Bau-, Architekten- und Immobilienrecht.
Volltexturteile nach Sachgebieten
10832 Entscheidungen insgesamt
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IBRRS 2018, 1637VK Sachsen, Beschluss vom 27.11.2017 - 1/SVK/025-17
1. Ein ordnungsgemäß geschätzter Auftragswert ist jener Wert, den ein umsichtiger und sachkundiger öffentlicher Auftraggeber nach sorgfältiger Prüfung des relevanten Marktsegmentes und im Einklang mit den Erfordernissen betriebswirtschaftlicher Finanzplanung bei der Anschaffung der vergabegegenständlichen Sachen veranschlagen würde.*)
2. Eine Schätzung des Auftragswerts ist dann korrekt, wenn alle ausgeschriebenen Positionen zu ordnungsgemäß ermittelten Preisen bei der Berechnung berücksichtigt worden sind, zudem Schätzungsgegenstand und Ausschreibungsinhalt deckungsgleich sind und insgesamt realistische Mengen enthalten.*)
VolltextIBRRS 2018, 1617
VK Baden-Württemberg, Beschluss vom 24.01.2018 - 1 VK 54/17
1. Der öffentliche Auftraggeber kann einen Bieter wegen früherer Schlechtleistung ausschließen, wenn er nachweisen kann, dass dem Bieter wegen dieser Schlechtleistung rechtmäßig gekündigt wurde.
2. Für diesen Nachweis genügten Indiztatsachen von einigem Gewicht und gesicherte Erkenntnisse aus seriösen Quellen. Ein rechtskräftiges Urteil muss nicht vorliegen.
3. Eine Auskunft von Creditreform stellt für sich allein genommen keinen Ausschlussgrund dar.
4. Bieter müssen an geforderten Aufklärungen der Preise mitwirken. Der Verweis auf Preisnachlässe bei einem bestimmten Fremdunternehmen und einen großen Lagerbestand genügt dabei nicht.
IBRRS 2018, 1680
OLG Frankfurt, Beschluss vom 16.04.2018 - 11 Verg 1/18
1. Grundsätzlich ist das Unterliegen für die Kostentragungspflicht maßgeblich. Abweichend hiervon können jedoch kausal durch ein schuldhaftes Verhalten eines Beteiligten verursachte Kosten diesem auferlegt werden. Auch der obsiegende Beteiligte kann somit die gesamten Verfahrenskosten oder einzelne Auflagen zu tragen haben.
2. Der öffentliche Auftraggeber hat die Kosten des Verfahrens vor der Vergabekammer und die Kosten des Bieters zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung zu tragen, wenn die von ihm erteilte Belehrung über die Rechtswegzuständigkeit unrichtig ist.
3. Für Streitigkeiten im Zusammenhang mit Wegenutzungsverträgen nach § 46 EnWG sind die ordentlichen Gerichten zuständig. Daran hat sich auch durch die Vergaberechtsreform 2016 und die Neufassung des § 46 EnWG in 2017 nichts geändert.
IBRRS 2018, 1638
VK Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 20.10.2017 - 1 VK LSA 17/17
1. Es steht dem öffentlichen Auftraggeber grundsätzlich frei, die von ihm für erforderlich gehaltenen Eignungsvorgaben zu bestimmen. Denn es liegt in seiner Risikosphäre, durch Festlegung der Eignungsanforderung die zukünftige ordnungsgemäße Leistungserbringung sicherzustellen.
2. Vorherige Festlegung zu den Eignungskriterien können während eines laufenden Vergabeverfahrens unter Gewährleistung der Grundsätze von Transparenz und Wettbewerb geändert werden.
3. Ein Mehr an Wettbewerb kann nicht diskriminierend wirken.
VolltextIBRRS 2018, 1675
EuGH, Urteil vom 17.05.2018 - Rs. C-531/16
Art. 2 der Richtlinie 2004/18/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 31.03.2004 über die Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Bauaufträge, Lieferaufträge und Dienstleistungsaufträge ist dahin auszulegen ist, dass
– miteinander verbundene Bieter, die in ein und demselben Verfahren gesonderte Angebote einreichen, nicht verpflichtet sind, dem öffentlichen Auftraggeber gegenüber von sich aus ihre Verbindungen offenzulegen, wenn in der Ausschreibung oder den Verdingungsunterlagen, die die Bedingungen für die Vergabe eines öffentlichen Auftrags regeln, keine ausdrückliche normative Bestimmung oder spezifische Bedingung enthalten ist;
– der öffentliche Auftraggeber, wenn er über Anhaltspunkte verfügt, die Zweifel an der Eigenständigkeit und Unabhängigkeit der von bestimmten Bietern eingereichten Angebote aufkommen lassen, zur Nachprüfung verpflichtet ist, ob deren Angebote tatsächlich eigenständig und unabhängig sind, und zwar gegebenenfalls dadurch, dass er zusätzliche Informationen von diesen Bietern anfordert. Stellt sich heraus, dass die Angebote nicht eigenständig und unabhängig sind, steht Art. 2 der Richtlinie 2004/18 einem Zuschlag des Auftrags an die Bieter, die ein solches Angebot abgegeben haben, entgegen.*)
IBRRS 2018, 1641
VK Saarland, Beschluss vom 07.02.2018 - 3 VK 04/17
1. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Durchführung der Eignungsprüfung und Erstellung der Eignungsprognose ist derjenige der rechtswirksamen Zuschlagserteilung; das heißt, die Antragsgegnerin hat die Erkenntnisse, die das Nachprüfungsverfahren zur Frage der Eignung und Zuverlässigkeit erbracht hat, zu berücksichtigen.*)
2. a) Sofern im Einzelfall der Sach- und Personalaufwand aus dem Rahmen dessen fällt, was ein Nachprüfungsantrag der betreffenden wirtschaftlichen Größenordnung und Bedeutung üblicherweise mit sich bringt, ist dem durch eine angemessene Erhöhung oder Herabsetzung der aus der Gebührenstaffel ermittelten Basisgebühr Rechnung zu tragen.*)
b) Zu einer Erhöhung der Basisgebühr können z. B. eine hohe Anzahl tatsächlicher und juristischer Fragen hinsichtlich der Zulässigkeit und der Begründetheit des Nachprüfungsantrags, eine sowohl inhaltlich als auch von der Dauer her sehr umfangreiche mündliche Verhandlung, eine entsprechend umfangreiche Niederschrift über die mündliche Verhandlung, eine detaillierte Aufklärungsverfügung der Vergabekammer zur rechtlichen Bewertung des Verfahrens, die Vorbereitung einer aufwändigen, diffizilen Entscheidung in der Hauptsache, die wegen einer - späten - Erledigung der Hauptsache nicht mehr zum Tragen kommt, sowie eine aufwändige Kostenentscheidung führen.*)
3. Die Beauftragung eines Rechtsanwalts durch den Antragsteller ist in vergaberechtlichen Streitigkeiten grundsätzlich als notwendig anzusehen. Dass ein Bieter auch ohne die Einschaltung eines Rechtsanwalts zu einer ausreichenden und umfassenden Interessenwahrnehmung in der Lage ist, kann allenfalls dann angenommen werden, wenn sich im Einzelfall ausschließlich einfache und ohne weiteres zu beantwortende Sach- und Rechtsfragen stellen und der Bieter aufgrund seiner Ressourcen und Erfahrungen zweifelsfrei in der Lage ist, seine Position im konkreten Fall auch prozessual adäquat zu vertreten.*)
VolltextIBRRS 2018, 1616
VK Sachsen, Beschluss vom 04.10.2017 - 1/SVK/022-17
1. Ist für einen An- und Abfahrtsweg zum Erfüllungsort ein Kilometerpreis verlangt, ändert der Bieter die Vergabeunterlagen, wenn er stattdessen ein Stundenhonorar offeriert.*)
2. Ist für ein Fahrzeug eine zulässige Gesamtmasse definiert, stellt die Überschreitung dieser maximalen Gesamtmasse eine Änderung an den Vergabeunterlagen dar.*)
VolltextIBRRS 2018, 4267
VK Thüringen, Beschluss vom 23.03.2018 - 250-4002-1304/2018-N-003-HBN
1. Nimmt ein Bieter in sein Angebot eigene, dem Inhalt der Ausschreibungsunterlagen, insbesondere den Vertragsbedingungen des Auftraggebers widersprechende Vertragsbedingungen auf, liegt eine unzulässige Veränderung an den Vergabeunterlagen vor.
2. Bei zwei sich widersprechenden Vertrags- bzw. Geschäftsbedingungen gilt im Zweifel keine dieser Vertragsbedingungen.
3. Es ist deshalb ein anerkennenswertes Auftraggeberinteresse, Streit über die Geltung von Vertragsbedingungen bereits im Vorfeld dadurch zu unterbinden, dass ergänzende Bedingungen als Abweichung von den Verdingungsunterlagen behandelt werden.
VolltextIBRRS 2018, 1625
BGH, Urteil vom 26.04.2018 - VII ZR 81/17
Ein Anspruch auf Ersatz von nach Vertragspreisen einschließlich eines Prozentsatzes für Allgemeine Geschäftskosten kalkulierten Vorhaltekosten wegen verzögerter Zuschlagserteilung im Vergabeverfahren steht dem Auftragnehmer nicht aufgrund einer entsprechenden Anwendung des § 642 BGB zu.*)
VolltextIBRRS 2018, 1624
BGH, Urteil vom 26.04.2018 - VII ZR 82/17
1. Im Falle der einvernehmlichen Vertragsbeendigung richtet sich die vom Auftragnehmer zu beanspruchende Vergütung nach § 8 Nr. 1 Abs. 2 VOB/B (2002), sofern sich die Parteien über die Folgen der Vertragsbeendigung nicht anderweitig geeinigt haben (im Anschluss an BGH, Urteil vom 04.06.1973 - VII ZR 113/71, NJW 1973, 1463).*)
2. Eine Anpassung der vereinbarten Vergütung nach § 2 Nr. 3 VOB/B (2002) kommt nur in Betracht, wenn es ohne Eingriff in den ursprünglichen Leistungsbestand zu einer reinen Mengenänderung bei den Vordersätzen der bei Vertragsschluss festgelegten Leistungen kommt (im Anschluss an BGH, Urteil vom 27.11.2003 - VII ZR 346/01, BauR 2004, 495 = NZBau 2004, 207 = IBR 2004, 124).*)
IBRRS 2018, 1618
VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 24.04.2018 - 1 S 2403/17
1. Führt eine Gemeinde für den Verkauf eines Grundstücks freiwillig ein "Bieterverfahren" mit Ausschreibung durch, entsteht zwischen ihr und den Teilnehmern des Verfahrens ein vorvertragliches Vertrauensverhältnis, das sie zu Gleichbehandlung der Teilnehmer, Transparenz und Rücksichtnahme verpflichtet (Anschluss an BGH, IBR 2008, 345 und BGH, IBR 2001, 504).*)
2. Ein solches vorvertragliches Rechtsverhältnis ist grundsätzlich dem bürgerlichen Recht zuzuordnen. Vor den Zivilgerichten auszutragen sind daher grundsätzlich insbesondere Rechtsstreitigkeiten um die Frage, ob ein solches Bieterverfahren wirksam aufgehoben wurde, ob ein Bieter zu Unrecht nicht zum Zuge kam und ob ihm ein Anspruch zusteht, der Gemeinde die Erteilung des Zuschlags an einen anderen Bieter zu untersagen.*)
VolltextIBRRS 2018, 1613
VK Sachsen, Beschluss vom 04.04.2018 - 1/SVK/004-18
Es ist einer Vergabekammer untersagt, Rechtsverstöße, die nicht rechtzeitig gerügt wurden, aufzugreifen. Soweit also ein Antragsteller mit bestimmten Rechtsverstößen präkludiert ist, liegt es nicht im Ermessen der Vergabekammer, solche Rechtsverstöße dennoch zu prüfen. Die Vergabekammer darf diese Rechtsverstöße auch nicht unmittelbar noch mittelbar von Amts wegen (wieder) aufgreifen.*)
VolltextIBRRS 2018, 1573
VK Nordbayern, Beschluss vom 09.04.2018 - RMF-SG21-3194-3-5
1. Ein Direktlink in der Auftragsbekanntmachung genügt, die Eignungskriterien wirksam bekanntzumachen. Entscheidend ist, dass ein Bieter, der die Bekanntmachung durchsieht, ohne Mitwirkung der Vergabestelle Kenntnis von den Eignungskriterien als auch von den vorzulegenden Unterlagen, mit denen die Eignung zu belegen ist, nehmen kann.*)
2. Legt ein Bieter eignungsbezogene Erklärungen oder Nachweise, deren Vorlage sich der Auftraggeber vorbehalten hat, auf Anforderung nicht innerhalb einer angemessenen, nach dem Kalender bestimmten Frist vor, muss sein Angebot ausgeschlossen werden. Die Angemessenheit der Frist für jede Erklärung oder jeden Nachweis bestimmt sich nach dem Umfang des Aufwands, der zur Beibringung der jeweils geforderten Unterlage notwendig ist.*)
3. Bei einem Sachverhalt, wenn die Bieterin bezüglich der geforderten Referenzbescheinigungen zum Ausdruck bringt, dass sie alle Unterlagen, die sie beibringen wollte, auch vorgelegt hat, kann sie sich später nicht darauf berufen, dass die Frist unangemessen kurz gewesen sei.*)
IBRRS 2018, 1581
VK Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 19.10.2017 - 3 VK LSA 82/17
1. Das Fehlen geforderter Fabrikatsangaben führt zum zwingenden Ausschluss des Angebots. Unabhängig davon, welche Angaben ein Auftraggeber konkret fordert, sind die geforderte Fabrikats-, Produkt- und Typangaben integraler Angebotsbestandteil.
2. Das Fehlen solcher Angaben ist nicht heilbar.
IBRRS 2018, 1519
OLG Düsseldorf, Beschluss vom 13.12.2017 - Verg 33/17
1. Angebote, die von vornherein in sich widersprüchlich sind, sind auszuschließen. Auf solche Angebote darf, wenn sich der Widerspruch nicht aufklären lässt, ein Zuschlag nicht ergehen.
2. Die Pflicht des öffentlichen Auftraggebers, in eine Preisprüfung einzutreten, kann sich aus dem Preis- und Kostenabstand zu den Konkurrenzangeboten ergeben, aus Erfahrungswerten oder aus dem Abstand zur Auftragswertschätzung.
3. Die Auftragswertschätzung eignet sich nur als Vergleichsmaßstab, soweit die Kosten methodisch vertretbar und auch sonst fehlerfrei ermittelt worden sind.
4. Liegt der Preisabstand zwischen dem Angebot des Bestbieters und dem Angebot des zweitplatzierten Bieters im untersten einstelligen Prozentbereich, ist die Aufgreifschwelle für eine Preisprüfung nicht erreicht.
IBRRS 2018, 1564
OLG Schleswig, Urteil vom 19.12.2017 - 3 U 15/17
1. Der öffentliche Auftraggeber ist nicht verpflichtet, ein einmal begonnenes Vergabeverfahren durch einen Zuschlag zu beenden. Das gilt auch dann, wenn keine Aufhebungsgründe i.S. des § 17 Abs. 1 VOB/A 2012 vorliegen.
2. Rechtsfolge einer rechtswidrigen Aufhebung ist nicht etwa ein Anspruch auf (Fortsetzung des Vergabeverfahrens und) Zuschlagserteilung, sondern (nur) ein das negative Interesse erfassender Schadensersatzanspruch des davon betroffenen Bieters.
3. Ein Anspruch auf Ersatz des entgangenen Gewinns besteht nur, wenn der betroffene Bieter den Auftrag bei rechtmäßiger Durchführung des Vergabeverfahrens hätte erhalten müssen und der ausgeschriebene oder ein diesem wirtschaftlich gleichzusetzender Auftrag vergeben worden ist.
IBRRS 2018, 1558
OLG Stuttgart, Urteil vom 30.01.2018 - 10 U 84/17
1. Wird eine Auftragsentziehung auf § 5 Abs. 4 i.V.m. Abs. 3 VOB/B, also unzureichenden Einsatz von Arbeitskräften, Geräten, Gerüsten, Stoffen oder Bauteilen, gestützt, muss der Kündigende im Prozess substantiiert darlegen, dass die Ausführungsfristen dadurch offenbar nicht eingehalten werden konnten.*)
2. Frühestens wenn die Überschreitung der Herstellungsfrist ernsthaft droht, kann nach § 5 Abs. 4 VOB/B i.V.m. § 323 Abs. 4 BGB ein Kündigungsrecht entstehen. Zu der im Zeitpunkt der Kündigungserklärung bestehenden Herstellungsfrist und den Umständen, die deren Einhaltung ernsthaft bedrohen, hat der Kündigende im Prozess substantiiert vorzutragen.*)
3. Ein Gläubiger hat für den Fall, dass bereits vor Fälligkeit der Leistung ernsthafte Zweifel an der Leistungsbereitschaft oder der Leistungswilligkeit des Schuldners bestehen, ein schützenswertes Interesse daran, Klarheit über den Vertrag zu erlangen. Der Gläubiger kann deshalb dem Schuldner vor Fälligkeit der Leistung eine angemessene Frist zur Erklärung eigener Leistungsbereitschaft und zum Nachweis fristgerechter Erfüllung des Vertrages setzen, wenn die rechtzeitige Erfüllung durch Hindernisse ernsthaft in Frage gestellt ist, die im Verantwortungsbereich des Schuldners liegen, und dem Gläubiger ein weiteres Zuwarten nicht möglich ist (Kooperationsgebot).*)
4. Dieses Klärungsbedürfnis des Gläubigers führt vor Fälligkeit der Werkleistung nur unter den Voraussetzungen des § 323 Abs. 4 BGB zu einem Rücktrittsrecht.*)
5. Fehlt für eine Kündigung des Auftraggebers der wichtige Grund und ist eine Auslegung als freie Auftragsentziehung nach § 8 Abs. 1 VOB/B / § 649 BGB a.F. (§ 648 BGB n.F.) nicht möglich, ergeben sich die Vergütungsansprüche des Auftragnehmers aus § 326 Abs. 2 BGB, wenn der Auftraggeber ihm das Baugrundstück für eine Leistungserbringung nicht mehr zur Verfügung stellt oder das Werk durch andere Unternehmer errichten lässt.*)
VolltextIBRRS 2018, 1582
VK Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 21.12.2017 - 3 VK LSA 93/17
Angebote, bei denen Änderungen oder Ergänzungen an den Vertragsunterlagen vorgenommen worden sind, sind auszuschließen. Ein Bewerber, der sein Angebot auf Grundlage der ursprünglichen Fassung der Leistungsbeschreibung erstellt und damit von einer nachträglich korrigierten und für verbindlich erklärten Fassung abweicht, nimmt eine Änderung an den Vergabeunterlagen vor.*)
VolltextIBRRS 2018, 1566
OLG Brandenburg, Beschluss vom 20.03.2018 - 6 Kart 3/15
(ohne amtlichen Leitsatz)
VolltextVPRRS 2018, 0118
VK Bund, Beschluss vom 03.04.2018 - VK 2-24/18
1. Das Zweckmäßigkeitsgebot des § 127 Abs. 1 SGB V ist im Anwendungsbereich des Vierten Teils des GWB nicht anwendbar. Damit bleibt bei Vergabe von Rahmenvereinbarungen über die Versorgung mit Hilfsmitteln im Oberschwellenbereich kein Raum für Zweckmäßigkeitserwägungen.
2. Zur Sicherstellung der nach § 33 Abs. 1 Satz 5, § 70 Abs. 1 Satz 2, § 127 Abs. 1 Satz 2 SGB V geschuldeten Versorgungsqualität reicht es in Rahmenverträgen aus, den durch das SGB V vorgeschriebenen Mindeststandard zu fordern.
VolltextIBRRS 2018, 4088
VK Mecklenburg-Vorpommern, Beschluss vom 08.12.2017 - 3 VK 5/17
1. Nach § 168 Abs. 2 Satz 2 GWB stellt die Vergabekammer im Falle einer Erledigung auf Antrag eines Beteiligten fest, ob eine Rechtsverletzung vorgelegen hat.
2. Dies setzt jedoch voraus, dass der Nachprüfungsantrag zulässig gewesen ist. Es widerspräche jeder Logik, wenn ein unzulässiger Antrag nur deshalb zu einem (Teil-) Erfolg führen würde, weil er gegenstandslos geworden ist.
VolltextIBRRS 2018, 1514
VK Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 11.09.2017 - 3 VK LSA 68/17
1. Gemäß § 19 Abs. 1 LVG-SA informiert der öffentliche Auftraggeber die Bieter, deren Angebote nicht berücksichtigt werden sollen, über den Namen des Bieters, dessen Angebot angenommen werden soll, und über die Gründe der vorgesehenen Nichtberücksichtigung ihres Angebotes. Er gibt die Information schriftlich, spätestens sieben Kalendertage vor dem Vertragsabschluss, ab.*)
2. Gemäß § 19 Abs. 2 LVG-SA wird die Nachprüfungsbehörde nur tätig, wenn ein Bieter vor Ablauf der Frist schriftlich beim öffentlichen Auftraggeber die Nichteinhaltung der Vergabevorschriften beanstandet und der öffentliche Auftraggeber der Beanstandung nicht abhilft.*)
3. Gemäß § 14 Abs. 1 LVG-SA hat der öffentliche Auftraggeber ungewöhnlich niedrige Angebote, auf die der Zuschlag erfolgen soll, zu überprüfen. Weicht nach § 14 Abs. 2 LVG-SA ein Angebot für die Erbringung von Bau-, Liefer- oder Dienstleistungen, auf das der Zuschlag erteilt werden soll, um mindestens 10 v. H. vom nächsthöheren Angebot ab, so hat der öffentliche Auftraggeber die Kalkulation des Angebots zu überprüfen. Im Rahmen dieser Überprüfung ist der Bieter verpflichtet, die ordnungsgemäße Kalkulation nachzuweisen.*)
VolltextIBRRS 2018, 1520
VK Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 15.01.2018 - 3 VK LSA 100/17
1. Die Regelung des § 17 Abs. 1 VOB/A 2016 ist keine, die die rechtliche Zulässigkeit einer Aufhebung beschreibt. Sie trifft lediglich Aussagen darüber, wann ein Auftraggeber eine Aufhebung kostenneutral vornehmen kann. Eine Aufhebung kann demnach nach § 17 Abs. 1 VOB/A 2016 nur unter der Prämisse rechtmäßig sein, dass den Auftraggeber keine tatbestandliche Verantwortlichkeit hinsichtlich der Aufhebungsgründe trifft.*)
2. Gemäß § 20 Abs. 1 Satz 1 VOB/A 2016 ist das Vergabeverfahren zeitnah zu dokumentieren, so dass die einzelnen Stufen des Verfahrens, die einzelnen Maßnahmen, die maßgebenden Feststellungen sowie die Begründung der einzelnen Entscheidungen festgehalten werden.*)
VolltextIBRRS 2018, 1435
OLG Düsseldorf, Beschluss vom 21.03.2018 - Verg 50/16
1. Die Veranstaltung von Messen und Ausstellungen ist im Allgemeinen eine gewerbliche Tätigkeit.
2. Eine von einer Gebietskörperschaft beherrschte Gesellschaft des privaten Rechts (hier: eine GmbH), deren satzungsgemäßer Zweck darin besteht, einen Gebäudekomplex zu nutzen und zu bewirtschaften sowie Veranstaltungen aller Art zu ermöglichen, ist ein öffentlicher Auftraggeber.
IBRRS 2018, 1459
VK Bund, Beschluss vom 19.02.2018 - VK 1-167/17
1. Der Auftraggeber soll erst ausschreiben, wenn alle Vergabeunterlagen fertig gestellt sind und wenn innerhalb der angegebenen Fristen mit der Ausführung begonnen werden kann (Ausschreibungsreife).
2. Überarbeitungen der Vergabeunterlagen aufgrund von Bieterfragen und -rügen führen nicht dazu, dass von einer fehlenden Ausschreibungsreife auszugehen ist. Erkannte Defizite oder Fehler sind in jedem Stand des Vergabeverfahrens zu korrigieren. Der Auftraggeber hat insoweit Klarstellungen für alle interessierten Unternehmen herbeizuführen.
3. Führen Klarstellungen/Korrekturen dazu, dass die Bieter mehr Zeit benötigen, um die Angebotserstellung auf die neuen Informationen auszurichten, besteht die Möglichkeit der Verlängerung der Angebotsfrist.
4. Ein lineares Bewertungssystems ist nicht per se vergaberechtswidrig.
VolltextIBRRS 2018, 1495
VK Bund, Beschluss vom 02.03.2018 - VK 1-165/17
1. Verweist ein unzuständiges Gericht ein Nachprüfungsverfahren an die Vergabekammern und wird diese Verweisung rechtskräftig, ist sie bindend und die Vergabekammern sind damit für das Verfahren zuständig.
2. Hat sich der Bieter rechtzeitig nach seiner Rüge bei dem seiner Auffassung nach zuständigen Gericht einen Nachprüfungsantrag gestellt, hat er aus seiner Sicht zulässige rechtliche Schritte gegen die vermeintlichen Vergaberechtsverstöße eingeleitet. Einen Rechtsweg zu beschreiten, den er für unzulässig hält, kann von ihm nicht verlangt werden.
3. Das Zweckmäßigkeitsgebot des § 127 Abs. 1 Satz 6 SGB V wird oberhalb der EU-Schwellenwerte durch das GWB-Vergaberecht verdrängt.
VolltextIBRRS 2018, 1450
EuGH, Urteil vom 01.03.2018 - Rs. C-9/17
Art. 1 Abs. 2 a Richtlinie 2004/18/EG ist dahin auszulegen, dass ein System der landwirtschaftlichen Betriebsberatung wie das im Ausgangsverfahren in Rede stehende, durch das eine öffentliche Einrichtung alle Wirtschaftsteilnehmer akzeptiert, die die in der Ausschreibung aufgeführten Eignungsvoraussetzungen erfüllen und die ebenfalls dort genannte Prüfung bestanden haben, keinen öffentlichen Auftrag im Sinne dieser Richtlinie darstellt, selbst wenn während der begrenzten zeitlichen Laufzeit dieses Systems kein neuer Wirtschaftsteilnehmer zugelassen werden kann.*)
IBRRS 2018, 1487
OLG München, Beschluss vom 09.03.2018 - Verg 10/17
1. Schreibt ein öffentlicher Auftraggeber einen ganz bestimmten Umgang mit dem Abfall vor und schließt er alle sonstigen (nicht von vorneherein offensichtlich nachrangigen) Möglichkeiten der Verwertung/Entsorgung zwingend aus, muss er die zentralen Aspekte, die für bzw. gegen die beabsichtigte Festlegung sprechen, gegenüberstellen und bewerten und dabei die grundlegende Konzeption des KrWG berücksichtigen.
2. Nicht jeder Dokumentationsmangel führt dazu, dass eine Wiederholung der betreffenden Verfahrensabschnitte anzuordnen ist, weil anderenfalls der Ablauf des Vergabeverfahrens unangemessen beeinträchtigt werden könnte. Es ist vielmehr möglich, dass Dokumentationsmängel nachträglich geheilt werden können.
3. Die Möglichkeit einer nachträglichen Dokumentation kommt nicht in Betracht, wenn zu besorgen ist, dass die Berücksichtigung der nachgeschobenen Dokumentation lediglich im Nachprüfungsverfahren nicht ausreichen könnte, um eine wettbewerbskonforme Auftragserteilung zu gewährleisten.
VolltextIBRRS 2018, 0492
VK Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 23.01.2018 - VK 1-26/17
Der öffentliche Auftraggeber kann das Rechtsschutzinteresse eines Bieters an einem Unwirksamkeitsfeststellungsantrag und der Möglichkeit eines Nachprüfungsverfahrens trotz Zuschlagserteilung durch eine nachträgliche einseitige Kündigung des Auftrags nicht entfallen lassen.
VolltextIBRRS 2018, 1486
BGH, Beschluss vom 27.03.2018 - X ZR 50/17
(ohne amtlichen Leitsatz)
VolltextIBRRS 2018, 1448
EuGH, Urteil vom 28.02.2018 - Rs. C-536/16
1. Das Unionsrecht, insbesondere Art. 51 Richtlinie 2004/18/EG, die Grundsätze der Vergabeverfahren, zu denen die in Art. 10 Richtlinie 2004/17/EG und Art. 2 Richtlinie 2004/18/EG aufgeführten Grundsätze der Gleichbehandlung und der Transparenz gehören, und der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit sind dahin auszulegen, dass sie einer nationalen Regelung grundsätzlich nicht entgegenstehen, die einen Mechanismus zur Unterstützung bei Erstellung der Unterlagen einführt, bei dem der öffentliche Auftraggeber im Rahmen eines Vergabeverfahrens die Bieter, deren Gebot mit einem wesentlichen Mangel im Sinne dieser Regelung behaftet ist, vorbehaltlich der Zahlung einer finanziellen Sanktion zur Berichtigung ihres Angebots auffordern kann, sofern die Höhe dieser Sanktion mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit vereinbar bleibt; dies festzustellen ist Sache des vorlegenden Gerichts.*)
2. Diese Vorschriften und Grundsätze sind jedoch dahin auszulegen, dass sie einer nationalen Regelung entgegenstehen, die einen Mechanismus zur Unterstützung bei Erstellung der Unterlagen einführt, bei dem der öffentliche Auftraggeber von einem Bieter gegen eine von diesem zu erbringende Zahlung einer finanziellen Sanktion verlangen kann, dass das Fehlen eines Dokuments behoben wird, das nach den Bestimmungen der Ausschreibungsunterlagen ausdrücklich zum Ausschluss des betreffenden Bieters führen muss, oder dass er Mängel beseitigt, die sich in einer Weise auf sein Angebot auswirken, dass die vorgenommenen Berichtigungen oder Änderungen der Vorlage eines neuen Angebots gleichkämen.*)
VolltextIBRRS 2018, 1447
EuGH, Urteil vom 28.02.2018 - Rs. C-523/16
1. Das Unionsrecht, insbesondere Art. 51 Richtlinie 2004/18/EG, die Grundsätze der Vergabeverfahren, zu denen die in Art. 10 Richtlinie 2004/17/EG und Art. 2 Richtlinie 2004/18/EG aufgeführten Grundsätze der Gleichbehandlung und der Transparenz gehören, und der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit sind dahin auszulegen, dass sie einer nationalen Regelung grundsätzlich nicht entgegenstehen, die einen Mechanismus zur Unterstützung bei Erstellung der Unterlagen einführt, bei dem der öffentliche Auftraggeber im Rahmen eines Vergabeverfahrens die Bieter, deren Gebot mit einem wesentlichen Mangel im Sinne dieser Regelung behaftet ist, vorbehaltlich der Zahlung einer finanziellen Sanktion zur Berichtigung ihres Angebots auffordern kann, sofern die Höhe dieser Sanktion mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit vereinbar bleibt; dies festzustellen ist Sache des vorlegenden Gerichts.*)
2. Diese Vorschriften und Grundsätze sind jedoch dahin auszulegen, dass sie einer nationalen Regelung entgegenstehen, die einen Mechanismus zur Unterstützung bei Erstellung der Unterlagen einführt, bei dem der öffentliche Auftraggeber von einem Bieter gegen eine von diesem zu erbringende Zahlung einer finanziellen Sanktion verlangen kann, dass das Fehlen eines Dokuments behoben wird, das nach den Bestimmungen der Ausschreibungsunterlagen ausdrücklich zum Ausschluss des betreffenden Bieters führen muss, oder dass er Mängel beseitigt, die sich in einer Weise auf sein Angebot auswirken, dass die vorgenommenen Berichtigungen oder Änderungen der Vorlage eines neuen Angebots gleichkämen.*)
VolltextIBRRS 2018, 1414
VK Baden-Württemberg, Beschluss vom 23.01.2018 - 1 VK 57/17
1. Eine Rüge "ins Blaue hinein" ist unbeachtlich.
2. Es ist den Bietern verboten, fahrlässig irreführende Informationen zu übermitteln, die die Vergabeentscheidung des öffentlichen Auftraggebers erheblich beeinflussen können.
IBRRS 2018, 4287
OLG Düsseldorf, Beschluss vom 14.02.2018 - Verg 55/17
1. Die Entscheidung über die Kosten des Beschwerdeverfahrens ist unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstands nach billigem Ermessen zu treffen. Dabei genügt eine summarische Prüfung der Erfolgsaussichten in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht.
2. Die Kostenentscheidung dient keiner abschließenden Klärung schwieriger Rechts- oder Tatsachenfragen, sondern soll lediglich eine dem jeweiligen Sach- und Streitstand entsprechende Kostenentscheidung sicherstellen. Ist der Verfahrensausgang offen und nicht vorherzusehen, sind die Kosten gegeneinander aufzuheben.
3. Bei einfacher Sach- und Rechtslage und prognostizierbarem Verfahrensausgang kommt demgegenüber dem voraussichtlichen Ausgang des Verfahrens maßgebende Bedeutung zu.
VolltextIBRRS 2018, 1413
VK Bund, Beschluss vom 22.12.2017 - VK 1-135/17
1. Bei einem Verhandlungsverfahren mit Teilnahmewettbewerb hat der öffentliche Auftraggeber den Bietern den Ablauf und die Bedingungen für die Durchführung der Verhandlungen vorab als Vergabeunterlage zur Verfügung zu stellen.
2. Die Frage, ob es für den öffentlichen Auftraggeber notwendig war, einen bevollmächtigten Rechtsanwalt hinzuzuziehen, ist auf der Grundlage einer differenzierenden Betrachtung nach den Umständen des Einzelfalls aufgrund einer ex-ante-Prognose zu entscheiden. Gesichtspunkte wie die Einfachheit oder Komplexität des Sachverhalts, die Überschaubarkeit oder Schwierigkeit der zu beurteilenden Rechtsfragen, aber auch die Möglichkeit, aufgrund der sachlichen und personellen Ausstattung, Fragen des Vergaberechts sachgerecht zu bearbeiten, können eine Rolle spielen.
3. Der öffentliche Auftraggeber hat sich in seinem originären Aufgabenbereich die für ein Nachprüfungsverfahren notwendigen Sach- und Rechtskenntnisse grundsätzlich selbst zu verschaffen hat, während er sich für nicht einfach gelagerte Rechtsfragen, die zu den auftragsbezogenen Rechtsfragen hinzukommen, insbesondere wenn sie Bezüge zu höherrangigem Recht und Europarecht aufweisen, gegebenenfalls externen Rechtsrat einholen darf.
4. Das Verhandlungsverfahren mit Teilnahmewettbewerb stellt im Anwendungsbereich der Sektorenverordnung eine Standardverfahrensart dar. Von einem Sektorenauftraggeber kann deshalb erwartet werden, dass er sich mit den dabei zu beachtenden vergaberechtlichen Rahmenbedingungen und Vergabegrundsätzen selbst vertraut macht.
IBRRS 2018, 1373
OLG Stuttgart, Urteil vom 27.02.2018 - 10 U 98/17
1. In einem Angebot im Rahmen einer Ausschreibung nach VOB/A dürfen einzelne Kosten (hier: Bauleitung/Polier) in eine bestimmte vorgegebene Position nur dann einkalkuliert werden, wenn eine dahingehende Auslegung der Position (hier: Vorhalten der Baustelleneinrichtung) bei vernünftiger Betrachtungsweise aus der Sicht des Kreises der potentiellen Bieter vertretbar gewesen wäre.*)
2. Im Zweifel ist einem Verständnis der Ausschreibungsunterlagen der Vorzug zu geben, das dazu führt, dass die Ausschreibungsunterlagen vollständig ausgefüllt und alle angeforderten Angaben an den dafür vorgesehenen Stellen abgegeben werden können. Nur eine solche Auslegung ist in einem solchen Fall vertretbar.*)
3. Werden mit der Ausschreibung Kalkulationsblätter vorgegeben, die bestimmte Kosten (hier: Bauleitung / Polier) als Teil einer Umlage der Baustellengemeinkosten auf die Einzelkosten vorsehen, dürfen diese Kosten im Angebot nicht in eine einzelne Position (hier: Vorhalten der Baustelleneinrichtung) hineingerechnet werden. Eine Abweichung davon weist nicht die geforderten Preise (§ 13 Abs. 1 Nr. 3 VOB/A 2012) aus und kann nach § 16 Abs. 1 Nr. 1 c VOB/A 2012 zum berechtigten Ausschluss des Bieters vom Vergabeverfahren führen.*)
IBRRS 2018, 1362
VK Baden-Württemberg, Beschluss vom 06.03.2018 - 1 VK 60/17
1. Sind die Vergabeunterlagen nicht eindeutig, sind die Angebote nicht miteinander vergleichbar und das Verfahren ist aufzuheben.
2. Nicht eindeutig sind die Vergabeunterlagen, wenn fachkundigen Unternehmen mehrere Auslegungsmöglichkeiten verbleiben oder das zutreffende Verständnis der Vergabeunterlagen eine besondere Gesamtschau erfordert, die im Vergabewettbewerb erfahrungsgemäß nicht geleistet wird oder nicht geleistet werden kann.
3. Ungenauigkeiten in den Vergabeunterlagen gehen nicht zulasten der Bieter, sondern stets zulasten der Vergabestelle.
4. Referenzprojekte sind vergleichbar, wenn die erbrachten Leistungen dem Auftragsgegenstand nahekommen oder ähneln und somit einen tragfähigen Rückschluss auf die Leistungsfähigkeit des Bieters für die ausgeschriebene Leistung ermöglichen. Die erbrachten Leistungen müssen nicht mit dem Ausschreibungsgegenstand identisch sein.
5. Geht aus der Bekanntmachung nicht eindeutig hervor, welchen Anforderungen die Referenzen genügen mussten, um "vergleichbar" zu sein, ist das Vergabeverfahren in den Stand vor der Bekanntmachung zurückzuversetzen und zu wiederholen.
IBRRS 2018, 1380
VK Bund, Beschluss vom 27.12.2017 - VK 1-137/17
1. Der öffentliche Auftraggeber kann einen Bieter vom Vergabeverfahren ausschließen, wenn dieser eine wesentliche Anforderung bei der Ausführung eines früheren öffentlichen Auftrags erheblich oder fortdauernd mangelhaft erfüllt hat und dies zu einer vorzeitigen Beendigung geführt hat.
2. Ein solcher Ausschluss setzt keine abschließende (gerichtliche) Klärung voraus, ob der Bieter seinen Leistungspflichten nur mangelhaft nachgekommen ist. Es genügt, wenn der öffentliche Auftraggeber Indiztatsachen vorbringt, die von einigem Gewicht sind, auf gesicherten Erkenntnissen aus seriösen Quellen basieren und die die Entscheidung zum Ausschluss nachvollziehbar erscheinen lassen.
VolltextVPRRS 2018, 0107
VK Bund, Beschluss vom 14.03.2018 - VK 2-14/18
1. Eine gesetzliche Krankenkasse ist öffentlicher Auftraggeber im Sinne von § 99 Nr. 2 GWB und als solcher zur Ausschreibung öffentlicher Aufträge verpflichtet.
2. Der öffentliche Auftraggeber bestimmt nicht nur, was er beschafft, sondern auch die Kriterien, anhand denen er das für ihn wirtschaftlichste Angebot auswählt.
3. Bei der Überprüfung der vom öffentlichen Auftraggeber gewählten Bewertungsmethode eine Gesamtschau vorzunehmen und diese nur dann zu beanstanden, wenn sich diese "im Einzelfall aufgrund besonderer Umstände als mit dem gesetzlichen Leitbild des Vergaberechts unvereinbar erwiese" (BGH, IBR 2017, 387 = VPR 2017, 121).
4. Ein Wertungssystem, wonach die Erreichung der qualitativen Mindestanforderungen mit 900 von 1.000 Punkten bewertet wird und (lediglich) 100 Zusatzpunkte für eine weitergehende Wertung der Qualität der Leistungserbringung vergeben werden, ist vergaberechtskonform.
VolltextIBRRS 2018, 1015
VK Hessen, Beschluss vom 12.02.2018 - 69d-VK-21/2017
1. Eine Gesamtvergabe ist ausnahmsweise zulässig, wenn eine losweise Vergabe nach umfassender und sorgfältiger Interessenabwägung unwirtschaftlich wäre.
2. Die Entscheidung des Auftraggebers für eine Gesamtvergabe ist nur eingeschränkt dahingehend überprüfbar, ob der Auftraggeber die Grenzen seines Bewertungsspielraums eingehalten hat.
VolltextIBRRS 2018, 1345
VK Bund, Beschluss vom 28.03.2018 - VK 2-20/18
1. Öffentliche Aufträge werden an geeignete Unternehmen vergeben. Geeignet ist ein Unternehmen, wenn es die dementsprechend in der Auftragsbekanntmachung festgelegten Kriterien - u.a. zur technischen und beruflichen Leistungsfähigkeit - erfüllt.
2. Zum Nachweis der technischen und beruflichen Leistungsfähigkeit können entsprechende Angaben über die Ausführung von Leistungen in den letzten bis zu fünf abgeschlossenen Kalenderjahren, die mit der zu vergebenden Leistung vergleichbar sind, vom Auftraggeber gefordert werden (Referenzen).
3. Um festzustellen, ob ein Bieter geeignet ist, hat der öffentliche Auftraggeber auf der Grundlage der ihm zum Zeitpunkt der Eignungsprüfung verfügbaren Informationen eine in die Zukunft auf die mögliche Auftragsausführung gerichtete Prognose vorzunehmen.
VolltextIBRRS 2018, 1340
VK Brandenburg, Beschluss vom 11.10.2017 - VK 8/17
1. Der öffentliche Auftraggeber kann von einem Beschaffungsvorhaben jederzeit und auch dann Abstand zu nehmen, wenn dafür kein in den Vergabe- und Vertragsordnungen anerkannter Aufhebungsgrund vorliegt.
2. Notwendige Voraussetzung für eine wirksame Aufhebung ist lediglich, dass der öffentliche Auftraggeber für seine Aufhebungsentscheidung einen sachlichen Grund hat, so dass eine Diskriminierung einzelner Bieter ausgeschlossen und seine Entscheidung nicht willkürlich ist oder bloß zum Schein erfolgt.
3. Eine wesentliche, zur Aufhebung des Vergabeverfahrens berechtigende Änderung liegt in der Regel nur dann vor, wenn die Durchführung des Vergabeverfahrens wegen im Nachhinein auftretender Schwierigkeiten nicht mehr möglich oder mit unzumutbaren, ggf. sogar rechtswidrigen Bedingungen einhergehen würde.
4. Interne Beweggründe des Auftraggebers, die dieser allein für sich als Grundlage angenommen hat, die aber für das Vergabeverfahren nicht relevant sind, reichen für eine Aufhebung nicht aus.
5. Ermöglicht ein Wechsel der Technologie erhebliche Einsparungen und deutlich kosteneffizienteres Arbeiten, liegt ein nachvollziehbarer und vernünftiger Grund für eine Aufhebung der Ausschreibung vor.
VolltextIBRRS 2018, 1288
VK Brandenburg, Beschluss vom 23.02.2018 - VK 1/18
1. Die Organisation, Qualifikation und Erfahrung des mit der Ausführung des Auftrags betrauten Personals können (nur) dann als Zuschlagskriterien herangezogen werden, wenn die Qualität des eingesetzten Personals erheblichen Einfluss auf das Niveau der Auftragsausführung haben kann.
2. Die Qualität herkömmlicher landschaftsgärtnerischer Leistungen wie Erd- und Pflasterarbeiten kann von allen ausreichend ausgebildeten Personen erreicht werden.
3. Die Rügeobliegenheit besteht nicht erst von dem Zeitpunkt an, in dem der Antragsteller Kenntnis von einem völlig zweifelsfreien und in jeder Beziehung nachweisbaren Vergabefehler erlangt. Ausreichend ist vielmehr das Wissen um einen Sachverhalt, der den Schluss auf einen Vergaberechtsverstoß erlaubt und der es bei vernünftiger Betrachtung als gerechtfertigt erscheinen lässt, das Vergabeverfahren als fehlerhaft zu beanstanden.
4. Die Vergabekammer ist berechtigt, nicht gerügte bzw. präkludierte Verstöße von Amts wegen aufzugreifen, wenn ein so schwerwiegender Fehler vorliegt, dass eine tragfähige Zuschlagsentscheidung bei einer Fortsetzung des Vergabeverfahrens praktisch nicht möglich ist.
IBRRS 2018, 1276
OLG Nürnberg, Urteil vom 21.11.2017 - 3 U 134/17
1. Staatliche Beihilfen sind nach Art. 107 Abs. 1 AEUV unzulässig, wenn sie in bestimmten Unternehmen oder Produktionszweigen den Wettbewerb verfälschen oder zu verfälschen drohen und gleichzeitig den Handel zwischen EU-Mitgliedstaaten beeinträchtigen.
2. Zuwendungen einer kreisfreien Stadt an ein lokales Alten-/Pflegeheim, das Standardleistungen im Pflegebereich anbietet und dessen Bewohner nicht aus anderen Mitgliedstaaten, sondern nur aus der näheren Region stammen, sind keine staatlichen Beihilfen im Sinne des Art. 107 Abs. 1 AEUV.
3. Es handelt sich vielmehr um rein lokale Fördermaßnahmen ohne Auswirkungen auf den Handel innerhalb der Union.
VolltextIBRRS 2018, 1261
OLG Düsseldorf, Urteil vom 15.02.2018 - 15 U 73/17
Die Unterschreitung der Mindestsätze der HOAI im Rahmen von öffentlichen Ausschreibungen stellt keinen Verstoß gegen das Wettbewerbsrecht dar.
VolltextIBRRS 2018, 1260
VK Bund, Beschluss vom 07.03.2018 - VK 2-12/18
1. Dem öffentlichen Auftraggeber ist es unbenommen, von der Vergabe des in Aussicht genommenen Auftrags Abstand zu nehmen; er ist keinem Kontrahierungszwang unterworfen.
2. Eine Ausnahme von dem fehlenden Kontrahierungszwang gilt nur, wenn es sich um eine missbräuchliche Scheinaufhebung handelt, die seitens des Auftraggebers gezielt zur Diskriminierung eines Bieters eingesetzt wird, um bei unverändertem Vergabewillen einem anderen Bieter den Auftrag im Verhandlungsverfahren zu erteilen.
3. Ein unwirtschaftliches Ergebnis der Ausschreibung kann einen schwerwiegenden Grund zur Aufhebung darstellen, wenn die abgegebenen Angebote eine deutliche Differenz zur ordnungsgemäß erstellten Kostenberechnung des Auftraggebers aufweisen. Hat der Auftraggeber jedoch keine Kostenberechnung erstellt, ist die Aufhebungsentscheidung vergaberechtswidrig.
IBRRS 2018, 4087
KG, Beschluss vom 28.11.2017 - Verg 5/17
Zur Berücksichtigung von Ausschließungsgründen im Vergabenachprüfungsverfahren, auf die sich die Vergabestelle in ihrer angegriffenen Entscheidung nicht stützt.*)
VolltextIBRRS 2018, 1236
VK Südbayern, Beschluss vom 19.03.2018 - Z3-3-3194-1-54-11/17
1. Der Ausschluss eines Angebots nach § 16 EU Abs. 1 Nr. 2 VOB/A 2016 i.V.m. § 13 EU Abs. 1 Nr. 1, Nr. 2 i.V.m. § 11a Abs. 2 EU VOB/A 2016 wegen des Verstoßes gegen die vom Antragsgegner festgelegte Form und gegen die vorgeschriebene Datensicherheit ist nicht von der Frage eines Verschuldens oder Vertretenmüssens abhängig.*)
2. § 11 Abs. 3 VgV verlangt in Umsetzung des Artikels 22 Abs. 6 Unterabs. 1 Buchstabe a der Richtlinie 2014/24/EU, dass der öffentliche Auftraggeber den Bietern alle notwendigen Informationen über die in einem Vergabeverfahren verwendeten elektronischen Mittel, die technischen Parameter zur Einreichung von Teilnahmeanträgen, Angeboten und Interessensbestätigungen mithilfe elektronischer Mittel und verwendete Verschlüsselungs- und Zeiterfassungsverfahren zur Verfügung stellen muss.*)
3. Die Zurverfügungstellung dieser Informationen muss nicht zwingend in der Bekanntmachung oder den Auftragsunterlagen selbst erfolgen.*)
4. Es kann inzwischen von einem allgemeinen Kenntnisstand von Unternehmen, die an EU-weiten Vergabeverfahren teilnehmen, ausgegangen werden, dass das Unterlassen von durchzuführenden Updates an der im Unternehmen verwendeten Software zu Funktionseinbußen bei Computerprogrammen führen kann. Dies gilt auch für lokal auf der Unternehmenshardware installierten Bieterclients von Vergabeplattformen.*)
IBRRS 2018, 1069
VK Bund, Beschluss vom 22.12.2017 - VK 1-141/17
1. Wartungs-, Inspektions- und Störungsbeseitigungsleistungen können auch dann Angebotsinhalt eines Bieters sein, wenn die Verträge dem Angebot zwar nicht beigefügt sind, sich aber aus den sonstigen Angebotsunterlagen ergibt, dass der Bieter diese Leistung anbieten will. Dafür spricht die Angabe des Gesamtpreises dieser Leistungen im Angebotsschreiben.
2. Voraussetzung ist, dass den Bietern keine Möglichkeit bleibt, eigene Eintragungen in den Verträgen zu machen, die wertungsrelevant sind. Jedwede Manipulationsmöglichkeit muss ausgeschlossen sein.
3. Die fehlenden Verträge sind nachzufordern.
IBRRS 2018, 1235
EuGH, Urteil vom 20.03.2018 - Rs. C-187/16
Ein Dienstleistungsauftrag über die Herstellung von Reisepässen mit Chip, Notpässen, Aufenthaltstiteln, Personalausweisen, Führerscheinen im Scheckkartenformat und Zulassungsbescheinigungen im Chipkartenformat muss bei Erreichen des EU-Schwellenwerts europaweit ausgeschrieben werden.