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IBR 11/2024 - Vorwort

Liebe Leserin, lieber Leser,

im Bauvertragsrecht nach BGB kann der Besteller, wenn das Werk mangelhaft ist, nach § 634 BGB wahlweise Mängelbeseitigung (Nacherfüllung) verlangen, den Mangel selbst beseitigen und Ersatz der erforderlichen Aufwendungen geltend machen, vom Vertrag zurücktreten oder die Vergütung mindern oder Schadensersatz oder Ersatz vergeblicher Aufwendungen verlangen. Der Besteller kann – wenn die Voraussetzungen hierfür vorliegen – wählen, welches Mängelrecht er gegenüber dem Unternehmer geltend macht. Höchstrichterlich nicht abschließend geklärt ist jedoch, ob und inwieweit der Besteller an eine einmal getroffene Wahl endgültig gebunden ist, oder ob er nach der Geltendmachung eines Mängelrechts nochmals „wechseln“ kann.

Nach § 281 Abs. 4 BGB erlischt „nur“ der Anspruch auf Nacherfüllung (§ 634 Nr. 1 BGB), sobald der Besteller Schadensersatz statt der Leistung verlangt (§ 634 Nr. 4 BGB). Der Bundesgerichtshof hat dementsprechend u. a. entschieden, dass die Geltendmachung von Schadensersatz statt der Leistung die Möglichkeit, einen Anspruch auf Vorschuss geltend zu machen, nicht ausschließt (BGH, Dokument öffnen IBR 2018, 197). Auch steht eine zunächst erklärte Minderung einem „Wechsel“ hin zum Anspruch auf „kleinen“ Schadensersatz nicht entgegen (BGH, Dokument öffnen IBR 2017, 188). Mit der Erklärung, die Vergütung zu mindern, bringt der Besteller allerdings zum Ausdruck, keine Beseitigung des Mangels durch den Unternehmer zu wollen, so dass er keine Nacherfüllung mehr verlangen kann. Da der Besteller mit der erklärten Minderung zudem deutlich macht, das Werk trotz des Mangels behalten zu wollen, ist auch ein auf diesen Mangel gestützter Rücktritt grundsätzlich ausgeschlossen. Das Gleiche gilt für den Schadensersatzanspruch statt der Leistung in Form des „großen“ Schadensersatzes, mit dem die Rückgängigmachung des Vertrags verlangt wird (vgl. BGH, Dokument öffnen IBR 2018, 416, zum Kaufrecht).

Diese Rechtsprechung hat das Gericht mit Urteil vom 22.08.2024 nunmehr dahingehend fortgeführt, dass die vom Besteller erklärte Minderung den Anspruch auf Kostenvorschuss wegen eines Mangels, auf den die Minderung gestützt wird, nicht ausschließt. Da sich die Gestaltungswirkung der Minderung auf den Ausschluss der Nacherfüllung und der Rückabwicklung des Vertrags beschränkt, nimmt sie dem Besteller, der das mangelhafte Werk behält, nicht das Recht, sein Leistungsinteresse durch Selbstvornahme mit Kostenerstattung später noch in vollem Umfang durchzusetzen (Dokument öffnen S. 563).

Architekten und Ingenieure versetzt die sog. Akquisephase seit Jahrzehnten quasi in Angst und Schrecken. Die Rechtsprechung unterstellt, dass Architekten häufig bereit seien, auch umfangreiche Architektenleistungen unentgeltlich zu erbringen, um eine mögliche, aber noch nicht gesicherte Realisierung zu fördern (siehe z. B. OLG Celle, Dokument öffnen IBR 2012, 210; OLG Hamm, Dokument öffnen IBR 2009, 278). Auch das OLG Karlsruhe hatte nunmehr darüber zu befinden, wann die Grenze von unentgeltlicher Akquise zum entgeltlichen Architektenvertrag überschritten wird. Im entschiedenen Fall seien spätestens mit Vorlage der Entwurfspläne hinreichende Umstände festzustellen gewesen, um einen konkludenten Vertragsschluss anzunehmen (Dokument öffnen S. 576).

Praktisch relevante Fragen im Zusammenhang mit der Vergütung hatte auch das OLG Schleswig zu klären. Dieses entschied, dass der Architekt nicht an Kostensteigerungen nach Abschluss der Entwurfsplanung partizipiere: Eine Fortschreibung der anrechenbaren Kosten finde nicht statt. Etwas anderes gelte nur bei Kostensteigerungen infolge einer Änderung der Leistungsziele, die nach § 10 HOAI 2013 zu einer Honoraranpassung führen könnten (Dokument öffnen S. 578). Demgegenüber könne das volle Honorar für eine Leistungsphase auch dann geschuldet sein, wenn nicht alle Teilleistungen der jeweiligen Leistungsphase erbracht wurden. Denn ein funktionstaugliches, zweckentsprechendes Werk setze nicht zwingend die Erbringung aller Teilleistungen voraus (Dokument öffnen S. 579).

Im Vergaberecht kann ein öffentlicher Auftraggeber einen Bieter jederzeit von der Teilnahme an einem Vergabeverfahren ausschließen, wenn der betreffende Bieter eine wesentliche Anforderung eines früheren öffentlichen Auftrags erheblich oder fortdauernd mangelhaft erfüllt hat und dies zu einer vorzeitigen Beendigung, zu Schadensersatz oder zu einer vergleichbaren Rechtsfolge geführt hat (§ 124 Abs. 1 Nr. 7 GWB). Dabei hat der Auftraggeber den Nachweis zu führen, dass die Tatbestandsvoraussetzungen für einen Ausschluss wegen Schlechtleistungen vorliegen. Es muss mit hinreichender Sicherheit feststehen, dass der Ausschluss zu Recht erfolgt ist. Allerdings gilt im Vergabenachprüfungsverfahren der Beschleunigungsgrundsatz. Die Nachprüfungsinstanzen sind daher nicht gehalten, die Rechtmäßigkeit einer im Streit stehenden Kündigung im Wege einer vollumfänglichen Inzidentprüfung mit unter Umständen langwieriger Beweisaufnahme wie in einem Bauprozess zu klären. Vielmehr ist anhand des Vorbringens der Beteiligten und der eingereichten Unterlagen zu prüfen, ob der öffentliche Auftraggeber den Nachweis des Vorliegens des Ausschlussgrunds mit der erforderlichen, jedenfalls überwiegenden Wahrscheinlichkeit führen kann, so die VK Südbayern (Dokument öffnen S. 587). Die VK Berlin sieht das genauso (Dokument öffnen S. 588).

Auch alle anderen Beiträge empfehle ich Ihrer Aufmerksamkeit.

Mit den besten Grüßen
Ihr
Dr. Stephan Bolz
Rechtsanwalt
Verleger und Schriftleiter der IBR

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