Bau-, Architekten- und Immobilienrecht.

Volltexturteile nach Sachgebieten
10924 Entscheidungen insgesamt
Online seit 2019
IBRRS 2019, 2910
VK Bund, Beschluss vom 30.08.2019 - VK 2-60/19
Nachdem der EuGH in seinem Urteil vom 04.07.2019 (IBR 2019, 436) festgestellt hat, dass die Bundesrepublik Deutschland dadurch gegen Europarecht verstoßen hat, dass sie verbindliche Honorare für die Planungsleistungen von Architekten und Ingenieuren in der HOAI beibehalten hat, ergibt sich für einen öffentlichen Auftraggeber das Verbot, die EU-rechtswidrigen Vorschriften der HOAI bei der Vergabe von Architekten- und Ingenieurleistungen als Zuschlagskriterium anzuwenden.
IBRRS 2019, 2882

OLG Karlsruhe, Beschluss vom 14.08.2019 - 15 Verg 10/19
1. Erklärungen oder Nachweise, die körperlich vorliegen, aber nicht den Vorgaben entsprechen, "fehlen" nicht.
2. Eine Nachforderungspflicht des Auftraggebers im Hinblick auf körperlich vorhandene Unterlagen besteht nur in rein formaler Hinsicht.
3. § 56 Abs. 2 VgV ist richtlinienkonform dahingehend auszulegen, dass ein Bieter "fehlerhafte Unterlagen" nicht inhaltlich nachbessern darf.
IBRRS 2019, 2825

VK Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 10.01.2019 - 3 VK LSA 73/18
1. Eine Leistung, die von der technischen Spezifikation abweicht, kann angeboten werden, wenn sie mit dem geforderten Schutzniveau gleichwertig ist. Die Abweichung muss im Angebot eindeutig bezeichnet sein.
2. Ein Anspruch auf Bewertung eines Nebenangebots besteht nur, wenn Nebenangebote zugelassen sind und der Nachweis der Gleichwertigkeit mit den Anforderungen des Leistungsverzeichnisses erbracht ist.
3. Die Bieter müssen bereits bei Angebotsabgabe die in ihren Nebenangeboten enthaltenen Leistungen eindeutig und erschöpfend beschreiben.
4. Bei Angeboten, die in die engere Wahl gekommen sind, soll der Zuschlag auf das Angebot erteilt werden, das unter Berücksichtigung aller Gesichtspunkte als das Wirtschaftlichste erscheint. Werden keine Zuschlagkriterien bekannt gemacht, ist nur der niedrigste Preis als Wirtschaftlichkeitskriterium anzuwenden.
5. Im Unterschwellenbereich können Nebenangebote auch dann gewertet werden, wenn als Zuschlagskriterium allein der Preis genannt wurde und für Nebenangebote keine Mindestanforderungen benannt sind.
IBRRS 2019, 2884

VK Bund, Beschluss vom 12.07.2019 - VK 1-35/19
1. Hat ein Bieter nicht sämtliche Kostenfaktoren berücksichtigt und infolge dessen ein Unterkostenangebot abgegeben, muss der Auftraggeber prüfen, ob er dieses Angebot annehmen kann oder nicht. Unterkostenangebote sind nicht per se unzulässig.
2. Der Auftraggeber hat dabei die erheblichen Risiken zu berücksichtigen, die mit Unterkostenangeboten grundsätzlich verbunden sein können, wie etwa dem Risiko, dass der Auftragnehmer infolge der zu geringen Vergütung in wirtschaftliche Schwierigkeiten geraten könnte und den Auftrag deshalb nicht vollständig zu Ende führen wird.
3. Auch wenn zum Zeitpunkt der Angebotswertung nicht sicher beurteilt werden kann, ob und wie wahrscheinlich sich diese Risiken verwirklichen, hat der Auftraggeber ein rechtlich gebundenes Ermessen dergestalt, dass der Zuschlag grundsätzlich abzulehnen ist, wenn verbleibende Ungewissheiten nicht zufriedenstellend aufgeklärt werden können.
4. Eine "zufriedenstellende Aufklärung" liegt erst dann vor, wenn der Auftraggeber bei seiner Entscheidung, ob auf ein Unterkostenangebot der Zuschlag zu erteilen ist, Art und Umfang der im konkreten Fall drohenden Gefahren für eine wettbewerbskonforme Auftragserledigung berücksichtigt und dokumentiert hat.
IBRRS 2019, 2840

VK Bund, Beschluss vom 19.08.2019 - VK 1-55/19
1. Schreibt der Auftraggeber die Lieferung von Fertignasszellen in Leichtbetonweise aus und lässt er gleichwertige Lösungen zu, kann das Angebot eines Bieters, der Nasszellen aus Stahlblech anbietet, nicht wegen einer Änderung der Vergabeunterlagen ausgeschlossen werden.
2. Die Beurteilung der Gleichwertigkeit anhand der ausgeschriebenen Anforderungen ist vom Auftraggeber nachvollziehbar zu dokumentieren.
IBRRS 2019, 2820

VK Westfalen, Beschluss vom 04.09.2019 - VK 2-22/19
1. Die Fachlosvergabe ist der Regelfall. Eine Gesamtvergabe ist nur in Ausnahmefällen zulässig.
2. Für eine Gesamtvergabe der Leistungen genügt es nicht, einseitig darzustellen, welche positiven Effekte und negativen Begleiterscheinungen eine Fachlosvergabe erwarten lässt.
3. Der Auftraggeber muss sich in besonderer Weise mit dem Gebot einer Fachlosvergabe und den dagegen sprechenden Gründen auseinanderzusetzen und dabei die widerstreitenden Belange umfassend gegeneinander abwägen.

IBRRS 2019, 2819

VK Westfalen, Beschluss vom 04.09.2019 - VK 2-20/19
1. Die Fachlosvergabe ist der Regelfall. Eine Gesamtvergabe ist nur in Ausnahmefällen zulässig.
2. Für eine Gesamtvergabe der Leistungen genügt es nicht, einseitig darzustellen, welche positiven Effekte und negativen Begleiterscheinungen eine Fachlosvergabe erwarten lässt.
3. Der Auftraggeber muss sich in besonderer Weise mit dem Gebot einer Fachlosvergabe und den dagegen sprechenden Gründen auseinanderzusetzen und dabei die widerstreitenden Belange umfassend gegeneinander abwägen.
IBRRS 2019, 2813

VK Bund, Beschluss vom 19.07.2019 - VK 1-39/19
1. Der öffentliche Auftraggeber kann verlangen, dass zum Beleg der technischen und beruflichen Leistungsfähigkeit eines Bieters auch Qualitätssicherungsnormen zu erfüllen sind.
2. Sind bei der Erfüllung des Auftrags personenbezogene Daten zu bearbeiten, hängt die Anforderung, ein Zertifikat vorzulegen, das belegt, dass Erfahrungen und die entsprechende betriebliche Organisation für einen sicheren und gesetzeskonformen Umgang mit solchen Daten beim Bieter bereits vorhanden sind, mit dem Auftragsgegenstand zusammen.
3. Da sich die Mitglieder einer Bietergemeinschaft bei der Auftragsausführung gegenseitig ergänzen, muss jedenfalls dasjenige Mitglied die Eignungsanforderungen des Auftraggebers erfüllen, das die betreffende Leistung erbringt, für die diese Eignung erforderlich ist.

IBRRS 2019, 2802

VK Nordbayern, Beschluss vom 11.07.2019 - RMF-SG21-3194-4-26
1. Die Aufklärungspflicht hinsichtlich eines als unangemessen niedrig erscheinenden Angebots setzt ein, sobald die Vergabestelle objektive Anhaltspunkte für einen unangemessen niedrigen Angebotspreis hat. Diese können in Marktdaten, in Erfahrungswerten, in einer vor Beginn des Vergabeverfahrens erfolgten Kostenschätzung und auch in den weiteren abgegebenen Angeboten zu finden sein. Die Vergabestelle hat dabei einen gewissen Beurteilungsspielraum.*)
2. Grundsätzlich ist der Gesamtpreis des Angebots Prüfungsgegenstand. Die Prüfungstiefe bestimmt die Vergabestelle, zur Prüfung von einzelnen Positionen ist sie berechtigt, aber nicht verpflichtet und Zweifel hat sie konkret zu benennen.*)
3. Die Vergabestelle kann den Zuschlag auch auf ein ungewöhnlich niedriges Angebot erteilen, entscheidend ist, dass sie von ordnungsgemäßer Leistungserbringung ausgehen muss. Sie darf im Gegenteil nicht alleine aufgrund der Unauskömmlichkeit des Angebots den Ausschluss eines Bieters vom Verfahren vornehmen, sondern es müssten auch hierfür weitere Anhaltspunkte hinzukommen.*)
IBRRS 2019, 2801

OLG München, Beschluss vom 28.08.2019 - Verg 10/19
1. Für eine Beiladung ist nach Rücknahme des Nachprüfungsantrags kein Raum.*)
2. Nachteilige rechtliche Beurteilungen der Vergabekammer in den Gründen eines (Kosten-)Beschlusses in Bezug auf Leistungen eines Vertragspartners der Vergabestelle (hier: technische Vorgaben einer Vergabeplattform) begründen für diesen weder eine Beschwerdebefugnis noch einen Anspruch auf Beiladung zum Nachprüfungsverfahren.*)
3. Die Entscheidung über eine Beschwerde gegen einen Kosten- und Gebührenbeschluss der Vergabekammer erfordert keine mündliche Verhandlung.*)

IBRRS 2019, 2800

OLG München, Beschluss vom 28.08.2019 - Verg 11/19
1. Für eine Beiladung ist nach Rücknahme des Nachprüfungsantrags kein Raum.*)
2. Nachteilige rechtliche Beurteilungen der Vergabekammer in den Gründen eines (Kosten-)Beschlusses in Bezug auf Leistungen eines Vertragspartners der Vergabestelle (hier: technische Vorgaben einer Vergabeplattform) begründen für diesen weder eine Beschwerdebefugnis noch einen Anspruch auf Beiladung zum Nachprüfungsverfahren.*)
3. Die Entscheidung über eine Beschwerde gegen einen Kosten- und Gebührenbeschluss der Vergabekammer erfordert keine mündliche Verhandlung.*)

IBRRS 2019, 2776

EuGH, Urteil vom 05.09.2019 - Rs. C-333/18
Art. 1 Abs. 1 Unterabs. 3 und Art. 1 Abs. 3 der Richtlinie 89/665/EWG des Rates vom 21.12.1989 zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften für die Anwendung der Nachprüfungsverfahren im Rahmen der Vergabe öffentlicher Liefer- und Bauaufträge in der durch die Richtlinie 2007/66/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11.12.2007 geänderten Fassung ist dahin auszulegen, dass er es verwehrt, die Klage eines Bieters, der ein Interesse an einem bestimmten Auftrag hat und dem durch einen behaupteten Verstoß gegen das Unionsrecht im Bereich des öffentlichen Auftragswesens oder gegen die Vorschriften zu dessen Umsetzung ein Schaden entstanden ist oder zu entstehen droht, auf Ausschluss eines anderen Bieters gemäß den nationalen Verfahrensvorschriften oder der entsprechenden nationalen Rechtsprechung, die sich – ohne dass es auf die Zahl der Teilnehmer am Vergabeverfahren und die Zahl der Teilnehmer, die Klagen erhoben haben, ankäme – auf die Behandlung von wechselseitigen Ausschlussklagen beziehen, für unzulässig zu erklären.*)

IBRRS 2019, 2775

VK Rheinland, Beschluss vom 29.07.2019 - VK 26/19
1. Die Organisation, Qualifikation und Erfahrung des mit der Ausführung des Auftrags betrauten Personals können bei der Angebotswertung als Zuschlagskriterien berücksichtigt werden, wenn die Qualität des eingesetzten Personals erheblichen Einfluss auf das Niveau der Auftragsausführung haben kann.
2. Die Zulassung auftragsbezogener Qualifikationsmerkmale als Zuschlagskriterium ist nicht auf solche Aufträge beschränkt, bei denen Dienstleistungen spezifisch intellektuellen Charakters erbracht werden sollen.
3. Es ist einem Bieter nicht zuzumuten, personelle und sächliche Mittel zur Auftragsausführung zu beschaffen, noch ehe er weiß, ob er überhaupt den Zuschlag für den Auftrag bekommt.
4. Bieter sind auch nicht gehalten, bereits unterschriftsreife Verträge auszuhandeln, oder gar rechtsverbindliche Vorverträge zur Personalbeschaffung abzuschließen.
5. Ein Bieter ist ferner nicht verpflichtet, in seinem Betrieb bereits verfügbares Personal für die Auftragsausführung einzusetzen.
6. Vergabeunterlagen müssen zwar klar und verständlich sein. Das schließt aber nicht aus, dass Bieter oder Bewerber die Unterlagen auslegen müssen, um das Verlangte zu erkennen.
7. Für die Auslegung maßgeblich ist die Perspektive eines verständigen und mit der ausgeschriebenen Leistung vertrauten Unternehmens, das über das für eine Angebotsabgabe oder die Abgabe eines Teilnahmeantrags erforderliche Fachwissen verfügt.
8. In vergaberechtswidriger Weise nicht mehr eindeutig sind Vergabeunterlagen lediglich dann, wenn fachkundigen Unternehmen auch nach Auslegungsbemühungen mehrere Auslegungsmöglichkeiten verbleiben oder das zutreffende Verständnis der Vergabeunterlagen eine besondere Gesamtschau erfordert, die von den Bietern oder Bewerbern im Vergabewettbewerb erfahrungsgemäß nicht geleistet wird oder nicht geleistet werden kann. Nur eine derartige Unklarheit geht zu Lasten des Auftraggebers.
IBRRS 2019, 2764

VK Nordbayern, Beschluss vom 05.07.2019 - RMF-SG21-3194-4-23
1. Auch wenn ein öffentlicher Auftraggeber die Ausschreibung für einen öffentlichen Bauauftrag bereits aufgehoben hat, kann ein Bewerber noch in zulässiger Weise die Vergabekammer anrufen und geltend machen, durch Nichtbeachtung der die Aufhebung der Ausschreibung betreffenden Vergabevorschrift in seinen Rechten nach § 97 Abs. 7 GWB verletzt zu sein. Der Bieter kann im Falle einer nicht unter die einschlägigen Tatbestände fallenden Aufhebung die Feststellung beantragen, dass er durch das Verfahren in seinen Rechten verletzt ist.*)
2. Als Feststellungsinteresse genügt jedes anzuerkennende Interesse rechtlicher, wirtschaftlicher oder ideeller Art, wobei die beantragte Feststellung geeignet sein muss, die Rechtsposition der Antragstellerin in einem der genannten Bereiche zu verbessern und eine Beeinträchtigung seiner Rechte auszugleichen oder wenigstens zu mildern. Es ist jedenfalls gegeben, wenn die Feststellung zur Vorbereitung eines Schadensersatzanspruchs dient und ein solcher Prozess mit hinreichender Sicherheit zu erwarten ist und nicht offenbar aussichtslos erscheint.*)
3. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs müssen Bieter die Aufhebung des Vergabeverfahrens nicht nur dann hinnehmen, wenn sie von einem der in der unter § 17 EU Abs. 1 VOB/A 2016 aufgeführten Gründe gedeckt und deshalb von vornherein rechtmäßig ist. Ein öffentlicher Auftraggeber ist nicht gezwungen, ein Vergabeverfahren mit der Zuschlagserteilung abzuschließen, wenn keiner der zur Aufhebung berechtigenden Tatbestände erfüllt ist. Die in § 17 EU Abs. 1 VOB/A 2016 geschriebenen Aufhebungsgründe schränken das Recht des Auftraggebers, ein Vergabeverfahren ohne Zuschlag zu beenden, nicht ein. Sie haben vielmehr Bedeutung für die Abgrenzung einer rechtmäßigen Aufhebung von einer zwar wirksamen, aber rechtswidrigen Beendigung des Vergabeverfahrens. Notwendige Voraussetzung für eine wirksame Aufhebung ist lediglich, dass der öffentliche Auftraggeber für seine Aufhebungsentscheidung einen sachlichen Grund hat, sodass eine Diskriminierung ausgeschlossen und seine Entscheidung nicht willkürlich ist oder bloß zum Schein erfolgt.*)

IBRRS 2019, 2721

VK Rheinland, Beschluss vom 28.05.2019 - VK 55/17
1. Keine förmliche Wiederaufnahme eines ausgesetzten Verfahrens, wenn der Grund der Aussetzung entfallen ist.*)
2. Mit der Kostenentscheidung im Hauptsacheverfahren wird auch über die Kosten des Gestattungsantrags entschieden.*)
3. Zur Gebührenberechnung für das Gestattungsverfahren.*)

IBRRS 2019, 2719

VK Nordbayern, Beschluss vom 31.07.2019 - RMF-SG21-3194-4-38
1. Bei standardisierter EDV-Ausstattung, deren Anforderungen nicht über das Normalmaß hinausgehen und die bei Bedarf mit geringem Aufwand ersetzt werden kann, ist die Lieferung als die den Auftrag prägende Hauptleistung anzusehen und die Ingenieurleistung für Installation und Konfiguration lediglich eine Nebenleistung.
2. Ein Nachprüfungsantrag ist nicht deshalb zulässig, weil die Bekanntmachung den Hinweis enthält, dass die VK Nordbayern für die Überprüfung der Vergabeentscheidung zuständig sei. Eine falsche Angabe kann keine Zuständigkeit der Vergabekammer begründen. Zwar mag die europaweite Ausschreibung eine Selbstbindung der Vergabestelle auf die Einhaltung dieser Vorschriften bewirken. Dies bewirkt jedoch nicht, dass der 4. Teil des GWB mit dem entsprechenden Rechtsschutz anwendbar ist.*)

IBRRS 2019, 2680

VK Brandenburg, Beschluss vom 17.05.2019 - VK 3/19
1. Eine eindeutig und transparent abgefasste Leistungsbeschreibung ist auch dann für die Angebotskalkulation maßgeblich, wenn der Bieter sie für nicht fachgerecht hält.
2. Ist ein Bieter der Auffassung, die ausgeschriebene Leistung sei nicht fachgerecht, muss er dies vor Ablauf der Angebotsfrist entweder über eine Bieterfrage klären oder eine Rüge anbringen.
3. Hat ein Bieter nur Kapazitäten, um zwei der ausgeschriebenen vier Lose auszuführen, bewirbt sich aber dennoch auf alle Lose, ist keines seiner Angebote zuschlagsfähig.
IBRRS 2019, 2679

VK Brandenburg, Beschluss vom 12.03.2019 - VK 1/19
1. Eine Vorabinformation genügt den gesetzlichen Anforderungen, wenn sie neben der allgemeinen Aussage, dass das Angebot nicht das wirtschaftlichste gewesen sei, auch die Zuschlagskriterien nebst Gewichtung benennt und erläutert, welchen Rang das jeweilige Angebot hat.
2. Allein die Übermittlung weiterer Unterlagen und Erläuterungen zur Angebotswertung eines Angebots verpflichten den Auftraggeber nicht dazu, die Vorabinformation zu wiederholen.
3. Eine erneute Information ist nur notwendig, wenn der Auftraggeber die Angebotswertung wiederholt, unabhängig davon, ob die neue Angebotswertung zu einem abweichenden Ergebnis geführt hat oder nicht.

IBRRS 2019, 2676

VK Rheinland, Beschluss vom 08.07.2019 - VK-18/19
1. Der öffentliche Auftraggeber muss grundsätzlich produktneutral ausschreiben. Schreibt er nicht produktneutral aus, bedarf es hierfür einer Rechtfertigung. Eine solche Rechtfertigung ist bereits anzunehmen, wenn auftrags- und sachbezogene Gründe vorliegen.
2. Die vergaberechtlichen Grenzen der Bestimmungsfreiheit des öffentlichen Auftraggebers sind eingehalten, sofern a) die Bestimmung durch den Auftragsgegenstand sachlich gerechtfertigt ist, b) vom Auftraggeber dafür nachvollziehbare objektive und auftragsbezogene Gründe angegeben worden sind, c) solche Gründe tatsächlich vorhanden sind und d) die Bestimmung andere Wirtschaftsteilnehmer nicht diskriminiert.
3. Der zur Wahrnehmung und Ausschöpfung des Ermessensspielraums erforderliche Willensbildungs- und Entscheidungsprozess ist zu dokumentieren.

IBRRS 2019, 2361

VK Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 26.06.2019 - 1 VK LSA 30/18
1. Der öffentliche Auftraggeber muss Bescheinigungen über die Teilnahme an ordnungsgemäßen Präqualifizierungssystemen als Nachweis der Eignung und des Nichtvorliegens von Ausschlussgründen akzeptieren.
2. Eine Referenzleistung ist mit der ausgeschriebenen Leistung vergleichbar, wenn sie dieser so weit ähnelt, dass sie einen tragfähigen Rückschluss auf die Leistungsfähigkeit des Bieters für die ausgeschriebene Leistung ermöglicht.
3. Das Verlangen nach Referenzprojekten für vergleichbare Leistungen bedeutet nicht, dass das Leistungsbild der herangezogenen Aufträge mit dem ausgeschriebenen Auftrag identisch sein muss. Es ist ausreichend, dass die Referenzleistungen den ausgeschriebenen Leistungen nach Art oder Umfang ähneln. Dabei ist kein zu enger Maßstab anzulegen.

IBRRS 2019, 2609

VK Brandenburg, Beschluss vom 17.07.2019 - VK 7/19
1. Der öffentliche Auftraggeber hat die Angebote auf Vollständigkeit sowie auf fachliche und rechnerische Richtigkeit zu prüfen, wobei die Prüfung der rechnerischen Richtigkeit zunächst eine interne Prüfung des Auftraggebers ist, die zu Beginn der Wertungsphase stattfindet, auch um Rechen- und/oder Übertragungsfehler aufzudecken.
2. Ein Bieter hat keinen Anspruch darauf, dass divergierende Angaben in seinem Angebot einer Klärung zugeführt werden.
3. Um Angebotsausschlüsse aus lediglich formalen Gründen zu vermeiden, darf der öffentliche Auftraggeber Angebote, die bei Vorliegen formaler Mängel jedenfalls wegen widersprüchlicher oder unvollständiger Angaben an sich "ausschlusswürdig" sind, nicht ohne weiteres von der Wertung ausnehmen, ohne den von einem Ausschluss bedrohten Bieter zuvor zu einer Aufklärung über den Inhalt des Angebotes aufgefordert und ihm Gelegenheit gegeben zu haben, den Tatbestand der Widersprüchlichkeit oder Unvollständigkeit auszuräumen.
4. Angebote dürfen in einzelnen Punkten berichtigt oder ergänzt werden, wenn es sich nur um eine offensichtlich gebotene bloße Klarstellung oder um eine Behebung offensichtlicher sachlicher Fehler handelt.
IBRRS 2019, 2673

BGH, Urteil vom 18.06.2019 - X ZR 86/17
1. Bedingt sich der öffentliche Auftraggeber in den Vergabeunterlagen (hier: § 1 Abs. 1.3 der Zusätzlichen Vertragsbedingungen für Bauleistungen [ZVBBau] Stand: 10.06.2015) aus, dass etwaige Vorverträge, in den Vergabeunterlagen nicht als Vertragsbestandteile aufgeführte Unterlagen, Protokolle oder Klauselwerke oder sonstige Korrespondenz im Zusammenhang mit dem Vertragsschluss, insbesondere Liefer-, Vertrags- und Zahlungsbedingungen des Auftragnehmers nicht Vertragsbestandteil werden, und stellt ein Bieter mit seinem Angebot abweichende Zahlungsbedingungen, können diese infolge der Abwehrklausel des Auftraggebers im Falle der Auftragserteilung keine rechtliche Wirkung entfalten. Ein Ausschluss des Angebots wegen Änderungen an den Vergabeunterlagen ist deshalb nicht erforderlich und nicht zulässig.*)
2. Auch ohne Geltung von § 1 Abs. 1.3 ZVBBau kann ein Angebot, dem der Bieter eigene Unterlagen wie namentlich Liefer-, Vertrags- und Zahlungsbedingungen beigefügt hat, ohne Verstoß gegen § 15 EU Abs. 1 Nr. 1 VOB/A 2012 in der Wertung verbleiben, wenn nach bloßer Streichung des Hinzugefügten ein dem maßgeblichen Inhalt der Vergabeunterlagen vollständig entsprechendes Angebot vorliegt.*)
IBRRS 2019, 2668

EuGH, Urteil vom 29.07.2019 - Rs. C-620/17
1. Die Haftung eines Mitgliedstaats für Schäden, die durch eine unionsrechtswidrige Entscheidung eines letztinstanzlichen nationalen Gerichts entstanden sind, unterliegt den vom Gerichtshof insbesondere in Rn. 51 des Urteils vom 30.09.2003, Köbler (IBR 2004, 1083 - nur online), aufgestellten Voraussetzungen, ohne dass es ausgeschlossen wäre, dass die Haftung dieses Staates auf der Grundlage des nationalen Rechts unter weniger einschränkenden Voraussetzungen ausgelöst werden kann. Die Haftung wird nicht dadurch ausgeschlossen, dass die betreffende Entscheidung Rechtskraft erlangt hat. Im Rahmen der Ausgestaltung dieser Haftung ist es Sache des mit einer Schadensersatzklage befassten nationalen Gerichts, unter Berücksichtigung aller Gesichtspunkte, die für den in Rede stehenden Sachverhalt kennzeichnend sind, zu beurteilen, ob das letztinstanzlich entscheidende nationale Gericht einen hinreichend qualifizierten Verstoß gegen das Unionsrecht begangen hat, weil es das anwendbare Unionsrecht einschließlich der einschlägigen Rechtsprechung des Gerichtshofs offenkundig verkannt hat. Dagegen steht das Unionsrecht einer nationalen Rechtsvorschrift entgegen, die in einem solchen Fall die einer Partei durch die rechtswidrige Entscheidung des nationalen Gerichts entstandenen Kosten generell von den ersatzfähigen Schäden ausschließt.*)
2. Das Unionsrecht, insbesondere die Richtlinie 89/665/EWG des Rates vom 21.12.1989 zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften für die Anwendung der Nachprüfungsverfahren im Rahmen der Vergabe öffentlicher Liefer- und Bauaufträge in der durch die Richtlinie 2007/66/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11.12.2007 geänderten Fassung und die Richtlinie 92/13/EWG des Rates vom 25.02.1992 zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften für die Anwendung der Gemeinschaftsvorschriften über die Auftragsvergabe durch Auftraggeber im Bereich der Wasser-, Energie- und Verkehrsversorgung sowie im Telekommunikationssektor in der durch die Richtlinie 2007/66 geänderten Fassung sowie die Grundsätze der Äquivalenz und der Effektivität, ist dahin auszulegen, dass es einer Regelung eines Mitgliedstaats nicht entgegensteht, die im Fall eines rechtskräftig gewordenen Urteils eines Gerichts dieses Mitgliedstaats, mit dem über eine Nichtigkeitsklage gegen eine Handlung eines öffentlichen Auftraggebers entschieden wurde, ohne auf eine Frage einzugehen, deren Prüfung Gegenstand eines früheren Urteils des Gerichtshofs war, das aufgrund eines Vorabentscheidungsersuchens im Rahmen des die Nichtigkeitsklage betreffenden Verfahrens erging, die Wiederaufnahme des Verfahrens nicht gestattet. Besteht jedoch für das nationale Gericht nach den anwendbaren innerstaatlichen Verfahrensvorschriften die Möglichkeit, ein rechtskräftig gewordenes Urteil rückgängig zu machen, um die durch dieses Urteil entstandene Situation mit einer rechtskräftigen früheren nationalen Gerichtsentscheidung in Einklang zu bringen, von der das Gericht, das das betreffende Urteil erlassen hat, und die Parteien der Rechtssache, in der es ergangen ist, bereits Kenntnis hatten, muss von dieser Möglichkeit gemäß den Grundsätzen der Äquivalenz und der Effektivität unter den gleichen Bedingungen Gebrauch gemacht werden, um die Vereinbarkeit der Situation mit dem Unionsrecht in seiner Auslegung durch ein früheres Urteil des Gerichtshofs herbeizuführen.*)

IBRRS 2019, 2615

VK Brandenburg, Beschluss vom 03.06.2019 - VK 4/19
1. Das Transparenzgebot ist während des gesamten Vergabeverfahrens zu beachten und umfasst u. a. die Ausgestaltung der Zuschlagskriterien, die auf der Grundlage bekannt gemachter Zuschlagskriterien und Bewertungsmethode vorzunehmende Wertung der Angebote sowie die entsprechende Dokumentation des Verfahrens im Rahmen eines Vergabevermerks.
2. Wird den Bietern in den Vergabeunterlagen mitgeteilt, dass die Bewertung der Zuschlagskriterien auf einer Notenskala von 0 bis 5 "vollen" Punkten erfolgt, dürfen die einzelnen Kriterien nicht mit Zwischenwerten benotet werden.
IBRRS 2019, 4204

VK Berlin, Beschluss vom 12.06.2019 - VK B 1-10/19
1. Die Begründung eines Nachprüfungsantrags muss die behauptete Rechtsverletzung mit einer konkreten Sachverhaltsdarstellung beschreiben.
2. Beruft sich ein Unternehmen auf marktbekannte Informationen, nach denen ein Konkurrent eine unzureichende Lösung angeboten haben soll, muss er diese Informationen und Quellen konkret erläutern.
3. Berufst sich ein Antragsteller darauf, das ein preislich günstigeres Angebot eines Konkurrenten nicht den Anforderungen des Auftraggebers entsprechen kann und ein Leistungsausfall droht, muss er seine Gründe dafür konkret vortragen.
4. Ist der Preis das einzige Zuschlagskriterium, ist die Bieterinformation ausreichend begründet, wenn es die Aussage enthält, es gebe niedrigere Angebote. Der Auftraggeber ist nicht verpflichtet, in seiner Vorabinformation Ränge oder Platzierungen anzugeben.

IBRRS 2019, 2612

VK Rheinland, Beschluss vom 09.07.2019 - VK 20/19
1. Ein Angebot ist zwingend vom weiteren Vergabeverfahren auszuschließen, wenn es Änderungen oder Ergänzungen an Vergabeunterlagen vornimmt.
2. Die Vergabeunterlagen umfassen alle Angaben, die erforderlich sind, um dem Bewerber oder Bieter eine Entscheidung zur Teilnahme am Vergabeverfahren zu ermöglichen. Darunter fallen auch die Angabe der Eignungs- und Zuschlagskriterien.
3. Eine unzulässige Änderung der Vergabeunterlagen wird immer dann angenommen, wenn das Angebot von den in diesen Unterlagen genannten Vorgaben abweicht, also der Bieter etwas anderes anbietet als vom Auftraggeber nachgefragt, so dass Angebot und Nachfrage nicht übereinstimmen.
4. Ob Angebot und Nachfrage übereinstimmen, erfolgt durch eine Feststellung und anschließende Gegenüberstellung dessen, was der Auftraggeber gefordert hat, mit dem, was vom Bieter angeboten wurde.

IBRRS 2019, 2610

VK Rheinland, Beschluss vom 02.08.2019 - VK 17/19
Ein Bieter kann mangels Rechtsverletzung nicht mit Erfolg eine unterbliebene europaweite Ausschreibung geltend machen, wenn erkennbar ist, dass er sich im Falle der Durchführung einer europaweiten Ausschreibung nicht erfolgversprechend an der Ausschreibung beteiligen kann, da er gar nicht dazu in der Lage ist, die abgefragte Leistung zu erbringen.*)

IBRRS 2019, 2605

VK Rheinland, Beschluss vom 10.07.2019 - VK 19/19
1. Ein Nachprüfungsantrag auf Feststellung der Unwirksamkeit gem. § 135 Abs. 1 Satz 1 GWB ist nur dann erfolgreich, wenn der Antragsteller auch ohne Verstoß gegen die Informationspflicht in seinen Rechten verletzt ist und ihm dadurch ein Schaden entsteht oder entstanden ist.*)
2. Zur Zulässigkeit einer Bietergemeinschaft, bei der jeder Bieter auf je ein Los geboten hat.*)

IBRRS 2019, 2544

OVG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 22.07.2019 - 1 O 149/18
Die streitgegenständliche vergaberechtliche Entscheidung der Vergabekammer im unterschwelligen Bereich ist bürgerlich-rechtlicher Natur i.S.d. § 13 GVG, weil der den streitgegenständlichen Kostenentscheidungen (Kostenlast und Kostenfestsetzung) zu Grunde liegende Sachverhalt ein privatrechtlich ausgestaltetes vergaberechtliches Verfahren betrifft und die Rechtmäßigkeit der angefochtenen Kostenentscheidungen nicht losgelöst von der zu Grunde liegenden Sachentscheidung beurteilt werden kann.*)

IBRRS 2019, 2542

VK Sachsen, Beschluss vom 25.06.2019 - 1/SVK/013-19
1. Enthält ein Leistungsverzeichnis in weiten Teilen Ca.-Angaben zu den Produktabmessungen und Leistungswerten, so führt dies zu unklaren und undefinierbaren Toleranzbereichen in der Auslegung und Bestimmung etwaig noch zulässiger Abweichungen von den genannten Parametern.*).
2. Eindeutig im vergaberechtlichen Sinn ist eine Leistungsbeschreibung i.S.v. § 121 Abs. 1 GWB, § 31 Abs. 2 Nr. 1 VgV nur, wenn sie verbindliche Minimal- und Maximalwerten enthält. Solange den Vergabeunterlagen keine Erläuterungen zu entnehmen sind, welche Abweichungen von den Ca.-Werten (noch) möglich sind und daher vom öffentlichen Auftraggeber akzeptiert werden, sind die Angebote untereinander nicht vergleichbar.*)
IBRRS 2019, 2541

VK Sachsen, Beschluss vom 05.07.2019 - 1/SVK/011-19
1. Ein Abstand der Angebote für Bauleistungen von über 30% indiziert den Anschein eines unangemessen niedrigen Angebots und löst eine Prüfpflicht des Auftraggebers aus. Bei einem solchen Überschreiten der Aufgreifschwelle ist eine Angemessenheitsprüfung zu veranlassen (BGH, IBR 2017, 209 = VPR 2017, 42).*)
2. Sinn und Zweck der Regelungen des § 122 Abs. 4 Satz 2 GWB und des § 48 Abs. 1 VgV ist es, dass potentielle Bewerber/Bieter bereits aus der Auftragsbekanntmachung die an sie in persönlicher und wirtschaftlicher Hinsicht gestellten Anforderungen ersehen können, um anhand dieser Angaben zu entscheiden, ob sie sich an der Ausschreibung beteiligen können und wollen. Nur wenn diese Angaben frei zugänglich und transparent verlautbart sind, können sie diesem Zweck gerecht werden. Diesem Zweck widerspricht es, wenn in der Auftragsbekanntmachung bezüglich der Eignungskriterien auf die Vergabe- und Auftragsunterlagen als Ganzes verwiesen wird.*)
3. Eine ordnungsgemäße Bekanntmachung der Eignungskriterien durch Verlinkung kommt nur dann in Betracht, wenn es sich um eine Verlinkung auf ein elektronisch ohne Weiteres zugängliches Dokument, aus dem sich konkret die Eignungsanforderungen ergeben handelt und ein weiterer Rechercheaufwand - um sich Kenntnis von den Eignungsanforderungen zu verschaffen - nicht entsteht.*)
IBRRS 2019, 2539

VK Südbayern, Beschluss vom 03.07.2019 - Z3-3-3194-1-09-03/19
1. Ändert sich die Rechtsform eines Architekturbüros nach erfolgreicher Teilnahme (Preisträger) an einem Realisierungswettbewerb, aber vor Aufforderung zur Angebotsabgabe im Verhandlungsverfahren ohne Teilnahmewettbewerb gem. § 14 Abs. 4 Nr. 8 VgV, ist für die Teilnahme des Büros in neuer Rechtsform am Verhandlungsverfahren allein maßgeblich, ob es den preisgekrönten Entwurf urheberrechtlich uneingeschränkt umsetzen darf und die ursprünglichen Eignungsanforderungen erfüllt.*)
2. Es bedürfte eines Vorabentscheidungsverfahrens nach Art. 267 AEUV um zu entscheiden, ob eine Änderung der Zuschlagskriterien im Verhandlungsverfahren nach § 17 Abs. 10 Satz 2 VgV unter Berücksichtigung des Erwägungsgrunds 45 der Richtlinie 2014/24/EU nur im Rahmen von Verhandlungen zwischen einem Bieter und dem öffentlichen Auftraggeber unzulässig sind, oder ob ein allgemeines Änderungsverbot besteht.*)
3. Aufgrund von § 17 Abs. 12 Satz 2 VgV ist ein Verhandlungsverfahren gem. § 14 Abs. 4 Nr. 8 VgV allein mit dem Wettbewerbsgewinner allenfalls dann noch zulässig, wenn der Auftrag nach den Bedingungen des Wettbewerbs zwingend an den Wettbewerbsgewinner vergeben werden muss. Ist dies nicht der Fall, ist das Verhandlungsverfahren mit allen Preisträgern zu führen.*)
4. In einem Planungswettbewerb nach VgV und (unmodifiziert vereinbarter) RPW 2013 ist der erste Preisträger gem. § 8 Abs. 2 RPW 2013 regelmäßig, aber nicht zwangsläufig mit den (weiteren) Planungsleistungen zu beauftragen.*)
5. Der Umstand, dass der Auftraggebers gem. § 8 Abs. 2 RPW 2013 regelmäßig den ersten Preisträger zu beauftragen hat, ist bei der Gewichtung der Auswahlkriterien in geeigneter Weise zu berücksichtigen (OLG Frankfurt, IBR 2017, 392 = VPR 2017, 139)*)
IBRRS 2019, 2536

EuGH, Urteil vom 11.07.2019 - Rs. C-697/17
Art. 28 Abs. 2 Satz 1 der Richtlinie 2014/24/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26.02.2014 über die öffentliche Auftragsvergabe und zur Aufhebung der Richtlinie 2004/18/EG ist dahin auszulegen, dass in Anbetracht des Erfordernisses der rechtlichen und tatsächlichen Identität zwischen den in der Vorauswahl berücksichtigten Wirtschaftsteilnehmern und den Wirtschaftsteilnehmern, die Angebote abgeben, dem nicht entgegensteht, dass im Rahmen eines nicht offenen Verfahrens zur Vergabe eines öffentlichen Auftrags ein in der Vorauswahl berücksichtigter Bewerber, der sich aufgrund einer Verschmelzungsvereinbarung, die zwischen der Vorauswahlphase und der Angebotsabgabephase geschlossen und nach dieser Abgabephase umgesetzt wird, verpflichtet, einen anderen in der Vorauswahl berücksichtigten Bewerber aufzunehmen, ein Angebot abgeben kann.*)
IBRRS 2019, 2519

VK Rheinland, Beschluss vom 23.04.2019 - VK 7/19
1. Ein Verstoß gegen das Verbot der Vermischung von Eignungs- und Zuschlagskriterien ist auch nach der Vergaberechtsreform 2016 erkennbar i.S.v. § 160 Abs. 3 Nr. 2 und 3 GWB und muss vom Bieter daher unverzüglich gerügt werden. Die dazu bereits vor der Vergaberechtsreform entwickelte, gefestigte Rechtsprechung hat weiterhin Bestand.*)
2. Insbesondere führt die Neuregelung des § 16d EU Abs. 2 b VOB/A 2016 zu keinem anderen Ergebnis, da der Bieter zur Beantwortung der Frage, ob die Vergabeunterlagen eine unzulässige Vermischung von Eignungs- und Zuschlagskriterien vorsehen, eine Wertung vornehmen muss, die sich allein auf den Tätigkeitsbereich des Bieters erstreckt und keine vergaberechtlichen Kenntnisse erfordert.*)
3. Ein Bieter kann seinen Nachprüfungsantrag nicht mit Erfolg auf eine mangelhafte Dokumentation der Wahl der Zuschlagskriterien stützen, wenn der Einwand gegen die Wahl der Zuschlagskriterien selbst präkludiert ist. Ebenso kann ein Bieter seinen Antrag nicht mit Erfolg auf eine mangelhafte Dokumentation des Loszuschnitts/Gesamtvergabe stützen, wenn er ohne Rüge ein Angebot für den Gesamtauftrag abgegeben hat und ein Einwand gegen den Loszuschnitt im laufenden Nachprüfungsverfahren präkludiert ist. In beiden Fällen können sich gegebenenfalls bestehende Dokumentationsmängel nicht kausal nachteilig auf die Rechtsstellung des Bieters ausgewirkt haben.*)
4. Fordert der Auftraggeber eine einschränkungslose Versicherungsbescheinigung und der Bieter meint, die Vorlage dieser Bescheinigung sei aus versicherungsrechtlichen Gründen grundsätzlich niemandem möglich, ist diese Unmöglichkeit erkennbar i.S.v. § 160 Abs. 3 Nr. 2 und 3 GWB und deswegen vor Ablauf der Frist zur Angebotsabgabe zu rügen.*)
5. Ein Bieter kann sich mangels drohenden Schadens nicht auf Fehler in Bezug auf die Vorinformation gem. § 134 GWB berufen, wenn er rechtzeitig vor Zuschlagserteilung einen Nachprüfungsantrag bei der Vergabekammer stellt.*)
6. Zeitliche Verzögerungen bei Vergabeverfahren, z. B. durch eingeleitete Nachprüfungsverfahren o. ä., haben keine Auswirkungen auf die Vergabeverfahren und führen insbesondere nicht zu einer fehlenden wirtschaftlichen Vergleichbarkeit der Angebote.*)
7. Wählt die Vergabestelle ein Zuschlagskriterium zur Berücksichtigung von Berufserfahrung bei dem vorgegeben ist, dass der Zeitraum zur Berücksichtigung der Berufserfahrung 15 bis 25 Jahre betragen soll, ist diese Wahl nicht willkürlich, wenn aufgrund der Auftragsart und der Auftragsgröße die Wahl sachlich nachvollziehbar und nicht erkennbar ist, dass die vorgegebene Frist zu einer unzulässigen Einschränkung des Bewerberkreises führt.*)

IBRRS 2019, 2416

VK Rheinland, Beschluss vom 22.07.2019 - VK 21/19
1. Positive Kenntnis bei der Rügeobliegenheit gem. § 160 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 GWB.*)
2. Im Verhandlungsverfahren ohne Teilnahmewettbewerb dürfen gem. § 3a EU Abs.3 Nr. 1 VOB/A 2016 nur Angebote der Bieter berücksichtigt werden, die im vorangegangenen Verfahren nicht wegen formeller Mängel ausgeschlossen wurden.*)
3. Vollstreckungsmaßnahmen gem. § 168 Abs. 3 GWB sind nur zur Durchsetzung von Entscheidungen der Vergabekammer zulässig, die das Nachprüfungsverfahren abschließen.*)
4. Ist bis zur abschließenden Entscheidung der Vergabekammer nicht über einen Antrag auf Gestattung der vorzeitigen Zuschlagserteilung gem. §169 Abs. 2 GWB entschieden, hat sich dieser Antrag erledigt.*)
IBRRS 2019, 2353

OLG Nürnberg, Beschluss vom 23.11.2016 - 12 U 2437/14
1. Aus einem Rahmenvertrag kann mangels Bestimmtheit der Einzelverträge grundsätzlich nicht auf Abschluss eines definitiven Vertrags geklagt werden. Jedoch kann ein Rahmenvertrag bereits entsprechende Abschlussverpflichtungen beinhalten und das Nichtabschließen von Einzelverträgen eine Vertragsverletzung darstellen, die zum Schadensersatz verpflichtet.
2. Es kann bei Abschluss eines Rahmenvertrags auch vereinbart werden, dass entsprechende Abschlussverpflichtungen nicht bestehen. Dadurch wird dem Auftragnehmer kein ungewöhnliches Wagnis aufgebürdet.
3. Der Abschluss einer Rahmenvereinbarung, bei der keine Abnahmeverpflichtung vereinbart bzw. keine Mindestabnahmemenge garantiert wird, benachteiligt den Auftragnehmer nicht unangemessen, weil der Ungewissheit über die Abnahmemenge und dem Risiko einer unzureichenden Abnahmemenge durch entsprechende Preisgestaltung Rechnung getragen werden kann.

IBRRS 2019, 2352

OLG Nürnberg, Urteil vom 14.10.2016 - 12 U 2437/14
1. Aus einem Rahmenvertrag kann mangels Bestimmtheit der Einzelverträge grundsätzlich nicht auf Abschluss eines definitiven Vertrags geklagt werden. Jedoch kann ein Rahmenvertrag bereits entsprechende Abschlussverpflichtungen beinhalten und das Nichtabschließen von Einzelverträgen eine Vertragsverletzung darstellen, die zum Schadensersatz verpflichtet.
2. Es kann bei Abschluss eines Rahmenvertrags auch vereinbart werden, dass entsprechende Abschlussverpflichtung nicht bestehen. Dadurch wird dem Auftragnehmer kein ungewöhnliches Wagnis aufgebürdet.
3. Der Abschluss einer Rahmenvereinbarung, bei der keine Abnahmeverpflichtung vereinbart bzw. keine Mindestabnahmemenge garantiert wird, benachteiligt den Auftragnehmer nicht unangemessen, weil der Ungewissheit über die Abnahmemenge und dem Risiko einer unzureichenden Abnahmemenge durch entsprechende Preisgestaltung Rechnung getragen werden kann.

IBRRS 2019, 2405

VK Rheinland, Beschluss vom 15.05.2019 - VK 8/19
1. § 3 Abs. 9 VgV setzt eine qualitative oder quantitative Losbildung voraus, aus der konkrete, klar definierte und abgrenzbare Bauleistungen hervorgehen.*)
2. Ein öffentlicher Auftraggeber, der einen Bieter nicht wegen fehlender Eignung gem. § 124 Abs. 1 Nr. 7 GWB ausschließt, kann sich in einem Nachprüfungsverfahren nicht auf Rechtsmissbräuchlichkeit berufen und damit begründen, dass er den Bieter wegen fehlender Eignung gem. § 124 Abs. 1 Nr. 7 GWB hätte ausschließen können.*)
3. § 135 Abs. 1 GWB setzt voraus, dass der öffentliche Auftraggeber überhaupt keine Bekanntmachung im Amtsblatt veröffentlicht hat.*)
4. Die lnformationspflicht gem. § 134 Abs. 1 GWB gilt auch dann, wenn der Zuschlag für einen (Teil-)Auftrag an ein Unternehmen erteilt werden soll, das im Vergabeverfahren kein Angebot abgegeben hat.*)
5. Wirtschaftliche Gründe lassen die lnformationspflicht wegen besonderer Dringlichkeit nicht gem. § 134 Abs. 3 Satz 1 GWB entfallen.*)
6. Keine nachträgliche Heilung eines Verstoßes gegen die lnformationspflicht, wenn der Zuschlag einem anderen Unternehmen bereits erteilt wurde.*)
7. Die Aufhebung eines Vergabeverfahrens wegen eines unwirtschaftlichen Angebots setzt eine ordnungsgemäße Kostenschätzung des öffentlichen Auftraggebers voraus.*)
8. Nach Aufhebung des Vergabeverfahrens kann sich der öffentliche Auftraggeber nicht mehr auf die fehlende Eignung eines Bieters gem. § 124 Abs. 1 Nr. 7 GWB berufen, weil kein Vergabeverfahren mehr existiert.*)
9. Die Scheinaufhebung eines Vergabeverfahrens kann wegen der Vertragsfreiheit des öffentlichen Auftraggebers nur unter engen Voraussetzungen angenommen werden.*)
IBRRS 2019, 2284

VK Lüneburg, Beschluss vom 26.03.2019 - VgK-03/2019
1. Der Auftraggeber kann ein Unternehmen vom Vergabeverfahren ausschließen, wenn es bei der Ausführung öffentlicher Aufträge nachweislich gegen geltende umwelt-, sozial- oder arbeitsrechtliche Verpflichtungen verstoßen hat. Dabei dürfen nur solche Umstände berücksichtigt werden, die sich im Rahmen gesicherter Erkenntnisse bewegen.
2. An den Nachweis einer Pflichtverletzung sind hohe Anforderungen zu stellen. Die Darlegungs- und Beweispflicht liegt beim Auftraggeber. Bestehen begründete Zweifel, ist die nachweisliche Pflichtverletzung nicht gegeben.
3. Wurden strafrechtliche Ermittlungen - auch gegen Geldauflage - eingestellt, darf der Auftraggeber davon ausgehen, dass dem Unternehmen insoweit keine schweren Verfehlungen nachgewiesen werden konnten.
4. Der Auftraggeber ist nicht dazu berechtigt, Zweifel an wertungsrelevanten Angaben eines Bieters dadurch zu beheben, dass er im Rahmen der Angebotswertung nach eigenen Erkenntnissen zweifelsfreie Erklärungen einsetzt. Das gilt auch dann, wenn sich der Auftraggeber in den Vergabeunterlagen vorbehält, am Bewertungsergebnis "gegebenenfalls Korrekturen vorzunehmen".
IBRRS 2019, 2035

KG, Beschluss vom 18.06.2019 - 2 AR 22/19
1. Klagen, die auf Schadensersatz wegen Vergaberechtsverstößen gerichtet sind, sind keine Bausachen, selbst wenn Bauleistungen i.S.d. § 100 Abs. 3 GWB vergeben werden.
2. Fehlt eine Zuständigkeitsbestimmung im Geschäftsverteilungsplan für solche Streitigkeiten, ist die allgemeine Zivilkammer funktional zuständig.

IBRRS 2019, 2437

BGH, Beschluss vom 22.07.2019 - X ZB 8/19
Der Bundesgerichtshof kann auf eine Vorlage nach § 124 Abs. 2 GWB a.F. hin jedenfalls dann nicht (erneut) über einen Antrag nach § 118 Abs. 1 Satz 3 GWB a.F. entscheiden, wenn das Beschwerdegericht bereits eine diesbezügliche Entscheidung getroffen hat.*)

IBRRS 2019, 2255

VK Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 03.06.2019 - 3 VK LSA 13/19
1. Weicht ein Angebot für die Erbringung von Bau-, Liefer- oder Dienstleistungen, auf das der Zuschlag erteilt werden soll, um mindestens 10 % vom nächsthöheren Angebot ab, hat der öffentliche Auftraggeber die Kalkulation des Angebots zu überprüfen. Im Rahmen dieser Überprüfung ist der Bieter verpflichtet, die ordnungsgemäße Kalkulation nachzuweisen.
2. Es ist zulässig, auf ein ungewöhnlich niedriges Angebot den Zuschlag zu erteilen, solange die Prognose gerechtfertigt ist, dass der Bieter auch zu diesem Preis die Leistung zuverlässig und vertragsgerecht erbringen kann. Der Auftraggeber hat insoweit sorgfältig zu prüfen und zu erwägen, ob ein ungewöhnlich niedriges Angebot berücksichtigt und gegebenenfalls bezuschlagt werden kann.
3. Die Prüfung eines ungewöhnlich niedrigen Angebots und gegebenenfalls dessen Wertung ist vom Auftraggeber ordnungsgemäß zu dokumentieren.

IBRRS 2019, 2338

VK Bund, Beschluss vom 03.07.2019 - VK 1-37/19
1. Der öffentliche Auftraggeber ist verpflichtet, vom Bieter Aufklärung zu verlangen, wenn der Preis oder die Kosten des Angebots im Verhältnis zu der zu erbringenden Leistung ungewöhnlich niedrig erscheinen.
2. Der Preis oder die Kosten eines Angebots erscheinen im Verhältnis zu der zu erbringenden Leistung dann ungewöhnlich niedrig, wenn sie erheblich unterhalb der eingegangenen Konkurrenzangebote, einer qualifizierten Kostenschätzung oder Erfahrungswerten des Auftraggebers mit wettbewerblicher Preisbildung aus anderen Ausschreibungen liegen.
3. Ein Anhaltspunkt für den Eintritt in die Prüfung der Preisbildung kann vorliegen, wenn der Abstand zwischen dem Angebot des bestplatzierten und dem Angebot des zweitplatzierten Bieters mehr als 20 % beträgt.
4. Die Nicht-Inanspruchnahme von Optionen durch den Auftraggeber in der Vergangenheit in Verträgen mit dem bisherigen Auftragnehmer führt nicht dazu, die Eignung des Auftragnehmers generell in Frage zu stellen.

IBRRS 2019, 2403

VK Bund, Beschluss vom 17.07.2019 - VK 2-36/19
1. Der öffentliche Auftraggeber darf den Zuschlag auf ein Angebot ablehnen, wenn er nach einer Prüfung die geringe Höhe des angebotenen Preises nicht zufriedenstellend aufklären kann.
2. Im Dienstleistungsbereich löst eine Abweichung von 20 % zum nächsten Angebot eine Preisprüfungspflicht aus (sog. Aufgreifschwelle).
3. Eine nicht zufriedenstellende Aufklärung setzt voraus, dass die pflichtgemäß durchgeführte und ausgewertete Aufklärung keine gesicherte Tatsachengrundlage ergeben hat, die es rechtfertigt festzustellen, dass das Angebot nicht ungewöhnlich niedrig, sondern vielmehr angemessen ist.
4. Es gilt bei nicht ausreichender Plausibilisierung eines sehr niedrigen Preises ein Regel-Ausnahme-Verhältnis für den Angebotsausschluss. Es kann dem Auftraggeber nicht als Vergabefehler angelastet werden, wenn er im Sinne dieses Regel-Ausnahme-Verhältnisses entscheidet.
5. Erfolgt die Wertung von Konzepten an dem Maßstab "überzeugend", muss dieser Begriff nicht nochmals gesondert konkretisiert werden, wenn für den fachkundigen Bieter in einer Gesamtschau aller Vorgaben deutlich wird, worauf es dem Auftraggeber ankommt.
6. Ein durchschnittlicher Bieter muss keine Kenntnis von der komplexen vergaberechtlichen Einordnung einer Rahmenvereinbarung bzw. der Rechtsprechung zur Vermischung von Eignungs- und Zuschlagskriterien haben. Derart schwierige Rechtsfragen lösen demzufolge keine Rügeobliegenheit des Bieters aus.

IBRRS 2019, 2386

VK Bund, Beschluss vom 10.07.2019 - VK 2-40/19
1. Nach der Verhandlungsphase sind die Vorgaben des Auftraggebers vollumfänglich zu beachten. Eine Abweichung hiervon stellt einen Ausschlussgrund dar.
2. Sind Positionen mit "0,00 Euro" ausgewiesen, ist im Rechtssinne eine Preisangabe vorhanden, denn der Bieter bringt in seinem Angebot zum Ausdruck, dass diese Positionen umsonst angeboten werden.
3. Die Angabe eines falschen und nicht wahrheitsgemäßen Preises entspricht einer fehlenden Preisangabe.
4. Ob die Hinzuziehung eines Verfahrensbevollmächtigten durch den öffentlichen Auftraggeber notwendig ist, kann nicht schematisch, sondern stets nur auf der Grundlage einer differenzierenden Betrachtung des Einzelfalles entschieden werden.
5. Maßgeblich ist, ob sich das Nachprüfungsverfahren hauptsächlich auf auftragsbezogene Sach- und Rechtsfragen einschließlich der dazu gehörenden Vergaberegeln konzentriert hat. Ist dies der Fall, besteht im Allgemeinen keine Notwendigkeit, einen Rechtsanwalt einzuschalten.

IBRRS 2019, 2360

VK Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 08.07.2019 - 1 VK LSA 01/19
1. Vergaberechtsverstöße, die aufgrund der Vergabeunterlagen erkennbar sind, müssen bis spätestens zum Zeitpunkt der Abgabe des Angebots gegenüber dem Auftraggeber gerügt werden.
2. Maßstab für die Erkennbarkeit des Vergaberechtsverstoßes ist nicht die Kenntnis, sondern die Erkenntnismöglichkeit eines durchschnittlich fachkundig handelnden Bieters bei Anwendung üblicher Sorgfalt. Der Bieter ist in jedem Fall gehalten, sich bei der Angebotserstellung gründlich mit den Vergabeunterlagen auseinanderzusetzen.
3. Inhaltlich muss sich die Rüge als eine Missbilligung der Vorgehensweise des Auftraggebers darstellen, damit dieser die Möglichkeit erhält, (s)einen Vergaberechtsfehler im frühestmöglichen Stadium zu erkennen und gegebenenfalls zu korrigieren.

IBRRS 2019, 2331

OLG Düsseldorf, Beschluss vom 15.05.2019 - Verg 61/18
1. Wahlpositionen dienen nicht zum Ausgleich von Mängeln einer unzureichenden Planung. Sie dürfen deshalb nur ausgeschrieben werden, wenn dem Auftraggeber die Festlegung auf eine Ausführungsvariante mit zumutbaren Mitteln nicht möglich ist.
2. Unter welchen Voraussetzungen Wahlpositionen in vergaberechtlich zulässiger Weise ausgeschrieben werden können, ist Spezialwissen, das auch bei einem fachkundigen Bieterkreis nicht vorausgesetzt werden kann und folglich keine Rügeobliegenheit auslöst.
IBRRS 2019, 1974

VK Bremen, Beschluss vom 07.06.2019 - 16-VK 5/19
1. Erscheint ein Angebotspreis unangemessen niedrig und ist anhand der vorliegenden Unterlagen über die Preisermittlung die Angemessenheit nicht zu beurteilen, ist in Textform vom Bieter Aufklärung über die Ermittlung der Preise für die Gesamtleistung oder für Teilleistungen zu verlangen.
2. Bei der Entscheidung, ob eine Prüfung des Angebots erforderlich ist, sind die Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen. Entscheidend ist die Frage, ob ein Missverhältnis von Preis und Leistung anzunehmen ist.
3. Ein Preisabstand von 18% zwischen dem erstplatzierten und dem zweitplatzierten Angebot veranlasst die Vergabestelle in der Regel nicht zur vertieften Preisprüfung.
IBRRS 2019, 2253

VK Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 10.12.2018 - 3 VK LSA 71/18
1. Der Auftraggeber kann eine Ausschreibung nur dann kostenneutral aufheben, wenn ihn keine tatbestandliche Verantwortlichkeit hinsichtlich der Aufhebungsgründe trifft.
2. Es ist Aufgabe des Auftraggebers, den Beschaffungsbedarf vor Verfahrensbeginn sorgfältig zu bestimmen. Änderungen, sofern sie nicht auf unvorhersehbaren nachträglich eintretenden Ereignissen beruhen, fallen in die Risikosphäre bzw. in den grundsätzlich vorhersehbaren Bereich des Auftraggebers.

IBRRS 2019, 2254

VK Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 12.12.2018 - 3 VK LSA 64/18
1. Der öffentliche Auftraggeber ist aufgrund seines Beurteilungsspielraums nicht verpflichtet, allen technischen Gesichtspunkten bis ins Einzelne nachzugehen bzw. diese bis ins Letzte zu klären. Entscheidend ist vielmehr, ob der Auftraggeber bei der Angebotswertung unsachliche und nicht nachvollziehbare Erwägungen herangezogen hat.*)
2. Dem Auftraggeber ist es auch nicht zuzumuten, eine Angebotsaufklärung immer weiter fortzuführen, bis der Bieter den entsprechenden Nachweis vorlegt. Es ist erforderlich, dass der Auftraggeber im Zuge der Prüfung über Nachweise verfügt, die ihm eine Beurteilung ermöglichen, ob und inwieweit die vom Bieter gemachten Angaben den Anforderungen der technischen Parameter des Leistungsverzeichnisses entsprechen.*)
