IBRRS 2024, 2867; IMRRS 2024, 1216; IVRRS 2024, 0506
Prozessuales
Was beweist eine öffentliche Urkunde?
BGH, Beschluss vom 28.08.2024 - XII ZR 62/22
1. Sind öffentliche Urkunden i.S.v. § 415 Abs. 1 ZPO echt und mangelfrei, erbringen sie den vollen Beweis dafür, dass die Erklärung des Urkundsbeteiligten mit dem niedergelegten Inhalt so, wie beurkundet und nicht anders, abgegeben wurde.*)
2. Die inhaltliche Richtigkeit der Erklärung ist nicht von der Beweiskraft erfasst; ob durch die Erklärung über eine Tatsache diese Tatsache selbst bewiesen wird, hat das Gericht im Wege der freien Beweiswürdigung zu entscheiden.*)
3. Diejenige Partei, die eine Aufklärungspflichtverletzung behauptet, trägt dafür die Beweislast. Die mit dem Nachweis einer negativen Tatsache verbundenen Schwierigkeiten werden dadurch ausgeglichen, dass die andere Partei die behaupteten Aufklärungsdefizite substanziiert bestreiten und darlegen muss, wie im Einzelnen aufgeklärt worden sein soll. Dem Anspruchsteller obliegt dann der Nachweis, dass diese Darstellung nicht zutrifft.
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IBRRS 2020, 0527; IMRRS 2020, 0189
Notare
Haftung des Notars für unbefristete Fortgeltungsklausel?
BGH, Urteil vom 23.01.2020 - III ZR 28/19
1. Bei Verwendung einer (unwirksamen) unbefristeten Fortgeltungsklausel in einem von ihm vorformulierten Angebot zum Kauf einer Immobilie handelt der Zentral- bzw. Vollzugsnotar amtspflichtwidrig, wenn er ohne vorherige Abklärung des Willens der Käufer in Bezug auf das weitere Vorgehen im Rahmen der ihm obliegenden "betreuenden" Belehrung die Annahme der Verkäuferin beurkundet und den Kaufvertrag vollzieht, insbesondere, indem er die Fälligkeit des Kaufpreises gegenüber den Käufern bestätigt. *)
2. Da die haftungsausfüllende Kausalität dieser Pflichtverletzung für den eingetretenen Kaufpreisschaden feststeht, betrifft die hypothetische Frage, ob dieser auch bei pflichtgemäßem Verhalten des beklagten Notars entstanden wäre, weil die Urkundsbeteiligten ungeachtet der ihnen gegenüber offengelegten Zweifel an der fortbestehenden Wirksamkeit ihres Angebots an dem Abschluss des Kaufvertrags festgehalten hätten, eine im Rahmen des haftungsausfüllenden Zurechnungszusammenhangs zu beachtende Reserveursache, für die der Notar nachweispflichtig ist.*)
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IBRRS 2016, 1240; IMRRS 2016, 0788
Prozessuales
Mit Anhörungsrüge muss Gehörsverletzung geltend gemacht werden!
BGH, Urteil vom 14.04.2016 - IX ZR 197/15
1. Das Rechtsmittelgericht hat die Entscheidung des unteren Gerichts, aufgrund einer Anhörungsrüge das Verfahren fortzuführen, darauf zu überprüfen, ob die Anhörungsrüge statthaft, zulässig und begründet war.*)
2. Mit einer Anhörungsrüge muss eine Verletzung des verfassungsrechtlich gewährleisteten Anspruchs auf rechtliches Gehör nach Art. 103 Abs. 1 GG geltend gemacht werden. § 321a ZPO eröffnet keine Möglichkeit der Durchbrechung der Rechtskraft bei anderen Verfahrensverstößen (im Anschluss an BGH, Beschluss vom 13.12.2007 - I ZR 47/06, IBRRS 2008, 1562 = IMRRS 2008, 1061).*)
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IBRRS 2014, 1132; IMRRS 2014, 0568
Prozessuales
Drei Tage Fristverlängerung verzögern ein Beweisverfahren nur unwesentlich!
OLG Köln, Beschluss vom 28.02.2014 - 16 W 34/13
1. Gegen die Zurückweisung eines Antrags auf Verlängerung der Stellungnahmefrist zum Sachverständigengutachten und der darin zum Ausdruck gebrachten Feststellung, dass das selbständige Beweisverfahren beendet ist, ist die sofortige Beschwerde statthaft.
2. Im Rahmen der dem Gericht obliegenden Ermessensentscheidung über die Verlängerung der Stellungnahmefrist ist auch zu berücksichtigen, dass eine Fristverlängerung um lediglich drei Tage zu keiner nennenswerten Verzögerung eines selbstständigen Beweisverfahrens führt.
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IBRRS 2010, 2476; IMRRS 2010, 1819
Bauträger
Angebotsbindefrist beim Kauf von Eigentumswohnungen
BGH, Urteil vom 11.06.2010 - V ZR 85/09
1. Bei finanzierten und beurkundungsbedürftigen Verträgen, deren Abschluss eine Bonitätsprüfung vorausgeht, kann der Eingang der Annahmeerklärung regelmäßig innerhalb eines Zeitraumes von vier Wochen erwartet werden (BGB § 147 Abs. 2).
2. Die Qualifizierung eines Verhaltens als schlüssige Annahmeerklärung setzt grundsätzlich das Bewusstsein voraus, dass für das Zustandekommen des Vertrages zumindest möglicherweise noch eine Erklärung erforderlich ist.
3. Zwar kann die Verwendung unwirksamer Klauseln in Allgemeinen Geschäftsbedingungen zu einer Haftung nach den Grundsätzen eines Verschuldens bei Vertragsschluss führen; von dem Schutzzweck der Regelung des § 308 Nr. 1 BGB erfasst sind jedoch nur solche Schäden, die gerade und lediglich durch die überlange Bin-dung des Vertragspartners verursacht worden sind.
4. Das Verstreichenlassen einer im selbständigen Beweisverfahren nach §§ 492 Abs. 1, 411 Abs. 4 Satz 2 ZPO gesetzten Frist führt nicht zu einer Umkehr der Beweislast.