Bau-, Architekten- und Immobilienrecht.
Volltexturteile nach Sachgebieten
10832 Entscheidungen insgesamt
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IBRRS 2016, 0947VK Bund, Beschluss vom 09.02.2016 - VK 1-130/15
1. Bei der Beschaffungsentscheidung für eine bestimmte Leistung ist der öffentliche Auftraggeber im rechtlichen Ansatz ungebunden; die Auswahl des Beschaffungsgegenstands unterliegt seiner Bestimmungsfreiheit und ist dem eigentlichen Vergabeverfahren vorgelagert.
2. Vergaberechtliche Grenzen der Bestimmungsfreiheit ergeben sich aber aus § 7 EG Abs. 8 Satz 1 VOB/A 2012, wonach technische Anforderungen an den Auftragsgegenstand grundsätzlich nicht so ausgestaltet werden dürfen, dass dadurch bestimmte Unternehmen oder bestimmte Produkte begünstigt oder ausgeschlossen werden; dies ist nur (ausnahmsweise) zulässig, soweit es durch den Auftragsgegenstand gerechtfertigt ist.
3. Die vergaberechtlichen Grenzen der Bestimmungsfreiheit sind eingehalten, sofern die Bestimmung durch den Auftragsgegenstand sachlich gerechtfertigt ist, vom Auftraggeber dafür nachvollziehbare objektive und auftragsbezogene Gründe angegeben worden sind und die Bestimmung folglich willkürfrei getroffen wurde, solche Gründe tatsächlich vorhanden sind und die Bestimmung andere Wirtschaftsteilnehmer nicht diskriminiert.
IBRRS 2016, 0936
VK Bund, Beschluss vom 26.02.2016 - VK 2-7/16
1. Da der erste Abschnitt der VOL/A 2009 in Bezug auf Vertragsänderungen oder -übernahmen ebenso wenig Regelungen enthält wie das GWB oder die VgV, ist die Frage der Wesentlichkeit einer Vertragsänderung und damit einer Neuausschreibungspflicht anhand allgemeiner vergaberechtlicher Grundsätze zu entscheiden.
2. Die Auswechslung des Dienstleistungserbringers trägt regelmäßig die Vermutung einer wesentlichen Veränderung des Vertrags in sich. Findet allerdings bei funktionaler Betrachtung nur eine Verschiebung des Auftrags innerhalb des Konzerns statt, liegt keine wesentliche Vertragsänderung vor.
IBRRS 2016, 0914
VK Sachsen, Beschluss vom 15.03.2016 - 1/SVK/045-15
1. Eine (vergaberechtliche) Annahmeerklärung muss für ihre zivilrechtliche Wirksamkeit mit einem entsprechenden Rechtsbindungswillen des Auftraggebers erklärt worden sein.*)
2. Nach § 7 EG Abs. 1 Satz 1 VOL/A 2009 dürfen von Bietern nur solche Eignungsnachweise gefordert werden, die durch den Gegenstand des Auftrags gerechtfertigt sind. Für den Betrieb einer abfallrechtlichen Müll-Umladestation ist eine Zertifizierung nach der Entsorgungsfachbetriebsverordnung durch den Gegenstand des Auftrags gerechtfertigt, selbst wenn die ausgeschriebenen Leistungen als solche ohne Zertifizierung erbracht werden könnten.*)
3. Da sich die Erstellung von Eigenerklärungen grundsätzlich in der Sphäre des Bieters abspielt, ist ein Auftraggeber regelmäßig nicht in der Lage, diesem vorsätzliches Handeln bei der Erstellung von Eigenerklärungen nachzuweisen. Soweit § 7 EG Abs. 1 Satz 2 VOL/A 2009 Auftraggeber ausdrücklich verpflichtet, grundsätzlich Eigenerklärungen zu verlangen, um den Nachweisaufwand der Bieter zu minimieren, kann von den Bietern als Gegengewicht eine erhöhte Sorgfaltspflicht bei der Abgabe solcher Eigenerklärungen verlangt werden. Auch eine leichtfertig ungenaue Abgabe oder die Abgabe einer Erklärung ins Blaue hinein kann ausreichen, um den Tatbestand des § 6 EG Abs. 6 e) VOL/A 2009 zu erfüllen.*)
VolltextIBRRS 2016, 0915
EuGH, Urteil vom 07.04.2016 - Rs. C-324/14
1. Art. 47 Abs. 2 und Art. 48 Abs. 3 Richtlinie 2004/18/EG sind in Verbindung mit Art. 44 Abs. 2 Richtlinie 2004/18/EG dahin auszulegen, dass
- damit jedem Wirtschaftsteilnehmer das Recht eingeräumt wird, sich für einen bestimmten Auftrag auf die Kapazitäten anderer Unternehmen ungeachtet des rechtlichen Charakters der zwischen ihm und diesen Unternehmen bestehenden Verbindungen zu stützen, sofern dem öffentlichen Auftraggeber gegenüber nachgewiesen wird, dass dem Bewerber oder Bieter die für die Ausführung dieses Auftrags erforderlichen Mittel der betreffenden Unternehmen tatsächlich zur Verfügung stehen;
- es nicht ausgeschlossen ist, dass die Ausübung dieses Rechts bei Vorliegen besonderer Umstände in Anbetracht des Gegenstands und der Ziele des betreffenden Auftrags eingeschränkt werden kann. Dies ist namentlich der Fall, wenn sich die Kapazitäten, über die ein Drittunternehmen verfügt und die für die Ausführung des Auftrags erforderlich sind, nicht auf den Bewerber oder Bieter übertragen lassen, so dass dieser sich nur dann auf die genannten Kapazitäten berufen kann, wenn sich das betreffende Drittunternehmen unmittelbar und persönlich an der Ausführung des Auftrags beteiligt.*)
2. Art. 48 Abs. 2 und 3 Richtlinie 2004/18/EG ist dahin auszulegen, dass der öffentliche Auftraggeber im Hinblick auf den Gegenstand und die Ziele eines bestimmten Auftrags unter besonderen Umständen im Interesse der ordnungsgemäßen Ausführung dieses Auftrags die Möglichkeit hat, in der Auftragsbekanntmachung oder den Verdingungsunterlagen ausdrücklich genaue Regeln anzugeben, nach denen sich ein Wirtschaftsteilnehmer auf die Kapazitäten anderer Unternehmen stützen kann, sofern diese Regeln mit dem Gegenstand und den Zielen des betreffenden Auftrags zusammenhängen und diesen angemessen sind.*)
3. Der in Art. 2 Richtlinie 2004/18/EG aufgestellte Grundsatz der gleichen und nicht diskriminierenden Behandlung der Wirtschaftsteilnehmer ist dahin auszulegen, dass er es unter Umständen wie denen des Ausgangsverfahrens einem öffentlichen Auftraggeber untersagt, nach der Öffnung der Angebote, die im Rahmen eines Verfahrens zur Vergabe eines öffentlichen Auftrags eingereicht worden sind, dem Ersuchen eines Wirtschaftsteilnehmers, der ein Angebot für den gesamten in Rede stehenden Auftrag abgegeben hat, stattzugeben, sein Angebot nur für die Zuteilung bestimmter Teile dieses Auftrags zu berücksichtigen.*)
4. Der in Art. 2 Richtlinie 2004/18/EG aufgestellte Grundsatz der gleichen und nicht diskriminierenden Behandlung der Wirtschaftsteilnehmer ist dahin auszulegen, dass er die Ungültigerklärung und die Wiederholung einer elektronischen Auktion, bei der ein Wirtschaftsteilnehmer, der ein zulässiges Angebot eingereicht hat, keine Aufforderung zur Teilnahme erhalten hat, auch dann verlangt, wenn nicht festgestellt werden kann, ob die Teilnahme des nicht berücksichtigten Wirtschaftsteilnehmers das Ergebnis der Auktion geändert hätte.*)
5. Unter Umständen wie denen des Ausgangsverfahrens können die Vorschriften von Art. 48 Abs. 3 Richtlinie 2004/18/EG nicht im Licht der Bestimmungen von Art. 63 Abs. 1 Richtlinie 2014/24/EU ausgelegt werden.*)
IBRRS 2016, 0900
VK Nordbayern, Beschluss vom 16.02.2016 - 21.VK-3194-01/16
1. Bei einer Umwandlung durch Verschmelzung eines anderen Unternehmers auf den Bieter handelt es sich nicht um eine Änderung des Angebotes. Hierzu hat der Bieter im Angebot nur eine verbindliche Erklärung des Unternehmens beizubringen, das auf den Bieter verschmolzen wird. Dieses muss erklären, dass dem Bieter im Fall eines Zuschlags die personellen und sachlichen Mittel für die Auftragsausführung zur Verfügung stehen. In diesem Fall der Verschmelzung erlischt der bisherige Rechtsträger gerade nicht, sondern wird weiter geführt.*)
2. Eine Änderung des Firmennamens kann für sich noch keinen Ausschluss eines Angebots rechtfertigen. Hier handelt es sich nicht per se um einen Bieterwechsel bzw. um eine Änderung des Angebots nach Ablauf der Angebotsfrist. Die reine Umfirmierung eines Bieters unter Beibehaltung der Struktur und der Identität stellt keine Änderung in der Person des Anbieters dar.*)
3. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Bestimmung, wem ein Angebot zuzurechnen ist, ist das zum Eröffnungstermin vorliegende Angebot. Dieses legt die Identität des Bieters fest. Besteht Streit, wer als Bieter eines bestimmten Angebots anzusehen ist, ist durch Auslegung zu ermitteln, wer das Angebot abgegeben hat. Dabei ist auf den "objektiven Empfängerhorizont" abzustellen.*)
VolltextIBRRS 2016, 0902
EuGH, Urteil vom 05.04.2016 - Rs. C-689/13
1. Art. 1 Abs. 1 Unterabs. 3 und Abs. 3 Rechtsmittelrichtlinie 89/665/EWG ist dahin auszulegen, dass er nationalen Verfahrensvorschriften entgegensteht, die es gestatten, die Klage eines Bieters, der ein Interesse daran hat, einen bestimmten Auftrag zu erhalten, und der rügt, dass ihm durch einen Verstoß gegen das Unionsrecht im Bereich öffentlicher Aufträge oder gegen die Vorschriften über dessen Umsetzung ein Schaden entstanden sei oder zu entstehen drohe, auf Ausschluss eines anderen Bieters für unzulässig zu erklären, nachdem die von diesen Vorschriften vorgesehene vorrangige Prüfung des vom anderen Bieter eingelegten Anschlussrechtsbehelfs vorgenommen wurde.*)
2. Art. 267 AEUV ist dahin auszulegen, dass er der Auslegung einer nationalen Rechtsvorschrift entgegensteht, nach der eine Kammer eines letztinstanzlich entscheidenden Gerichts, die sich in Bezug auf eine Frage nach der Auslegung oder der Gültigkeit des Unionsrechts der durch eine Entscheidung des Plenums dieses Gerichts aufgestellten Leitlinie nicht anzuschließen vermag, diese Frage an das Plenum verweisen muss und somit daran gehindert ist, den Gerichtshof der Europäischen Union um Vorabentscheidung zu ersuchen.
Art. 267 AEUV ist dahin auszulegen, dass eine Kammer eines letztinstanzlich entscheidenden Gerichts, nachdem der Gerichtshof der Europäischen Union eine ihm von ihr gestellte Frage nach der Auslegung des Unionsrechts beantwortet hat oder wenn aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union bereits eine eindeutige Antwort auf die Frage hervorgeht, selbst alles Erforderliche tun muss, damit diese Auslegung des Unionsrechts umgesetzt wird.*)
VolltextIBRRS 2016, 0899
VK Nordbayern, Beschluss vom 10.03.2016 - 21.VK-3194-03/16
Auf ein Angebot, welches den Vorgaben des Leistungsverzeichnisses nicht in allen Punkten entspricht, darf der Zuschlag nicht erteilt werden, denn es fehlt an den für einen Vertragsschluss erforderlichen sich deckenden und sich entsprechenden Willenserklärungen. Ob dieser zwingende Ausschlussgrund unter den Ausschlussgrund des § 16 EG Abs. 1 Nr. 1b i.V.m. § 13 EG Abs. 1 Nr. 5 VOB/A 2012 in Form der unzulässigen Änderung an den Vergabeunterlagen oder unter einen nicht ausdrücklich in der VOB/A erwähnten zwingenden Ausschlussgrund subsumiert wird, ist zwar in der Rechtsprechung umstritten, kann im Falle eines offenen Abweichens vom Leistungsverzeichnis aber dahinstehen, da die Rechtsfolge in beiden Fällen gleich ist.*)
VolltextVPRRS 2016, 0149
OLG München, Beschluss vom 31.03.2016 - Verg 14/15
1. Eine Direktvergabe nach Art. 5 Abs. 2 VO (EG) 1370/2007 an eine „rechtlich getrennte Einheit“ kann sowohl als Dienstleistungskonzession oder als Dienstleistungsauftrag i. e. S. ausgestaltet sein.*)
2. „Rechtlich getrennte Einheit“ im Sinne von Art. 5 Abs. 2 a) VO (EG) 1370/2007 kann auch eine „Urenkel-Gesellschaft“ sein.*)
3. Die (im Gesellschaftsvertrag eingeräumte) Möglichkeit einer Tätigkeit außerhalb des Zuständigkeitsgebiets der zuständigen örtlichen Behörde steht einer Direktvergabe nicht gemäß Art. 5 Abs. 2 b) VO (EG) 1370/2007 entgegen, solange sie nicht tatsächlich ausgeübt wird.*)
4. An der Verfassungsmäßigkeit des § 8a Abs. 3 PBefG bestehen keine Zweifel.*)
IBRRS 2016, 0895
VOB-Stelle Niedersachsen, Entscheidung vom 06.01.2016 - Fall 1746
Der Auftragnehmer ist gemäß ATV DIN 18330 (Mauerarbeiten) Nr. 4.1.4 dazu verpflichtet, Schutz- und Sicherheitsmaßnahmen nach den staatlichen und berufsgenossenschaftlichen Regelwerken zum Arbeitsschutz vorzunehmen. Hierzu zählt auch die Absturzsicherung. Bei diesen Schutzmaßnahmen handelt es sich um eine Nebenleistung, die auch ohne Erwähnung im Vertrag zur vertraglichen Leistung gehört.
VolltextIBRRS 2016, 0857
VK Bund, Beschluss vom 01.02.2016 - VK 2-3/16
Vermitteln die Vergabeunterlagen den Bietern keine zuverlässigen Informationen darüber, wie und vor allem mit welcher Punktzahl die Angebote hinsichtlich der in der Bewertungsmatrix aufgestellten Anforderungen bewertet werden, sind sie intransparent.
VolltextIBRRS 2016, 0870
AG Diez, Urteil vom 02.03.2016 - 13 C 219/15
Unter Berücksichtigung der dem Rechtsanwalt bei der Gebührenbestimmung zuzubilligenden Toleranzgrenze von 20% ist die Abrechnung einer 2,3 Geschäftsgebühr statt einer 2,0 Geschäftsgebühr nicht unbillig.
VolltextIBRRS 2016, 0868
VK Südbayern, Beschluss vom 01.02.2016 - Z3-3-3194-1-58-11/15
1. Die Bildung von Bietergemeinschaften ist grundsätzlich zulässig und unterliegt nicht dem Generalverdacht der Kartellrechtswidrigkeit. Eine Vereinbarung verschiedener Unternehmen, sich mit einer Bietergemeinschaft an der Ausschreibung für einen bestimmten Auftrag zu beteiligen, ist gemäß § 1 GWB nur verboten, wenn die Vereinbarung geeignet ist, die Marktverhältnisse durch Beschränkung des Wettbewerbs spürbar zu beeinflussen (BGH, Urteil vom 13.12.1983 - KRB 3/83).*)
2. Existieren zureichende Anhaltspunkte dafür, dass es sich um eine unzulässige Bietergemeinschaft handelt, hat die Vergabestelle die Bietergemeinschaft aufzufordern, die Gründe für die Bildung der Bietergemeinschaft darzulegen. Dies kann insbesondere bei einem Angebot einer Bietergemeinschaft aus gleichartigen Unternehmen, die möglicherweise gesondert leistungsfähig wären, der Fall sein.*)
3. Auch bei gleichartigen Unternehmen ist der Zusammenschluss zu einer Bietergemeinschaft hinzunehmen, wenn dieser von den Unternehmen in der Erkenntnis getroffen wurde, dass eine selbständige Teilnahme an einer Ausschreibung wirtschaftlich nicht zweckmäßig und kaufmännisch nicht vernünftig wäre. Dabei kommt den Unternehmen eine nur eingeschränkt gerichtlich überprüfbare Einschätzungsprärogative zu.*)
VolltextIBRRS 2016, 0856
VK Thüringen, Beschluss vom 13.03.2015 - 250-4003-1100/2015-E-002-SLF
Mit der Erklärung der Vergabestelle, einer Rüge abzuhelfen, das Vergabeverfahrens in den Stand vor Ausreichung der Vergabeunterlagen zurück zu versetzen und die Vergabeunterlagen um bisher nicht bekannt gegebene Unterkriterien zu ergänzen, erledigt sich das Nachprüfungsverfahren "in sonstiger Weise".
VolltextIBRRS 2016, 0797
VK Lüneburg, Beschluss vom 01.02.2016 - VgK-51/2015
1. Ein geringer Fehlbetrag in der Bilanz spricht nicht gegen die finanzielle Leistungsfähigkeit eines Bieters.
2. Technisch leistungsfähig ist ein Anbieter, dessen Referenzen die Erwartung rechtfertigen, dass er die zu vergebende Leistung genauso gut wie die Referenzleistungen erbringen wird. Je einfacher die zu vergebende Leistung ist, desto geringer sind die Anforderungen an die Vergleichbarkeit.
3. Erfahrungen mit gleichartigen Tätigkeiten dürfen nur dann gefordert werden, wenn die zu vergebende Tätigkeit hohe Anforderungen an die Erfahrung stellt.
4. Eine aufs Geradewohl oder "ins Blaue hinein" erhobene Rüge ist unzulässig und damit unbeachtlich. Die Vergabekammer ist in einem solchen Fall von der Notwendigkeit einer vollständigen Sachaufklärung von Amts wegen entbunden.
5. Erkennbare Vergaberechtsverstöße sind innerhalb einer Frist von 10 Tagen zu rügen.
VolltextIBRRS 2016, 0770
VOB-Stelle Niedersachsen, Entscheidung vom 10.12.2015 - Fall 1745
1. Der Auftragnehmer hat die Leistung unter eigener Verantwortung nach dem Vertrag auszuführen (§ 4 Abs. 2 VOB/B). Es ist deshalb grundsätzlich seine Entscheidung, wann er die von ihm mit dem Leistungsverzeichnis angebotenen Materialien bestellt.
2. Verlangt der Auftraggeber nach Auftragserteilung, eine bestimmte Materialbestellung noch nicht vorzunehmen, liegt eine "andere" Anordnung im Sinne von § 2 Abs. 5 VOB/B vor.
3. Wird der Zeitpunkt der Bestellung der Materialien durch eine Anordnung des Auftraggebers festgelegt, steht dem Auftragnehmer ein Anspruch auf Berücksichtigung etwaiger Mehrkosten aus Materialpreissteigerungen zu.
VolltextIBRRS 2016, 0746
VK Lüneburg, Beschluss vom 11.11.2015 - VgK-41/2015
1. Das Formblatt 236 VHB Bund ist zu verwenden, wenn der Bieter persönlich die Eignungsvoraussetzungen für die Erfüllung des Auftrags, z.B. die technische Fachkunde oder die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit nicht erfüllt, sich aber im Wege der sogenannten Eignungsleihe eines insoweit besser qualifizierten Nachunternehmers bedient.
2. Im Fall einer Eignungsleihe ist es erforderlich, dass der Bieter bereits zum Zeitpunkt der Angebotsabgabe den Namen des Nachunternehmers benennt und eine Verpflichtungserklärung dieses Nachunternehmers beibringt.
VolltextVPRRS 2016, 0140
VK Bund, Beschluss vom 26.06.2015 - VK 1-47/15
1. Der Begriff "robust" ist hinreichend aus sich selbst heraus verständlich.
2. Eine Mehrlader-Repetierbüchse, die verschiedene Mängel aufweist (Längeneinstellung der Schulterstütze und Erdsporn fahren unkontrolliert ein, Anzündhütchen fallen aus, Hülsen können nur mit Störungen ausgezogen werden, Verschluss blockiert durch aufgeweitete Hülsen, Schulterstütze klappert) ist nicht "hoch robust".
VolltextIBRRS 2016, 0813
EuGH, Urteil vom 20.01.2016 - Rs. C-50/14
1. Die Art. 49 und 56 AEUV sind dahin auszulegen, dass sie einer nationalen Regelung nicht entgegenstehen, die es zulässt, dass die örtlichen Behörden die Erbringung von Krankentransportdiensten im Wege der Direktvergabe ohne jegliche Bekanntmachung an Freiwilligenorganisationen vergeben, soweit der rechtliche und vertragliche Rahmen, in dem diese Organisationen tätig sind, tatsächlich zu dem sozialen Zweck und zu den Zielen der Solidarität und der Haushaltseffizienz beiträgt.*)
2. Wenn ein Mitgliedstaat es den Behörden erlaubt, für die Durchführung bestimmter Aufgaben unmittelbar auf Freiwilligenorganisationen zurückzugreifen, ist eine Behörde, die mit derartigen Organisationen Übereinkünfte schließen will, nach dem Unionsrecht nicht verpflichtet, vorher die Angebote verschiedener Organisationen zu vergleichen.*)
3. Ein Mitgliedstaat, der es erlaubt, dass die Behörden für die Durchführung bestimmter Aufgaben unmittelbar auf Freiwilligenorganisationen zurückgreifen und dass diese Organisationen bestimmte wirtschaftliche Tätigkeiten ausüben, muss für die Ausübung dieser Tätigkeiten Grenzen festlegen. Diese Grenzen müssen allerdings gewährleisten, dass die genannten wirtschaftlichen Tätigkeiten im Verhältnis zur Gesamtheit der von diesen Organisationen ausgeübten Tätigkeiten geringfügig sind und deren freiwillige Tätigkeit unterstützen.*)
VolltextIBRRS 2016, 0810
VK Lüneburg, Beschluss vom 18.11.2015 - VgK-42/2015
1. Die verspätete Kennzeichnung der Angebote nach dem Eröffnungstermin stellt einen Vergabeverstoß dar. Das gilt erst recht für die dauerhaft unterlassene Kennzeichnung der Angebote.
2. Die Verpflichtung zur Kennzeichnung der Angebote schützt nicht nur die Wettbewerber untereinander vor Fälschungen, sondern gleichermaßen auch den Auftraggeber davor, von einem der Wettbewerber übervorteilt zu werden.
3. Die unterlassene Kennzeichnung der Angebote durch das mit der Submission und der Wertung der Angebote beauftragte Ingenieurbüro berechtigt den öffentlichen Auftraggeber dazu, die Ausschreibung aus wichtigem Grund aufzuheben.
IBRRS 2016, 0773
OLG München, Beschluss vom 08.03.2016 - Verg 1/16
1. Über die die Kosten für das Verfahren vor der Vergabekammer ist nach billigem Ermessen zu entscheiden. Billigem Ermessen entspricht es grundsätzlich, dass derjenige, der seinen Antrag zurücknimmt, die Kosten für das Verfahren vor der Vergabekammer zu tragen hat.
2. Hat ein Beigeladener mit anwaltlicher Hilfe aktiv am Verfahren vor der Vergabekammer teilgenommen, erscheint es angemessen, den Antragsteller auch mit den notwendigen Auslagen des Beigeladenen zu belasten.
VolltextIBRRS 2016, 0757
VK Lüneburg, Beschluss vom 18.12.2015 - VgK-45/2015
1. Der öffentliche Auftraggeber ist grundsätzlich nicht dazu verpflichtet, Nachforschungen darüber anzustellen, ob ein Bieter eine schwere Verfehlung begangen hat, die seine Zuverlässigkeit und damit seine Eignung als Bewerber in Frage stellt.
2. Liegen dem Auftraggeber allerdings Anhaltspunkte dafür vor, dass der Geschäftsführer eines Bieterunternehmens rechtskräftig wegen Bestechung verurteilt ist, muss er sich Gewissheit verschaffen und Hinweisen nachgehen.
3. Verschließt sich der Auftraggeber bewusst vorliegenden Informationen und kommt er einer im Einzelfall bestehenden Aufklärungspflicht nicht nach, genügt bereits das "Kennen müssen" für einen Verstoß gegen § 6 EG Abs. 4 VOL/A 2009.
IBRRS 2016, 0766
EuGH, Urteil vom 14.01.2016 - Rs. C-234/14
Die Art. 47 Abs. 2 und 48 Abs. 3 Richtlinie 2004/18/EG sind dahin auszulegen, dass es ihnen zuwiderläuft, wenn ein öffentlicher Auftraggeber im Rahmen der Verdingungsunterlagen zu einem Verfahren zur Vergabe eines öffentlichen Auftrags einen Bieter, der sich auf die Kapazitäten anderer Unternehmen stützt, dazu verpflichten kann, vor der Erteilung des Zuschlags mit diesen Unternehmen einen Kooperationsvertrag abzuschließen oder eine Personengesellschaft zu gründen.*)
IBRRS 2016, 0736
VK Bund, Beschluss vom 22.02.2016 - VK 2-135/15
1. Eine Mindestanforderung an die Eignung ist ordnungsgemäß bekannt gemacht, wenn in der Bekanntmachung durch einen Link auf die Internetseite der Vergabestelle verwiesen wird und die interessierten Unternehmen durch bloßes Anklicken zum entsprechenden Formblatt gelangen können.
2. Mit der Formulierung, dass der Bieter "im Auftragsfalle Gewähr für die zur Verrichtung der vorgesehenen Tätigkeit notwendige Qualifikation und Eignung der Leiharbeitnehmer" zu leisten hat, wird ausdrücklich auf den Auftragsfall abgestellt. Damit unvereinbar ist eine Forderung, wonach der Bieter schon bei Angebotsabgabe geeignetes Personal in ausreichender Zahl verfügbar haben muss.
3. Auch bei einer Ausschreibung nach dem 1. Abschnitt der VOL/A 2009 ist bei unverändertem Sachverhalt ein Wiedereintritt in die Eignungsprüfung zulässig.
IBRRS 2016, 0719
OLG Stuttgart, Urteil vom 09.02.2016 - 10 U 137/15
1. Die dem ersten Bürgermeister einer bayerischen Kommune in Art. 38 Abs. 1 BayGO eingeräumte Vertretungsmacht ist durch das Gesetz selbst wesentlich beschränkt. Sie ist abgesehen von den Ausnahmefällen des Art. 37 BayGO davon abhängig, dass ein entsprechender Gemeinderats- oder Ausschussbeschluss vorliegt (Anschluss an BayObLG, Urteil vom 24.04.1986 - RReg. 1 Z 32/86, NJW-RR 1986, 1080; OLG München, Beschluss vom 28.01.2013 - 34 Wx 390/12; BayVGH, Beschluss vom 31.08.2011 - 8 ZB 11.549 u.a.).*)
2. Der von einem ersten Bürgermeister ohne einen entsprechenden Gemeinderats- oder Ausschussbeschluss unterzeichnete Vertrag ist daher gemäß § 177 Abs. 1 BGB schwebend unwirksam und kann vom Gemeinderat genehmigt werden.*)
3. Im Zweifel will eine Kommune vergaberechtskonform der Teilnehmerin eines Vergabeverfahrens nach VOF den Auftrag erteilen und nicht einer am Vergabeverfahren nicht beteiligten juristischen Person, an der die Gesellschafter der erstplatzierten Teilnehmerin des Vergabeverfahrens ebenfalls beteiligt sind.*)
VolltextIBRRS 2016, 0745
OLG Celle, Beschluss vom 23.02.2016 - 13 U 148/15
1. Öffentliche Auftraggeber haben auch im Unterschwellenbereich sowie bei der Vergabe von Dienstleistungskonzessionen das Primärrecht der Europäischen Union zu beachten, sofern ein grenzüberschreitendes Interesse am Auftrag zu bejahen ist.*)
2. Danach ist insbesondere das Transparenzgebot zu beachten. Auch außerhalb des Anwendungsbereiches der Vergabekoordinierungsrichtlinie sind hiernach alle Bedingungen und Modalitäten des Vergabeverfahrens klar, präzise und eindeutig u. a. in der Vergabebekanntmachung zu formulieren, so dass zum einen alle gebührend informierten und mit der üblichen Sorgfalt handelnden Bieter die genaue Bedeutung dieser Bedingungen und Modalitäten verstehen und sie in gleicher Weise auslegen können und zum anderen der Auftraggeber tatsächlich überprüfen kann, ob die Angebote der Bieter die für den betreffenden Auftrag geltenden Kriterien erfüllen.*)
3. Eine Grenze, ab der das Offenlassen konkreter Bewertungsmaßstäbe vergaberechtlich unzulässig ist, ist auch hier erreicht, wenn die aufgestellten Wertungsmaßstäbe so unbestimmt sind, dass die Bieter nicht mehr angemessen über die Kriterien und Modalitäten informiert werden, auf deren Grundlage das wirtschaftlich günstigste Angebot ermittelt wird, und sie in Folge dessen auch vor einer willkürlichen und/oder diskriminierenden Angebotsbewertung nicht mehr effektiv geschützt sind.*)
4. Auch außerhalb des Anwendungsbereiches der Vergabekoordinierungsrichtlinie ist ein Selbstausführungsgebot nur in Ausnahmefällen vergaberechtskonform.*)
VolltextIBRRS 2016, 0732
LG Bonn, Urteil vom 30.10.2015 - 1 O 161/15
1. Der Abbruch von Vertragsverhandlungen ohne triftigen Grund kann im Rahmen eines vorvertraglichen Schuldverhältnisses als schadensersatzbegründende Pflichtverletzung einzustufen sein, wenn die die Verhandlungen abbrechende Partei zuvor bei der Gegenseite in zurechenbarer Weise ein Vertrauen auf das Zustandekommen des Vertrags geweckt hat.
2. Erklärt der Bieter, dass die von ihm angebotene Leistung nicht mehr lieferbar ist und er sich aus diesem Grunde nicht mehr an sein Angebot gebunden sieht, liegt ein für den Abbruch der Vertragsverhandlungen triftiger Grund vor, der einen Schadensersatzanspruch des Auftraggebers ausschließt.
VolltextIBRRS 2016, 0730
KG, Beschluss vom 19.01.2016 - Verg 5/15
Zur Wertfestsetzung im Vergabenachprüfungsverfahren (Optionen auf Vertragsverlängerung; Fortsetzungsfeststellungsantrag; Antrag gemäß § 121 GWB; sonstiger Feststellungsantrag).*)
VolltextVK Westfalen, Beschluss vom 01.03.2016 - VK 1-2/16
1. Es stellt einen Verstoß gegen das Gebot der eindeutigen und erschöpfenden Leistungsbeschreibung des § 8 EG Abs. 1 VOL/A 2009 dar, wenn das Leistungsverzeichnis lediglich in Kurzform die anzuschaffenden Produkte und deren Menge bezeichnet, und auch der vom erfolgreichen Bieter abzuschließende Vertragsentwurf in den Vergabeunterlagen fehlt, so dass die Bieter nicht wissen, zu welchen Konditionen sie liefern müssen.*)
2. Die Vergabestelle darf sich beim Kauf von Software-Volumenlizenzen nicht auf Neulizenzen festlegen und damit zugleich die Lieferung gebrauchter Lizenzen ausschließen, um dem Risiko, bei der Verwendung von Software mit Gebrauchtlizenzen vom Hersteller auf Unterlassung oder Schadensersatz in Anspruch genommen zu werden, zu entgehen. Diesem Risiko kann sie dadurch begegnen, dass sie sich von den Bietern einen geeigneten Nachweis für die Erschöpfung des Verbreitungsrechts vorlegen lässt oder eine Freistellungsvereinbarung in den abzuschließenden Vertrag aufnimmt. Wenn die Vergabestelle auf bestimmte Eigenschaften der Neulizenzen Wert legt, wie zum Beispiel ein Downgrade-Recht, kann sie diese Erwartung in der Ausschreibung formulieren.*)
3. Indem die Vergabestelle eine Beschränkung auf Neulizenzen und die Registrierung der Bieter zu einem "Microsoft Select Plus Vertrag" gefordert hat, wird der Anbieterkreis von vornherein in unzulässiger Weise beschränkt.*)
VolltextIBRRS 2016, 0704
OLG Karlsruhe, Beschluss vom 10.03.2015 - 15 Verg 11/14
1. Die Frage, ob es für den öffentlichen Auftraggeber notwendig war, im Vergabenachprüfungsverfahren einen Rechtsanwalt zuzuziehen, ist auf der Grundlage einer differenzierenden Betrachtung nach den Umständen des Einzelfalls aufgrund einer ex-ante-Prognose zu entscheiden.
2. In seinem originären Aufgabenbereich muss sich ein öffentlicher Auftraggeber die für ein Nachprüfungsverfahren notwendigen Sach- und Rechtskenntnisse grundsätzlich selbst verschaffen. Für schwierig gelagerte Rechtsfragen, die zu den auftragsbezogenen Rechtsfragen hinzukommen, insbesondere wenn sie Bezüge zu höherrangigem Recht und Europarecht aufweisen, darf er gegebenenfalls externen Rechtsrat einholen.
VolltextIBRRS 2016, 0682
OLG Celle, Beschluss vom 10.03.2016 - 13 Verg 5/15
1. In Fällen, in denen der Antragsteller mit dem Ziel der Erlangung primären Vergaberechtsschutzes die Aufhebung des ausgeschriebenen Vergabeverfahrens zum Gegenstand einer Nachprüfung macht, ist die Vergabekammer oder das Beschwerdegericht bei Vorliegen eines Feststellungsinteresses des Antragstellers auf dessen Antrag auch zur Feststellung der durch die Aufhebung eingetretenen Rechtsverletzung befugt, wenn sich herausstellt, dass trotz eines Vergabeverstoßes aufgrund des dem Auftraggeber zustehenden Entscheidungsspielraums eine auf die Fortsetzung des aufgehobenen Vergabeverfahrens gerichtete Anordnung nicht ergehen kann.*)
2. Die Antragsbefugnis im Sinne des § 107 Abs. 2 Satz 1 GWB setzt zwar einen "schlüssigen" Vortrag der Verletzung vergaberechtlicher Vorschriften voraus. Der Begriff der "Schlüssigkeit" ist hier aber nicht im Sinne der zivilprozessualen Relationstechnik dahin zu verstehen, dass vorausgesetzt wäre, dass - die Richtigkeit des Tatsachenvortrags des Antragstellers unterstellt - die begehrte Rechtsfolge abschließend feststehen müsste. Vielmehr muss der Tatsachenvortrag nur "geeignet sein", seine Richtigkeit unterstellt, einen Vergabeverstoß darzutun. Die Antragsbefugnis kann nur fehlen, wenn offensichtlich eine Rechtsbeeinträchtigung nicht vorliegt.*)
3. In Fällen, in denen die Preise eingereichter Angebote die von der Vergabestelle vorab ermittelten Kosten übersteigen, kommt eine (sanktionsfreie) Aufhebung des Vergabeverfahrens wegen eines anderen schwerwiegenden Grundes im Sinne des § 17 EG Abs. 1 Nr. 3 VOB/A u. a. in folgenden Fällen in Betracht:
a) Eine mangelnde Finanzierbarkeit kann einen die Aufhebung des Vergabeverfahrens rechtfertigenden anderen schwerwiegenden Grund darstellen. Voraussetzung ist dabei zum einen, dass der Auftraggeber den Kostenbedarf mit der gebotenen Sorgfalt ermittelt hat. Weiter muss die Finanzierung des ausgeschriebenen Vorhabens bei Bezuschlagung auch des günstigsten wertungsfähigen Angebotes scheitern oder jedenfalls wesentlich erschwert sein. Dies erfordert in einem ersten Schritt, dass der Auftraggeber die Kosten für die zu vergebenden Leistungen sorgfältig ermittelt. In einem zweiten Schritt hat er zu berücksichtigen, dass es sich bei der Kostenermittlung nur um eine Schätzung handelt, von der die nachfolgenden Ausschreibungsergebnisse erfahrungsgemäß mitunter nicht unerheblich abweichen. Er hat deshalb für eine realistische Ermittlung des Kostenbedarfs einen ganz beträchtlichen Aufschlag auf den sich nach der Kostenschätzung ergebenden Betrag vorzunehmen. Regelmäßig wird insoweit von der Rechtsprechung ein Aufschlag in Höhe von rund 10 % verlangt.*)
b) Weiter kommt eine Aufhebung des Vergabeverfahrens aufgrund eines anderen schwerwiegenden Grundes im Sinne des § 17 EG Abs. 1 Nr. 3 VOB/A bei einer fehlenden Wirtschaftlichkeit in Betracht. Das Ausschreibungsergebnis kann unwirtschaftlich sein, wenn die wertungsfähigen Angebote ein unangemessenes Preis-Leistungsverhältnis aufweisen. Dies kommt in Betracht, wenn die vor der Ausschreibung vorgenommene Kostenschätzung der Vergabestelle aufgrund der bei ihrer Aufstellung vorliegenden und erkennbaren Daten als vertretbar erscheint und die im Vergabeverfahren abgegebenen Gebote deutlich darüber liegen. Zumindest im Regelfall, in dem keine weiteren Umstände eine abweichende Beurteilung erfordern, rechtfertigt erst eine Abweichung des günstigsten Angebotes von vertretbaren Kostenschätzungen in Höhe von rund 20 % einen Rückschluss auf ein unangemessenes Preis-Leistungs-Verhältnis.*)
c) Auch über den Fall des unangemessenen Preis-Leistungs-Verhältnisses hinaus kann die Bezuschlagung des wertungsfähigen Angebotes aus sonstigen Gründen in einem Maße unwirtschaftlich i. w. S. sein, dass dies einen anderen schwerwiegenden Grund im Sinne des § 17 EG Abs. 1 Nr. 3 VOB/A darstellte, weil beispielsweise zwar ausreichendes Fremdkapital zu erlangen ist, die (gesteigerten) Kreditkosten aber einem späteren wirtschaftlichen Betrieb entgegenstehen. Denkbar erscheinen insoweit auch Fälle, in denen zwar in größerem Umfang Eigenkapital eingebracht werden könnte, dann aber die Aufgabenerfüllung in anderen Bereichen unzumutbar einzuschränken wäre.*)
IBRRS 2016, 0673
VK Thüringen, Beschluss vom 09.03.2015 - 250-4003-1587/2015-E-016-EF
Nimmt der Antragsteller im Anschluss an das Bekanntwerden der Zuschlagserteilung durch eine Mitteilung der Vergabestelle seinen Nachprüfungsantrag zurück, sind die Einstellung des Nachprüfungsverfahrens anzuordnen und dem Antragsteller die Kosten des Nachprüfungsverfahrens aufzuerlegen.
VolltextIBRRS 2016, 0660
VK Bund, Beschluss vom 18.02.2016 - VK 2-137/15
1. Die Entscheidung der Bundesrepublik Deutschland als Auftraggeber, das bestehende LKW-Mautsystem so auszubauen, dass es ab dem 01.09.2018 auch auf allen Bundesstraßen Mauteinnahmen generiert, führt zwar dazu, dass allein die Toll Collect GmbH als Inhaberin von für die Leistungserbringung erforderlichen Ausschließlichkeitsrechten in der Lage ist, den Auftrag auszuführen. Dessen ungeachtet ist diese Entscheidung vom Leistungsbestimmungsrecht des Auftraggebers gedeckt.
2. Allein aufgrund des Umstands, dass zwischen dem Auftraggeber und dem Bieter ein Schiedsverfahren anhängig ist, kann nicht auf eine mangelnde Eignung des Bieters geschlossen werden.
IBRRS 2016, 0659
OLG Frankfurt, Beschluss vom 20.01.2016 - 11 Verg 11/15
Stehen im Mittelpunkt eines Nachprüfungsverfahrens auftragsbezogene Sach- und Rechtsfragen, spricht im allgemeinen mehr dafür, dass der öffentliche Auftraggeber die erforderlichen Sach- und Rechtskenntnisse in seinem originären Aufgabenkreis ohnehin organisieren muss und daher auch im Nachprüfungsverfahren nicht notwendig eines anwaltlichen Bevollmächtigten bedarf.*)
VolltextIBRRS 2016, 0648
VK Bund, Beschluss vom 23.07.2015 - VK 1-55/15
1. Eignungsanforderungen, die ortsansässige Bieter bevorzugen und bereits bei Angebotsabgabe eine Präsenz am Leistungsort verlangen, sind vergaberechtlich äußerst bedenklich.
2. Auch Unterkostenangebote können wettbewerbskonform sein.
3. Kann der Auftraggeber keine zuverlässigen Angaben über die Leistungs- und Liefermengen (hier: von Druckerzeugnissen) machen, genügt es, den Bietern vergleichbare Daten aus der Vergangenheit zu überlassen, um diesen eine einheitliche und möglichst genaue Kalkulation zu ermöglichen.
IBRRS 2016, 0633
VK Westfalen, Beschluss vom 29.02.2016 - VK 1-5/06
Sämtliche Erklärungen der Vergabestelle - sei es in den Vergabeunterlagen oder in Antworten auf Bieteranfragen - müssen eindeutig und unmissverständlich sein.
VolltextVPRRS 2016, 0115
VK Bund, Beschluss vom 19.01.2015 - VK 1-114/14
Der Auftraggeber kann das Vergabeverfahren so ausgestalten, dass ein Bieter zwar für mehrere Lose Angebote abgeben, aber nur in dem mengenmäßig größerem den Zuschlag erhalten kann. Eine solche Zuschlagslimitierung muss aber durch objektive, zutreffende und nachvollziehbare Gründe gerechtfertigt sein.
VolltextIBRRS 2016, 0603
VK Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 17.12.2015 - 3 VK LSA 73/15
1. Bringt der Aussteller eines geforderten Nachweises auf dem Original zum Ausdruck, dass er unbeglaubigte Fotokopien nicht zulassen bzw. diese nur im Original im Rechtsverkehr gelten lassen will, ist die in Fotokopie vorgelegte Bescheinigung nicht "gültig".
2. Erklärt der Auftraggeber, dass Bestätigungen/Nachweise zu den Eigenerklärungen gesondert verlangt werden müssen, der Bieter diese innerhalb einer gesetzten Frist vorzulegen hat und nicht vollständige Unterlagen nach nochmaliger Aufforderung innerhalb einer Nachfrist von sechs Kalendertagen ausgeschlossen werden, führen die innerhalb der Frist verlangten fehlenden Bestätigungen/ Nachweise nicht zum Ausschluss des Angebots, sondern nur zur Unvollständigkeit und damit zur Pflicht zur nochmaligen Aufforderung der Vorlage durch den Auftraggeber.
IBRRS 2016, 0601
VK Bund, Beschluss vom 23.01.2015 - VK 1-122/14
1. Eine Bietergemeinschaft bzw. ihr Angebot ist wegen unzulässiger, wettbewerbsbeschränkender Abrede auszuschließen, falls die Bildung der Bietergemeinschaft einen Verstoß gegen das Kartellverbot darstellt.
2. Gehören die Mitglieder einer Bietergemeinschaften ein und derselben wirtschaftlichen Einheit an bzw. bilden ein einheitliches Unternehmen, greift das Kartellverbot tatbestandlich nicht ein.
VolltextIBRRS 2016, 0590
VK Thüringen, Beschluss vom 05.03.2015 - 250-4003-819/2015-E-001-GRZ
Die Bekanntmachung einer beabsichtigten Auftragsvergabe wird nach dem in Anhang II der Verordnung (EG) zur Einführung von Standardformularen für die Veröffentlichung von Vergabebekanntmachungen auf dem Gebiet der öffentlichen Aufträge in der jeweils geltenden Fassung enthaltenen Muster erstellt. Das bedeutet, dass alle im Bekanntmachungsmuster zutreffenden Angaben durch die Vergabestelle anzugeben sind. Die Hinzufügung oder die Abminderung von Eignungsanforderungen in den Vergabeunterlagen ist demzufolge unzulässig.
VolltextIBRRS 2016, 0567
VK Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 15.01.2016 - 3 VK LSA 77/15
1. Hat der Auftraggeber weder in der öffentlichen Bekanntmachung noch in der Aufforderung zur Abgabe eines Angebotes Zuschlagskriterien benannt, darf nur der niedrigste Preis als Wirtschaftlichkeitskriterium angewendet werden.
2. Im Unterschwellenbereich dürfen Nebenangebote auch dann gewertet werden, wenn für sie keine Mindestanforderungen benannt sind und alleiniges Zuschlagskriterium der Preis ist.
IBRRS 2016, 0562
LG Saarbrücken, Urteil vom 23.07.2015 - 4 O 346/11
Schließt der Vorstand einer Stiftung des öffentlichen Rechts ohne die erforderliche europaweite Ausschreibung Projektsteuerungsverträge mit einem Architekturbüro ab, obwohl er über die Vergaberechtswidrigkeit seines Verhaltens informiert war und setzt sich damit über seine Kenntnisse bösgläubig hinweg, so rechtfertigt dies die Kündigung seines Anstellungsvertrags aus wichtigem Grund gemäß § 626 BGB.*)
VolltextIBRRS 2016, 0541
VK Bund, Beschluss vom 04.01.2016 - VK 2-125/15
1. Eine Gesamtvergabe von Leistungen ist gerechtfertigt, sofern wirtschaftliche oder technische Gründe dies erfordern. Bei der Entscheidung für oder gegen eine Gesamtvergabe kommt dem Auftraggeber ein Einschätzungsspielraum zu.
2. Rechtliche Schwierigkeiten bei der Gewährleistung stellen das schwächste Argument für eine Gesamtvergabe dar, da dies bei einer Losaufteilung regelmäßig der Fall ist.
3. Eine Gesamtvergabe ist zulässig, wenn eine Losaufteilung vergaberechtlich höchst angreifbar wäre.
IBRRS 2016, 0532
VK Bund, Beschluss vom 09.12.2015 - VK 2-107/15
1. Angebote, deren Preise (Gesamtpreis) in einem offenbaren Missverhältnis zur Leistung stehen und prognostisch erwarten lassen, der Bieter werde seine vertraglichen Verpflichtungen nicht bis zum Ablauf des Vertrags erfüllen können, sind auszuschließen.
2. Ein offenbares Missverhältnis zwischen Preis und Leistung besteht nicht, wenn das Angebot entweder auskömmlich ist oder zwar unauskömmlich ist, aber weder in Marktverdrängungsabsicht abgegeben wurde noch die Prognose begründet, der Bieter werde zu diesem Preis nicht über die gesamte Laufzeit des ausgeschriebenen Vertrages leistungsfähig bleiben.
3. Bei der Prüfung der Frage, ob ein Angebotspreis auskömmlich ist oder nicht, kommt es entscheidend darauf an, ob der Vertrag selbst für den Bieter auskömmlich ist; maßgeblich ist eine vertragsbezogene Betrachtung. Dagegen ist unerheblich, welche Fern- oder Folgewirkungen der ausgeschriebene Vertrag haben wird.
VolltextIBRRS 2016, 0454
VK Thüringen, Beschluss vom 06.02.2015 - 250-4004-8454/2014-E-069-WE
Ingenieurleistungen im Zusammenhang mit der bergrechtlichen Verwahrung (Verfüllung und Zementierung) von Erdgasbohrungen sind keine Tiefbauarbeiten.
VolltextIBRRS 2016, 0460
VK Bund, Beschluss vom 03.02.2016 - VK 1-126/15
1. Ein Verhandlungsvorbehalt betreffend die Zahlungsbedingungen stellt eine unzulässige Änderung der Vergabeunterlagen dar, auch wenn das Verhandlungsergebnis akzeptiert werden soll.
2. Mindestanforderung an die Eignung sind bereits in der Bekanntmachung zu benennen und dürfen zu einem späteren Zeitpunkt, so etwa mit Übersendung der Vergabeunterlagen, nicht mehr wirksam gefordert, sondern lediglich konkretisiert werden.
VolltextVPRRS 2016, 0081
VK Hamburg, Beschluss vom 18.02.2015 - VgK FB 8/14
1. Es ist technisch ohne weiteres möglich, hinter einer optisch einheitlich gestalteten Internet-Oberfläche mit einem einheitlichen Zugang Medienangebote zu bündeln, die von unterschiedlichen Anbietern stammen.
2. Auch wenn ein öffentlicher Auftraggeber davon ausgeht, dass andere Anbieter am Markt nicht in der Lage sind, den Beschaffungsgegenstand zu liefern, entbindet ihn dies nicht von seiner Pflicht, Beschaffungen im Rahmen eines ordnungsgemäßen Vergabeverfahrens vorzunehmen.
3. Ein nicht unter den Auftragsbegriff des § 99 GWB fallendes Inhouse-Geschäfts liegt vor, wenn der öffentliche Auftraggeber eine ähnliche Kontrolle über das auftragnehmende Unternehmen ausübt wie über seine eigenen Dienststellen und das Unternehmen seine Tätigkeit im Wesentlichen für die öffentliche Körperschaft verrichtet, die seine Anteile hält.
VolltextIBRRS 2016, 0522
OLG Rostock, Beschluss vom 06.11.2015 - 17 Verg 2/15
Wird eine Leistung trotz Überschreitens des Schwellenwerts nicht europaweit ausgeschrieben, liegt ein Verstoß gegen die Informations- und Wartepflicht aus § 101a Abs. 1 GWB vor, wenn der Auftraggeber den Zuschlag erteilt, ohne die nicht berücksichtigten Bieter zuvor benachrichtigt zu haben. Gleichzeitig liegt eine unechte De-facto-Vergabe vor. Diese Vergaberechtsverstöße führen zur Unwirksamkeit des Vertrags.
IBRRS 2016, 0478
VK Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 06.11.2015 - 1 VK LSA 10/15
1. Mit dem Wegfall der Regelung zum ungewöhnlichen Wagnis in der VOL/A 2009 sind die Kalkulationsrisiken grundsätzlich vom Bieter zu tragen. Diese können nur noch unter dem Gesichtspunkt der Unzumutbarkeit beanstandet werden.*)
2. Eine Bestimmung der zuständigen Vergabekammer ist durch die Auftraggeberseite nur dann gegeben, wenn es sich in Anwendung des § 106a Abs. 3 Satz 2 GWB um eine länderübergreifende Beschaffung handelt. Die im Streit stehende Beschaffung betrifft aber ausschließlich Sachsen-Anhalt. Der Gesetzgeber hat zur Regelung derartiger Zuständigkeitskonflikte zwischen den Vergabekammern des Landes und des Bundes in § 120 Abs. 2 GWB auf eine entsprechende Anwendung des § 73 GWB - und infolgedessen auch des § 35 ZPO verwiesen.*)
VolltextIBRRS 2016, 0501
OLG Düsseldorf, Beschluss vom 16.12.2015 - Verg 25/15
1. Die Bieter müssen erkennen können, unter welchen konkreten Voraussetzungen ein Wertungskriterium als nicht den Anforderungen genügend (null Punkte), als mit Einschränkungen den Anforderungen genügend (ein Punkt) oder als den Anforderungen besonders dienlich (drei Punkte) gewertet wird.
2. Ein Bewertungsmaßstab, der es in Verbindung mit den aufgestellten Unterkriterien nicht zulässt, im Vorhinein zu bestimmen, welchen Erfüllungsgrad (Zielerreichungsgrad) die Angebote aufweisen müssen, um mit den festgelegten Punktwerten bewertet zu werden, ist intransparent.
IBRRS 2016, 0487
VK Westfalen, Beschluss vom 26.01.2016 - VK 1-44/15
1. Will eine Vergabestelle einen Bieter wegen angeblicher Quersubventionierung mit seinem Angebot ausschließen, und widerspricht der Bieter dieser Auffassung der Vergabestelle, so muss die Vergabestelle diesen Widerspruch im Rahmen eines Aufklärungsverfahrens versuchen aufzuklären.*)
2. Findet keine Aufklärung statt und reagiert die Vergabestelle in einem Nachprüfungsverfahren auch nicht auf eine Fristsetzung gemäß § 113 Abs. 2 GWB, kann das dazu führen, dass bei der Wiederholung der Wertung dieser Gesichtspunkt (Aufklärung in Bezug auf konkrete Tatsachen) ausgeschlossen bleiben muss.*)
3. Die Kalkulation ist Sache der Bieter und ein öffentlicher Auftraggeber hat keine Rechtsgrundlage dafür, seine eigenen betriebswirtschaftlichen Kalkulationsüberlegungen an die Stelle der Kalkulation der Bieter zu setzen.*)
4. Abgrenzung einer Klageerweiterung von einer Berichtigung des Rubrums im Sinne von § 319 ZPO, die ohne Weiteres von Amts wegen durch die Vergabekammer erfolgen kann.*)