Bau-, Architekten- und Immobilienrecht.
VPR 5/2021 - Vorwort
Liebe Leserin, lieber Leser,
hat der Auftraggeber Zweifel an der Angemessenheit der Preise, darf er diese aufklären (§ 15 EU Abs. 1 Nr. 1 VOB/A 2019). Hinzukommen muss jedoch ein konkretes Aufklärungsbedürfnis. Daran fehlt es bei sehr ähnlichen Angebotspreisen der Bieter, so dass eine Preisaufklärung in Ermangelung eines auffälligen Missverhältnisses von Angebotspreis und Leistung unberechtigt ist. Das gilt der VK Nordbayern zufolge selbst dann, wenn der Auftraggeber sich in den Vergabeunterlagen ausdrücklich eine Preisaufklärung vorbehalten hat (VK Nordbayern, VPR 2021, 168).
Weichen die Eintragungen eines Bieters im Leistungsverzeichnis vom Angebotsblatt ab, so dass sich die vom Bieter angebotenen Preise letztlich nicht zweifelsfrei ermitteln lassen, hilft eine Preisaufklärung nicht weiter. Im Fall eines vor der VK Bund anhängigen Vergabenachprüfungsverfahrens hatte ein Bieter im Rahmen des elektronischen Vergabeverfahrens Dateien mit unterschiedlichen Preisen und Datumsangaben auf die Plattform hochgeladen. Die VK Bund meint, dass aufgrund des Datums der Erklärungen nicht automatisch davon ausgegangen werden kann, dass die Erklärung mit dem späteren Datum verbindlich sein soll. Denn für den Auftraggeber ist nicht zweifelsfrei erkennbar, welche Preisangaben zum Angebotsabgabetermin verbindlich vorlagen. Lässt sich die Widersprüchlichkeit der Angaben nur durch Nachforschungen beim Bieter selbst beseitigen, ist die Grenze der Auslegung erreicht, so dass das Angebot ausgeschlossen werden muss (VK Bund, VPR 2021, 167).
Ein Nachprüfungsantrag ist gem. § 160 Abs. 1 Satz 1 GWB schriftlich bei der Vergabekammer einzureichen und unverzüglich zu begründen. Die VK Lüneburg erhielt von einem Bieter ein Dokument per E-Mail mit dem Scan eines eigenhändig unterschriebenen Nachprüfungsantrags im Anhang im PDF-Format, so dass sie darüber entscheiden musste, ob dadurch die für die Einreichung eines Nachprüfungsantrags vorgeschriebene Schriftform eingehalten wurde. Nach Ansicht der VK Lüneburg genügt ein als E-Mail-Anhang übermittelter, mit einer eingescannten Unterschrift versehener Nachprüfungsantrag in Gestalt eines PDF-Dokuments dem Schriftformerfordernis jedenfalls ab dem Zeitpunkt, zu dem er der Vergabekammer ausgedruckt vorliegt (VK Lüneburg, VPR 2021, 189).
Auch alle anderen Beiträge empfehle ich Ihrer Aufmerksamkeit.
Mit den besten Grüßen
Ihr
Stephan Bolz
Rechtsanwalt
Schriftleiter der VPR