andere Informationen verwerten, soweit es sich um objektivierbare Fakten handelt, die aus einer verlässlichen Quelle stammen und die eine räumliche und zeitliche Nähe zur betroffenen Vergabe aufweisen.
VolltextIBRRS 2019, 1906
OLG Schleswig, Beschluss vom 13.06.2019 - 54 Verg 2/19
1. Unterschiedliche Vergabebedingungen verstoßen nicht gegen das vergaberechtliche Diskriminierungsverbot, wenn der Ungleichbehandlung der Bietergruppen unterschiedliche Sachverhalte zu Grunde liegen.
2. Der öffentlicher Auftraggeber ist nicht verpflichtet, Wettbewerbsvorteile, die durch die unterschiedliche Marktstellung der Unternehmen bedingt sind, auszugleichen. Er kann, wenn es dafür vernünftige - wirtschaftliche - Gründe gibt, den Leistungsinhalt so bestimmen, dass einzelne Bieter Wettbewerbsvorteile gegenüber anderen haben, solange dies nicht durch die Absicht der Bevorzugung eines bestimmten Unternehmens motiviert ist.
3. Eine unterbliebene Fachlosvergabe ist unabhängig von dem im Wege der Akteneinsicht aufgedeckten Mangel des Vergabevermerks möglich und zulässig. Ein Dokumentationsmangel führt deshalb nicht dazu, dass eine unterbliebene Losvergabe als solcher keiner Rüge bedarf.
IBRRS 2019, 1927
VK Thüringen, Beschluss vom 10.01.2019 - 250-4003-8071/2018-E-002-J
1. Soweit der Antragsgegner durch Auslegung ermittelbar ist, ist der Nachprüfungsantrag nicht als unzulässig zu verwerfen. Antragsgegner ist der öffentliche Auftraggeber, wie er sich in der Bekanntmachung und /oder der Ausschreibung zu erkennen gegeben hat.
2. Eine Falschbezeichnung der Antragsgegnerseite ist unerheblich, wenn und soweit nach den Gesamtumständen im Wege der Auslegung erkennbar ist, gegen wen der Nachprüfungsantrag tatsächlich gerichtet wird.
3. Bedient sich der Auftraggeber eines von ihm bevollmächtigten Dritten als Vergabestelle und benennt der Antragsteller in seinem Nachprüfungsantrag die Vergabestelle als Auftraggeber, hat dies keine Auswirkungen auf Verfahrenshandlungen, die durch die Vergabekammer oder den Antragsteller gegenüber der Vergabestelle vorgenommen wurden. In diesem Fall ist lediglich das Rubrum des Nachprüfungsantrags durch die Vergabekammer von Amts wegen zu berichtigen.
VolltextIBRRS 2019, 1868
OLG Naumburg, Beschluss vom 11.09.2018 - 7 Verg 4/18
1. Im Antragsverfahren nach § 169 Abs. 2 Satz 5 GWB ist vom Beschwerdegericht eine eigenständige Abwägung nach § 169 Abs. 2 Sätze 2 bis 4 GWB vorzunehmen.*)
a) Die Gestattung der vorzeitigen Zuschlagserteilung allein wegen fehlender Erfolgsaussichten des Nachprüfungsantrags kommt nur in solchen Fällen in Betracht, in denen sich die Unzulässigkeit bzw. Unbegründetheit des Nachprüfungsantrags im Rahmen einer summarischen Prüfung sofort und auf den ersten Blick erschließt. Gegen eine evident fehlende Erfolgsaussicht spricht es, wenn der Vorsitzende der Vergabekammer die Entscheidungsfrist unter Verweis auf die Schwierigkeiten des Falls wiederholt verlängert hat.*)
b) Ein besonderes Beschleunigungsinteresse des Auftraggebers ergibt sich nicht allein daraus, dass eine nicht unerhebliche Verzögerung bei der Erteilung des Zuschlags eingetreten ist. Die pauschale Behauptung, dass ihr "finanzielle Schäden bis hin zum Scheitern des Großbauprojekts" drohten, rechtfertigt eine vorzeitige Zuschlagsgestattung nicht; hierzu bedarf es der Vereinzelung und der Untersetzung, z. B. durch Vorlage eines Bescheids über die Fristbindung der Fördermittel. Die Verzögerung muss auf Umständen beruhen, die sich einer geordneten Projektplanung von vornherein entziehen; mit der Möglichkeit einer verzögerten Zuschlagserteilung wegen eines Nachprüfungsverfahrens muss der Auftraggeber grundsätzlich rechnen.*)
2. Verlangt der öffentliche Auftraggeber von den Bewerbern die Vorlage einer personenbezogenen Referenzliste (hier: für Erfahrungen mit der Bewirtschaftung von Fördermitteln für Gemeinschaftsaufgaben) und legt der Bewerber lediglich eine unternehmensbezogene Referenzliste vor, ist vor einer negativen Bewertung bzw. einem Ausschluss zu prüfen, ob die Erklärung unter Einbeziehung des Kontextes des Teilnahmeantrags (also durch Auslegung) dahingehend verstanden werden kann, dass eine bestimmte Person alle Projekte der Referenzliste bearbeitet hat.*)
VolltextIBRRS 2019, 1852
VK Thüringen, Beschluss vom 14.05.2019 - 250-4003-11842/2019-N-003-GTH
1. Ein ungewöhnlich niedrig erscheinendes Angebot wird nicht automatisch von der Wertung ausgeschlossen. Es besteht zunächst nur der Verdacht, dass das Angebot ungewöhnlich niedrig ist. Diesen Verdacht kann der Bieter gegenüber dem Auftraggeber durch entsprechende Erklärungen und die Vorlage seiner Kalkulation und anderer Unterlagen ausräumen.
2. Die Verpflichtung des Auftraggebers zur Aufklärung der Angemessenheit des Angebots gebietet es, den Bieter durch explizite positions- bzw. titelbezogene Anfragen Gelegenheit zu einer Aufklärung der auffälligen Positionen oder Titel zu geben und den Verdacht eines ungewöhnlich niedrigen Angebotspreises auszuräumen.
IBRRS 2019, 1813
VK Westfalen, Beschluss vom 03.04.2019 - VK 1-9/19
Angebote, die die Vorgaben der Leistungsbeschreibung nicht einhalten, sind auszuschließen.*)
VolltextIBRRS 2019, 1838
VK Bund, Beschluss vom 27.05.2019 - VK 2-24/19
1. Der Anspruch auf Zahlung der in den Vergabeunterlagen ausgelobten Kostenerstattung, die an die Einreichung eines wertbaren Angebots geknüpft ist, setzt nicht voraus, dass zuvor ein Vergabenachprüfungsverfahren durchgeführt wurde. Ein solcher Anspruch ist kein "Schaden" i.S.v. § 160 Abs. 2 GWB.
2. Eine Nachweisführung durch Experimente, mit denen die Einhaltung vorgegebener Erfassungsquoten etc. belegt wird, kann nicht mit dem Argument entkräftet werden, dass man die Quotenerfüllung nicht "glaube"; dies kommt keinem qualifizierten "Bestreiten" gleich.
3. Ein Nachprüfungsantrag ist unbegründet, wenn eine Rechtsverletzung des antragstellenden Bieters ausgeschlossen ist und er auch keine zweite Chance auf Abgabe eines neuen Angebots hat.
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