Bau-, Architekten- und Immobilienrecht.
VPR 2/2020 - Vorwort
Liebe Leserin, lieber Leser,
für alle Arten von Vergabeverfahren gilt, dass die Kommunikation im Verfahren nur dann mündlich erfolgen darf, wenn sie nicht Vergabeunterlagen, Teilnahmeanträge oder Angebote betrifft (§ 9 Abs. 2, § 53 Abs. 1 VgV). Bei einer Ausschreibung zu Facility-Management-Leistungen erfolgte ein Verhandlungsgespräch, in dem der Bieter ein Angebotskonzept überreichte, das er als Grundlage für seine Präsentation nutzte. Die VK Rheinland hielt es für mit dem Vergaberecht unvereinbar, die Angebotswertung allein aufgrund der mündlichen Präsentation durchzuführen. Sie stellte klar, dass wesentliche Bestandteile eines Vergabeverfahrens stets in Textform vorgelegt werden müssen. Dazu zählen nach ihrer Ansicht nicht nur das Erstangebot und alle weiteren Angebote, sondern auch Konzepte zur Auftragsdurchführung, die Gegenstand der Angebotsbewertung sind. Mündliche Ausführungen dürfen deshalb nur ergänzend herangezogen werden ( S. 62).
Eine Bewertung mündlicher Präsentationen hielt die VK Bund dagegen in einem Fall für zulässig, bei dem Unterkriterien zu im Präsentationstermin aufgabenspezifisch gestellten Fragen dargelegt wurden. Die VK Bund meint, eine Präsentation darf gewertet werden, wenn diese Wertung hinreichend dokumentiert wird ( S. 63).
Die VK Thüringen hatte sich mit einer Vergabe von Postdienstleistungen zu beschäftigen, bei der vom Auftraggeber Nachunternehmereinsätze vollständig ausgeschlossen wurden. Ein Auftraggeber darf in den Vergabeunterlagen vorgeben, dass bestimmte kritische Aufgaben direkt vom Bieter selbst ausgeführt werden müssen (§ 47 Abs. 5 VgV). Dabei sind unter "kritischen" Aufgaben allerdings Leistungen zu verstehen, die entweder besonders fehleranfällig oder für den Leistungserfolg von besonderer Bedeutung sind. Die VK Thüringen stellte klar, dass mit solchen kritischen Aufgaben deshalb nur Teilleistungen eines Vertrags gemeint sein können, nicht jedoch der gesamte Vertrag. Sie hielt das generelle Nachunternehmerverbot deshalb für wettbewerbswidrig ( S. 45).
Auch alle anderen Beiträge empfehle ich Ihrer Aufmerksamkeit.
Mit den besten Grüßen
Ihr
Stephan Bolz
Rechtsanwalt
Schriftleiter der VPR