Bau-, Architekten- und Immobilienrecht.
IBR 5/2017 - Vorwort
Liebe Leserin, lieber Leser,
im Bauvertragsrecht ist es offenbar nach wie vor üblich, dass die Vergütung „schwarz“ gezahlt wird, um auf diese Art und Weise die Umsatzsteuer „zu sparen“. Darauf, dass dies sowohl für den Auftraggeber als auch für den Auftragnehmer mit recht unangenehmen Folgen verbunden ist, hat der Bundesgerichtshof in den vergangenen Jahren gleich mehrfach hingewiesen. Denn eine Schwarzgeldabrede führt zur Nichtigkeit des Vertrags und dazu, dass dem Auftraggeber bei Mängeln keine Gewährleistungsansprüche zustehen (BGH, IBR 2013, 609). Auf der anderen Seite kann der Auftragnehmer, selbst wenn er die Leistung bereits ganz oder teilweise ausgeführt hat, keine Zahlungsansprüche geltend machen (BGH, IBR 2014, 327). Diese Rechtsfolgen treten nicht nur bei einer anfänglichen Schwarzgeldabrede ein, sondern auch dann, wenn sich die Beteiligten nach Vertragsschluss darauf verständigen, dass der Auftragnehmer einen Teil der Leistung ohne Rechnung ausführen soll. Das hat der Bundesgerichtshof mit Urteil vom 16.03.2017 entschieden ( S. 246).
Nicht nur, aber auch im Bauträgerrecht stellt sich immer wieder die Frage, wie im Detail nicht beschriebene, aber aufgrund einer funktionalen Leistungsbeschreibung „global“ geschuldete Leistungen auszuführen sind. Sie ist durch eine Auslegung des Vertrags zu beantworten. Der Bundesgerichtshof hat in der bekannten Sonderfarben-Entscheidung ausgeführt, dass in diesem Zusammenhang „auch der technische und qualitative Zuschnitt des ausgeschriebenen Vorhabens, sein architektonischer Anspruch und die Bestimmung des Gebäudes bedeutsam werden. Bestimmte Vorgaben sind im Zusammenhang eines einfachen Industriebaus anders zu verstehen als bei einem Repräsentativgebäude. So kann deshalb etwa der erwartete Qualitätsstandard nach der Zweckbestimmung des Gebäudes erheblich schwanken. Auch die zu erwartenden Anforderungen an die ästhetische Gestaltung sind bei einem schlichten Bürogebäude anders zu sehen als bei einem Repräsentativbau“ (BGH, Urteil vom 22.04.1993 – VII ZR 118/92, NJW-RR 1993, 1109 [1110], insoweit in IBR 1993, 410, nicht wiedergegeben). Das bedeutet, dass sich die Ausführung der nicht im Detail beschriebenen Leistung am Qualitätsmaßstab des Bauvorhabens zu orientieren hat. Entspricht das versprochene Bauwerk dem üblichen Qualitäts- und Komfortstandard, kann der Auftraggeber deshalb die Ausführung nicht näher beschriebener Details in diesem Standard verlangen und muss sich nicht mit einem Mindeststandard zufrieden geben. Darauf weist das OLG München hin ( S. 254).
Im Recht der Architekten und Ingenieure ist das – ebenfalls am 16.03.2017 verkündete – Urteil des Bundesgerichtshofs zur honorarrechtlichen (Un-)Zulässigkeit einer „entgeltlichen Akquise“ hervorzuheben. In dem dem Rechtsstreit zu Grunde liegenden Sachverhalt hatten Architekt und Bauherr im Anschluss an eine kostenfreie Akquisitionsphase vereinbart, für die „weiterführenden Arbeiten (...) bis zur Klärung der detaillierten Bauaufgabe eine Abrechnung auf der Grundlage des tatsächlich benötigten Zeitaufwands“ vorzunehmen und „diese Aufwendungen beim noch abzuschließenden Architektenvertrag mit dem dort vereinbarten Honorar (zu) verrechnen“. Als feststand, dass das Bauprojekt nicht durchgeführt werden sollte, rechnete der Architekt sein Honorar auf Basis der HOAI-Mindestsätze ab und machte über das Stundensatzhonorar hinaus weitere 80.000 Euro geltend, allerdings zunächst ohne Erfolg (OLG Jena, IBR 2014, 278). Nach Ansicht des Bundesgerichtshofs endet eine vergütungsfreie akquisitorische Phase jedoch, sobald – wie im Streitfall – eine Vergütungsvereinbarung getroffen wird. Ab diesem Zeitpunkt gelten für die Vergütung des Architekten die Regeln der HOAI ( S. 260).
Im Vergaberecht gehört das Thema „Angebotswertung nach Schulnoten“ sicherlich zu einem der derzeitigen „Dauerbrenner“, vor allem weil das OLG Düsseldorf reine und durch keine weiteren Unterkriterien konkretisierte Schulnotensysteme als vergaberechtswidrig ansieht (siehe IBR 2017, 88, Leitsatz 1). Das gilt aber nicht per se für sämtliche Schulnotensysteme. Richtig gemacht sind sie durchaus vergaberechtskonform (OLG Düsseldorf, a.a.O.). Denn ein Wertungssystem ist nur dann intransparent, wenn die Bieter nicht erkennen können, wonach der öffentliche Auftraggeber innerhalb des Zuschlagskriteriums die Wertungsabstufung inhaltlich vornehmen will. Es ist aber – insbesondere bei konzeptionellen Ausführungen – weder notwendig noch praktisch handhabbar, jeden denkbaren Wertungsaspekt im Vorhinein einem Punktwert zuzuordnen. Deshalb ist es ausreichend, wenn die Bieter erkennen können, worauf es dem Auftraggeber bei der Anwendung eines ausfüllungsbedürftigen Wertungsschemas inhaltlich ankommt, so das OLG Dresden ( S. 268).
Das Telefax ist aus der Anwaltspraxis nach wie vor nicht wegzudenken, insbesondere wenn es um die Versendung fristwahrender Schriftsätze geht, die „auf den letzten Drücker“ an das Gericht übermittelt werden sollen (umfassend zu den damit verbundenen Problemen siehe Mayer, Des Anwalts Feind: Das Fax, IMR 2016, 489, und IMR 2017, 1 – auch auf ibr-online). Vor diesem Hintergrund ist in der Rubrik Prozessuales auf das Urteil des Bundesgerichtshofs vom 21.03.2017 hinzuweisen, das sich mit der gerichtlichen Fürsorgepflicht im Fall von unvollständig übermittelten Schriftsätzen befasst. Dem Bundesgerichtshof zufolge muss ein Prozessbevollmächtigter nicht bereits am Folgetag auf die von der Geschäftsstelle erkannte Unvollständigkeit eines Schriftsatzes hingewiesen werden, wenn dieser erst am Abend des vorletzten Tages der Rechtsmittelbegründungsfrist unvollständig per Telefax beim Rechtsmittelgericht eingeht ( S. 292).
Auch alle anderen Beiträge empfehle ich Ihrer Aufmerksamkeit.
Mit den besten Grüßen
Ihr
Stephan Bolz
Rechtsanwalt
Verleger und Schriftleiter der IBR