Bau-, Architekten- und Immobilienrecht.
IBR 12/2014 - Vorwort
Liebe Leserin,
lieber Leser,
in dieser Ausgabe der IBR finden Sie Beiträge zu mehreren aktuellen Entscheidungen des BGH zum Bau- und Architektenrecht.
Im Bauvertragsrecht ist zunächst auf das Urteil vom 01.10.2014 hinzuweisen, mit dem der BGH die bei öffentlichen Ausschreibungen bisweilen verwendete HVA B-StB-Stoffpreisgleitklausel (03/06) als ungewöhnlich und deshalb überraschend angesehen hat, so dass die Klausel nicht Vertragsbestandteil wird ( S. 717). In dem vom BGH entschiedenen Sachverhalt konnte der Auftragnehmer deshalb über 160.000 Euro nachfordern. Die Entscheidung ist deshalb von besonderer Bedeutung, weil sie Auftragnehmern die Möglichkeit eröffnet, auch bei bereits abgeschlossenen und abgerechneten Projekten vom öffentlichen Auftraggeber gegebenenfalls auf der Grundlage dieser Stoffpreisgleitklausel vorgenommene Kürzungen nachzufordern. Das gilt jedoch nicht, wenn die Forderung bereits verjährt ist und der Auftraggeber die Einrede der Verjährung erhebt. Mit dem Einwand, der Auftragnehmer habe seine Schlussrechnung gestellt und Nachforderungen seien deshalb ausgeschlossen, wird der öffentliche Auftraggeber hingegen nicht durchdringen können. Denn es gibt im Bauvertragsrecht - anders als im Architektenrecht - keinen Grundsatz, wonach der Auftragnehmer (unter bestimmten Voraussetzungen) an seine Schlussrechnung gebunden ist (siehe z. B. OLG Hamm, IBR 2012, 253). Etwas anderes kann im VOB-Vertrag gelten, wenn die Schlusszahlung vorbehaltslos angenommen und der Auftragnehmer auf die Schlusszahlung und auf die Ausschlusswirkung hingewiesen wurde (VOB/B § 16 Abs. 3 Nr. 2). Diese Regelung ist allerdings AGB-widrig und unwirksam, wenn man - wie dies in der Praxis üblich ist - die VOB/B nicht "als Ganzes" vereinbart hat (BGH, IBR 2002, 1).
Die Abrechnung eines gekündigten Pauschalpreisvertrags bereitet in der Praxis immer wieder Schwierigkeiten. Das ist darauf zurückzuführen, dass der Auftragnehmer nach der Rechtsprechung des BGH die erbrachten Leistungen darzulegen und vom nicht ausgeführten Teil abzugrenzen hat. Die Höhe der Vergütung für die erbrachten Leistungen ist nach dem Verhältnis des Werts der erbrachten Teilleistung zum Wert der nach dem Pauschalvertrag geschuldeten Gesamtleistung zu errechnen. Der Auftragnehmer muss deshalb das Verhältnis der bewirkten Leistungen zur vereinbarten Gesamtleistung und des Preisansatzes für die Teilleistungen zum Pauschalpreis darlegen (vgl. BGH, IBR 1999, 202). Diesen Anforderungen wird vielfach nicht genügt. Stehen aber nur noch ganz geringfügige Leistungen aus und können keine kalkulatorischen Verschiebungen zu Lasten des Auftraggebers verdeckt werden, kann der Auftragnehmer seinen (Rest-)Werklohnanspruch auch auf die Weise berechnen, dass die nicht erbrachte Leistung bewertet und von der Gesamtvergütung abgezogen wird. Das hat der BGH am 16.10.2014 im Anschluss an sein Urteil vom 04.05.2000 ( IBR 2000, 414) entschieden ( S. 728).
Im Bereich Bausicherheiten hat der BGH eine in Allgemeinen Geschäftsbedingungen des Auftraggebers enthaltene Vertragsklausel, wonach Gewährleistungsansprüche bis zur vorbehaltlosen Annahme der Schlusszahlung des Auftraggebers in Höhe von 7% der Auftrags- bzw. Abrechnungssumme durch Bürgschaften gesichert sind, wegen unangemessener Benachteiligung des Auftragnehmers für unwirksam erklärt ( S. 735). Die Entscheidung betrifft eine Vielzahl von Verträgen, weil die verworfene Regelung aus dem Vergabehandbuch des Bundes stammt.
Im Recht der Architekten und Ingenieure ist ein ebenfalls am 16.10.2014 verkündetes Urteil des BGH hervorzuheben. Nach Ansicht des Gerichts muss sich der Auftraggeber ein schuldhaftes Verhalten des mit der Planung beauftragten Architekten zurechnen lassen, wenn der Architekt zwar nicht einseitig eine Planungsänderung vorgibt, eine solche Änderung jedoch auf sein Betreiben hin einvernehmlich zwischen Auftraggeber und Auftragnehmer vereinbart wird und der Architekt insoweit die Planungsverantwortung übernimmt. In einem solchen Fall kommt es nicht darauf an, ob der Auftragnehmer einen Änderungsvorschlag unterbreitet hat ( S. 740).
Bei der Vergabe von Leistungen dürfen Bezeichnungen für bestimmte Erzeugnisse oder Verfahren, wie z. B. Markennamen, nach § 7 Abs. 4 Satz 1 bzw. § 8 EG Abs. 7 Satz 1 VOL/A 2009 ausnahmsweise, jedoch nur mit dem Zusatz "oder gleichwertiger Art" verwendet werden, wenn eine hinreichend genaue Beschreibung durch verkehrsübliche Bezeichnungen nicht möglich ist. Gemäß Satz 2 der zuvor genannten Vorschriften kann der Zusatz "oder gleichwertiger Art" entfallen, wenn ein sachlicher Grund die Produktvorgabe rechtfertigt. Eine solche Ausnahme sieht Art. 23 Abs. 8 Richtlinie 2004/18/EG hingegen nicht vor. Dieser (vermeintliche) Widerspruch ist nach Ansicht der VK Nordbayern dadurch aufzulösen, dass Produktvorgaben bei europaweiten Vergaben zwingend mit dem Zusatz "oder gleichwertig" zu versehen sind ( S. 755).
Auch alle anderen Beiträge empfehle ich Ihrer Aufmerksamkeit.
Mit freundlichen Grüßen
Ihr
RA Stephan Bolz
Chefredakteur