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IBR 7/2024 - Vorwort

Liebe Leserin, lieber Leser,

im Bauvertragsrecht nach VOB/B hat der Auftragnehmer einen Anspruch auf Erhöhung der vereinbarten Einheitspreise, wenn der Mengenansatz über 10% unterschritten wird, soweit der Auftragnehmer nicht durch Erhöhung der Mengen bei anderen Ordnungszahlen (Positionen) oder in anderer Weise einen Ausgleich erhält (§ 2 Abs. 3 Nr. 3 Satz VOB/B). Die Erhöhung des Einheitspreises soll im Wesentlichen dem Mehrbetrag entsprechen, der sich durch Verteilung der Baustelleneinrichtungs- und Baustellengemeinkosten sowie der Allgemeinen Geschäftskosten auf die verringerte Menge ergibt. Nachdem der Bundesgerichtshof am 08.08.2019 (Dokument öffnen IBR 2019, 536) zu der Mehrmengen betreffenden Regelung des § 2 Abs. 3 Nr. 2 VOB/B klargestellt hat, dass der neue Einheitspreis auf Basis der tatsächlich erforderlichen Kosten zuzüglich angemessener Zuschläge zu bemessen ist, wenn sich die Parteien nicht über die Preisbildung des neuen Einheitspreises für Mengenmehrungen einigen können, stellt sich die Frage, ob dies auch für Mindermengen gilt. Dieser Meinung war zumindest der Auftraggeber in einem Rechtsstreit vor dem LG Nürnberg-Fürth. Das Landgericht hat sich dem – meiner Meinung nach zu Recht – nicht angeschlossen und entschieden, dass die Berechnung des Anspruchs des Auftragnehmers auf Erhöhung des Einheitspreises wegen einer Unterschreitung des Mengenansatzes gem. § 2 Abs. 3 Nr. 3 VOB/B unter kalkulatorischer Fortschreibung der vereinbarten Einheitspreise erfolgt (Dokument öffnen S. 344).

Hervorzuheben ist zudem eine Entscheidung des OLG Oldenburg zur Angemessenheit einer vom Auftraggeber gesetzten Frist zur Fertigstellung der Leistung im Fall einer Überschreitung des vereinbarten Fertigstellungstermins. Das Gericht betont, dass sich die Angemessenheit der Frist nach den Umständen des Einzelfalls unter Berücksichtigung der beiderseitigen Interessen richtet und im Grundsatz so bemessen sein muss, dass sie für einen leistungsbereiten und leistungsfähigen Auftragnehmer im Hinblick auf die durchzuführenden Maßnahmen bei größter Anstrengung einhaltbar ist. Eine fünftägige Nachfrist, die nur zwei Werktage enthält, ist jedenfalls nicht angemessen. Das Stellen einer unangemessen kurzen Frist setzt eine angemessene Frist in Gang. Kündigt der Auftraggeber jedoch unmittelbar nach dem Ablauf der zu kurz bemessenen Frist und erteilt er dem Auftragnehmer ein sofortiges Baustellenverbot, setzt er den Auftragnehmer außerstande, die Arbeiten fortzusetzen, weshalb er im Ergebnis keinen Anspruch auf Ersatz der ihm durch die Beauftragung eines anderen Unternehmers entstehenden Fertigstellungsmehrkosten hat (Dokument öffnen S. 346).

Mit dem Thema „Kündigung“ befasst sich auch eine Entscheidung des OLG Hamburg. Nach Ansicht der hanseatischen Richter kann eine zur Kündigung aus wichtigem Grund berechtigende Zerstörung des Vertrauensverhältnisses nicht nur auf einzelnen besonders schwer wiegenden Vertragspflichtverletzungen beruhen, sondern sich auch aus einer ganzen Reihe von Pflichtverletzungen, die jeweils für sich genommen zur Rechtfertigung einer außerordentlichen Kündigung nicht ausreichend wären, im Rahmen einer Gesamtabwägung ergeben (Dokument öffnen S. 347).

Im Recht der Architekten und Ingenieure liefert das LG Krefeld die – soweit ersichtlich – erste Entscheidung zur Vorschrift des § 650q Abs. 2 BGB, die im Rahmen der Reform des Bauvertragsrechts im Jahr 2018 eingeführt wurde. Nach § 650q Abs. 2 BGB gelten für die Vergütungsanpassung im Fall von Anordnungen des Bauherrn nach § 650b Abs. 2 BGB die Entgeltberechnungsregeln der HOAI in der jeweils geltenden Fassung, soweit infolge der Anordnung zu erbringende oder entfallende Leistungen von deren Anwendungsbereich erfasst werden. Im Übrigen gilt § 650c BGB entsprechend. Werden also Architekten- oder Ingenieurleistungen nicht vom Anwendungsbereich der HOAI erfasst, richtet sich die Höhe des (Mehr-)Vergütungsanspruchs nach den tatsächlich erforderlichen Kosten, wobei der Mehraufwand des Architekten oder Ingenieurs meist in zusätzlich aufgewendeter Arbeitszeit besteht. Haben die Parteien einen Stundenlohnsatz vereinbart, muss für die zusätzlich aufgewendete Arbeitszeit auch dieser Stundensatz berücksichtigt werden (Dokument öffnen S. 358).

Auch im Vergaberecht spielen Rechtsfragen im Zusammenhang mit der Kündigung von Bauverträgen eine wichtige Rolle, insbesondere bei der Beantwortung der Frage, ob der Auftraggeber nach der Kündigung eines Auftragnehmers (z. B. wegen Mängeln oder Verzugs) „einfach so mal schnell“ einen anderen Unternehmer mit der Mängelbeseitigung und/oder Fertigstellung der Leistung beauftragen kann. Dem Bayerischen Obersten Landesgericht (BayObLG) zufolge geht das nicht. Es hat am 21.02.2024 entschieden, dass nach der Kündigung des ursprünglichen Auftragnehmers noch offene Restleistungen erneut öffentlich auszuschreiben sind und eine Direktvergabe unzulässig ist (Dokument öffnen S. 362).

In der Rubrik „Allgemeines Zivilrecht“ ist schließlich auf ein Urteil des LAG Baden-Württemberg besonders hinzuweisen, das sich mit der Beweiskraft von Einlieferungsbeleg und Sendungsstatus eines Einwurf-Einschreibens befasst, wenn der Empfänger den Zugang des Schreibens bestreitet. Unter Verweis auf die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (u. a. Beschluss vom 11.05.2023 – V ZR 203/22, IBRRS 2023, 1986) betonen die höchsten Arbeitsrichter des Ländles, dass die Kombination von Einlieferungsbeleg und Sendungsstatus noch keinen Beweis des ersten Anscheins für den Zugang begründet. Denn aus dem Sendungsstatus geht weder der Name des Zustellers hervor, noch beinhaltet er eine technische Reproduktion einer Unterschrift des Zustellers, mit der dieser beurkundet, die Sendung eingeworfen zu haben. Der Absender muss deshalb im Bestreitensfall auch eine Reproduktion des Auslieferungsbelegs vorlegen. Kann dieser nicht mehr zur Verfügung gestellt werden, fällt dies in die Risikosphäre des Absenders (Dokument öffnen S. 377).

Auch alle anderen Beiträge empfehle ich Ihrer Aufmerksamkeit.

Ihr

Dr. Stephan Bolz
Rechtsanwalt
Verleger und Schriftleiter der IBR

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