Bau-, Architekten- und Immobilienrecht.

Volltexturteile nach Sachgebieten
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Online seit 2017
IBRRS 2017, 0388
VK Bund, Beschluss vom 20.12.2016 - VK 2-123/16
1. Gibt es bei den Vorgaben der Ausschreibung (hier: Rahmenvereinbarung über Projektträgerleistungen) Transparenzdefizite oder sonstige Unklarheiten, wird der Bieter zwangsläufig merken, dass ihm wesentliche Informationen fehlen, an denen er sich bei der Angebotserstellung ausrichten kann.
2. Den "durchschnittlichen" Bieter gibt es nicht. Die konkrete Vergabe und der angesprochene Bieterkreis prägen den Empfängerhorizont und damit das Verständnis der Bieter, das zur Auslegung der Unterlagen maßgeblich ist. Entsprechend ergibt sich der Maßstab für die Erkennbarkeit im Rechtssinne aus dem objektivierten mit vergaberechtlicher Expertise versehenen Adressatenkreis.
3. "Erkennbarkeit" ist nicht gleichzusetzen mit "Erkennen". Entscheidend ist nicht, ob die Thematik (hier: Ausschreibung eines Rahmenvertrages oder isolierte Vergabe von Workshops) tatsächlich erkannt wurde, sondern ob dies aus objektivierter Bietersicht erkennbar gewesen ist. Ein öffentlicher Auftraggeber muss von Amtswegen mit vergaberechtlichen Fragen vertraut sein, unabhängig davon, ob er Juristen im Vergabeteam hat.
4. Hat der Auftraggeber bei den Konzepten transparent und nachvollziehbar mit einer Reihe von Fragestellungen vorgegeben, worauf Wertungspunkte vergeben werden, ist der "Flipping-Effekt" als eine Folge der Angebotsbewertung im Quervergleich der Angebote zulässig.
5. Enthält ein Rahmenvertrag Vorgaben zu Mengenabrufen und sogar eine Mindestabnahmemenge, ist dies ein Vorteil für die Bieter und insbesondere bei einem Ein-Partner-Modell kein vergaberechtliches Defizit.
IBRRS 2017, 0390

OLG Celle, Beschluss vom 09.01.2017 - 13 Verg 9/16
1. Der Ausschluss eines Bieters (hier: bei der Vergabe von Arbeiten an einer Lüftungsanlage) wegen Schlechtleistung setzt voraus, dass der Auftraggeber nachweisen kann, dass er dem Bieter wegen dieser Schlechtleistung rechtmäßig gekündigt hat. Der Nachweis einer berechtigten außerordentlichen Kündigung kann durch Indiztatsachen von einigem Gewicht und gesicherten Erkenntnissen aus serösen Quellen erfolgen, die den Ausschluss des Bieters als nachvollziehbar erscheinen lassen.
2. Eine erhebliche mangelhafte Erfüllung (§ 124 Abs. 1 Nr. 7 GWB) liegt vor, wenn die mangelhafte Leistung den öffentlichen Auftraggeber in tatsächlicher und finanzieller Hinsicht deutlich belastet. Die Bauförderungspflicht des Bauunternehmers ist eine solche wesentliche Vertragspflicht, deren Verletzung eine Kündigung aus wichtigem Grund rechtfertigen kann.
IBRRS 2017, 0387

VK Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 19.01.2017 - 3 VK LSA 54/16
1. Ein Auftraggeber kann die Aufhebung eines Vergabeverfahrens (hier: für Pumpwerksrekonstruktionen) nicht allein darauf stützen, dass der angebotene Preis die Kostenschätzung übersteigt und die Finanzierung wegen des unverhältnismäßig hohen Angebotspreises nicht gesichert sei.
2. Vor Aufhebung der Ausschreibung muss der Auftraggeber den Preis aufklären, eine Interessenabwägung vornehmen und prüfen, ob weniger einschneidende Maßnahmen möglich sind, wie z.B. die Reduzierung des auszuschreibenden Leistungsumfangs und eine Rückversetzung des Vergabeverfahrens in den Stand der Versendung der Unterlagen. Er muss darlegen und nachweisen, dass er versucht hat, weitere Mittel wie Bankkredite oder öffentliche Fördermittel einzuwerben.
3. Für eine sanktionsfreie Aufhebung des Verfahrens muss der sachliche Grund nicht nur benannt, sondern auch ermessensfehlerfrei geprüft und vollständig dokumentiert werden.
IBRRS 2017, 0391

VK Bund, Beschluss vom 13.12.2016 - VK 2-125/16
Bei unveränderter Beschaffungsabsicht ist die Teilaufhebung und eine zweite Angebotsrunde im offenen Verfahren nur zulässig, wenn es einen Aufhebungsgrund gibt.
IBRRS 2017, 0393

OLG Koblenz, Beschluss vom 04.01.2017 - Verg 7/16
1. Hat der Auftraggeber jedwede Nachforderung gemäß § 56 Abs. 2 Satz 2 VgV ausgeschlossen, muss er der Eignungsprüfung die von den am Auftrag interessierten Unternehmen vorgelegten Erklärungen und sonstigen Nachweise so - und nur so -, zugrunde legen, wie sie vorgelegt wurden.*)
2. Nachträgliche Ergänzungen sind dann unbeachtlich.*)
3. Nachträgliche Erläuterungen können allenfalls dann als Auslegungshilfen Berücksichtigung finden, wenn sie an den Inhalt der vorgelegten Unterlagen anknüpfen.*)
IBRRS 2017, 0385

VK Bund, Beschluss vom 21.12.2016 - VK 2-127/16
1. Der öffentliche Auftraggeber kann gegen seinen Willen nicht dazu verpflichtet werden, trotz der ausdrücklich erklärten Aufhebung einen der Ausschreibung entsprechenden Auftrag zu erteilen. Das gilt selbst dann, wenn kein Aufhebungsgrund im Sinne der anwendbaren Vergabeordnung vorliegt.
2. Notwendige Voraussetzung für die Aufhebung einer Ausschreibung ist nur, dass der öffentliche Auftraggeber für seine Aufhebungsentscheidung einen sachlichen Grund hat, so dass eine Diskriminierung einzelner Bieter ausgeschlossen und seine Entscheidung nicht willkürlich ist oder lediglich zum Schein erfolgt.
3. Ein unwirtschaftliches Ergebnis der Ausschreibung kann einen schwerwiegenden Grund zur Aufhebung darstellen, wenn die ordnungsgemäß erstellte Kostenberechnung des Auftraggebers und die abgegebenen Angebote eine deutliche Differenz aufweisen.
4. Die Überschreitung der Kostenschätzung des Auftraggebers um ca. 60 % stellt einen anderen schwerwiegenden Grund i.S.v. § 17 EU Abs. 1 Nr. 3 VOB/A 2016 dar.
IBRRS 2017, 0345

OLG Koblenz, Beschluss vom 16.01.2017 - Verg 5/16
1. Handelt es sich bei dem Auftraggeber um ein Bundesland mit mehreren zentralen Vergabestellen, bei denen auch im Vergaberecht erfahrene Juristen tätig sind, kann die Hinzuziehung eines externen Bevollmächtigten unabhängig von der Schwierigkeit der Sach- und Rechtslage jedenfalls dann nicht festgestellt werden, wenn nicht dargelegt wird, dass und warum der interne juristische Sachverstand nicht ausgereicht hätte. *)
2. Die Zulässigkeit der auch im Beschwerdeverfahren vor einem Vergabesenat grundsätzlich statthaften Anschlussbeschwerde setzt voraus, dass sie sich mit einem gegenläufigen Ziel gegen den Rechtsmittelführer - und nicht gegen einen Dritten - richtet.*)
3. Richtet sich ein Rechtsmittel nur gegen die Kostenentscheidung der Vergabekammer (oder einen Teil davon), findet § 50 Abs. 2 GKG keine Anwendung. Der Gegenstandswert ist vielmehr analog § 3 ZPO nach freiem Ermessen festzusetzen.*)
4. Es kommt dann in Wesentlichen darauf an, welches finanzielle Interesse der Rechtsmittelführer mit seinem Bestreben nach Abänderung der angefochtenen Entscheidung verfolgt.*)
5. Geht es um Anwaltskosten, ist der Betrag maßgeblich, den der (potentielle) Anspruchsteller geltend machen will.*)
6. Die Festsetzung des Gegenstandwerts für die "Kostenbeschwerde" ist kein Kostenfestsetzungsverfahren, weshalb nicht zu prüfen ist, ob dieser Betrag in jeder Hinsicht richtig berechnet wurde.*)
IBRRS 2017, 0314

VK Nordbayern, Beschluss vom 28.11.2016 - 21.VK-3194-35/16
1. Ein Antrag ist unzulässig, soweit Verstöße gegen Vergabevorschriften, die aufgrund der Bekanntmachung erkennbar sind, nicht spätestens bis zum Ablauf der in der Bekanntmachung benannten Frist zur Angebotsabgabe gegenüber dem Auftraggeber gerügt werden (§ 160 Abs. 3 Nr. 2 GWB). Eine Rügepräklusion wegen unterbliebener Rüge tritt bei ins Auge fallenden Rechtsverstößen ein, d.h. der Verstoß muss so offensichtlich sein, dass er einem verständigen Bieter bei der Vorbereitung seines Angebots auffallen muss.*)
2. Auszuschließen sind Angebote, bei denen der Bieter Erklärungen oder Nachweise, deren Vorlage sich der öffentliche Auftraggeber vorbehalten hat, auf Anforderung nicht innerhalb einer angemessenen, nach dem Kalender bestimmten Frist vorgelegt hat.*)
3. Nach § 6b EU Abs. 1 Nr. 2 VOB/A 2016 sind Eigenerklärungen, die als vorläufiger Nachweis dienen, von den Bietern, deren Angebote in die engere Wahl kommen, durch entsprechende Bescheinigungen der zuständigen Stellen zu bestätigen. Werden die Kapazitäten anderer Unternehmen in Anspruch genommen, so muss die Nachweisführung auch für diese Unternehmen erfolgen.*)

VK Lüneburg, Beschluss vom 27.09.2016 - VgK-39/2016
1. Das Transparenzgebot gebietet, dass alle Bedingungen und Modalitäten des Vergabeverfahrens klar und eindeutig zu formulieren sind. Alle ausreichend informierten und mit der üblichen Sorgfalt handelnden Bieter sollen die genaue Bedeutung dieser Bedingungen verstehen und sie in gleicher Weise auslegen und der Auftraggeber tatsächlich überprüfen können, ob die Angebote der Bieter die für den betreffenden Auftrag geltenden Kriterien erfüllen. Dies gilt uneingeschränkt für geschlossene Bewertungssysteme.
2. Entscheidet sich der Auftraggeber für ein offenes Wertungssystem, weil er vorab nicht weiß, welcher Bestwert erzielt werden wird, muss er vorab und transparent einen Bewertungsmaßstab aufstellen, der eindeutig festlegt, in welcher Abstufung die Angebote zueinander gewertet werden. Es bedarf daher der klaren Vorgabe eindeutiger Ziele, nicht aber konkreter Inhalte für die Erfüllung der vorgegebenen Bewertungsstufen.

IBRRS 2017, 0327

BGH, Urteil vom 29.11.2016 - X ZR 122/14
Sendet ein Bieter auf elektronischem Wege ein Hauptangebot und mit gewissem zeitlichem Abstand (hier: etwa zwei Stunden) kommentarlos eine weitere als Hauptangebot erkennbare Offerte, ist dies regelmäßig, wenn nicht besondere Umstände auf einen abweichenden Willen des Absenders hindeuten, dahin zu verstehen, dass das spätere Angebot an die Stelle des früher eingereichten treten soll, nicht aber, dass beide als Hauptangebot gelten sollen.*)
IBRRS 2017, 0326

BGH, Beschluss vom 17.01.2017 - X ZR 122/14
(ohne amtlichen Leitsatz)

IBRRS 2017, 0310

VK Bund, Beschluss vom 30.11.2016 - VK 2-111/16
1. Ein Bieter ist nicht wegen mangelnder Leistungsfähigkeit oder Abweichens von den Vorgaben des Auftraggebers vom Verfahren auszuschließen, wenn Zweifel an der Einhaltung der Lieferfristenvorgabe bestehen. Die Einhaltung einer Lieferfristen-Vorgabe (hier: für Ad-hoc-Zubereitung von Medikamenten für onkologische Praxen) ist keine Frage der Eignung eines Bieters, die einer Nachweisführung zugänglich ist.
2. Eine präventive Kontrolle des Auftraggebers, ob Bieter die Anforderungen an die Auftragsausführung werden einhalten können oder dies wahrscheinlich tun werden, ist nicht zulässig. Es handelt sich nicht um betriebs- oder unternehmensbezogene Anforderungen, sondern allein um Anforderungen, die die spätere Auftragsausführung und somit das Leistungsversprechen des Bieters an sich betreffen.
3. Der Ausschluss eines Bieters ist nur dann zulässig, wenn nachweisbar keine vertragsgerechte Ausführung des Auftrags durch ihn zu erwarten ist, also hier die zu erwartende Lieferzeit von 90 Minuten erkennbar nicht einhaltbar sein wird. Das abgegebene Leistungsversprechen muss sich als objektiv und/oder subjektiv unmöglich und damit unerfüllbar erweisen. Nur in diesem Fall wäre ein bloßes Vertrauen eines Auftraggebers auf das (untaugliche) Leistungsversprechen des Bieters und dessen Verbleib im Wettbewerb als Verstoß gegen das Gleichbehandlungsgesetz und das Wettbewerbsprinzip zu qualifizieren.
4. Krankenkassen sind öffentliche Auftraggeber. Sie wurden gegründet, um im Allgemeininteresse liegende Aufgaben nicht gewerblicher Art zu erfüllen und werden über die gesetzlich geregelte Pflichtversicherung der Krankenkassenmitglieder bzw. den Gesundheitsfonds vom Staat, also durch den Bund, finanziert.

IBRRS 2017, 0309

VK Bund, Beschluss vom 31.05.2016 - VK 1-34/16
1. Seit dem Wegfall des Meisterzwangs haben sich im Bereich Reinigungsleistungen zwei eigenständige Branchen - Unterhaltsreinigung und Glasreinigung - mit unterschiedlicher Organisation, Qualifikation und Entlohnung des eingesetzten Personals, sowie ausschließlich auf eines dieser Segmente spezialisierte Unternehmen gebildet.
2. Bei öffentlichen Vergaben ist die getrennte Vergabe von Unterhalts- und Glasreinigungsleistungen der Normalfall, die Gesamtvergabe beider Leistungen an einen Auftraggeber dagegen die Ausnahme.
3. Das Gebot der Losvergabe dient dem Wettbewerbsgrundsatz, da sich bei der Aufteilung eines Auftrags in mehrere Lose eine größere Anzahl von Marktteilnehmern um einen Auftrag bewerben kann und der Markt nicht nur wenigen, auf die Unterhalts- und Gleisreinigung gleichermaßen ausgerichteten Unternehmen offen steht.
4. Auf die Losvergabe darf nur nach umfassender Abwägung der widerstreitenden Interessen durch den öffentlichen Auftraggeber verzichtet werden. Ein potentieller Bieter hat einen Anspruch darauf, dass ein öffentlicher Auftraggeber seinen Beurteilungsspielraum bei der Losvergabe ordnungsgemäß ausübt.
5. Der Begriff "Splitterlos" ist dem Gesetz unbekannt und nicht verbindlich definiert.
6. Die Tatsache, dass der öffentliche Auftraggeber für den Auftrag "Glasreinigung" erheblich weniger bezahlt als für den Auftrag "Sonstige Unterhaltsreinigung", führt nicht automatisch zu irgendwelchen Schwierigkeiten oder Mehraufwand auf Seiten des öffentlichen Auftraggebers, die einen Losverzicht rechtfertigen würden.
7. Typischer Mehraufwand, der jeder Losaufteilung immanent ist, rechtfertigt keinen Verzicht. Im Interesse des Mittelstandsschutzes muss ein Auftraggeber daher konkret vorliegende technische oder wirtschaftliche Gründe vortragen, die in seiner Ausschreibung eine Gesamtvergabe erfordern.

IBRRS 2016, 3366

OLG Dresden, Beschluss vom 26.01.2016 - Verg 1/16
1. Ein Wertungsschema ist unzulässig, wenn der Bieter nicht erkennen kann, wonach der Auftraggeber innerhalb des Wertungskriteriums die Wertungsabstufung inhaltlich vorzunehmen beabsichtigt.
2. Es ist weder notwendig noch praktisch handhabbar, jeden denkbaren Wertungsaspekt im Vorhinein einem konkreten Punktwert zuzuordnen. Dies gilt insbesondere, wenn die Wertung konzeptionelle Ausführungen der Bieter zum Gegenstand hat.
IBRRS 2017, 0317

VK Hessen, Beschluss vom 17.08.2016 - 69d-VK-07/2016
1. Bei der Erkennbarkeit eines Vergaberechtsverstoßes kommt es auf die übliche Sorgfalt und üblichen Kenntnisse eines durchschnittlichen Bieters an, mittels derer Tatsachen in Vergabeunterlagen von diesem ohne anwaltlichen Rat als Verstoß gegen Bestimmungen des Vergabeverfahrens erkannt werden können. Hinzu treten muss bei ihm das Bewusstsein, dass hieraus in rechtlicher Hinsicht ein Vergabeverstoß resultieren könnte. Ist der Bieter ein Unter-nehmen, sind bei innerbetrieblicher Arbeitsteilung etwaige unterschiedliche Kenntnisstände von Mitarbeitern ohne Belang.*)
2. Ein unvollständiges Angebot gemäß § 19 EG Abs. 2 Satz 1 VOL/A liegt vor, wenn darin bei einer Erklärung über die Kalkulation der Kosten eine geforderte Einzelposition nicht ausgewiesen wurde.*)
3. Der Auftraggeber darf ein unvollständiges Angebot nicht ausschließen, so-lange er sein Ermessen, ob er eine fehlende Erklärung nachfordert, nicht aus-geübt hat.*)
4. Bei der Beurteilung der Unwesentlichkeit i.S.v. § 19 EG Abs. 2 Satz 2, 2. Halb-satz VOL/A kommt es nicht darauf an, ob das Ergänzen der fehlenden Preis-angabe die Wettbewerbsstellung des betreffenden Bieters ändert oder nicht. Gerät weder der Wettbewerb noch die Eindeutigkeit bzw. Vergleichbarkeit des Angebotes in Gefahr, so besteht kein Anlass, solche Angebote von vor-herein zwingend auszuschließen.*)
5. Der Umfang der Nachforderungsmöglichkeit i.S.v. § 19 EG Abs. 2 VOL/A ist wesentlich weitreichender als die Aufklärungsmöglichkeit des § 18 Satz 1 VOL/A.*)

IBRRS 2017, 0238

OLG Celle, Beschluss vom 19.12.2016 - 13 Verg 7/16
1. Nach Rücknahme der sofortigen Beschwerde ist über die Kosten des Beschwerdeverfahrens von Amts wegen zu entscheiden, mithin der hieraus resultierende Verlust des Rechtsmittels und der Kostenfolge im Beschwerdeverfahren auszusprechen.
2. Gibt der Antragsteller keinen Angebotspreis ab, richtet sich die Festsetzung des Gegenstandswerts auf 5% des von der Vergabekammer (zutreffend) ermittelten Auftragswerts.

IBRRS 2017, 0255

VK Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 27.09.2016 - 2 VK LSA 16/16
1. Lässt der Internetauftritt eines Bieters (hier: mittelständisches Unternehmen im für Herstellung und Vertrieb von Schutzeinrichtungen für Sicherheitsdienste) erkennen, dass dieser bereits seit etwa 20 Jahren öffentliche Auftraggeber als Abnehmer hat, kann davon ausgegangen werden, dass er in Vergabeangelegenheiten erfahren ist. Fachkundigen Bietern kann zugemutet werden, durch rechtzeitige Rüge Verzögerungen des Vergabeverfahrens zu vermeiden.
2. Geben Vergabeunterlagen offenkundig keinen näheren Aufschluss darüber, in welcher Weise die Benotung für die Ermittlung der Punktebewertung erfolgen soll, ist dies für einen fachkundigen Bieter als Verstoß gegen das Transparenzgebot erkennbar.
3. Für einen fachkundigen Bieter war auch erkennbar, dass die Bewertungskriterien hinsichtlich des "Materials" keine weiteren konkreteren Angaben dazu enthielten, welche Anforderungen gestellt wurden, um den jeweiligen Zielerfüllungsgrad zu erreichen. Er konnte auch ersehen, dass nicht näher umschrieben war, auf welche speziellen Parameter der Antragsgegner besonderen Wert legte.

IBRRS 2017, 0239

VK Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 21.11.2016 - 3 VK LSA 39/16
1. Hebt der Auftraggeber die öffentliche Ausschreibung auf, weil sie kein wirtschaftliches Ergebnis hatte, und fordert dann mehr als drei Unternehmen zur Angebotsabgabe in einer beschränkten Ausschreibung auf, ist dies zulässig.
2. Hat der Bieter ein Angebot mit kalkulierten Preis abgegeben und auch kein anderer Bieter wegen Unklarheiten Fragen zum Leistungsverzeichnis gestellt, ist anzunehmen, dass die Leistung eindeutig und erschöpfend beschrieben wurde.

IBRRS 2017, 0236

VK Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 30.11.2016 - 3 VK LSA 44/16
1. Eine inhaltliche Bewertung eines Nebenangebots kann nur dann erfolgen, wenn Nebenangebote zugelassen sind und der Nachweis der Gleichwertigkeit entsprechend den Anforderungen des Leistungsverzeichnisses erbracht wurde.
2. Wird der in den Teilnahmebedingungen geforderte Gleichwertigkeitsnachweis nicht mit Abgabe des Nebenangebots (hier: Spundwandprofil) erbracht, darf der Auftraggeber einen solchen Nachweis nicht nachfordern - denn das wäre eine unzulässige Nachbesserung des Angebots - und den Zuschlag für dieses Angebot nicht erteilen.
IBRRS 2017, 0217

VK Bund, Beschluss vom 06.12.2016 - VK 2-119/16
1. Vermengt der Auftraggeber in seinem Nachforderungsschreiben Nachforderungen sowie weitere Erläuterungsanfragen und nimmt auf eine falsch zitierte Norm Bezug, kann er den Ausschluss des Angebots nicht auf einen einzelnen Punkt unter eine Reihe von Forderungen stützen. Für den Bieter ist nicht transparent, dass ein solches Schreiben auch einen Nachforderungstatbestand enthält.
2. Um den fehlerhaften Ausschluss des Nebenangebots zu heilen, hat der Auftraggeber ein konkretes Nachforderungsverlangen unter Fristsetzung zu stellen und anschließend eine erneute Wertung vorzunehmen.
3. Das Vergaberecht richtet sich an öffentliche Auftraggeber. Der Bieter ist deshalb nicht verpflichtet, sich mit dem Rechtsgebiet auszukennen und darf darauf vertrauen, dass der Auftraggeber die Vorgaben der Ausschreibung korrekt aufgestellt hat.
4. Für die Erkennbarkeit von Vergabefehlern in der Ausschreibung ist nicht nur die tatsächliche Erkennbarkeit eines vermeintlichen Fehlers, sondern auch die Erkennbarkeit im Rechtssinne entscheidend.
5. Für Nebenangebote gelten zusätzliche rechtliche Anforderungen. Werden Ausschreibungsfehler erst nach anwaltlicher Beratung erkannt, ist eine Rüge unverzüglich nach anwaltlicher Beratung fristgerecht.

IBRRS 2017, 0246

VGH Bayern, Urteil vom 06.12.2016 - 22 ZB 16.2037
1. Ein Zuwendungsbescheid kann zurückgenommen werden, wenn der Zuwendungsempfänger entgegen den Förderrichtlinien vorzeitig ohne Zustimmung mit der Maßnahme beginnt. Hat der Zuwendungsempfänger (schriftlich bestätigt) Kenntnis von den Förderrichtlinien und wird zudem im Antragsformular darauf hingewiesen, dass der vorzeitige Maßnahmenbeginn ohne Zustimmung einen Förderausschluss zur Folge hat, kann er sich nicht darauf berufen, ihm sei die Förderschädlichkeit des vorzeitigen Maßnahmenbeginns nicht bewusst gewesen.
2. Ein Antragsteller, der vor Erteilung eines Förderbescheids bzw. ohne Genehmigung des vorzeitigen Maßnahmebeginns mit der Realisierung eines Projektes beginnt, gibt zu erkennen, dass er das Projekt ungeachtet einer möglichen staatlichen Förderung realisieren will und kann. In einem solchen Fall widerspräche die Gewährung einer Förderung den Vorgaben des Art. 23 BayHO, wonach staatliche Zuwendungen nur gewährt werden sollen, wenn das staatliche Interesse nicht ohne die Zuwendung befriedigt werden kann.
3. Aus der Zustimmung zum vorzeitigen Beginn einer Teilmaßnahme ergibt sich kein schutzwürdiges Vertrauen, dass mit dem Gesamtvorhaben ohne Zustimmung begonnen werden kann.
IBRRS 2017, 0234

VK Sachsen, Beschluss vom 11.11.2016 - 1/SVK/024-16
1. Fußt der Rügevortrag auf dem Vorwurf, dass der Zuschlagsbieter keinen Wartungsvertrag abgegeben habe, da im Submissionstermin kein Wartungsbetrag für die Wartungsleistungen verlesen worden sei, stellt dies einen ausreichend substantiierten Rügevortrag und keine "Rüge ins Blaue hinein" dar.*)
2. Eine Rüge ist auch dann ausreichend substantiiert, wenn das rügende Unternehmen eine konkrete Tatsache benennt, aus der sich der Verdacht eines Vergaberechtsverstoßes ergibt. Eine andere Auffassung würde einen effektiven Rechtschutz für den Bieter verhindern.

IBRRS 2017, 0302

OLG Celle, Beschluss vom 10.11.2016 - 13 Verg 7/16
1. Es verstößt nicht gegen den Grundsatz der produktneutralen Ausschreibung gemäß § 8 EG Abs. 7 Satz 1 VOL/A 2009, wenn bei der Ausschreibung eines Rahmenvertrages über die Lieferung von tauenden Streustoffen Salz aus einer bestimmten Gewinnungsstätte ausgeschlossen wird, bei dessen Verwendung in der Vergangenheit erhebliche Probleme (u.a. Verkrustungen und Verklumpungen) aufgetreten waren. Im Hinblick auf die zwingende Notwendigkeit eines jederzeit störungsfreien Betriebs des Winterdienstes darf der Auftraggeber die absehbaren Risiken der (Weiter-)Verwendung dieses Streusalzes ausschließen und den sichersten Weg wählen, weil bereits das tatsächlich vorhandene Risikopotential die getroffene Beschaffungsentscheidung sachlich rechtfertigt.*)
2. Die unterlassene Aufteilung des Liefervolumens in Teillose verletzt den Bieter nicht in seinen Rechten, wenn er selbst bei unterstellter Teillosbildung den Zuschlag nicht erhalten hätte.*)

IBRRS 2017, 0180

VK Sachsen, Beschluss vom 23.11.2016 - 1/SVK/025-16
1. Das Gebot der produktneutralen Ausschreibung ist eine der Grundsäulen des diskriminierungsfreien Wettbewerbs, ein Verstoß des Auftraggebers dagegen ist grundsätzlich vergaberechtswidrig.*)
2. Bieter, die eine versteckte produktspezifische Ausschreibung erkennen, sind nicht verpflichtet, die sich daraus ergebende Rechtsverletzung für sich zu reklamieren. Sie können sich auch rügelos auf diese einlassen, müssen dann aber die sich daraus ergebenden Anforderungen gegen sich gelten lassen und diese bedienen.*)
3. Es ist aus Bietersicht legitim, sich auf eine versteckte produktspezifische Ausschreibung einzulassen und gleichzeitig den Auftraggeber an seiner vergaberechtswidrigen Ausschreibung dergestalt festzuhalten, dass dieser in die Pflicht genommen wird, im Wertungsvorgang die Einhaltung sämtlicher produktspezifizierender Parameter nachzuhalten und nicht "günstigere Konkurrenzprodukte" mit niedrigeren Leistungsparametern "durchzuwinken".*)
4. In diesem Zusammenhang liegt eine Rüge ins Blaue hinein nicht vor, wenn der Bieter unter Berufung auf seine Marktkenntnisse und die fehlende Produktneutralität des Leistungsverzeichnisses das Wertungsergebnis mit dem Hinweis anzweifelt, dass andere Bieter die Vorgaben des Leistungsverzeichnisses mutmaßlich nicht eingehalten haben.*)
5. Die Eintragung eines Schrägstriches in einem Platzhalterfeld kann vom objektiven Erklärungswert nicht ohne weiteres mit einer Ziffer, d.h. einer Null gleichgesetzt werden.*)

IBRRS 2017, 0182

OLG Dresden, Beschluss vom 23.09.2016 - Verg 3/16
Auch wenn die Vergabeunterlagen keine ausdrücklichen Mindestvorgaben für die Anzahl der einzusetzenden Servicekräfte enthalten, bedeutet dies nicht, dass die Bieter in ihren Angaben völlig frei sind. Vielmehr sind so viele Servicekräfte anzugeben, wie zur ordnungsgemäßen Erbringung der Leistung mindestens notwendig sind.
IBRRS 2017, 0176

OLG Celle, Beschluss vom 29.11.2016 - 13 Verg 8/16
Die Frage der überwiegenden öffentlichen Subventionierung i.S.v. § 99 Nr. 4 GWB ist grundsätzlich am Volumen der konkreten Gesamtbaumaßnahme zu prüfen und nicht am Umfang einzelner Module. Dabei kommt es bei der Berechnung der Projektkosten nicht auf die "förderfähigen Kosten" an, wenn die nicht förderfähige Baumaßnahme einen nicht unwesentlichen Teil der förderfähigen Gesamtbaumaßnahme darstellt und mit dieser in einem untrennbaren Funktionszusammenhang steht.*)
IBRRS 2017, 0165

VK Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 05.09.2016 - 3 VK LSA 26/16
1. Weicht der Angebotspreis des Antragstellers 9,5 v.H. vom nächst höheren Angebot ab, ist der Preis nicht unangemessen niedrig. Bei der Berechnung der Abstände zum nächsthöheren Angebot muss der Angebotspreis insgesamt betrachtet werden. Es ist unzulässig, auf bestimmte Einzelpreise abzustellen.
2. Entsprechend § 15 Abs. 1 VOB/A 2016 darf sich der Auftraggeber über das Angebot selbst, Bezugsquellen von Stoffen und Bauteilen sowie die Angemessenheit der Preise informieren. Verweigert ein Bieter die geforderten Aufklärungen und Angaben oder lässt er die ihm gesetzte Frist unbeantwortet verstreichen, so kann sein Angebot unberücksichtigt bleiben. Die Aufklärung wurde durch die Antragsgegnerin nicht hinreichend bzw. fehlerhaft durchgeführt. Bloße Vermutungen können nicht die Grundlage für den Ausschluss eines Angebotes sein.*)
IBRRS 2017, 0134

VK Bund, Beschluss vom 01.12.2016 - VK 2-113/16
1. Die Behauptung einer "marktbekannten" mangelnden Zuverlässigkeit und Leistungsfähigkeit des Bestbieters ohne Angabe eines Beweismittels stellt einen ins Blaue hinein gerichteten Vortrag dar, der unzulässig und damit prozessual unbeachtlich ist.
2. Der Amtsermittlungsgrundsatz befreit den Antragsteller nicht von seiner Substantiierungspflicht. Dieser setzt einen zulässig gestellten Antrag voraus und dient nicht dazu, Vergabeverstöße im Nachprüfungsverfahren durch die Kammer erst recherchieren zu lassen.
3. Liegt ein Bieter mit seinem Angebot auf dem vierten Rang, droht ihm kein Schaden im Sinne einer Verschlechterung seiner Zuschlagschancen, wenn er gegen die Angebote der vor ihm liegenden Bieter nichts Durchgreifendes geltend machen kann.

IBRRS 2017, 0139

EuGH, Urteil vom 21.12.2016 - Rs. C-355/15
Art. 1 Abs. 3 der Richtlinie 89/665/EWG des Rates vom 21.12.1989 zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften für die Anwendung der Nachprüfungsverfahren im Rahmen der Vergabe öffentlicher Liefer- und Bauaufträge in der durch die Richtlinie 2007/66/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11.12.2007 geänderten Fassung ist dahin auszulegen, dass er dem nicht entgegensteht, dass einem Bieter, der durch eine rechtskräftig gewordene Entscheidung des öffentlichen Auftraggebers von einem Verfahren zur Vergabe eines öffentlichen Auftrags ausgeschlossen wurde, in einem Fall, in dem nur er und der Zuschlagsempfänger Angebote abgegeben haben und der ausgeschlossene Bieter vorbringt, dass auch das Angebot des Zuschlagsempfängers hätte ausgeschlossen werden müssen, der Zugang zu einer Nachprüfung der Zuschlagsentscheidung für den betreffenden öffentlichen Auftrag und des Vertragsschlusses verwehrt wird.*)
IBRRS 2017, 0135

VK Bund, Beschluss vom 05.12.2016 - VK 2-107/16
Auch nach der Vergaberechtsreform 2016 sind Angebote von der Wertung auszuschließen, bei denen Änderungen oder Ergänzungen an den Vergabeunterlagen vorgenommen worden sind. Die neu in die VgV eingefügte Vorschrift des § 57 Abs. 1 Nr. 4 stimmt wörtlich mit der Regelung des bisherigen § 19 EG Abs. 3 d VOL/A 2009 überein, so dass die hierzu ergangene Rechtsprechung entsprechend herangezogen werden kann.
IBRRS 2017, 0095

EuGH, Urteil vom 06.10.2016 - Rs. C-318/15
1. Auch Vergaben im Unterschwellenbereich unterliegen den Grundregeln und den allgemeinen Grundsätzen des AEU-Vertrags, insbesondere dem Transparenzgebot, sofern an diesen Aufträgen ein eindeutiges grenzüberschreitendes Interesse besteht.
2. Kriterien, die auf ein eindeutiges grenzüberschreitendes Interesse hinweisen, können u. a. ein gewisses Volumen des fraglichen Auftrags in Verbindung mit dem Leistungsort, technischen Merkmalen des Auftrags oder Besonderheiten der betreffenden Waren sein.
3. Ein eindeutiges grenzüberschreitendes Interesse kann nicht hypothetisch aus bestimmten Gegebenheiten abgeleitet werden, die - abstrakt betrachtet - für ein solches Interesse sprechen könnten, sondern muss sich positiv aus einer konkreten Beurteilung der Umstände des fraglichen Auftrags ergeben.
IBRRS 2017, 0506

VK Hessen, Beschluss vom 20.07.2016 - 69d-VK-21/2016
1. Eine Rüge ist auch dann rechtzeitig, wenn sie kurz vor Ablauf der Frist zur Angebotsabgabe erfolgt ist.*)
2. Zu Unklarheiten in der Leistungsbeschreibung.*)

IBRRS 2017, 0086

KG, Beschluss vom 10.10.2016 - Verg 16/15
Zur Aufhebung einer Beiladung im Vergabenachprüfungsverfahren.*)

IBRRS 2017, 0078

OLG Düsseldorf, Beschluss vom 02.11.2016 - Verg 25/16
1. Ein reines Schulnotensystem hat aufgrund völliger Unbestimmtheit und Intransparenz der Bewertungsmaßstäbe als vergaberechtswidrig auszuscheiden.
2. Bei (teil-)funktionalen Ausschreibungen kann ein Schulnotensystem zur Anwendung kommen kann, wenn der öffentliche Auftraggeber es durch funktionale Unterkriterien ausgefüllt hat.
3. Eine in den Vergabebedingungen liegende regionale Beschränkung führt regelmäßig zu einer Bevorzugung des bisherigen Auftragnehmers sowie umgekehrt zu einer unverhältnismäßigen Benachteiligung ortsfremder Bieterunternehmen.
IBRRS 2017, 0060

VK Nordbayern, Beschluss vom 06.10.2016 - 21.VK-3194-25/16
1. Handelt während des Vergabeverfahrens anstelle des öffentlichen Auftraggebers im Außenverhältnis zu den Bietern ein Projektsteuerer, kann die Rüge auch ihm gegenüber erhoben werden.
2. Die Zulässigkeit eines Nachprüfungsantrags setzt weder eine Beantwortung der Rüge durch den öffentlichen Auftraggeber voraus noch, dass der Antragsteller diese abwartet, bevor er den Nachprüfungsantrag stellt.
3. Auf ein Angebot, das den Vorgaben des Leistungsverzeichnisses nicht in allen Punkten entspricht, darf der Zuschlag nicht erteilt werden.
4. Die Einreichung von angeforderten technischen Datenblättern stellt grundsätzlich eine verbindliche Festlegung eines bisher noch nicht konkretisierten Angebotsinhalts dar.
5. Es ist nicht zulässig, das konkretisierte Angebot im Aufklärungsgespräch an das Leistungsverzeichnis anzupassen.
IBRRS 2017, 0020

VK Hamburg, Beschluss vom 23.09.2016 - Vgk FB 6/16
1. Stellt ein öffentlicher Auftraggeber vor Zuschlagserteilung einen erheblichen Fehler in den Vergabeunterlagen fest (hier: geforderte Fremdsprachen für Dolmetscherdienstleistungen), ist er berechtigt, diesen Fehler zu korrigieren.
2. Sind die Ausschreibungsbedingungen teilweise widersprüchlich und intransparent, ist es zulässig, die Ausschreibung teilweise aufzuheben und das Verfahren in eine zweite Angebotsrunde teilweise zurückzuversetzen.
3. Wie und in welchem Umfang ein öffentlicher Auftraggeber erkannte Fehler in seiner Ausschreibung behebt, unterliegt seiner Gestaltungsfreiheit. Werden die vergaberechtlichen Gebote Transparenz, Nichtdiskriminierung und Gleichbehandlung beachtet, ist ein ordnungsgemäßer und fairer Wettbewerb aufrechterhalten und keine Verletzung von Bieterrechten zu befürchten.
Online seit 2016
IBRRS 2016, 3448
EuGH, Urteil vom 21.12.2016 - Rs. C-51/15
1. Art. 1 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie 2004/18/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 31.03.2004 über die Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Bauaufträge, Lieferaufträge und Dienstleistungsaufträge ist dahin auszulegen, dass es sich bei einer Vereinbarung zwischen zwei Gebietskörperschaften, wie sie im Ausgangsverfahren in Rede steht und auf deren Grundlage diese eine Satzung über die Gründung eines Zweckverbands - einer juristischen Person des öffentlichen Rechts - erlassen und dieser neuen öffentlichen Einrichtung Befugnisse zuweisen, die bisher diesen Körperschaften oblagen und fortan zu eigenen Aufgaben dieses Zweckverbands werden, nicht um einen öffentlichen Auftrag handelt.*)
2. Eine solche die Erfüllung öffentlicher Aufgaben betreffende Kompetenzübertragung liegt jedoch nur vor, wenn die Übertragung sowohl die mit der übertragenen Kompetenz verbundenen Zuständigkeiten als auch die damit einhergehenden Befugnisse betrifft, so dass die neuerdings zuständige öffentliche Stelle über eine eigene Entscheidungsbefugnis und eine finanzielle Unabhängigkeit verfügt. Das vorlegende Gericht wird zu prüfen haben, ob dies der Fall ist.*)

IBRRS 2016, 3375

VK Lüneburg, Beschluss vom 22.08.2016 - VgK-32/2016
1. Eine Leistungsbeschreibung ist eindeutig und erschöpfend, wenn keine unterschiedlichen Auslegungsmöglichkeiten in Betracht kommen, die den verständigen und sachkundigen Bieter im Unklaren lassen, welche Leistungen von ihm in welcher Form und unter welchen Bedingungen angeboten werden sollen.
2. Die Vorgabe einen innengerammten Ortbeton-Rammpfahl herzustellen lässt für den sachkundigen Bieter keine Interpretation zu.
3. Die Begriffe Innenrammung und Innenrohrrammung (Empfehlung des Arbeitskreises: EA Pfähle) meinen dasselbe. Eine Unterscheidung ist in Fachkreisen unbekannt, denn eine Innenrammung ist ohne Rohr technisch nicht durchführbar.
IBRRS 2016, 3438

VK Bund, Beschluss vom 18.11.2016 - VK 2-103/16
1. Aus der bisherigen Leistungserbringung eines Bieters als Vorauftragnehmer gewonnenen Erkenntnisse dürfen vom Auftraggeber im Rahmen der Eignungsprüfung eines Folgeauftrags berücksichtigt werden.
2. Auch wiederholte Fälle kleinerer Unregelmäßigkeiten reichen für eine negative Eignungsprognose aus.
3. Zweifel an der Eignung aufgrund festgestellter Schlechtleistungen an einem anderen Standort werden durch die beanstandungsfreie Leistungserbringung anderen Standorten nicht ausgeräumt.
VPRRS 2016, 0488

VK Westfalen, Beschluss vom 25.11.2016 - VK 1-42/16
1. Der öffentliche Auftraggeber darf den ausgeschriebenen Auftrag auf die Bereitstellung von bestimmten Berufsgruppen (hier: Notärzte) durch den Auftragnehmer beschränken, wenn die Bestimmung durch den Auftragsgegenstand sachlich gerechtfertigt ist, vom Auftraggeber dafür nachvollziehbare objektive und auftragsbezogene Gründe angegeben worden sind und die Bestimmung folglich willkürfrei getroffen worden ist, solche Gründe tatsächlich vorhanden sind und die Bestimmung andere Wirtschaftsteilnehmer nicht diskriminiert.*)
2. Die Entscheidung des öffentlichen Auftraggebers hinsichtlich einer Beschaffung, die rein formale Qualifikation einer Berufsgruppe als nicht ausreichend anzusehen und über diese gesetzlichen Vorgaben hinaus gehende Anforderungen zu stellen, ist zulässig.*)

IBRRS 2016, 3347

VK Südbayern, Beschluss vom 17.10.2016 - Z3-3-3194-1-36-09/16
1. Bei elektronischer Durchführung eines Vergabeverfahrens sind auf einer Vergabeplattform registrierte Bieter über Änderungen an den Vergabeunterlagen zumindest dann gesondert (aufgrund von § 9 Abs. 1 VgV regelmäßig per E-Mail) zu informieren, wenn die konkrete Gefahr besteht, dass sie Änderungen, die lediglich auf die Plattform eingestellt werden, nicht zur Kenntnis nehmen, weil sie beispielsweise bereits ihren Teilnahmeantrag oder ihr Angebot hochgeladen haben oder die Änderungsmitteilung irreführend war.*)
2. Lediglich Unternehmen, die von der Möglichkeit der freiwilligen Registrierung keinen Gebrauch machen, müssen sich selbstständig informieren, ob Vergabeunterlagen zwischenzeitlich geändert wurden oder ob die öffentlichen Auftraggeber Fragen zum Vergabeverfahren beantwortet haben.*)
IBRRS 2016, 3352

VK Südbayern, Beschluss vom 21.11.2016 - Z3-3-3194-1-37-09/16
1. Sind Referenzen über erbrachte Bau- und Planungsleistungen gefordert, können keine Projekte genannt werden, die ein Bieter oder Bewerber als Auftraggeber beauftragt und von anderen Unternehmen hat erbringen lassen.*)
2. Im Verhandlungsverfahren mit Teilnahmewettbewerb ist das Ende des Teilnahmewettbewerbs der entscheidende Zeitpunkt, bis zu dem die Eignung feststehen muss, eine spätere Nachforderung von Unterlagen, die die Eignung begründen sollen, ist gem. § 16b EU Abs. 3 VOB/A 2016 unzulässig.*)
3. Auch bei Zuschlagskriterien, die einen planerisch-gestalterischen Inhalt haben, müssen die Bieter angemessen über die Kriterien und Modalitäten, nach denen sich das wirtschaftlichste Angebot bestimmt, informiert sein. Die Zuschlagskriterien müssen bei Verwendung einer offenen Bewertungsmethode (z. B. Schulnoten u. Ä.) so konkret gefasst sein, dass vermieden wird dass der öffentliche Auftraggeber entgegen Art. 67 Abs. 4 Richtlinie 2014/24/EU eine faktisch uneingeschränkte Wahlfreiheit bei der Wertung dieser Kriterien hat.*)
4. Die Überprüfung der Angemessenheit einer Entschädigung nach § 8b EU Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 VOB/A 2016 kann zum Gegenstand eines Nachprüfungsverfahrens gemacht werden. Die Nachprüfungsinstanzen haben dabei lediglich zu prüfen, ob die festgesetzte Entschädigung angemessen i.S.d. § 8b EU Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 VOB/A 2016 ist.*)
VPRRS 2016, 0482

VK Südbayern, Beschluss vom 23.11.2016 - Z3-3-3194-1-20-03/15
1. Sektorenauftraggeber ist nur, wer Verkehrsleistungen selbst erbringt. Die bloße Organisation solcher Dienstleistungen (hier: für Personenbeförderung mit Omnibussen und Regionalbuslinien) macht den Auftraggeber nicht zum Sektorenauftraggeber.
2. Die Übertragung von Linienbündeln auf eine andere Stadt, führt dazu, dass die Zuständigkeit zur Vergabe des streitgegenständlichen Auftrags wechselt. Der Verlust der Zuständigkeit einen öffentlichen Auftrag zu erteilen, führt zu einer wesentlichen Änderung der Grundlagen des Vergabeverfahrens, die es erlauben, eine Ausschreibung aufzuheben.
3. Ist nicht ersichtlich oder substantiiert vorgetragen, dass die ausschreibende Stelle die Bekanntmachung bereits in Kenntnis des unmittelbar bevorstehenden Antrags auf Übertragung der Zuständigkeit veröffentlicht hat, kann das Vergabeverfahren rechtmäßig aufgehoben werden.

IBRRS 2016, 3297

EuGH, Urteil vom 08.12.2016 - Rs. C-553/15
1. Unter Heranziehung der Rechtsprechung des Gerichtshofs zur freihändigen Vergabe ("in-house") öffentlicher Aufträge ist bei der Beurteilung der Frage, ob das beauftragte Unternehmen seine Tätigkeit im Wesentlichen für den öffentlichen Auftraggeber, insbesondere die Gebietskörperschaften, die an ihm beteiligt sind und es kontrollieren, verrichtet, in diese Tätigkeit eine solche nicht einzubeziehen, die dem Unternehmen von einer an ihm nicht beteiligten Behörde zugunsten von Gebietskörperschaften, die auch nicht an ihm beteiligt sind und keine Kontrolle über das Unternehmen ausüben, auferlegt wird; diese Tätigkeit ist als Tätigkeit zugunsten Dritter anzusehen.*)
2. Bei der Beurteilung der Frage, ob das beauftragte Unternehmen seine Tätigkeit im Wesentlichen für die Gebietskörperschaften verrichtet, die an ihm beteiligt sind und über das Unternehmen gemeinsam eine Kontrolle wie über ihre eigenen Dienststellen ausüben, sind alle Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen, zu denen eine Tätigkeit gehören kann, die das Unternehmen für diese Gebietskörperschaften verrichtet hat, bevor diese gemeinsame Kontrolle wirksam wurde.*)
IBRRS 2016, 3292

OLG Koblenz, Urteil vom 25.08.2016 - 1 U 260/16
1. Nebenangebote in Ausschreibungsverfahren können den Zuschlag nur begründen, wenn diese in allen Punkten mit den Hauptangeboten gleichwertig sind und die Vorgaben der Ausschreibung (z.B. Anforderung an Standsicherheit einer Mauer/Böschung) erfüllen.*)
2. Der Vergabestelle steht bei technischen Anforderungen (z.B. für die Standsicherheit) kein Beurteilungsspielraum zu. Sie muss die in der Ausschreibung niedergelegten Anforderungen zu Grunde legen.*)
3. Auf die Möglichkeit der Aufhebung der Ausschreibung kann sich die Vergabestelle im gerichtlichen Verfahren nicht berufen, wenn sie diese rechtliche Möglichkeit bewusst nicht gewählt hat.*)
IBRRS 2016, 3288

VK Thüringen, Beschluss vom 08.11.2016 - 250-4002-7852/2016-N-012-KYF
1. Auch ein ungewöhnlich niedriger Angebotspreis ist als angemessen anzusehen, wenn das zugehörige Angebot des Bieters unter Berücksichtigung des rationellen Baubetriebs und sparsamer Wirtschaftsführung eine einwandfreie Ausführung ohne absehbare Nachtragsforderungen einschließlich der Haftung für Mängelrechte erwarten lässt.
2. Ist ein Bieter als Tochterunternehmen eines chinesischen Herstellers in der Lage, sehr viel günstiger als die Mitbewerber an Leuchtmittel (hier: für die Umstellung der Straßenbeleuchtung auf LED-Leuchtköpfe) zu kommen, kann dies die Abweichung des Angebots von einem realistischen Preis rechtfertigen und darf nicht ohne weitere Prüfung als Grund für die Nichtberücksichtigung des Angebots angesehen werden.
IBRRS 2016, 3243

OLG Düsseldorf, Beschluss vom 13.09.2016 - Verg 36/16
Können die Erfolgsaussichten der sofortigen Beschwerde nicht ohne weitere Aufklärung in tatsächlicher Hinsicht verneint werden und überwiegend gewichtige Belange auf Seiten des Antragsgegners und der Allgemeinheit, die einen raschen Abschluss des Vergabeverfahrens durch Zuschlagserteilung erfordern, die Interessen des Antragstellers nicht, kann das Beschwerdegericht die aufschiebende Wirkung der sofortigen Beschwerde bis zur Entscheidung über die Beschwerde verlängern.

IBRRS 2016, 3242

OLG Düsseldorf, Beschluss vom 30.05.2016 - Verg 15/16
Betrifft das Nachprüfungsverfahren im Wesentlichen eine obergerichtlich noch nicht entschiedene Rechtsfrage (hier: zur Zulässigkeit der Bewertung von Mindestanforderungen durch den öffentlichen Auftraggeber) und ist dem diesbezüglichen Beschwerdevortrag ein Erfolg nicht von vorneherein abzusprechen, kann das Beschwerdegericht auf Antrag des Beschwerdeführers die aufschiebende Wirkung der sofortigen Beschwerde bis zu einer Entscheidung über die Beschwerde verlängern.

IBRRS 2016, 3241

OLG Düsseldorf, Beschluss vom 14.09.2016 - Verg 1/16
1. Die vergaberechtlichen Grenzen der Bestimmungsfreiheit des öffentlichen Auftraggebers sind gewahrt, sofern (1) die Bestimmung durch den Auftragsgegenstand sachlich gerechtfertigt ist, (2) vom Auftraggeber dafür nachvollziehbare, objektive und auftragsbezogene Gründe angegeben worden sind und die Bestimmung folglich willkürfrei getroffen worden ist, (3) solche Gründe tatsächlich vorhanden (festzustellen und notfalls erwiesen) sind, und (4) die Bestimmung andere Wirtschaftsteilnehmer nicht diskriminiert.
2. Verhält sich die Bestimmung in diesen Grenzen, gilt der Grundsatz der Wettbewerbsoffenheit der Beschaffung nicht mehr uneingeschränkt.
IBRRS 2016, 3245

OLG Düsseldorf, Beschluss vom 08.06.2016 - Verg 21/16
Das Beschwerdegericht kann die aufschiebende Wirkung der sofortigen Beschwerde bis zur Entscheidung über die Beschwerde verlängern, wenn die angefochtene Entscheidung durch eine Verletzung des rechtlichen Gehörs zustande gekommen ist.
