Bau-, Architekten- und Immobilienrecht.
IBR 4/2007 - Vorwort
Liebe Leserin,
lieber Leser,
in der Rubrik Bauvertrag darf ich auf zwei sehr interessante Entscheidungen des OLG Hamm ( S. 179, S. 193) hinweisen. Im ersten Fall geht es um das sog. Vergabeverfahrensrisiko. Ein Bieter erhält erst nach Verlängerung der Angebotsbindefrist den Zuschlag. Während dieser Zeit erhöhen sich – so die Behauptung des Unternehmers – die Stahlpreise erheblich, so dass er nach Zuschlagserteilung eine Mehrvergütung verlangt. Nach OLG Hamm ( S. 179) steht dem Unternehmer dem Grunde nach ein solcher Mehrvergütungsanspruch zu. Interessant ist die Begründung: Das OLG sieht – anders als OLG Jena, IBR 2005, 462 – in dem verspäteten Zuschlag ein modifiziertes Angebot des Auftraggebers, dass nunmehr seinerseits erst einmal vom Bieter angenommen werden müsse. Aus dieser Konstruktion folgt, dass der Bieter bei der Annahme des neuen Angebots erklären muss, ob und in welchem Umfang er eine Mehrvergütung beansprucht. Unterlässt er dies, kann darin ein Einverständnis mit den überholten Angebotsbedingungen liegen, so dass die Bauzeitverlängerung von der ursprünglich angebotenen Vergütung als abgegolten gilt. Ähnliches hat bereits der BGH – allerdings für eine nicht-öffentliche Vergabe – entschieden ( IBR 2005, 299). Da im konkreten Fall der Unternehmer seine Mehrvergütung rechtzeitig angemeldet hatte, kam der Vertrag auch mit diesem Mehrvergütungsanspruch – jedenfalls dem Grunde nach – zu Stande.
Zu der Frage, wann die Forderung aus einer Gewährleistungsbürgschaft fällig wird und damit die Verjährung zu laufen beginnt, hat sich das OLG Hamm ( S. 193) für die sog. Paralleltheorie entschieden. Danach beginnt also die dreijährige Verjährungsfrist des Bürgschaftsanspruchs parallel mit der Fälligkeit des Mangelanspruchs, der grundsätzlich einer Verjährung von fünf Jahren unterliegt. Infolge dessen kann die Bürgschaftsforderung möglicherweise schon vor der Hauptforderung verjähren.
Für Architekten, Ingenieure und Projektsteuerer ist eine Entscheidung des BGH ( S. 207) von Bedeutung, die sich mit der Abrechnung eines gekündigten Projektsteuerungsvertrags mit Pauschalhonorar beschäftigt. Dabei stellt der BGH heraus, dass die Preisvorschriften der HOAI auf Projektsteuerer nicht anwendbar sind, so dass auch § 8 HOAI, wonach die Stellung einer prüfbaren Honorarschlussrechnung Fälligkeitsvoraussetzung ist, nicht zur Anwendung kommt. Der BGH qualifiziert den Projektsteuerungsvertrag im konkreten Fall aufgrund der erfolgsbezogenen Leistungspflichten als einen Werkvertrag und verlangt nach den allgemeinen Abrechnungsvorschriften bei gekündigten Werkverträgen die Abgrenzung der erbrachten Leistungen von den nicht erbrachten Leistungen und die jeweils anteilige Ermittlung des Pauschalhonorars. Dabei billigt der BGH die Bezugnahme auf die analog § 204 AHO vorgenommene Abrechnung nach einzelnen Projektphasen und Vom-Hundert-Sätzen des Gesamthonorars.
Im Bauträgerrecht stellt sich bei Mängeln am Gemeinschaftseigentum immer wieder die Frage, wie sehr der Einzelerwerber bei der Ausübung seiner Rechte an das Vorgehen der Eigentümergemeinschaft gebunden ist. Das OLG Hamm ( S. 209) hat dazu jetzt entschieden, dass die durch den einzelnen Käufer gesetzte Frist zur Mängelbeseitigung mit Ablehnungsandrohung unwirksam wird, wenn der Bauträger auf Verlangen der Gemeinschaft einen Vorschuss zur Beseitigung des Mangels am Gemeinschaftseigentum bezahlt hat. Das hätte zur Konsequenz, dass der einzelne Käufer sein bereits entstandenes Recht auf Rücktritt bzw. Wandlung des Bauträgervertrags wieder verliert. Ob das mit der BGH-Rechtsprechung übereinstimmt, erscheint zweifelhaft. Wenzel, ehemals Vorsitzender Richter des V. Senats beim BGH, hat dieses Urteil kritisch kommentiert.
Das OLG Brandenburg ( S. 212) hat auf eine wichtige Voraussetzung für die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen aus fehlerhafter Vergabe hingewiesen: Der Anspruchsteller muss selbst ein vollständiges Angebot abgegeben haben, sonst hätte ja sein Angebot nicht angenommen werden dürfen. Ein auf entgangenen Gewinn gerichteter Schadensersatzanspruch eines Bieters ist also nur dann begründet, wenn dieser Bieter bei ordnungsgemäßer Durchführung des Vergabeverfahrens den Zuschlag hätte erhalten müssen. Auch die Ersatzfähigkeit des negativen Interesses setzt grundsätzlich über einen Vergabeverstoß hinaus voraus, dass dem Bieter der Zuschlag hätte erteilt werden müssen.
Auch alle anderen Beiträge dieser Ausgabe seien Ihrer aufmerksamen Lektüre empfohlen..
Mit freundlichen Grüßen
RA Dr. Alfons Schulze-Hagen
Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht
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