Bau-, Architekten- und Immobilienrecht.
IBR 7/2012 - Vorwort
Liebe Leserin,
lieber Leser,
im Bauvertragsrecht schuldet der Auftragnehmer nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ein funktionstaugliches und zweckentsprechendes Werk. Das gilt auch dann, wenn dieser Erfolg mit der vertraglich vereinbarten Ausführungsart nicht erreicht werden kann (z. B. BGH, IBR 2008, 77). Es stellt sich dann aber die Frage, welche Vertragspartei die mit einer zur Erfolgserreichung notwendigen Leistungsänderung verbundenen Mehrkosten zu tragen hat. Dieses Problem wird seit einiger Zeit unter dem Stichwort „geschuldeter Werkerfolg vs. Verpreister Leistungsumfang“ diskutiert. Liegt dem Bauvertrag eine vom Auftraggeber erstellte Leistungsbeschreibung mit Leistungsverzeichnis zu Grunde, umfasst die Vergütung nur die vereinbarte Herstellungsart. Zusatzarbeiten, die für den geschuldeten Erfolg erforderlich sind, sind vom Auftraggeber gesondert zu vergüten. Das hat der Bundesgerichtshof schon mehrfach entschieden (unter anderem BGH, IBR 2006, 663). Das OLG Schleswig geht demgegenüber davon aus, dass der Auftragnehmer die mit solchen Zusatzleistungen verbundenen Kosten tragen muss, wenn die Parteien hierüber keine Vereinbarung getroffen haben ( S. 388).
Im VOB-Vertrag führt ein schriftliches Mängelbeseitigungsverlangen dazu, dass der Anspruch des Auftraggebers auf Beseitigung der gerügten Mängel in zwei Jahren, gerechnet vom Zugang des schriftlichen Verlangens an, verjährt (sog. Quasi-Neubeginn der Verjährung). Das hat für den Auftraggeber den Vorteil, dass er seine Mängelansprüche in den Fällen drohender Verjährung durch ein „einfaches“ Schreiben erhalten kann und weder auf Verhandlungen mit dem Auftragnehmer angewiesen ist noch ein gerichtliches Verfahren einleiten muss. Nach einem Urteil des OLG Frankfurt genügt allerdings eine Mängelrüge per E-Mail ohne qualifizierte elektronische Signatur dem Schriftformerfordernis des § 13 Abs. 5 Nr. 1 Satz 2 VOB/B nicht ( S. 386). Wenngleich gewichtige Gründe gegen die Meinung des Gerichts sprechen, sollte man ihr in der Praxis vorsorglich folgen und die Mängelbeseitigung entweder schriftlich verlangen oder die E-Mail mit einer entsprechenden Signatur versehen.
Im Zusammenhang mit der Abwicklung eines Bauträgervertrags kann es zu erheblichen Auseinandersetzungen zwischen dem Erwerber und dem Bauträger kommen. Nimmt der Erwerber solche Streitigkeiten zum Anlass, eine Haustür einzubauen und dem Bauträger den Zutritt zur Baustelle zu verwehren, kann das ein Grund für den Bauträger sein, den Vertrag nach vorheriger Abmahnung aus wichtigem Grund zu kündigen. Denn die widerrechtliche Entziehung des Besitzes stellt eine schwerwiegende Vertragsverletzung dar, so das OLG Düsseldorf ( S. 396).
Architekten und Ingenieure erbringen bisweilen umfangreiche Vorarbeiten, obwohl man ihnen gar keinen Auftrag erteilt hat. Handelt es sich dabei um Akquiseleistungen, werden diese nicht vergütet. Die Abgrenzung zwischen vergütungspflichtigen (Planungs-)Leistungen und für den Auftraggeber kostenloser Akquisetätigkeit kann im Einzelfall durchaus schwierig sein, insbesondere wenn das geplante Bauvorhaben nicht realisiert wird. Das OLG Frankfurt hat in seinem Urteil vom 30.04.2012 klargestellt, dass Architekten grundsätzlich nicht unentgeltlich tätig werden. Eine erhebliche Architektentätigkeit ist deshalb keine Akquiseleistung mehr, wenn der Auftraggeber immer neue Anregungen und Planungswünsche an den Architekten heranträgt und der Architekt diese entsprechend abarbeitet ( S. 397).
Im Vergaberecht ist zunächst auf die Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 03.04.2012 hinzuweisen. Weil Angeboten, die geforderte Erklärungen nicht enthalten, der Ausschluss droht, ist der Auftraggeber dazu verpflichtet, die Vergabeunterlagen so eindeutig zu formulieren, dass die Bieter den Unterlagen deutlich und sicher entnehmen können, welche Erklärungen von ihnen wann abzugeben sind. Erfüllen die Vergabeunterlagen diese Anforderung nicht, darf der Auftraggeber ein Angebot nicht ohne Weiteres wegen des Fehlens einer entsprechenden Erklärung aus der Wertung nehmen ( S. 409).
Der Beratungsbedarf öffentlicher Auftraggeber ist – auch in Bezug auf Rechtsberatung – in den vergangenen Jahren stetig angestiegen. Werden solche Leistungen losweise vergeben, ist fraglich, ob diese für die Ermittlung des Auftragswerts addiert werden müssen. Nach Ansicht des OLG Frankfurt scheidet eine Addition aus, wenn die einzelnen Lose unterschiedliche Beratungsgegenstände betreffen. Denn bei freiberuflichen Leistungen sind nur Teilaufträge derselben Leistung zu addieren ( S. 415).
Auch alle weiteren Beiträge empfehle ich Ihrer Aufmerksamkeit.
Mit freundlichen Grüßen Ihr
RA Stephan Bolz
Chefredakteur